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1 Aktuelle Möglichkeiten der Zukunftssicherung Manfred Werthern Worum geht es? Um Visionen? „Um in der Gesundheitsbranche das zu erreichen, was wir jetzt brauchen, muss man Visionär sein“, sagt Heinz Lohmann, ehemaliges Mitglied des Vorstandes LBK Hamburg. Viele Kollegen würden ins Gesetz schauen, wenn sie etwas bewegen wollten, aber Gesetze seien der Konsens der Vergangenheit, ein abgeschlossener Prozess. „Wir müssen uns vielmehr fragen, was in zehn oder fünfzehn Jahren gebraucht wird und dazu muss man Visionen entwickeln.“ Visionen können befreiend sein, Verkrustungen aufbrechen und Energien freisetzen. Das muss aber nicht zwangsläufig so sein. Wer Visionen anderer ungeprüft und blindlings übernimmt, läuft Gefahr, in die Irre geleitet zu werden. So mag vor wenigen Jahren derjenige Visionär gewesen sein, der über die Betreuung von chronisch schwer erkrankten Patienten mit Hilfe von „Callcenter“ nachgedacht hat. Heute, da die Vision in Teilen Realität geworden ist und hoffentlich wieder verschwindet, werden die Auswirkungen der Entwicklung deutlich und wir fragen uns, ob das Gesundheitssystem, vor allem aber der einzelne Patient, dieses Geschäftsmodell zur Betreuung von Schwerkranken per Telefon wirklich braucht. Wenn der Chor der Meinungsbilder im Namen des Fortschritts unisono nach einer weiteren Ökonomisierung und Zentralisierung von Gesundheits-

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leistungen verlangt, gebührt unser Respekt weniger dem Zukunftsvisionär als demjenigen, der standhaft die Vorzüge einer seit jeher bewährten Vertrauensbeziehung zwischen Patient und Arzt nicht preiszugeben bereit ist, weil seine Erfahrung ihn lehrt, dass darin eine entscheidende Heilungsvoraussetzung liegt. Gegenwärtig wäre eine visionäre Forderung, dass in allen medizinischen Fragen, die die Behandlung des Patienten betreffen, uneingeschränkt und ausschließlich der Arzt zu entscheiden hat, natürlich unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Damit könnte die Entwicklung hin zu einer zunehmenden Deprofessionalisierung des Arztberufes aufgehalten werden.

Um Berufsfreiheit In keiner anderen Berufsgruppe werden Leistungen derart reglementiert, überwacht und von Regressdrohungen begleitet wie bei den niedergelassenen Ärzten. Ob GKV-System, berufsrechtliche Restriktionen bei Aufnahme und Ausübung des Berufes oder Plausibilitätskontrollen, Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Disziplinar- und Entzugsverfahren oder jüngst die „Lebenslangen Arztnummern“ (LANR): Die Ärzte stecken in einer Zwangsjacke, aus der sich die Hausärzteverbände Bayern und Baden-Württemberg als Ultima Ratio durch den kollektiven Ausstieg aus dem vertragsärztlichen System zu befreien versuchen. Es geht um die Rückbesinnung auf die Vorzüge des freiberuflichen Dienstes am Patienten, um die Befreiung von bürokratischer Bevormundung sowie von Vorschriften, die eine Gefährdung der Therapiefreiheit darstellen und das Vertrauensverhältnis zum Patienten beeinträchtigen. Hatte nicht die Bundeskanzlerin ihre erste Regierungserklärung unter das Motto gestellt: Mehr Freiheit wagen?

Um ein angemessenes Einkommen Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank verkündet in ihrer Arztbroschüre: „Nur wer frei von existentiellen Belastungen ist, kann sich ausschließlich seinen Patienten zuwenden. Deshalb ist gerade für Ärzte eine solide wirtschaftliche Basis notwendig.“ Unter dem Motto „Der Gesundheitsmarkt boomt“ wurde für den Gesundheitswirtschaftskongress 2008 geworben. Es fragt sich, für wen der Gesundheitsmarkt boomt. Die Leistungserbringer im ambulanten Sektor spüren davon nichts, denn die Einkünfte aus GKV-Leistungen sind rückläufig. Ein gesichertes Einkommen, das dem Arbeitseinsatz und der Verantwortung des Arztberufes entspricht, ist nicht zu viel verlangt. Es ist die Voraussetzung für die notwendige materielle Unabhängigkeit, um sich der Behandlung des Pa-

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1.1 Überblick

tienten konzentriert widmen zu können. Das Bemühen um eine Ertragssicherung durch wirtschaftlich sinnvolle Praxisführung steht in keinem Widerspruch zur Forderung nach ärztlicher Unabhängigkeit. Im Gegenteil bedingen sich beide Ziele wechselseitig: Nur wer sich frei von finanziellen Zwängen bewegen kann, bewahrt die zur Berufsausübung erforderliche Unabhängigkeit. Dieser Zusammenhang wird in berufsrechtlichen Verfahren, wenn es um die Entziehung der Zulassung/Approbation wegen Vermögensverfall geht, stets betont (BSG 10.05.2000 B 6 KA 67/98). Deshalb hängt die Existenz der Praxis von der Wirtschaftlichkeit der Praxisführung ab.

Nicht zuletzt geht es um Ihre Patienten Laut Umfrage TNS Emnid (2008) wünschen 63 % der Befragten keine Beeinflussung des Arztes bei der Wahl der für sie geeigneten Arzneimittel, weder durch Richtlinien noch durch Vorgaben der Krankenkassen. Das Vertrauen des Patienten in die Unabhängigkeit des Arztes wird durch § 30 Abs. 1 MBO geschützt. Der Schutz umfasst sämtliche therapeutischen Entscheidungen. Wird der Arzt durch externe Eingriffe in seiner Therapiefreiheit beeinträchtigt, leidet darunter das Vertrauen des Patienten als wesentliche Grundlage für den Heilerfolg. In summa geht es darum, Sie mit praxistauglichen Empfehlungen zu unterstützen, damit Sie in Zeiten des Systemwechsels als freiberuflicher Arzt zum Wohl der Patienten arbeiten und aus Ihrer Tätigkeit ein angemessenes Einkommen erzielen können.

1.1 Überblick Noch immer übt die Mehrzahl aller niedergelassenen Ärzte ihren Beruf in der Einzelpraxis aus. Einkommens- und Kostenstrukturvergleiche zeigen, dass der Reinertrag pro Praxispartner in der Gemeinschaftspraxis höher ausfällt als der Ertrag in der Einzelpraxis. So weist der Vergleich bei den Urologen auf der Basis von Zahlen des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2000 eine Differenz von 52.800 € p. a. zwischen Reinertrag je Praxisinhaber zwischen Gemeinschafts- und Einzelpraxen aus. Dennoch muss die Einzelpraxis kein „Auslaufmodell“ sein. Zu vielfältig sind die Faktoren, die bei der Entscheidung über die zukünftige Berufsausübung zu berücksichtigen sind. Bevor über eine strategische Neuausrichtung entschieden wird, sollten die Vor- und Nachteile der beabsichtigten Veränderung gegenüber dem gegenwärtigen Berufsstatus abgewogen werden. Als Grundlage dazu dient die Entscheidungsmatrix Checkliste Nr. 1: „Entscheidungsmatrix Allein oder gemeinsam?“. Aus der Organisationslehre stammt die Erkenntnis, dass jeder geplanten Veränderung eine Bestandsaufnahme vorausgeht, in der umfassend und ohne Beschönigung der gegenwärtige Zustand erfasst wird (IST-Analyse).

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Im zweiten Schritt werden die Ziele bestimmt, die kurz-, mittel- und langfristig erreicht werden sollen (SOLL-Konzept). Die Entwicklung vom gegenwärtigen IST zum zukünftigen SOLL bestimmen sowohl Bedingungen, die die Praxis direkt betreffen und deshalb auch durch den Praxisinhaber und seine Mitarbeiter beeinflusst werden können (interne Faktoren), als auch externe Bedingungen, die als feste unbeeinflussbare Größen in die Entscheidungen einzubeziehen sind. An diesem Prozessablauf orientiert sich der Aufbau des folgenden Kapitels. Die Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems nach der jüngsten Gesundheitsreform und die zukünftigen Entwicklungen werden in dem für die strategische Ausrichtung der Arztpraxis relevanten Umfang dargestellt. Im Gegensatz zu den im Kapitel 1.2 ausführlich behandelten Formen der gemeinsamen Berufsausübung, die durch Verzicht, je nach Vertragsform in unterschiedlicher Intensität, auf Entscheidungssouveränität zugunsten kollegialer Entscheidungsfindung geprägt sind, zeichnen sich die im Kapitel 1.3.1 dargestellten Praxisnetze dadurch aus, dass die einzelnen Netzpartner ihren Beruf weiterhin souverän in eigener Praxis (oder auch in partnerschaftlichen Kooperationsformen) ausüben und nur durch partielle Interessen mit den übrigen Mitgliedern des Netzwerkes verbunden sind. Insofern gibt es zwischen der Berufsausübung im Praxisnetz und in der Teilberufsausübungsgemeinschaft (Teilgemeinschaftspraxis) gewisse Ähnlichkeiten. Die zumindest partielle Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit zugunsten einer Halbtags-Anstellung im MVZ oder Krankenhaus wird in Kapitel 2 erörtert. Mit der erweiterten Anstellungsmöglichkeit und der Aufteilung des Versorgungsauftrages (hälftige Zulassung) hat die Gesundheitsreform zur Flexibilisierung der Berufsausübung beigetragen. Dadurch können die Sektoren ambulant und stationär personell verzahnt werden. Die Option der Anstellung ist zu erwägen, um das mit der selbstständigen Berufsausübung in eigener Praxis verbundene wirtschaftliche Risiko zumindest in der Aufbauphase zu mindern.

1.2 Maßnahmen zur Verbesserung der Praxissituation 1.2.1 Bestandsaufnahme Jede Neuausrichtung setzt zunächst eine grundlegende Analyse der Ausgangsbedingungen voraus. Nur auf dieser Grundlage lassen sich Vorschläge für positive Veränderungen ableiten. Das gilt unabhängig von der Frage, ob die Tätigkeit in der gegenwärtigen Form fortgesetzt werden soll, oder ob die (teilweise) Aufgabe der Entscheidungsautonomie zugunsten einer gemeinsamen Berufsausübung mit Berufskollegen bzw. durch Aufnahme einer Teil-Anstellung im Krankenhaus oder MVZ geplant ist. Deshalb beschäftigen wir uns nachfolgend intensiv mit Fragen der Praxisanalyse.

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1.2 Maßnahmen zur Verbesserung der Praxissituation

Praxisanalyse Bestandsaufnahme und Praxisanalyse bilden die Grundlagen sowohl für eine strategische Ausrichtung der Praxis wie für ein u. U. notwendiges Sanierungskonzept, von dem die Hausbank zu überzeugen ist. Sie muss das Sanierungskonzept mittragen, um gegebenenfalls die Kreditlinie zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen zu erhöhen. Die Praxisanalyse soll Schwachstellen und Entwicklungsmöglichkeiten aufdecken. Unter die Lupe werden Praxisorganisation, Kosten, Umsatz, Konkurrenzsituation am Praxisstandort, Patientenstruktur, Leistungsspektrum und Abrechnungsverhalten genommen. Die Analyse der Arztpraxis umfasst Ertragsanalyse, strategische Analyse, Organisationsanalyse und Finanzanalyse. Die Ertragsanalyse beantwortet die Frage nach der Rentabilität der Praxis, die strategische Analyse sieht die Praxis im Vergleich zu anderen Praxen und die Organisationsanalyse untersucht, ob die Praxis betriebswirtschaftlich geführt wird. Bei der Finanzanalyse geht es um die entscheidende Frage, wie viel Geld dem Praxisinhaber zur Lebensführung zur Verfügung steht.

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Hinweis Hinwe Zur Optimierung der Abrechnung kann ein „Abrechnungscheck“ sinnvoll sein, den ein spezialisiertes Beratungsunternehmen zum Pauschalpreis anbietet. Es werden die Daten der KVDT-Diskette ausgewertet. Um einen umfassenden Vergleich der Praxisdaten mit anderen Praxen durchzuführen, sollte eine umfassende Datenanalyse durchgeführt werden, die das DATEV-Programm Lexinform Wirtschaft ermöglicht.

Das Programm DATEV Lexinform Wirtschaft enthält: zum Praxisvergleich geeignete kumulierte Jahresendwerte der DATEV BWA für verschiedene Kostenarten und zum Betriebsergebnis; die Auswertungen sind nach verschiedenen Umsatzklassen gegliedert und lassen einen Vergleich der Erlös- und Kostenkonten der Praxis mit dem Branchendurchschnitt zu;

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Brancheninformationen, Analysen Dresdner Bank und Volks- und Raiffeisenbanken mit Darstellung der Wettbewerbs- und Ertragslage; für Neugründung oder Erwerb einer Praxis Standortdaten wie Alter, Bevölkerungszahlen, Kaufkraftkennziffern und Arbeitslosenquote zu rund 14.000 Orten und bundesweit sämtlichen Landkreisen; Gehaltsspiegel für Arzt-/Zahnarzthelferinnen; berücksichtigt werden Alter, Ausbildung, Praxisgröße und regionale Unterschiede; zielgenaue Adressenselektion nach medizinischen Fachgruppen, für Umfeldbetrachtung, Potenzialanalyse, Ansprache neuer Patienten. Die Informationen werden über den Berater zur Verfügung gestellt. Da sich die (kreditgebende) Bank an diesen Analysen orientiert, gehört es zur sorgfältigen Vorbereitung eines Kreditgesprächs, die Informationen vorher einzuholen, um die Praxissituation im Vergleich zu den Bankanalysen darstellen zu können.

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Hinweis Beratungsförderung Hinwe Ein kostenloses Informationspaket „Fördermittelrecherche“ mit rund 1000 Förderprogrammen der EU, des Bundes und der Länder kann beim Recherchedienst DATEV 0911-276-2194 Fax 0911-276-2044 recherchedienst@datev.de abgerufen werden.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) fördert die Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen. Dazu zählen auch Arztpraxen mit einem Umsatz unter 1,28 Mio. €. Die Förderung zielt auf einen Ausgleich bestehender Wettbewerbsnachteile des Mittelstandes ab. Zudem soll ein wirksamer Beitrag für die Beschäftigungspolitik geleistet und die Bereitschaft zur Existenzgründung erhöht werden. Es sind folgende Beratungsleistungen förderfähig: Existenzgründungsberatung: Die Beratung muss dem Praxisgründer/ -übernehmer Auskunft darüber geben, ob sein Vorhaben geeignet ist, zu einer Vollexistenz zu führen. Diese Beratung wird mit 50 % der Beratungskosten, maximal mit 1.500 €, bezuschusst. Existenzaufbauberatung: Sie dient der Festigung der gegründeten oder übernommenen Praxis. Eine Förderung ist nur innerhalb von 3 Jahren nach der Gründung/der Übernahme in gleicher Höhe wie bei der Existenzgründungsberatung möglich. Allgemeine Beratung: Die allgemeine Beratung soll Hilfestellung zu allen Fragen der Unternehmensführung bieten. Eine Förderung ist hier drei Jahre nach der Praxisgründung mit 40 % der Beratungskosten, maximal mit 1.500 €, möglich.

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Die Beratung muss sachlich, zielgerichtet und zeitlich begrenzt sein (Intensivberatung). Sie zielt darauf ab, den (zukünftigen) Praxisinhaber in die Lage zu versetzen, eine unternehmerische Entscheidung zu treffen. Dazu muss die Beratungsleistung in einem Beratungsbericht dokumentiert werden, der dem Praxisinhaber/-gründer als Arbeits- und Entscheidungsgrundlage dient. Der Förderantrag ist vom beratenen Praxisinhaber/-gründer innerhalb von drei Monaten nach Abschluss der Beratung in folgenden Schritten zu stellen: Nach Abschluss der Beratung und Vorlage des Beratungsberichts wird die Honorarrechnung des Beraters per Überweisung beglichen. Unter www.beratungsfoerderung.net wird der Online-Antrag aufgerufen und nach den Hinweisen ausgefüllt. Der Antrag wird von einer Leitstelle vorgeprüft. An diese Leitstelle wird der Beratungsbericht mit der Kopie des Kontoauszugs als Zahlungsbeleg geschickt. Bei positivem Bescheid werden die Fördermittel innerhalb von einigen Wochen überwiesen.

Hinweis Insolvenz Hinwe Die Zulassung bzw. der Vertragsarztsitz ist als „öffentlich-rechtliche Berechtigung“ weder pfändbar noch unterliegt sie dem Insolvenzbeschlag. Deshalb ist im Fall der Insolvenz der Insolvenzverwalter in aller Regel an der Praxisfortführung interessiert.

Analyse Finanzstatus, Totalrechnung Wegen der engen Verflechtung von Praxis und privaten Belastungen reicht der Überblick über die finanzielle Situation der Praxis nicht. Vor nervenaufreibenden Liquiditätsengpässen mit den damit verbundenen schwierigen Bankgesprächen schützt allein die Totalrechnung. Viele Arztpraxen, das gilt auch für andere Freiberufler, verfügen über eine den Praxisinhaber und seinen Steuerberater zufriedenstellende Struktur. Die guten Zahlen schützen jedoch nicht vor plötzlich auftretenden Liquiditätsengpässen, die durch steuerlich neutrale Verpflichtungen im privaten Bereich entstehen. Nur die Totalrechnung ermittelt sämtliche Einnahmen und Ausgaben, gleich ob sie in der Praxis oder im privaten Bereich begründet sind. Die Abschreibungen stellen eine fiktive Größe dar. Hinzugerechnet wird der Verdienst des (Ehe-) Partners aus selbstständiger oder angestellter Tätigkeit und alle sonstigen Einnahmen aus Miete, Zinsen, Wertpapieren etc. Der Mittelherkunft steht die Mittelverwendung gegenüber, dazu zählen:

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Beiträge an das Altersversorgungswerk, Beiträge an Versicherungsgesellschaften, Tilgungsleistungen, Privatentnahmen für Lebenshaltungskosten, Unterhaltsleistungen, Hypothekenzinsen, etc.

Mittelherkunft und Mittelverwendung werden wie folgt gegenübergestellt (s. Tab. 1).

Tab. 1

Mittelherkunft und Mittelverwendung

Mittelherkunft

Mittelverwendung

Gesamteinnahmen aus KV Einnahmen Privatliquidation ./. Personalkosten ./. sonstige Kosten

Aufwendungen Altersvorsorge Sparbeträge Lebenshaltungskosten

= Betriebsergebnis

Überschuss/Unterdeckung

Das Beispiel einer Totalrechnung finden Sie in der Checkliste Nr. 3.

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Hinweis Steuerstrategie Hinwe Sie haben zum Jahresende folgende Möglichkeiten, die Höhe der von Ihnen zu entrichtenden persönlichen Steuern, Einkommensteuer, Solidarzuschlag in Höhe von 1 % des Einkommensteuerjahresbetrages und die Kirchensteuer zu beeinflussen:

Verlagerung der Gewinne in das kommende Jahr, Verlängerung bzw. Verkürzung von Abschreibungszeiten, Verminderung des voraussichtlichen Jahresgewinns durch Anschaffung von sofort abschreibbaren geringwertigen Wirtschaftsgütern.

Um die Praxis wirtschaftlich steuern zu können, müssen die Ergebnisse der Finanzbuchhaltung monatlich ausgewertet und vom Praxisinhaber zur Kenntnis genommen werden. Der Steuerberater sollte im Oktober/November das Jahresergebnis vorläufig ermitteln und daraus das voraussichtlich zu versteuernde Einkommen im Voraus berechnen. Ist die Steuerbelastung abzüglich bereits geleisteter Vorauszahlungen hoch, können Einnahmen in das neue Jahr verlagert werden, indem Rechnungen aus Privatliquidation erst im Dezember gestellt, und gewinnmindernde Ausgaben für Praxisbedarf und geringwertige Wirtschaftsgüter zum Jahresende veranlasst werden. Eine Gewinnverschiebung kann auch dann ratsam sein, wenn für das Folgejahr Steuersenkungen oder Steuererhöhungen angekündigt sind. So ist zu

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überlegen, die Sonderabschreibungen von 20 % zusammen mit der degressiven Abschreibung geltend zu machen. Das führt dazu, dass im alten Wirtschaftsjahr von einem Wirtschaftsgut mit längerer Nutzungsdauer insgesamt 40 % Abschreibung steuerlich berücksichtigt werden.

Analyse Kosten Als Richtschnur gilt, dass im Durchschnitt ein Umsatz von 180–250 € pro Stunde erforderlich ist, um die Kosten zu decken. So ist eine Beratung, die eine halbe Stunde dauert und mit einer Konsultationsgebühr von 50–80 € honoriert wird, nicht kostendeckend. Um eine genauere Umsatzkalkulation pro Arzt-Sprechstunde vorzunehmen, sind die betrieblichen Kosten nach BWA zu den notwendigen Privatausgaben, Lebenshaltungskosten, persönlichen Steuern, eventuellem Kapitaldienst für Kapitalanlagen, Altersversorgung und sonstigen Tilgungsraten zu addieren. Das ergibt den Praxismindestumsatz pro Jahr, der auf der Basis von 211 Arbeitstagen und einem Verwaltungsanteil von 30 % mit 147,7 Arbeitstagen für Patientensprechstunden umgerechnet wird. Die Praxiskosten lassen sich durch Vergleich mit den Kostenquoten der Fachgruppe in den Kostengruppen Personal, Material und Verwaltung analysieren. Diese Vergleichswerte liefern Beratungsprogramme aus anonymisierten Daten der Betriebsauswertungen von vergleichbaren Praxen.

Analyse Praxisorganisation, Qualitätsmanagement Praxisorganisation Die Überprüfung der Praxisorganisation können Sie selbst (routinemäßig) in regelmäßigen Zeitabständen, verbunden mit einer anschließenden Mitarbeiterbesprechung durchführen oder von Mitarbeitern eines darauf spezialisierten Beratungsunternehmens oder aber auch im Rahmen des Qualitätszirkels durch Mitarbeiter eines befreundeten Praxisinhabers durchführen lassen. Schwerpunkte sind:

Rezeption, Sprechzeiten und Terminvergabe, medizinische Funktionsbereiche äußeres Erscheinungsbild der Praxisräume, Dienstpläne (Ressourceneinsatz), Personal (Freundlichkeit, Kommunikationsfähigkeit, Erscheinungsbild), Zeitmanagement Ärzte, Funktionalität der Arbeitsabläufe sowie Praxismarketing.

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Auswirkungen EBM 2008 auf die Praxisorganisation Auswi

Stets den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt als obligaten Leistungsinhalt der Versichertenpauschale anstreben, um je nach Altersgruppe des Patienten zwischen 900 und 1020 Punkte abrechnen zu können. Wiedervorlagesystem der Patientenakte einführen, um a) zu berücksichtigen, dass Leistungen, die nach EBM krankheitsfallbezogen abzurechnen sind, erst nach Ablauf von 4 Quartalen wieder abrechenbar sind. b) Patienten auf ihren Wunsch und in Absprache mit Ihnen zu regelmäßigen Präventionsleistungen, wie Früherkennungs- und Gesundheitsuntersuchungen, zu bestellen. Diese Leistungen werden außerbudgetär vergütet. Für telefonische Beratung von erkrankten Patienten (abrechenbar nach GOP 01435) feste Tageszeit außerhalb der Sprechstundenzeiten einplanen. Praxispersonal anweisen, Krankheitsfälle, die nach EBM 2008 bei der Berechnung des Laborbudgets unberücksichtigt bleiben, bei Beginn der Behandlung auf dem Abrechnungsschein einzutragen. Das Gleiche gilt für Praxisbesonderheiten im Rahmen von Richtgrößenvereinbarungen zu Arzneiverordnungen.

Organisation Behandlungstermine Terminabsprachen sind für Patienten wie für den Arzt vorteilhaft: Sie ersparen dem Patienten Wartezeiten und helfen in der Praxis, den Patientenstrom in geordnete Bahnen zu lenken. Erscheint der Patient trotz Terminvereinbarung nicht, so ist das mehr als ärgerlich; bei zeitintensiven Behandlungen kann es zu einem Behandlungsausfall führen.

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Hinweis Hinwe

Mit einer ausdrücklichen Ausfallvereinbarung sind Sie auf der sicheren Seite und können das Honorar (bei Privatpatienten und Schadenersatz bei Kassenpatienten) für den Behandlungsausfall liquidieren. Dazu sollten Sie die Regelungen im Behandlungsvertrag wie folgt ergänzen: Um Ihnen unnötige Wartezeiten zu ersparen, vereinbaren wir mit unseren Patienten Behandlungszeiten. Unser Bestellsystem setzt Termintreue bei uns aber auch bei Ihnen voraus. Deshalb bitten wir Sie, Ihren für Sie reservierten Termin einzuhalten, oder spätestens 24 Stunden vorher telefonisch den Termin freizugeben. Sollten Sie unverschuldet gehindert sein, den Termin wahrzunehmen, teilen Sie uns die Hinde-

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rungsgründe bitte unverzüglich mit. In allen übrigen Fällen, in denen Sie den Behandlungstermin nicht absagen, behalten wir uns vor, den Behandlungsausfall mit dem durchschnittlichen Honorar von ... € je angefangener halben Stunde in Rechnung zu stellen. Das AG Fulda (16.05.2002 34 C 120/02) hält eine Ausfallvergütung von 75 € für angemessen. Da sich im umgekehrten Fall auch der Patient bei nicht entschuldbarem Terminausfall auf diese Vereinbarung berufen und Schadenersatz verlangen kann, ist die Vereinbarung nur bei einer tatsächlich reibungslos laufenden Bestellpraxis empfehlenswert.

Qualitätsmanagement Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeuten und MVZ sind nach § 135 a Abs. 2 Nr. 2 SGB V verpflichtet, ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement nach den Richtlinien des G-BA bis spätestens 2010 einzuführen und weiterzuentwickeln. Das Qualitätsmanagement ist ein wesentliches Bindeglied zwischen Praxen, die sich in einem Ärztenetzwerk zusammenschließen. Plant man eine Kooperation mit anderen Praxen, so ist eine Abstimmung über die gemeinsamen Qualitätsziele notwendig. Die koordinierte Einführung eines einheitlichen Systems senkt die Kosten und erhöht die Wirksamkeit des Systems bereits in der Einführungsphase. Die Absprache über Auswahl und gemeinsame Einführung eines geeigneten QM-Systems kann den Aufwand pro Praxis u. a. durch gemeinsame Schulungsveranstaltungen für das Praxispersonal verringern und gleichzeitig den Ausgangspunkt zum Aufbau eines Qualitätszirkels bilden. Qualitätsmanagement sollte nicht als gesetzliches Übel, sondern als ein Instrument verstanden werden, um Arbeitsabläufe zu verbessern, die Eigeninitiative, Verantwortung und Motivation von Mitarbeitern zu steigern, Schwachstellen in der Organisation zu identifizieren und zu beseitigen, die Einhaltung von Vorschriften sicherzustellen sowie wichtige Arbeitsabläufe in der Praxis zu dokumentieren. Damit haben die Mitarbeiter jederzeit ein (elektronisch geführtes) Nachschlagewerk zur Verfügung. Das erlaubt ihnen, die vorgegebenen Aufgaben nach einer Checkliste abzuarbeiten, ohne einzelne Arbeitsschritte zu übersehen oder zu vergessen. Die Effizienz der Praxis steigt durch standardisierte Arbeitsabläufe. Das vorhandene Wissen wird gesichert und steht bei Bedarf sofort zur Verfügung.

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