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Qualitätskultur Francesco De Meo und Ralf Kuhlen
Jeder äußert sich mittlerweile zur Qualität in der deutschen Krankenversorgung. Die meisten betonen, dass die deutsche Krankenversorgung im internationalen Vergleich einen hohen Standard aufweise. Einige bemängeln die Qualität der Ärzte, andere die in der Pflege. Manche sehen in den Ärzten geldgetriebene Medizinhandwerker, andere beklagen die Kommerzialisierung aller medizinisch-pflegerischen Dienstleistungen auf einem zum Marktplatz verkommenen Gesundheitssektor, einige rufen gar den Pflegenotstand aus, hervorgerufen durch das DRG-System. Portale tummeln sich mittlerweile im Internet, alle dem Patienten verpflichtet propagieren sie Orientierung hin zu bester Qualität. Jeder bekennt sich zur Qualität, und hält sich für den Besten. Alles gut, müsste man also meinen. Die Qualität in der Medizin kommt in Deutschland voran. Die Patienten können sich beruhigt auf beste deutsche Qualität verlassen. Indes, nicht hinter allem was sich Qualität nennt, steckt auch wirklich Qualität. Gerade die Ärzte haben sich lange gegen eine Qualitätsdiskussion grundsätzlich gewehrt. Qualität in der Medizin sei nicht messbar, hieß es. Medizin sei eine Kunst, mithin keine Frage der Qualität sondern eine Frage des ethischen Einsatzes im Sinne der
Patienten. Mit der Selbstverpflichtung der Ärzte im hippokratischen Eid sei dies gewährleistet. Auch wenn diese stark idealisierte Sichtweise jedenfalls bei der überwiegenden Mehrheit der deutschen Mediziner mittlerweile überholt ist, wird im Detail weiterhin um alles gestritten. Darum was zu messen sei. Darum wie zu messen sei. Darum wer überhaupt messen dürfe oder könne. Darum was mit den Ergebnissen zu machen sei. Zutreffend wird also von vielen Seiten bemängelt, dass zu viel diskutiert und zu wenig getan wird. Dennoch wird diese Diskussion noch einige Zeit weiter im Nebel wabern. Ausgang noch unklar. Zumal Marketingprofis das Thema für sich erkannt haben. Sie basteln betriebsam an Qualitätsportalen, die Entscheidungshilfen liefern sollen – teils echte, teils vermeintliche, teils missverständliche und vielleicht dann auch gefährliche. Sie zielen auf Patienten, Angehörige, Politiker, zuweisende Ärzte, sind fokussiert und dimensioniert nach echten oder vermeintlichen Interessengruppen, versprechen Orientierung und Verlässlichkeit, werben um Vertrauen. Wir werden endlich transparent, heißt es etwa. Eine Informationsflut wird losgetreten, ähnlich der Flut in so manchen Fernsehkanälen. Jeder mag selbst einschätzen, wohin das am Ende führt.
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