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Qualitätskultur Francesco De Meo und Ralf Kuhlen

Jeder äußert sich mittlerweile zur Qualität in der deutschen Krankenversorgung. Die meisten betonen, dass die deutsche Krankenversorgung im internationalen Vergleich einen hohen Standard aufweise. Einige bemängeln die Qualität der Ärzte, andere die in der Pflege. Manche sehen in den Ärzten geldgetriebene Medizinhandwerker, andere beklagen die Kommerzialisierung aller medizinisch-pflegerischen Dienstleistungen auf einem zum Marktplatz verkommenen Gesundheitssektor, einige rufen gar den Pflegenotstand aus, hervorgerufen durch das DRG-System. Portale tummeln sich mittlerweile im Internet, alle dem Patienten verpflichtet propagieren sie Orientierung hin zu bester Qualität. Jeder bekennt sich zur Qualität, und hält sich für den Besten. Alles gut, müsste man also meinen. Die Qualität in der Medizin kommt in Deutschland voran. Die Patienten können sich beruhigt auf beste deutsche Qualität verlassen. Indes, nicht hinter allem was sich Qualität nennt, steckt auch wirklich Qualität. Gerade die Ärzte haben sich lange gegen eine Qualitätsdiskussion grundsätzlich gewehrt. Qualität in der Medizin sei nicht messbar, hieß es. Medizin sei eine Kunst, mithin keine Frage der Qualität sondern eine Frage des ethischen Einsatzes im Sinne der

Patienten. Mit der Selbstverpflichtung der Ärzte im hippokratischen Eid sei dies gewährleistet. Auch wenn diese stark idealisierte Sichtweise jedenfalls bei der überwiegenden Mehrheit der deutschen Mediziner mittlerweile überholt ist, wird im Detail weiterhin um alles gestritten. Darum was zu messen sei. Darum wie zu messen sei. Darum wer überhaupt messen dürfe oder könne. Darum was mit den Ergebnissen zu machen sei. Zutreffend wird also von vielen Seiten bemängelt, dass zu viel diskutiert und zu wenig getan wird. Dennoch wird diese Diskussion noch einige Zeit weiter im Nebel wabern. Ausgang noch unklar. Zumal Marketingprofis das Thema für sich erkannt haben. Sie basteln betriebsam an Qualitätsportalen, die Entscheidungshilfen liefern sollen – teils echte, teils vermeintliche, teils missverständliche und vielleicht dann auch gefährliche. Sie zielen auf Patienten, Angehörige, Politiker, zuweisende Ärzte, sind fokussiert und dimensioniert nach echten oder vermeintlichen Interessengruppen, versprechen Orientierung und Verlässlichkeit, werben um Vertrauen. Wir werden endlich transparent, heißt es etwa. Eine Informationsflut wird losgetreten, ähnlich der Flut in so manchen Fernsehkanälen. Jeder mag selbst einschätzen, wohin das am Ende führt.

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Außen vor bleibt bei dieser ganzen Diskussion und den „Portal-Gründerzeiten“ ein Aspekt, auf den es in der Sache aber eigentlich ankommt. Den Aspekt der Qualitätskultur. Qualität in der Krankenversorgung ist keine Frage der Daten: Diese sind da, man müsste sie nur zusammenführen. Sie ist auch keine Frage der Messbarkeit, solange man sich auf das praktisch für die Patienten Machbare besinnt, statt an – intellektuell sicher spannenden – wissenschaftlichen Türmen zu bauen. Qualität in der Krankenversorgung ist eine Frage der Kultur. Dies mögen vier Erkenntnisse aus der Praxis etwas veranschaulichen.

1.1 Qualität ist eine gemeinsame Aufgabe Bei der Aufarbeitung von Behandlungsfehlern trifft man stereotypisch auf Abwehrreaktionen.

Am Behandlungsfehler sind dann fast immer die Anderen schuld: Bei der Patientenaufnahme wurde etwas nicht bedacht. Der Patient wurde von der Anästhesie nicht richtig vorbereitet. Der Chirurg hatte einen schlechten Tag. Die Schwestern haben die Tupfer nicht richtig gezählt. Wenn wir gewusst hätten, dass dies und das vorliegt, dann hätten wir natürlich anders gehandelt. Es ist ja kein Wunder, dass so was passiert bei dem ganzen Kostendruck und der Sparwut der Verwaltung. Schuldzuweisungen machen auch vor Sektoren nicht halt. Der Patient wurde oder wird vom Hausarzt mit falschen Medikamenten behandelt. Rehabilitationskliniken und ambulante Dienste kümmern sich nicht richtig um übergeleitete Patienten. Oft heißt es von dort, der Patient wurde im Krankenhaus schlecht operiert. Oder am Ende war es wieder mal das Schicksal – wo gehobelt wird, da fallen bekanntlich auch Späne. Es handelt sich bei alledem um zutiefst menschliche Reaktionen.

Qualitätskultur bedeutet, mit diesen bekannten Quali Ausflüchten offen um zu gehen. Allen in der Krankenversorgung Tätigen muss deutlich ge-

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macht werden, dass Qualität eine gemeinsame Aufgabe ist. Egal wo ein Fehler gemacht wird, am Ende trifft es immer den Patienten. Dementsprechend hilft es nicht, das Thema mit Schuldzuweisungen zu erledigen, hiervon wird sich nichts ändern, und derselbe Fehler wird vermutlich wieder passieren. Vielmehr geht es darum festzustellen, wo im Gesamtablauf Fehler gemacht wurden und wie jeder einzelne in der – ggf. sektorübergreifenden – Versorgungskette diese künftig vermeiden kann. Da ist es nicht nur legitim, sondern notwendig, dass man sich auch über den eigenen Bereich hinaus einmischt. Wenn etwa auch die Pflegekraft den Arzt auf Fehler hinweist, etwa weil hygienische Vorschriften nicht beachtet oder Checklisten nicht umgesetzt werden. Genauso ist es legitim, wenn ein Arzt die Pflegekraft zu mehr Sorgfalt etwa bei der Lagerung eines Patienten anhält. Fehler passieren nur, weil es im Krankenhausalltag zu hektisch geworden sei? Sei’s drum. Jedenfalls ist es eine gemeinsame Aufgabe – auch mit Einbindung der Geschäftsführung oder Verwaltung – über eine Veränderung von Abläufen und Strukturen nachzudenken. Die Einweiser machen Fehler oder die Patienten kommen nach einer missglückten Weiterbehandlung wieder zurück? Anlass für eine gemeinsame Schulung über Sektoren hinweg!

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N wenn eine Kultur vorherrscht, bei der QualiNur tät als eine gemeinsame Aufgabe verstanden wird, geht es nicht mehr (nur) um Fehlerabgrenzung sondern um eine gemeinsame Problemlösung.

Dann lassen sich erkannte Qualitätsdefizite für die Zukunft im Interesse der Patienten beseitigen, über Abteilungen, Fachgebiete und gar Sektorengrenzen hinweg. Die Frage wem ist das passiert ist in aller Regel zur Qualitätsverbesserung deutlich weniger wichtig als die Fra-


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ge was ist eigentlich passiert, wie konnte das passieren und welche Vorkehrungen treffen wir, damit es morgen nicht mehr passiert. Und genau diese Kultur wird von oben herab vorgelebt und gestaltet: Nur wenn die Chefetage eines Hauses, einer Klinik, einer Abteilung das „Wie und Was“ zum ehrlichen, offenen und nachhaltigen Thema macht, ohne über das „Wer“ individuelles Fehlverhalten aufzuspüren und abzustrafen, wird eine solche Kultur Raum greifen können und helfen, Fehler in der Medizin zu verhindern.

1.2 Qualität braucht eine aktive Fehlerkultur Das Aktionsbündnis Patientensicherheit hat im Jahr 2008 eine bemerkenswerte Aktion gestartet. Mit einer Broschüre, in der sich Vertreter aus verschiedenen Berufsgruppen zu Fehlern aus ihrer (früheren) Berufspraxis bekannt haben. Es wurden keine wirklichen Fehler adressiert. Es gab keine aktiven Schlussfolgerungen. Immerhin aber ein Bekenntnis. Das Bekenntnis zu einer aktiveren Fehlerkultur. Wichtig an der Aktion war der Appell, sich zu Fehlern zu bekennen. Ein Versuch, den so lange gepflegten Nimbus der „Unfehlbarkeit“ zu beseitigen. Im internationalen Kontext muss dies recht stiefmütterlich anmuten. Andere sind da viel weiter. „Sorry works“ lautet die Devise. Ehrliche Fehlerkultur wird akzeptiert, sie schafft Vertrauen, und am Ende sogar weniger Haftpflichtfälle. So lautet die Botschaft. Was man indes ergänzend sagen sollte: Eine ehrliche und offene Fehlerkultur führt am Ende zu einer besseren Qualität. Nur wer offen über Fehler spricht, wer seine Unsicherheit oder sein Unvermögen artikuliert, dem kann man helfen sich zu verbessern. Oder auch sich für einen anderen Beruf zu entscheiden. Es gibt viele kleine tägliche Beispiele für eine aktive Fehlerkultur: Wöchentliche oder monatliche Mortalitäts- und Morbiditätskonferenzen. Diese unter Beteiligung aller

Berufsgruppen, vor allem auch der pflegenden Berufsgruppen, denn Qualität ist eine gemeinsame Aufgabe, selbst wenn es um ärztliche Fehler geht! Ein Berichtswesen zu Beinahefehlern (CIRS), mittlerweile von vielen gefordert, teilweise schon vorgelebt. Durchaus lobenswert. Indes darf dabei die Diskussion über die tatsächlich eingetretenen Fehler nicht zu kurz kommen. Denn gerade auf deren Aufbereitung, Aufarbeitung und Übersetzung in künftig modifizierte Organisationsabläufe kommt es an. Fehlerkultur bedeutet auch die klare Erkenntnis, dass Fehler weiterhin gemacht werden. Es gibt – leider – keine Unfehlbarkeit. Es ist aber auch keine – vermeintlich der Bewertung Dritter entzogene – Frage der Kunst(-fehler). Aus Fehlern lernen, lautet die Devise. Vom Besten lernen, lautet das Credo. Daher muss man sich zu den Fehlern bekennen. Und den gleichen Fehler für die Zukunft vermeiden. Keinen Fehler zweimal machen, das ist die Botschaft. Aber auch eine klare Aussage:

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W aus Fehlern nicht lernt, der ist fehl am Platze. Wer Denn es wäre auch ethisch nicht zu rechtfertigen, eine Fehlerunkultur zu Lasten der Patienten fortzusetzen oder gar zu verschleiern.

1.3 Qualität braucht Kontrolle im fairen Benchmark Ein Glaube mag manchmal Berge zu versetzen, in der Realität schafft es indes nur eine nachhaltige Kontrolle, fehlerbehaftete Strukturen aufzudecken und zu verändern. Allein das Propagieren von Qualitätskultur, deren Umsetzung in einer aktiven Fehlerkultur, reicht also nicht aus. Natürlich sind die in der Krankenversorgung Tätigen ethischen Grundsätzen verpflichtet. Und es gibt keinen, der dem Patienten bewusst und aktiv Schlechtes will. Dennoch unterscheidet alle dort Tätigen eines vom Flugkapitän. Letzterer muss seinen eigenen Fehler auch

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selbst büßen, in der Regel mit tödlichem Ausgang. In der Krankenversorgung trifft es den Patienten. Selbstverständlich leiden Ärzte und Pflegende unter begangenen Fehlern. Manche mögen sie verdrängen können, der ganz überwiegende Teil aber kommt nur schwer damit klar. Einige gehen daran zugrunde oder verlassen den Beruf. Dennoch bleibt es eine Realität:

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DDer Fehler trifft den Patienten.

Zum Schutz der Patienten braucht es eine Qualitätskultur. Sie hilft dabei, Auffälligkeiten zu entdecken. Sie gibt den in der Krankenversorgung Tätigen eine Orientierung in der Frage, wo sie im „Benchmark“ mit anderen liegen. Sie gibt ihnen die Chance vom Besten zu lernen. Aus diesem Grund muss Qualitätsmessung fair und transparent erfolgen. Äpfel müssen mit Äpfeln verglichen werden. Umgekehrt dürfen dann aber Ausflüchte ins Schicksalhafte keine Rolle mehr spielen. Die Zahlen stimmen nicht, heißt in der Regel der erste Einwand. Sie sind nicht vergleichbar, weil mein Patientengut viel „kränker“ ist als das anderer, geht es weiter. Außerdem muss ich immer wieder die Fehler der anderen ausmerzen und irgendwann schaffe ich das halt nicht mehr. Die Reihe der Einwände, Rechtfertigungen, Entschuldigungen, zutiefst menschlicher Aus-

1.4 Qualität braucht kollegiale Unterstützung Fehler passieren; indes sind nur manche „einfach“, sind deren Ursachen rasch evident. Meistens sind die Sachverhalte im medizinisch-pflegerischen Leistungsprozess sehr viel komplexer, über Sektoren hinweg oftmals kaum überschaubar. Fehler sind damit zwar oft im Ergebnis (leider) klar, deren Ursache und die Ansätze zur künftigen Vermeidung ohne tiefere Sachverhalts- und Fachkenntnis nicht hinreichend verifizierbar. Qualität braucht daher kollegiale Unterstützung. Die Aufarbeitung konkreter Fälle mit Auffälligkeiten, gemeinsam mit anderen Fachkollegen. Dies in einem geordneten Regelrahmen von „Peer Reviews“. Ohne Wenn und Aber, ohne Tabus, ganz klar definiert als Hilfe, nicht als Tribunal. Nicht mit dem Ziel, die Leistung anderer anzuschwärzen. Wohl aber mit dem klaren Auftrag, erkennbare Fehler und deren Ursachen aufzudecken, sowie ganz konkrete Ansätze für deren künftige Vermeidung vorzuschlagen. Darum geht es bei Peer Reviews. Die Verbesserungsvorschläge werden konkretisiert, die Umsetzung begleitet, die Ergebnisse werden schließlich in den monatlichen oder halbjährlichen Qualitätskennzahlen nachkontrolliert. Das Peer Review ist eine Art Kür der Qualitätskultur. Es rüttelt im ersten Anschein an Grundfesten des Selbstver-

flüchte ließe sich fort setzen. Sie zeigen eines: Qualität braucht Kontrolle und einen fairen Benchmark. Wenn die Validität der Datenbasis evident wird, wenn über die Aussagekraft von Qualitätsindikatoren ein Grundkonsens besteht, wenn schließlich aus der Rechtfertigungsdiskussion eine Fachdiskussion wird, dann beginnt ehrliche Qualitätsarbeit. Die

ständnisses jedes Einzelnen. Es ist aber in Wahrheit nichts anderes als die Operationalisierung eines alten ethischen Grundsatzes in der Medizin:

Qualitätskultur ist dann erreicht, wenn nicht mehr über das „Ob und Wie“ einer Qualitätskontrolle diskutiert wird, sondern direkt ein Weg gesucht wird, wie sich möglichst kurzfristig erkannte Qualitätsdefizite beseitigen und künftig vermeiden lassen.

Allein darauf kommt es an. Gerade in der Medizin. Die Mitglieder von IQM sind überzeugt, dass medizinische Qualität sich valide messen lässt und – auch aus ethischen Gründen – objektiv manipulationsfest messen lassen muss. Quali-

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VVom Besseren lernen. Zum Vorteil des Patienten.


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1 Qualitätskultur

tät ist bei IQM keine Frage des Qualitätsmarketings. IQM ist daher auch ganz bewusst kein Klinikportal. Für IQM ist Qualität eine Frage ehrlich gelebter Qualitätskultur. Bei IQM geht Qualität alle in der Krankenversorgung Tätigen etwas an; sie ist berufsgruppen- und sektorenübergreifend. Das gemeinsame Bemühen um Qualität zielt stets darauf ab, dass es zu einer konti-

in jeder Trägergruppe. Es gibt aber auch gute und weniger gute niedergelassene Ärzte. Es gibt ferner gute und weniger gute Alten- und Pflegeheime, Reha-Kliniken oder ambulante Dienstleister, egal von wem diese Institutionen getragen oder finanziert werden. Qualität ist eine Frage des ethischen Handelns jedes Einzelnen. Valide Qualitätsmessung statt optionale Quali-

nuierlichen Verbesserung von organisatorischen Abläufen/Prozessen und von Strukturen in der Krankenversorgung kommt. Qualität ist daher bei IQM auch keine Frage der Trägerschaft. Es gibt gute und weniger gute Krankenhäuser

tätsverschleierung, solide Qualitätsverbesserung statt eloquentes Qualitätsmarketing, das befördert Qualitätskultur. Es wäre wünschenswert, dass dies in der Qualitätsdiskussion viel stärker in den Vordergrund tritt.

Dr. Francesco De Meo 1984 bis 1988 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen. 1993 Zweites Juristisches Staatsexamen, 1994 Promotion. 1992–1993 Rechtsanwalt bei einer Stuttgarter Kanzlei. 1994–2000 Geschäftsführer der Unternehmensberatung Rauser AG in Reutlingen. 2000 Eintritt als Leiter Recht und Personal in die HELIOS Kliniken GmbH. 2001 Geschäftsführer für Personal und Recht sowie Forschung und Wissenschaft bei HELIOS, Konzernarbeitsdirektor. Seit dem 1. Januar 2008 Vorsitzender der Geschäftsführung (CEO) der HELIOS Kliniken GmbH und Vorstandsmitglied der Fresenius SE. Präsident des Vorstandes der IQM Initiative Qualitätsmedizin.

Prof. Dr. med. Ralf Kuhlen Nach dem Studium der Humanmedizin Facharztausbildung zum Anästhesisten und Intensivmediziner. Ab 1997 leitender Oberarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin an der Universitätsklinik der RWTH Aachen, 2005 Übernahme der Leitung der Funktionsklinik für interdisziplinäre Intensivmedizin. Ab 2007 Leiter der Klinik für Intensivmedizin am HELIOS Klinikum Berlin-Buch. Wissenschaftlicher Fokus in der Therapie des akuten Lungenversagens, der Organisation und Abläufe sowie der Qualitätssicherung in der Intensivmedizin. Beteiligung als Autor und Herausgeber an einer Vielzahl von Originalarbeiten, Zeitschriften- und Buchreihen. Seit 2010 in der Konzerngeschäftsführung der HELIOS Kliniken GmbH verantwortlich für das Ressort Medizin, einschließlich des gesamten Bereiches des Qualitätsmanagements. Vorsitzender des IQM Fachausschusses Transparenz.

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Eine kurze Geschichte der Initiative Qualitätsmedizin Francesco De Meo

Gute Geschichten sind spannend und kurz. Das gilt auch für die Entstehung der Initiative Qualitätsmedizin (IQM). IQM ist die logische Fortführung einer Entwicklung, die vor knapp zehn Jahren begann. Ein

handele sich um den Marketinggag eines privaten Trägers. Die Diskussion wurde aufgeheizt durch Debatten um das Für und Wider von Krankenhausprivatisierungen in Deutschland. Nur wenige erkannten einen ethischen Qualitätsansatz, der im deutschen Gesundheits-

privater Klinikträger belebte damals in Deutschland die Diskussion um die Messbarkeit medizinischer Qualität. HELIOS positionierte sich zum Thema Qualitätssicherung mit einigen Ideen, die manchen revolutionär erschienen, von anderen müde belächelt wurden. Qualität ist in der Medizin messbar und muss transparent gemacht werden, lautete das erste Credo.

markt die Diskussion über medizinische Qualität zum Vorteil der Patienten prägen sollte. Diese wenigen haben recht behalten. Über die Jahre hinweg hat dieser Qualitätsansatz zunächst vorsichtige Anerkennung, schließlich breite Akzeptanz erfahren. Es leuchtet heute allen ein, dass medizinische Qualität sich an Indikatoren messen lässt und – auch aus ethischen

Als Basis für die Qualitätsmessung können Routinedaten herangezogen werden, ergänzte das zweite Credo. Qualitätssicherung braucht ein aktives Qualitätsmanagement und dessen wesentlicher Baustein ist das Peer Review Verfahren, so das dritte Credo. Viele vermuteten, es

Gründen – objektiv manipulationsfest messen lassen muss. Es leuchtet den meisten ebenfalls ein, dass die Beschäftigung mit Qualität gerade dann lohnt, wenn dies am Ende nachweislich zu einer kontinuierlichen Verbesserung von organisatorischen Abläufen/Prozessen und von

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I IQM – Ziele, Methoden, Ergebnisse

Strukturen in den Kliniken führt. Allen ist klar, dass man dazu Transparenz braucht. Allen wird klarer, dass man diese Transparenz sogar unabhängig von tradierten Sektorengrenzen schaffen muss. Es war also nur logisch konsequent, den Qualitätsansatz von HELIOS über die Grenzen der Trägergruppen hinweg auszuweiten und

besserung statt eloquentes Qualitätsmarketing, das sind Grundpfeiler der gemeinsamen Überzeugung bei IQM. Der Mut zu bester Qualität in der Medizin verbindet, dieser Mut hat die unterschiedlichsten Träger, die ansonsten in so vielen Themen im Wettstreit stehen, bei IQM zusammen gebracht: Die Anschubfinanzierung für IQM wurde über die gemeinnützige Stif-

unter Einbindung der Expertise anderer Trägergruppen weiterzuentwickeln. Qualität ist keine Frage der Trägerschaft. Es gibt gute und weniger gute Krankenhäuser in jeder Trägergruppe. Qualität ist eine Frage der Qualitäts- und Fehlerkultur. Qualität ist eine Frage des mutigen Handelns. In diesem Bestreben trafen sich namhafte Vertreter aller Trägergruppen im Herbst 2008 mit dem erklärten Mut zu handeln. Mit dem Ziel, in der ausufernden Qualitätsdiskussion den Fokus auf weniger Diskussion und auf mehr praktische Qualitätsverbesserung zu setzen. Sie empfanden sich als einen Club der Mutigen, allein dem Interesse verpflichtet, Qualitätsverbesserungen über die Grenzen der Trägergruppen hinweg zu erreichen. Im September 2008 einigte sich dieser Club der Mutigen aus allen Trägergruppen – kommunalen, freigemeinnützig-kirchlichen, privaten und universitären Trägern – unter Begleitung der Landesärztekammer Berlin auf eine gemeinsame Initiative. Sie erhielt den Namen Initiative Qualitätsmedizin (IQM). Es verbot sich für alle schon aus Gründen der Unabhängigkeit, diese Initiative Qualitätsmedizin organisatorisch etwa in Dimensionen von Interessengruppen oder Verbänden anzusiedeln. Es verbot sich ferner aus Gründen der Ehrlichkeit, den Qualitätsbegriff als ein Vehikel im Patientenwettstreit von sogenannten Qualitätsportalen zu missbrauchen. Der Club der Mutigen fühlte sich allein dem Wohl der Patienten

tungsinitiative IQM sichergestellt, deren Stiftungsmittel die technisch-organisatorische Umsetzung auf breiter Plattform ermöglichte. Es ging und geht IQM nicht um die bloße Qualitätssicherung, sondern IQM steht für ein – im besten Sinne – aktives Qualitätsmanagement. Von Anfang an waren aufgrund der Einführung von DRG’s in der Schweiz bei IQM auch Schweizer Kliniken dabei, allen voran das Universitätsspital Basel. Es gibt deshalb bei IQM auch eine internationale Trägergruppe, derzeit nur mit Mitgliedern aus der Schweiz, mittlerweile bringen sich aber auch die österreichischen Kliniken aktiv bei IQM mit ein. IQM hat sich zu drei Grundsätzen verpflichtet: Messung von Qualität aus Routinedaten Absolute Transparenz der Qualitätsergebnisse Kontinuierliche Verbesserung durch Peer Reviews

verpflichtet. Aus unseren Fehlern kontinuierlich zu lernen und eine Qualitätskultur zu schaffen, die solche Fehler künftig vermeidet, so lautet die ethische Qualitätsverpflichtung bei IQM. Valide Qualitätsmessung statt optionale Qualitätsverschleierung, solide Qualitätsver-

Peer Review Verfahren. Fachgesellschaften werden über den Wissenschaftlichen Beirat bei der Stiftung IQM einbezogen und können sich so bei der Erörterung, wissenschaftlichen Begleitung und Weiterentwicklung von IQM-Indikatoren aktiv einbringen. Aus einer knapp

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IQM hat über 120 Mitgliedskliniken in Deutschland und in der Schweiz, darunter acht Universitätsklinika. IQM hat also den Qualitätsansatz von HELIOS nicht einfach übernommen, sondern diesen ganz wesentlich weiter geprägt und inhaltlich weiterentwickelt. Dies zeigt sich an der Entwicklung von IQM-Qualitätsindikatoren. IQM wird auch von neutralen Partnern aktiv begleitet. So unterstützt die Bundesärztekammer das


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2 Eine kurze Geschichte der Initiative Qualitätsmedizin

zehnjährigen und damit vergleichsweise kurzen Entstehungsgeschichte hat sich mit IQM eine stabile und klar in die Zukunft gerichtete Initiative für bestmögliche Qualitätsmedizin

entwickelt. Auf dieser Grundlage kann die Qualitätssicherung in der Medizin sektorübergreifend, mutig und vor allem praktisch umsetzbar vorangebracht werden.

Dr. Francesco De Meo 1984 bis 1988 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen. 1993 Zweites Juristisches Staatsexamen, 1994 Promotion. 1992–1993 Rechtsanwalt bei einer Stuttgarter Kanzlei. 1994–2000 Geschäftsführer der Unternehmensberatung Rauser AG in Reutlingen. 2000 Eintritt als Leiter Recht und Personal in die HELIOS Kliniken GmbH. 2001 Geschäftsführer für Personal und Recht sowie Forschung und Wissenschaft bei HELIOS, Konzernarbeitsdirektor. Seit dem 1. Januar 2008 Vorsitzender der Geschäftsführung (CEO) der HELIOS Kliniken GmbH und Vorstandsmitglied der Fresenius SE. Präsident des Vorstandes der IQM Initiative Qualitätsmedizin.

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Ergebnisqualität aus Routinedaten – der Reiz der Methode Peter C. Scriba

Der Wettstreit von Anbietern der Gesundheitsleistungen um Aufträge nimmt weiter zu. Welche Kriterien sind für diesen Wettbewerb ausschlaggebend? Eine Möglichkeit, die Aufmerksamkeit von potenziellen Patienten und zuweisenden Versorgern zu erregen, besteht in der Demonstration von Qualität und Kompetenz, also gemeinhin durch einen guten Ruf des Anbieters. Unter diesem Gesichtspunkt wird das Thema „Qualitätsmessung“ bedeutsam.

3.1 Wen interessiert objektive und richtige Qualitätsmessung?

Patientinnen und Patienten wollen bedarfsgerecht

behandelt werden, auch wenn sie gar nicht selten weitergehende Wünsche haben. Die Partizipation des aufgeklärten Patienten an der medizinischen Entscheidungsfindung wird umso wichtiger, als der zunehmende Wettbewerb an durch wirtschaftlichen Druck wachsende Gefahren denken lässt. So könnte zum Beispiel die Strenge der Indikationsstellung aufgeweicht und letztere ausgeweitet werden. Die Angemessenheit der Indikationsstellung muss daher wachsam hinterfragt werden, und zwar auch durch den aufgeklärten Patienten (SVR 2007).

Für Ärztinnen und Ärzte geht es um den Nachweis

Die Kostenträger wollen ebenfalls Qualität mes-

und die Demonstration ihrer eigenen Kompetenz. Davon abgesehen, wollen Ärzte auch für sich selbst wissen, ob das Gesetz „salus aegroti prima lex“ tatsächlich Maxime ihres eigenen Handelns ist.

sen. Dafür gibt es viele Gründe, von denen hier nur selektives Kontrahieren und Pay for Performance (P4P) genannt werden. Auch die Krankenhausträger wollen Qualität messen, um sich zum Beispiel im Qualitätswett-

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