9783939069539_leseprobe

Page 1

1 Systemisches Management DR. JOHNY N. WEATHERLY

Was ist Management? Beschreibung und Definition Management ist abgeleitet von manum agere – „mit der Hand führen“. Die Grundaufgabe von Management ist die Verantwortung für die weitere Existenz eines Gutes. So ist der Manager eines Unternehmens für den Fortbestand des Unternehmens, ein Familienvorstand für den Er-

!

M Management heißt zu allererst: Verantwortung übernehmen. Ve

halt der Familie, ein Gebäudemanager für den Erhalt eines Gebäudes zuständig. Idealerweise kann er den Bestand im Verlaufe seiner Tätigkeit sogar vermehren. Wäre nun das Umfeld, in dem und mit dem der Manager zu arbeiten hat konstant, wäre der Erhalt seines ihm anvertrauten Gutes kein allzu großes Problem. In einer sich beständig verändernden Umwelt bedeutet Management jedoch, sich permanent darüber Gedanken zu machen, wie die aktuelle Situation ist, welche Ziele sich daraus für den Erhalt ergeben und wie diese Ziele zu erreichen sind. Wer führen will, muss sich also zunächst soweit freimachen von der täglichen Arbeit, dass er die zu erwartende Zukunft ausreichend sicher einschätzen kann und genug Zeit hat, auf Entwicklungen zu reagieren. Nach klassischem Verständnis ist Management also ein Prozess der Steue-

1

Weatherly_System_M_V19.indd 1

04.02.2009 12:47:06 Uhr


1 Systemisches Management

rung, das heißt im Einzelnen Planung, Organisation, Führung und Kontrolle. Dies gilt auch für alle sozialen Organisationen – Familie, Freundeskreis, oder in der Vereinsführung. Manager sind wir letztendlich alle; wir haben immer schon Dinge auf bestimmte Art und Weise geregelt, geordnet und bearbeitet. Allerdings stehen beim Management im Beruf natürlich ganz andere Werte auf dem Spiel. Daher wird die Führung in Politik und Beruf

!

M Manager sein: Kenntnisse allein reichen nicht – es müssen auch re Erfahrungen dazu kommen.

eben auch Menschen übertragen, die idealerweise neben den dazu gehörenden charakterlichen Eigenschaften spezielle Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt haben. Die besonderen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Management sind: Charakter, Kenntnisse und Erfahrungen. Mit diesem Buch geben wir Ihnen praxiserprobte Kenntnisse an die Hand. An Charakter und Erfahrungen müssen Sie selbstständig arbeiten und mit dem Sammeln von Erfahrungen wird sich Ihr Charakter verändern. Management ist keine Hexerei. Weder wird man über Nacht zum Manager gekürt, noch haben die Methoden des Managements etwas mit Hokuspokus zu tun. Dieses Buch gibt eine Grundlage mit der Sie selbst an sich und mit sich arbeiten müssen. Aber auch für denjenigen, der bereits seit längerer Zeit mit Führungsverantwortung befasst ist, bieten sich hier neue Impulse für die Arbeit, die, mit den bisherigen selbst gemachten Erfahrungen kombiniert und reflektiert (Methode: Lernen aus Erfahrung!), zu nachvollziehbaren Verbesserungen im Management führen können.

!

Sy SSystemik = Den Menschen als solchen begreifen und danach so handeln.

Was ist Systemisches Management? Systemik als beschreibende Grundlage sozialer Funktionen Im Gegensatz zu den eher „klassischen“ Ansätzen in der Betriebswirtschaftslehre beschreibt die Sozialwissenschaft den Menschen als ein System. Dieses Verständnis ist für die Vorgänge in einem Unternehmen und damit für die Ansatzpunkte einer Beeinflussung dieser Vorgänge (Planung, Organisation, Führung, Kontrolle) wesentlich. Für die Betrachtung und Beschreibung von Systemen hat sich seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die Lehre der Systemik vermehrt etabliert. Systemisches Management ist daher Management, das sich der Erkenntnisse der Systemik für die Erfüllung seiner Aufgaben bedient. Unter Systemik wird die geisteswissenschaftliche Lehre von der Funktionsweise von Systemen, unter dem systemischen Arbeitsansatz die Betrachtungsweise eines Systems verstanden. Nach den Erkenntnissen der Psychologie funktioniert der Mensch als System.

2

Weatherly_System_M_V19.indd 2

04.02.2009 12:47:06 Uhr


1

Was ist Management? Beschreibung und Definition

Ein System (v. griech. σύστημα, systema, „das Gebilde, Zusammengestellte, Verbundene“) ist eine Daseinsform, die aus verschiedenen Organen (voneinander unterscheidbaren Einheiten des Systems, die bestimmten Funktionen zugeordnet werden können) besteht und die ihre Existenz und Funktion, als ein Ganzes, durch die Interaktion ihrer Organe untereinander erhält. Da ein System prinzipiell interagiert, ist es grund-

!

S Sy Systeme = ein Komplex in interagierender Organe

sätzlich als dynamisch anzusehen. Es steht in permanenter Wechselwirkung zu seiner Umwelt, wird von dieser beeinflusst und beeinflusst diese seinerseits. Die Basis der Interaktion ist die Verknüpfung und Rückkoppelung von Organen und Prozessergebnissen untereinander. Organe sind zumeist Subsysteme, die ihrerseits ebenfalls systemisch funktionieren. „Die Organe stehen untereinander so in Wechselwirkung, dass keines der Teile völlig unabhängig von allen übrigen Teilen existieren kann und das Verhalten des Ganzen durch den Wirkungszusammenhang der systembildenden Teile beeinflusst ist“ (Probst, 1992). Das System Unternehmen besteht also seinerseits aus Organen (bspw. Bereichen, Abteilungen), die ihrerseits aus Teams oder Einzelpersonen bestehen. Ein wichtiger Aspekt von Systemen sind die so genannten emergenten Eigenschaften (s. Abb. 2). Diese Eigenschaften sind solche, die kein Organ des Systems für sich alleine hat, sondern die erst durch die Interaktion der Organe entstehen können.

!

Emergente Eigenschaften Em AAus Eins und Eins wird etwas völlig Neues.

Beispiel Ein Gehirn ist ein System, das aus mehreren Nervenzellen besteht. Die Nervenzellen interagieren miteinander, wodurch sich bestimmte Funktionen und Strukturen des Gehirns herausbilden. Je mehr Nervenzellen beteiligt sind, desto komplexer, desto „hochwertiger“ ist aber auch das Ergebnis. Für die Funktion des Gehirns ist aber, neben dem Vorhandensein einer ausreichenden Menge von Nervenzellen, insbesondere deren Interaktion notwendig. Emergente Eigenschaft eines hinreichend komplexen Gehirns, das erst aus dieser Vernetzung entsteht, ist die Ausbildung von Bewusstsein. Emergente Eigenschaft von sozialen Systemen aus Menschen sind bei-

Außenwelt

Ergebnis

Einfluss

Selbstwahrnehmung Abb. 2

Grundaufbau eines Systems; © NEWSTAND gGmbH

3

Weatherly_System_M_V19.indd 3

04.02.2009 12:47:06 Uhr


1 Systemisches Management

spielsweise Kooperation und Kultur in Unternehmen bildet sich Teamarbeit und eine eigene Unternehmenskultur als emergente Eigenschaft heraus. Ein Unternehmen kann beschrieben werden als ein System, das minIch bin ein System.

destens zwei Subsystemebenen besitzt. Dies sind zum einen die einzelnen Abteilungen und hierarchischen Gruppierungen des Unternehmens, also beispielsweise Produktion, Einkauf, Marketing, Finanz-

Wir auch.

buchhaltung und zum anderen der einzelne Mitarbeiter selbst, der in seiner Motivation, seinen Erwartungen, Erfahrungen und Verhaltensweisen ebenfalls systemisch funktioniert. Aus der Summe seiner interagierenden Organe entsteht als emergente Eigenschaft des Systems das Unternehmen als wahrnehmbares soziales System. Das bereits sehr komplexe System Unternehmen agiert und kommuniziert über seine Mitarbeiter mit Kunden und der Öffentlichkeit und ist insoweit wiederum Organ weiterer Systeme, bspw. von Verbänden und Branchen.

!

AAus der wechselseitigen RRückkoppelung der Organe regelt sich ein System.

Rückkoppelung von Informationen als Basis des Systems Wie wir schon sagten, die Interaktion der Organe ist die wesentliche Voraussetzung für die Ausbildung emergenter Eigenschaften. Im sozialen System geschieht Rückkoppelung dadurch, dass die Organe über die Ergebnisse ihrer internen Prozesse miteinander kommunizieren und die Ergebnisse der eigenen Prozesse und die Ergebnisse anderer Prozesse wiederum miteinander in Beziehung stehen. Durch die Rückkoppelung entstehen Regelkreise, die eine bestimmte Entwicklung entweder befördern oder hemmen. Die Aktion eines Organs kann also die Aktion eines anderen Organs hemmen oder verstärken, das wiederum per Rückwirkung auf das ursprüngliche Organ hemmend oder verstärkend einwirkt. Wenn alle Rückkoppelungskreise eines Systems verstärkend wirken, geschieht unkontrolliertes Wachstum, das sich schädlich auf den Bestand des Systems auswirkt – ebenso wenn sich alle Regelkreise gegenseitig hemmen. Ideal (und auch typisch für bestandsfähige Systeme) sind Regelkreise, deren Wirkung in der Kombination sowohl verstärkend als auch hemmend wirken.

Beispiel für sich verstärkende Regelkreise Ein Verkäufer, der mit seiner Firma zufrieden ist (das Gehalt ist gut, die Produkte verkaufen sich gut, er kann sich mit der Firma identifizieren), wird seine Einstellung verbal und nonverbal an seine Kunden weitergeben. Seine positive Ausstrahlung überträgt sich auf seine Kunden, diese kaufen deswegen gerne bei ihm, womit es sowohl der Firma besser geht als auch mittelbar wieder dem Verkäufer. Dieser Regelkreis funktioniert auch „andersherum“, ein Verkäufer, der seine Produkte anbieten muss wie „sauer Bier“, wird in steigendem Maße unzufrieden sein und dieses auch ausstrahlen. 4

Weatherly_System_M_V19.indd 4

04.02.2009 12:47:06 Uhr


1

Was ist Management? Beschreibung und Definition

Regelkreise verlaufen in ihrer Wirkung nicht statisch: Regelkreise können in ihrer Wirkung unvorhergesehen umschlagen. Großes Lob motiviert, übergroßes Lob aber macht misstrauisch. Ebenso ist es beim Erlernen neuer Fähigkeiten, ein fordernder Lernstoff trägt zur Motivation des Lernenden bei, Überforderung aber wirkt wiederum demotivierend. Ein weiteres Beispiel für Regelkreise haben wir nachfolgend

!

AAuch Lob muss der Situation aangepasst werden.

(s. Abb. 3) visualisiert. Die täglich geleistete Arbeitszeit vermindert (hemmt) die Zeit, die ein Arbeitnehmer für seine Familie aufbringen kann. Entsprechend hemmt auch die für die Familie aufgewendete Zeit wiederum die zur Verfügung stehende Arbeitszeit. Demgegenüber verstärken sich in der Darstellung die Selbstzufriedenheit (im Job) und die Arbeitszeit. Dieses System tendiert dazu, dass die Zeit für die Familie durch die Motivation des Mitarbeiters immer weiter zurückgeht. Erst wenn die Familie ihrerseits einen Regelkreis etabliert und dem Mitarbeiter ihre Unzufriedenheit mit diesem System vermittelt, pendelt sich dieses System ein. Wer auf Regelkreise Einfluss nehmen will, muss auf die Kommunikation Einfluss nehmen bzw. selbst kommunizieren. Die Folge dieser Einflussnahme (Intervention) ist allerdings nicht leicht abzusehen, zumal das Ergebnis der Intervention durch Vermittlung in andere Organe und Subsysteme hinein verfälscht werden kann. Ein Beispiel, für eine Intervention in einen gut funktionierenden verstärkenden Regelkreis kennen Sie noch aus der Schule: Zwei Störenfriede in der Klasse werden vom Lehrer stets auseinander gesetzt, um ihre Interaktion zu hemmen. Wohlgemerkt, diese Regelkreise funktionieren nur bei Kommunikation der Organe untereinander. Die Summe der gegenseitigen Interaktion und Rückkoppelung ergibt im Idealfall die emergenten Eigenschaften, die den besonderen Wert funktionierender Systeme ausmachen.

Regelkreise und Komplexität Wollte man nun die kommunikativen Regelkreise, die in einem Unternehmen mit 50 Mitarbeitern wirksam sind, allesamt aufzeichnen und auf ihre Wirkung untersuchen, um die Funktionsweise des Systems zu

Zeit für Familie

!

Ko Komplexität heißt auch, dass AAuswirkungen von Handlungen im System nicht vorhersagbar sind.

(-)

(-)

Arbeitsstunden

(+)

(+)

Selbstzufriedenheit Abb. 3

Beispiel für Regelkreise. Arbeitszeit und Zeit für die Familie schwächen sich gegenseitig, Arbeitszeit und Zufriedenheit verstärken sich. © NEWSTAND gGmbH

5

Weatherly_System_M_V19.indd 5

04.02.2009 12:47:06 Uhr


1 Systemisches Management

verstehen, wäre man hoffnungslos überfordert. Die Komplexität des Systems Unternehmen an sich ist bereits zu groß, als das man in jeden Regelkreis so eingreifen könnte, dass man die Auswirkungen des Eingriffs sicher vorhersagen könnte. Soll die Komplexität beherrscht werden, müsste der Manager in Bezug auf die ihm zur Verfügung stehenden Lösungsoptionen mindestens ebenso komplex denken können wie das System an sich. Dazu muss er über ein hinreichend differenziertes Instrumentarium verfügen, um einerseits Probleme eingrenzen und Komplexität reduzieren zu können, und andererseits den richtigen Input ins System geben zu können. Indem der Manager durch Anreiz- und Kommunikationssysteme seinerseits wieder auf das System einwirkt (Beispiel: Einführen von ergebnisorientierten Gehaltssystemen in Verbindung mit monatlichen Teamsitzungen zur Besprechung der Ergebnisse), bedient er sich wiederum des Systems zur Durchsetzung seiner Intentionen. Der Vorteil einer solchen Strategie ist, dass das System mit der ihm eigenen Komplexität beginnt, die Intention des Managers zu verinnerlichen. Die meisten Interventionen des Managements zeigen neben erwünschten Folgen aber auch unerwünschte Folgen. Wer seine Mitarbeiter sehr straff per Einzelanweisung führt, erreicht damit zwar eine hohe Übereinstimmung zwischen Zielvorgaben und Ausführung der Tätigkeiten, indem das System aber für sein Funktionieren abhängig von diesen Anweisungen wird (es wird faktisch nur noch von ihm relevant kommuniziert), ist es in dem Moment, in dem der Manager länger außer Haus ist (Krankheitsfall), nicht mehr leistungsfähig. Diese Erkenntnis wird den Manager in der Überzeugung bestärken – ohne konsequentes Einzelanweisen geht nichts voran. Die Lösung eines solchen, relativ alltäglichen Falles ist, wie Sie erahnen, nicht einfach. Die Komplexität des Systems Unternehmen sorgt für zwei Eigenschaften von Systemen, die wir weiterhin als Manager bedenken müssen.

Komplexität und Stabilität Sy SSysteme bleiben innerhalb von GGrenzen stabil, können jedoch nach Überschreitung der Grenzen nur schlecht wieder „eingefangen werden“.

Komplexe Systeme neigen zur Stabilität. Die Summe der verstärkenden und hemmenden Regelkreise sorgt über einen definierten Zeitraum dafür, dass sich auch für „zerstörerische“ Regelmechanismen entsprechende Ausgleiche finden. Über einen Zeitraum hinweg lässt sich daher beobachten, dass das System in seinem Zustand zwischen verschiedenen Grenzen „pendelt“. So ist beispielsweise zu beobachten, dass sich innerhalb von Märkten Preisschwankungen ergeben, die unterschiedlich stark aber stets wiederkehrend sind. Auch der Biorhythmus eines Menschen pendelt zwischen bestimmten Grenzen. Die kompensatorischen Kräfte können emergente Eigenschaften des Systems sein, die bis zum Erreichen dieser Situation noch nicht beobachtet wurden. Beim Er-

6

Weatherly_System_M_V19.indd 6

04.02.2009 12:47:07 Uhr


1

Historie des Managements

reichen von Grenzsituationen können Menschen plötzlich Eigenschaften und Fähigkeiten entwickeln, die diese vorher nie gezeigt (oder an sich selbst beobachtet) hatten. Diese Stabilität bewahrt sich das System jedoch auch gegen Interventionen durch den Manager.

Komplexität und Selbstheilung Obwohl die Erkenntnis über die Verflechtungen innerhalb und außerhalb eines Unternehmens vergleichsweise banal erscheinen mag, ist eine systemgerechte Herangehensweise an die Unternehmenssteuerung auch heute im Management keine Selbstverständlichkeit. In der Literatur sind jedoch Lösungen für relevante Problemfelder des klassischen Managements stark systemisch beeinflusst.

Historie des Managements Über die Frage, wie Führung zu bewerkstelligen ist, gibt es unterschiedlichste Philosophien, Theorien und Methoden, die sich ebenfalls verändern und einen Spiegel der Problemstellungen darstellen, zu deren Lösung sie entworfen wurden. Aber erst seit etwa einhundert Jahren befasst sich auch die Wissenschaft mit dem Thema Management und untersucht gezielt die Führung und das Management in Unternehmen. Im heutigen Unternehmensmanagement begegnen uns FragestelEine Maschine wird gewartet.

lungen und Probleme mit zeitlichen Planungshorizonten von mehreren Jahren, höherer Komplexität der Problemlagen und letztlich auch höherer Verantwortung für die Menschen. Das Hauptproblem ist die

…ein Mensch aber gepflegt

Komplexität der Managementaufgaben, denn die Umwelt eines Unternehmens, verstanden als die Summe von Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, Konkurrenten, Gesellschaft und Öffentlichkeit, verändert und beeinflusst sich gegenseitig in steigendem Maße. In der Geschichte des Managements unterscheiden wir grundsätzlich zwei Ansätze, nämlich Industrie- und Sozialmanagement.

Industriemanagement Als Industriemanagement bezeichnen wir einen Management-Ansatz, der aus der Spätzeit der Industrialisierung stammt. Einziges Ziel eines Unternehmens ist es, sich zu seinen Konkurrenten in den Parametern Qualität und/oder Preis abzugrenzen und herauszustellen. Ent-

!

Industriemanagement In „Alles hört auf mein Kommando!“ „A

sprechend ist es das Ziel des Managements, den zur Aufrechterhaltung der Produktion notwendigen Ressourceneinsatz möglichst effizient zu gestalten. Die Ressourcen Arbeit (Mensch), Kapital (Geld) und Material (Grund und Boden, Maschinen und Rohstoffe) gelten als austauschbare, gleichwertige Größen. Durch effiziente Arbeitsorganisation wurde versucht, komplizierte Arbeiten so zu gestalten, dass auch schlecht

7

Weatherly_System_M_V19.indd 7

04.02.2009 12:47:07 Uhr


1 Systemisches Management

ausgebildete Menschen (mit entsprechend niedrigen Löhnen) dazu in der Lage waren, hochwertige Sachgüter herzustellen. Das Fließbandsystem Henry Fords war dafür bestens geeignet, da hier nur jeweils ein überschaubarer Arbeitsgang pro Mitarbeiter anfiel. Die frühen Methoden der Arbeitsteilung und Arbeitsbewältigung waren so ausgerichtet, dass mehrere Menschen als Kraftverstärkung zusammenwirkten. Was einer allein mit seiner Körperkraft nicht erreichte, wurde eben mit drei oder zwanzig Mann erledigt. Management hieß in diesen Tagen, wie es Peter F. Drucker sehr treffend beschreibt, insbesondere die Arbeiter zusammenzuhalten und Befehle zum Einsatz zu geben, beispielsweise „Hau ruck!“ oder „Feuer!“. Der Suche nach Effizienz im Arbeitsprozess entsprach die Suche nach Effizienz im Führungssystem, in der das Unternehmen organisatorisch durchstrukturiert wurde, genaue Hierarchien für Anweisungen und Meldungen bestanden und Kennzahlensysteme festlegten, wer was im Unternehmen zu welchen Kosten zu tun hatte. Planung und Kontrolle der Produktion waren, wie in einem Uhrwerk, naturgemäß die wichtigsten Aktivitäten in einem Unternehmen (s. Abb. 4). Der Erfolg dieses Management-Ansatzes war überwältigend, denn er bedeutete für die Volkswirtschaften eine enorme Verbilligung von

!

TTertialisierung Te DDienstleistungen, Menschen und Wissen treten in den Vordergrund.

Maschinen und Investitionsgütern, höheren Wohlstand für die meisten Menschen und ermöglichte die Ausbildung von Industriekonzernen mit internationaler Ausrichtung und Bedeutung. Ab den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts veränderten sich allerdings das gesellschaftliche Umfeld und die sozialen Rahmenbedingungen von Unternehmen erheblich. Mit steigendem Vermögen der Endkunden verlagerte sich der Schwerpunkt der Volkswirtschaften vom so genannten Zweiten Sektor, der industriellen Produktion, auf den Dritten Sektor, den Dienstleistungen. Durch diesen Effekt, „Tertialisierung“ genannt, wurden Dienstleistungen zu dem bestimmenden Faktor einer Volkswirtschaft. Heute arbeitet der bei Weitem überwiegende Teil der Bevölkerung in diesem Sektor, unter anderem in den Berufsfel-

Abb. 4

Fließbandarbeit 1913. Quelle: Wikimedia Foundation

8

Weatherly_System_M_V19.indd 8

04.02.2009 12:47:07 Uhr


1

Historie des Managements

der Gesundheit & Soziales. Zudem veränderte sich das gesellschaftliche Umfeld: Informationen und Nachrichten wurden immer schneller ausgetauscht und die auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Mitarbeiter waren immer besser vor- und ausgebildet. Es zeigte sich, dass sich die Bedürfnisse und Vorlieben der Käufer wie auch die Aktionen und Reaktionen von politischen Gesellschaften, Konkurrenzunternehmen, Banken und Lieferanten, kurz gesagt die Märkte, immer schneller und auch immer tiefgreifender änderten. Auf diese Veränderungen mussten die Unternehmen mit neuen Produkten, Preisen und Informationen reagieren. Dabei wurde deutlich, dass die alten Management-Strukturen zu unflexibel und langsam waren. Information, Kommunikation und Motivation der Mitarbeiter wurden zu bestimmenden Faktoren im Wettlauf um die Kunden, die durch Effizienz nur schlecht zu steigern sind. Es zeigte sich, dass auf „beiden Seiten“, sowohl bei den Kunden, als auch bei den Unternehmen der Mensch der alles bestimmende Erfolgsfaktor ist, auf den die Unternehmensstrategie ausgerichtet sein muss. Erkenntnisse aus den Bereichen der Psychologie und weiterer Wissensgebiete flossen in die Management-Theorien ein und führten zu einem Ansatz, der den Menschen und seine Besonderheiten stärker in den Fokus stellt (s. Abb. 5).

Sozialmanagement Sozialmanagement wird im engeren Sinne als Management in Sozialen Trägergesellschaften/Organisationen verstanden. Im weiteren Sinne bezeichnen wir Sozialmanagement als einen Management-Ansatz, der den Menschen in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit stellt, ihn im Verhältnis zu anderen Produktionsfaktoren für nicht grundsätzlich subs-

!

So SSozialmanagement ist nicht M Management für soziale Organisationen, sondern Management mit sozialer Kompetenz!

tituierbar hält und seine Management-Methoden strikt nach der Natur des Menschen, wie sie sich aus den Erkenntnissen der Psychologie, Soziologie und Philosophie darstellt, ausrichtet. Der Mensch steht im Mittelpunkt des Sozialmanagements, seine Motivation, Kommunikation, Funktion und Interaktion als Kunde, Mitarbeiter, Geldgeber und

Kooperationspartner Angehörige

Medien Mitarbeiter Nachbarn

Zulieferer Banken

Kunden

Wettbewerber

Verkäufer Behörden

Abb. 5

Wohin man sieht: Menschen; © NEWSTAND gGmbH

9

Weatherly_System_M_V19.indd 9

04.02.2009 12:47:08 Uhr


1 Systemisches Management

Öffentlichkeit gilt es zu entwickeln und zu nutzen. Gleichzeitig wird im Sozialmanagement auch dem ethischen Ansatz, dass der Mensch gemäß seiner ihm innewohnenden Würde und Freiheit zu behandeln ist, Tribut gezollt.

!

Was sind Soziale Organisationen?

So SSoziale Organisationen: GGemeinschaftlich planen und handeln unter wechselseitiger Beeinflussung.

Soziale Organisationen beschreiben wir als einen Zusammenschluss von Menschen mit gemeinsamen Zielen, die diese Ziele und ihre Umsetzung gemeinsam planen und durchführen und sich dabei wechselseitig beeinflussen. Soziale Organisationen sind also Vereine, Lottogemeinschaften und Familien ebenso wie komplexe Unternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeitern, eine Arztpraxis oder ein beliebiges Amt für Fischereiwesen in einer deutschen Stadt. Der Begriff „Soziale Organisationen“ beschreibt also nicht ausschließlich Organisationen aus der Branche des Sozialwesens, sondern bezieht sich auf alle Organisatio-

6QPQ_ AZ`Q^ZQTYQZ U_` QUZQ _[fUMXQ ;^SMZU_M`U[Z$

nen in denen Menschen sozial, das heißt gemeinschaftlich und wechselseitig (von lat. socius = gemeinsam, verbunden, verbündet) arbeiten.

aZP N^MaOT` QZ`_\^QOTQZPQ_ 9MZMSQYQZ`

Auch ein freiberuflich tätiger „Einzelkämpfer“ kann ein soziales Unternehmen sein, denn auch er kann sich die Erkenntnisse des Sozialmanagements zunutze machen.

Systemik und Sozialmanagement

!

Sy SSystemik ist die Kern-Komponente ddes Sozialmanagements.

Wie wirkt sich nun die Systemik im Sozialmanagement aus, was ist der Unterschied zum Industriemanagement? Die wichtigste Eigenschaft eines sozialen Managementsystems ist, dass sie sich der Eigenschaften des von ihm zu führenden Systems bewusst ist und seine Führungsmethoden an dieses System anpasst. Da Menschen und ihre sozialen Systeme systemisch funktionieren und Menschen die heute fast einzige dauerhaft relevante Ressource im Dienstleistungssektor darstellen, da auch die Märkte und das weitere Umfeld von Unternehmen (bspw. die Region, in der produziert wird und ihre kommunalen Behörden) letztlich Menschen sind, ist die systemische Herangehensweise die einzig konstruktive, da sie der menschlichen Natur gerecht wird. Im Industriemanagement wird der Mensch instruiert, bestimmte Handlungen und Ergebnisse zu erbringen und entgegenstehende Handlungen und Ergebnisse sanktioniert. Im systemischen Management wird stattdessen das gesamte System, das die erwünschten Erfolge bringen soll, beeinflusst, indem Rahmenbedingungen geschaffen werden, innerhalb derer das System und der Mensch sich entwickeln sollen. Der Handlungsansporn wird im ersten Ansatz durch Sanktion bewirkt; im zweiten Ansatz wird die natürlich vorhandene Tendenz der Systeme zur Entwicklung genutzt und gibt diesem Streben lediglich die Richtung vor und überprüft, ob das System die geschaffenen Bedingungen tatsäch-

10

Weatherly_System_M_V19.indd 10

04.02.2009 12:47:08 Uhr


Historie des Managements

1

lich annimmt. Probleme eines Unternehmens werden in erster Linie als Probleme des Systems an sich verstanden. Dieser Ansatz bedingt natürlich, dass das soziale System des Unternehmens in seiner Funktionsweise hinreichend verstanden und die Führungsmethoden an die spezielle Funktionsweise von Systemen angepasst werden. Interaktion und Kommunikation bewirken das Herausbilden von Funktionen. Es gibt kein Ergebnis ohne Ursache und kein Handeln ohne Wirkung. Aus der Kommunikationsforschung ist bekannt, dass jegliches Verhalten, das zwischenmenschlich wahrgenommen wird, als Signal bzw. Nachricht im Sinne von Interaktion verstanden wird. Je größer also ein System ist, bzw. je mehr Organe und Umwelteinflüsse es besitzt, desto mehr interagiert es, desto vielfältiger sind die Handlungsoptionen, die das System besitzt. Auf ein Unternehmen übertragen bedeutet das, dass die Komplexität des Systems sowohl für das System selbst, das Unternehmen, für den einzelnen Mitarbeiter wie auch für das Management zunimmt. Will das Management die Komplexität der Situationen beherrschen, muss es seinerseits ebenfalls in der Lage sein, komplexe Handlungsmuster abzubilden. Es wird also Komplexität der Herausforderungen durch die Komplexität der Reaktionsmöglichkeiten kompensiert. Da einzelne Menschen nur zur Beherrschung eines gewissen Grades von Komplexität in der Lage sind, bedeutet das für eine Leitung, dass es Teilbereiche des Managements abgeben bzw. auf mehrere Schultern als vorher verteilen muss, um seinerseits reaktionsfähig zu bleiben. Dies ist die systemtheoretische Erklärung für den zu beobachtenden Effekt, dass in Unternehmen zunehmend mit flachen Hierarchien und stärkerer Einbeziehung der Mitarbeiter in Managementprozesse gearbeitet wird. Die Effektivität der Management- und Führungsprozesse ist dementsprechend daran zu messen, wie effektiv die Komplexität der Unternehmensführung reduziert wird. Wir haben bereits erwähnt, dass die emergenten Eigenschaften eines Systems aus der selbständigen Interaktion aller Systemteile miteinander entstehen. Für ein Unternehmen bedeutet dies, dass es die Interaktion seiner Subsysteme, also Abteilungen und der einzelnen Mitarbeiter, wie auch die Interaktion mit seiner Umwelt (Kunden, Geldgeber, Öffentlichkeit) bewusst fördern muss, z. B. die Offenheit von Informationsflüssen durch abteilungsübergreifende Kommunikation, das Etablieren von Rückkoppelungen, beispielsweise durch Kundenzufriedenheitsbefragungen.

Teams als Organe des sozialen Systems Teams, also Arbeitsgruppen von Mitarbeitern, die für eine spezielle Aufgabe dauerhaft oder zeitbezogen zusammengestellt sind, fun-

Te bedeutet nicht eine TTeam Ansammlung A von Menschen an einem Ort zum gemeinsamen Arbeiten! 11

Weatherly_System_M_V19.indd 11

04.02.2009 12:47:08 Uhr


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.