Klaffke, Generation y

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Exkurs: Generation Y – Mitarbeitergewinnung und -führung im Krankenhaus Martin Klaffke HICM Hamburg Institute of Change Management

Der demografische Wandel führt nicht nur zur Schrumpfung und Überalterung der deutschen Erwerbsbevölkerung, sondern auch zu bereits erkennbaren Veränderungen bei Einstellungen und Wünschen der Arbeitnehmer. Die Generation Y (Geburtsjahrgänge ab 1980) gilt als technologieaffin, erwartet Sinnstiftung und Abwechslung im Beruf und wünscht sich eine flexible Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Angesichts des demografischen Wandels und der sich abzeichnenden Knappheit von Nachwuchskräften ist es für die Zukunftssicherung von Kliniken unverzichtbar, sich auf die Anforderungen der Generation Y einzustellen. Es gilt, neue Wege bei der Gewinnung von Ärzten und qualifiziertem Pflegepersonal zu beschreiten und auch der Mitarbeiterführung im Krankenhaus mehr Bedeutung beizumessen.

Einleitung Unter Generation Y wird die Bevölkerungsgruppe verstanden, die etwa zwischen 1981 und 1995 geboren wurde. Sie ist damit die Nachfolgegeneration der Generation X (Jahrgänge 1966–1980) und hat weitgehend Eltern aus der Baby Boomer Generation (Jahrgänge 1955–1965). Erste Studien lassen erkennen, dass die Generation Y neue Arbeits-Erwartungen hat und sich auch anders verhält als vorherige Generationen [Johnson Controls 2010; Forrester 2006].

Nach dem historisch-gesellschaftlichen Generationenbegriff in der Tradition des Soziologen Karl Mannheim [1928] wird unter einer Generation eine Alterskohorte verstanden, die Geburtsperiode und prägende kollektive Ereignisse (z. B. die Terroranschläge vom 9. September) in Kindheit und Jugend teilt. Es wird angenommen, dass Einstellungen und Werte, die in der gemeinsamen Sozialisation entstehen, für den Rest des Lebens erhalten bleiben und das Verhalten beeinflussen. Die Deutung von Verhalten über Generationenzugehörigkeit bietet demnach Orientierung, kann aber aufgrund der bewussten Typisierung selbstverständlich nie das alleinige Erklärungsmuster für unterschiedliches Denken und Handeln von Individuen verschiedener Altersgruppen sein. Mindestens ebenso wichtig erscheinen beispielsweise Lebensphasen-Einflüsse, sozialer Hintergrund oder Herkunft, die ergänzend zu berücksichtigen sind. Um nun Wünsche und Verhalten von Vertretern der Generation Y aus Perspektive der Generationenzugehörigkeit zu verstehen, ist es daher hilfreich, wichtige Veränderungen in den Lebensbedingungen während ihrer formativen Phase (ca. 1990–2005) schlaglichtartig zu beleuchten. Auf dieser Basis können dann Schlüsse über mögliche Präferenzen im Arbeitsleben gezogen und schließlich Hinweise für das Personalmanagement abgeleitet werden.

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E Das Krankenhaus und seine Mitarbeiter

Anforderungen der Generation Y an Arbeitgeber Die wohl wesentlichste Veränderung in der Jugendzeit der Generation Y war die Entwicklung des Internets und der digitalen Medien. Mit dem Aufkommen von Social Media (u. a. YouTube und Facebook) entstehen vollkommen neue Möglichkeiten der Partizipation, Co-Kreation und Vernetzung. Auch bei der Arbeitsplatzsuche und der Auswahl von Arbeitgebern kommt dem Internet eine wichtige Rolle zu. Zum Standard gehört bereits die Informationssuche auf der Klinik-Website. An Bedeutung gewinnen zudem Social Media, wie u. a. Facebook, die es erlauben, sich über einen potenziellen Arbeitgeber mit Insidern auszutauschen und ein Urteil zu bilden. Entwicklungs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten gehören für junge deutsche Berufseinsteiger zu den wichtigsten Entscheidungskriterien bei der Arbeitgeberwahl [Kienbaum Communications GmbH & Co. KG 2010]. Weitere wichtige Anforderungen sind ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und, allerdings weniger bedeutsam, die Vergütung, solange sie angemessen und leistungsorientiert ist. Kliniken sollten daher akzeptable Regelungen zum Freizeitausgleich einführen bzw. Zusatzdienste angemessen vergüten, um das Engagement der jungen Generation im Alltag zu fördern [Klaffke u. Becker 2012]. Leistung und Genuss haben für die Generation Y in etwa gleiche Bedeutung [Gensicke 2010]. Erwartet wird, Zeit entsprechend der eigenen Vorstellungen einzusetzen, Karriere nicht um jeden Preis zu machen und Lebensfreude auch während bzw. durch Arbeit zu finden. Bedeutsamer wird zudem der Wunsch nach unmittelbarer Anerkennung von Leistung. Kliniken und ihr Führungspersonal sollten sich daher auf eine kürzere Taktung von Feedback einstellen und prüfen, wie fortschreitende Erfolge durch kleine und rasche Belohnungen honoriert werden können. Ein vergleichsweise hoher Lebensstandard und damit möglicherweise verknüpfte Erwartungen an den Spaß-Faktor im Klinikalltag können bei der Arbeit zu Frustrationen führen. Erkennbar ist eine überproportionale Zunahme der psychischen Erkrankungen in der Generation Y-Altersgruppe [DAK 2011]. Eine Ursache hierfür könnte die mit der Arbeitsaufnahme verbundene spezifische Anpassungsherausforderung sein. Zudem hat gerade im Klinikbereich die Arbeitsbelastung, infolge der Verkürzung von Liegezeiten und der

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Zunahme ambulanter Behandlungen, deutlich zugenommen. Einige Unternehmen reagieren bereits auf die Erwartungen der jungen Generation, indem sie Arbeitswelten mit größerer Anschlussfähigkeit an die Sozialisation der Generation Y schaffen, u. a. Spielräume mit Kicker und Fitnessgerätschaften sowie Relax- und Ruhezonen.

Handlungsfelder für das Personalmanagement in Kliniken Bei der Gestaltung betrieblicher Strukturen und Abläufe werden die Wünsche der Generation Y bisher kaum berücksichtigt [Forrester 2006]. Angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels im medizinischen Bereich sollten Kliniken Maßnahmen ergreifen, um die jungen Arbeitnehmer zunächst als Arbeitgeber zu begeistern und dann auch langfristig zu binden. Erforderlich hierfür ist nicht zuletzt auch die (Weiter-)Qualifizierung des leitenden Klinik-Personals in Fragen des modernen Personalmanagements.

Nachwuchsgewinnung Um als Arbeitgeber Anziehungskraft zu entfalten, sollten Kliniken eine attraktive Arbeitgebermarke aufbauen. Dies erfordert, zunächst die spezifischen Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten der jeweiligen Klinik zu identifizieren (wie u. a. Angebote zur Aneignung von Kenntnissen in Spezialgebieten). Für den wirkungsvollen Einsatz knapper Ressourcen im Personalbereich sollte dann überlegt werden, welche Nachwuchskandidaten ausgehend von der Ausrichtung der jeweiligen Klinik als Zielgruppe besonders umworben werden sollen. Anschließend werden dann gezielte Kommunikationsmaßnahmen abgeleitet, wie u. a. die Gestaltung des Karrierebereichs im Klinik-Internetauftritt oder Präsentationen auf Plattformen wie Facebook oder YouTube. Für die konkrete und professionelle Durchführung der vielfältigen Personalwerbungsaktivitäten empfiehlt es sich, eine spezifische Stelle in der Personalabteilung einzurichten. Weiter sollten die Geschwindigkeit von Rekrutierungsabläufen gesteigert und das Bewerbermanagement insgesamt stärker personalisiert werden. Umgehende Antwort auf eine Bewerbung bringt Wertschätzung für den Interessenten zum Ausdruck und entspricht dem Wunsch der Generation Y nach unmittelbarem Feedback. Nicht zuletzt verhindern schnelle und professionelle


E

Exkurs: Generation Y – Mitarbeitergewinnung und -führung im Krankenhaus

Rekrutierungsprozesse, dass ein interessanter Kandidat in der Wartezeit bei einer anderen Klinik eine Anstellung annimmt. Für die professionelle Durchführung von Einstellungsgesprächen empfiehlt es sich ferner, verantwortliche Oberund Chefärzte sowie Pflegedienstleiter zu qualifizieren und sie dabei auch für die spezifischen Wünsche und Vorstellungen der Generation Y zu sensibilisieren [Klaffke u. Becker 2012].

Mitarbeiterführung Angesichts der großen Bedeutung von Entwicklungsmöglichkeiten als Attraktivitätsfaktor einer Klinik, sollten neue Ansätze bei der Laufbahnund Karrieregestaltung geprüft werden. Denkbar sind beispielsweise Expertenmodelle, die die traditionelle Führungslaufbahn (Oberarzt, Chefarzt) ergänzen. Um einen vielseitigen Erfahrungsaufbau zu ermöglichen, erscheint es zudem zweckmäßig, Klinik und Praxis bzw. Honorarärzte enger zu verzahnen und auch Rotationen, ggf. auch in Form von Praktika in (internationalen) Kooperationskliniken, vorzusehen. Wichtig ist es zudem, die in der jeweiligen Klinik bestehenden Entwicklungsoptionen transparent zu machen und die Ausbildung insgesamt zu individualisieren. Zum Standard sollten verbindliche Rotationspläne gehören. Zudem empfehlen sich Mentorenprogramme sowie die regelmäßige Thematisierung des individuellen Entwicklungspfades in Mitarbeiter- bzw. Zielplanungsgesprächen. Bei Fortbildungen bietet es sich an, vor allem auf interaktive Lernansätze zu bauen. Sie fördern Identifikation und Einbindung in den jeweiligen Ausbildungsprozess, indem eine aktive Leistung verlangt wird. Ergänzend empfehlen sich kollaborative Lernformen, bei denen mit Unterstützung computer- bzw. internetbasierter Medien die Aneignung von Wissen und Fertigkeiten in Gruppen erfolgt und somit zugleich soziale Kompetenzen trainiert werden können. Bei der direkten Führung von Vertretern der Generation Y ist regelmäßiges Feedback über persönliche Fortschritte unerlässlich. Es gilt, Führungsbeziehungen höchst individuell zu gestalten. Dies bedingt, sich als leitender Arzt oder Pflegedienst-Verantwortlicher mit den individuellen Werten, Normen und Bedürfnissen der jungen Mitarbeitenden auseinanderzusetzen und diese bei der Führungsarbeit und Aufgabendelegation konkret anzusprechen. Beispielweise gilt es, den Sinn der übertragenen Aufgaben zu verdeutlichen

und einen konkreten Bezug zu den individuellen Entwicklungswünschen herzustellen. Andernfalls könnte die Gefahr bestehen, dass Aufgaben, die prima vista als uninteressant empfunden werden, auf wenig Akzeptanz stoßen oder gar Widerstand hervorrufen. Um das Engagement zu fördern, bietet es sich ferner an, für klar definierte Aufgabenbereiche Verantwortung zu übertragen und die jeweilige Tätigkeit in Form fachärztlicher Supervision zu begleiten. Insgesamt werden Vorgesetzte in Kliniken zukünftig deutlich mehr Zeit in die Führungsarbeit investieren müssen. Als Coach bzw. Mentor werden sie gefordert sein, Assistenzärzte und Nachwuchskräfte als Vorbild zu beraten und sie bei ihrer individuellen Entwicklung zu unterstützen. Vor dem Hintergrund der bereits heute existierenden Ressourcen-Knappheit und der Tendenz zur weiteren Enthierarchisierung von Kliniken stellt dies eine zusätzliche Anforderung neben den ärztlichen Pflichten dar. Erfolgskritisch ist daher eine weitergehende Qualifizierung in Fragen der Mitarbeiterführung systematisch zu betreiben und auch über eine Neu-Definition der Rollen von Chef- und Oberärzten im Hinblick auf ihre Führungsverantwortung nachzudenken [Klaffke u. Becker 2012].

Literatur DAK (2011) Gesundheitsreport 2011: Schwerpunktthema: Wie gesund sind junge Arbeitnehmer? Hamburg Forrester Consulting (2006) Is Europe Ready For The Millennials? Innovate To Meet The Needs Of The Emerging Generation. Cambridge Gensicke T (2010) Wertorientierungen, Befinden und Problembewältigung. 187–242. In: Shell Deutschland Holding (Hrsg.) Jugend 2010. Eine pragmatische Generation behauptet sich. Frankfurt Johnson Controls (2010) Generation Y and the Workplace Annual Report 2010. London Kienbaum Communications GmbH & Co. KG (2010) Absolventenstudie 2009/2010. Gummersbach Klaffke M, Becker K (2012) Personalmanagement im Krankenhaus – Die Ansprüche der Millennials. Deutsches Ärzteblatt 109. Jg. Heft 20: 1020–1022 Klaffke M, Parment A (2011) Herausforderungen und Handlungsansätze für das Personalmanagement von Millennials. 3–22. In: Klaffke M (Hrsg.) Personalmanagement von Millennials – Konzepte, Instrumente und Best-Practice-Ansätze. Wiesbaden Mannheim K (1928) Das Problem der Generationen. Kölner Vierteljahreshefte für Soziologie 7 (1928): 157–185, 309–330

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