TEIL I: GRUNDLAGEN
1 Einleitung Wie entwickeln, legitimieren und internalisieren Menschen in Organisationen das soziale Konstrukt, welches sie als ihre Strategie bezeichnen? Obwohl diese einfache Frage für die Strategieforschung fundamental erscheint, gibt es darüber erstaunlich wenig empirische Erkenntnisse (Regnér, 2003). Die Ursache dieses Phänomens ist darin zu vermuten, dass die Definition von Strategie vom Forscher in der Regel als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Zumindest gilt die Annahme, dass die Strategie ab dem Zeitpunkt der Definition durch einen Entrepreneur fertig konstruiert ist (Orlikowski, 2000). Dieser kritischen Annahme der Stabilität von Strategiekonzepten im Verlauf ihrer Realisierung gilt das Forschungsinteresse dieser Dissertation. Sie geht der Frage nach, wie Führungskräfte mit ihrem Konzept von Strategie in eine bestehende Organisation intervenieren und damit fortlaufend Kontexte schaffen, die wiederum auf die situative Anwendung dieser Strategie und ihre Promotoren zurückwirken (Knoblauch, 1995). Das Ziel der Forschung ist also, das Repertoire von Praktiken und deren sinnhafte Deutung durch die Beteiligten zu rekonstruieren, um zu verstehen „how plans were translated into action and, by so doing, how they got modified, adapted and changed“ (Tsoukas & Chia, 2002). Und weil die Strategiearbeit in ein soziales Geflecht eingebunden ist, gilt es zu beachten, wie die Transformation des Konzepts von Strategie mit der Rekonstruktion von Rollen, Interaktionsordnungen und Orten der Bearbeitung verknüpft sind (Barley, 1986). Die Bearbeitung des Forschungsinteresses erfolgt anhand einer ethnographischen Einzelfallstudie in einem Universitätsspital, dessen Spitalleitung sich für eine Schwerpunktstrategie entschieden hat. Anhand der Initiative Behandlungszentren, welche diese Strategie konkretisiert, rekonstruiert der Forscher, wie die Handelnden spezifische Kontexte erzeugen, welche die „strategy-in-use“ (Jarzabkowski, 2004) über die Zeit und die Hierarchien der Umsetzung fortlaufenden Transformationen unterziehen (Goffman, 1980). Definition des zentralen Konstrukts und der Forschungsstrategie Neben der Schwierigkeit, Strategien als starre Konstrukte anzunehmen, widerspricht die klassische Strategieprozessforschung einem sozialkonstruktivistischen Vorgehen auch darin, die Definition dieses Konstrukts vorauszusetzen, anstatt empirisch dessen intersubjektive Aushandlung durch die Organisationsmitglieder zu rekonstruieren. Wenn Chandler Strategie als „the determination of the basic long-term goals and objectives of an enterprise, and the adoption of courses of action and the allocation of 1