Moderation: Eckart Rüther
Als langjähriger Leiter einer Klinik weiß ich, dass erstens das Gesundheitswesen nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt im Umbruch ist, und zweitens zur zukünftigen Gestaltung des Gesundheitswesens eine gehörige Portion Risikofreude gehört. Um hier nicht Verwerfungen und Anstöße zu produzieren, sollte das notwendigerweise anzunehmende Risiko nach Regeln ablaufen, die von Menschlichkeit, Ethik und Kreativität geprägt sind. Dies ist eben nicht immer der Fall und führt dann zu einer Überschreitung des Risikos und zu Fehlentwicklungen. Der Weg zur Risikokultur hat vier essenzielle Meilensteine, die es zu beachten gilt, die aber in letzter Zeit nicht oder nur wenig berücksichtigt werden, sowohl in der Politik als auch im interinstitutionellen Diskurs. Ob unbewusst oder absichtlich ist Ehrlichkeit im Umgang mit Daten und Absichten unbedingt erforderlich. Die Vertuschung von finanziellen Risiken gehört zur Öffentlichkeitsarbeit vieler öffentlicher Institutionen und wird als Kavaliersdelikt sanktioniert. Im Gegensatz zur geforderten Offenheit gegenüber neuer Möglichkeiten des Ausprobierens und Entwickelns verschließen sich die Führungsriegen und die Ausführenden durch Vermeidung und Abwehr. Aggressive Töne und Degradierung des Gegenübers sind Usus anstelle von Toleranz und Austausch. Die heutige Devise heißt: Nur nichts wagen, kein Risiko eingehen, und wenn, dann nur unter
Prof. Dr. Eckart Rüther Universität Göttingen
Geboren 1940 in Friedrichshafen. Nach seinem medizinischen Staatsexamen in München folgte 1966 die Promotion zum Dr. med., 1985 die Habilitation und 1986 die Professur für Psychiatrie. Von 1987 bis 2006 war Prof. Dr. Rüther unter anderem Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie in Göttingen.
der Bedingung des doppelten Bodens, der dem anderen nicht sichtbar gemacht wird. So ist Risikokultur nicht machbar, wohl aber mit den gelebten Tugenden der Ehrlichkeit, der Offenheit, der Toleranz und mit Wagnis. Health Care der Zukunft umfasst Gesundheit und Krankheit und wird wesentlich gestaltet durch die Ökonomisierung des Gesundheitsmarktes. Nach der WHO ist Gesundheit nicht nur ein Zustand ohne Krankheit, sondern schließt die subjektive Zufriedenheit mit dem Gesamtgefüge körperlichen und seelischen Befindens ein. Risikokultur wäre zu fordern, indem klar die Begrenzung des Mögli-
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