02/2019 Bewusst bauen. 02/2019
What’s behind biomimetics at Sto?
architektur raum konstruktion
The idea of using nature intelligently.
AHH, Berschneider + Berschneider, bonnard wœffray architectes, CEBRA, EM2 Architekten, Herzog & de Meuron, kister scheithauer gross, SANAA
Durability thanks to the experience of nature For 20 years, we have been developing products based on the most efficient solutions from nature. Our inspiration: 3430 million years of evolution – constant optimisation through further development. The benefit to you: radiant colour intensity, UV protection, weather protection, surfaces that clean themselves, and a longer lifecycle for your facades. Cost-effectiveness and ecology combined. This is what we mean by Building with conscience. Sto.com/intelligent
AHH, Berschneider + Berschneider, bonnard wœffray architectes, CEBRA, EM2 Architekten, Herzog & de Meuron, kister scheithauer gross, SANAA
noa* – Network of Architecture und bergmeisterwolf
Foto: Mads Mogensen, Neviglie, IT
Interviews aus Bozen und Brixen
„Bozen ist durch und durch ‚in between‘, eine Stadt der Gegensätze, die [sich] mal wie Gravitationen dynamisch anziehen, mal wie Gegenpole dynamisch konfrontieren.“
Stefan Rier (l.) und Lukas Rungger (r.) noa* – Network of Architecture, Bozen, IT www.noa.network
„Einflüsse und Ideen aus Italien, Österreich, Deutschland und der Schweiz streben nach Brixen und infiltrieren das Leben und Arbeiten auf die beste Weise.“ Gerd Bergmeister (l.) und Michaela Wolf (r.) bergmeisterwolf, Brixen, IT www.bergmeisterwolf.it
Was zeichnet Bozen/Brixen gegenüber anderen Städten aus? noa*: Bozen ist durch und durch „in between“, eine Stadt der Gegensätze, die davon lebt, dass sich diese Gegensätze mal wie Gravitationen dynamisch anziehen, mal wie Gegenpole dynamisch konfrontieren. Das wohl Einzigartigste an der Stadt ist ihre geografische, soziologische und kulturelle Verortung an einer ungemein spannenden, weil komplexen Schnittstelle: im sprachlichen Kontext zwischen Deutsch und Italienisch, im klimatischen zwischen alpin und mediterran, im europäischen zwischen Nord und Süd, im topografischen zwischen Berg und Tal, im politischen zwischen autonom und zentralistisch, im gesellschaftlichen zwischen Miteinander und Nebeneinander, im bau-morphologischen zwischen Historie und Zukunft. Eine spannende Antwort auf diese Dualität bietet etwa das Museion für zeitgenössische Kunst. Konzeptionell als Tor beziehungsweise Portal geboren und direkt an der Talfer gelegen, versucht es sich als räumlicher Spagat zwischen den hauptsächlich deutschsprachigen Vierteln östlich und den italienischsprachigen im Westen und schafft es dadurch, Grenzen aufzuheben und Reibungspunkte zu überwinden. bergmeisterwolf: Als älteste Stadt in Tirol wurde Brixen erstmals 901 erwähnt. Am Zusammenfluss von Eisack und Rienz am Hausberg Plose gelegen ist seine Lage einzigartig und zeichnet sich durch eine starke Wechselwirkung aus – zwischen der urbanen Situation und der Natur, zwischen der historischen Altstadt und dem Berg. Außerdem
ist Brixen gleichermaßen stark geprägt von der deutschen und der italienischen Kultur, was eine gute Mischung und eine Bereicherung darstellt. Viele andere Großstädte mögen kulturell mehr zu bieten haben als Brixen, doch nicht zuletzt durch die historische Architektur und die besondere Lage wohnt Brixen ein ganz eigener Charme inne, der in der Stadt intensiv spürbar ist.
Was bedeutet es für Sie, als Architekt in Bozen/Brixen zu arbeiten? noa*: Bozen bedeutet für Stefan und mich zuallererst eine Rückkehr in die Heimat nach etwa 15 spannenden Erfahrungsjahren – für mich in Graz, Brüssel, New York und London, für Stefan in Ferrara, Genua, Venedig und Mailand – und somit eine Fusion unserer Erfahrungen nördlich und südlich unserer Heimat, die unser Wirken nach wie vor stark prägen. Auch die rund 20 Mitarbeiter in unserem Studio stammen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen, so zum Beispiel aus Neapel, Saloniki, London, Berlin, Florenz ... All diese Einflüsse erachten wir als essenziell für noa*s sich ständig entwickelnde DNA. Die Vielfalt dieser Einflüsse überlagert sich in unseren Projekten mit der Vielfalt des „Topos und Genius“, den wir für jede einzelne Bauaufgabe entdecken, finden, weiterschreiben und kontextualisieren. bergmeisterwolf: Unser Büro liegt mitten im Altstadtkern. Auf der einen Seite genießen wir die Ruhe, das Sein zwischen Stadt, Fluss und Natur. Auf der anderen Seite ist Brixen aber auch eine
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[Stadtansichten]
Ein trichterförmiger, polygonaler Turm aus Bronze entwächst dem von bergmeisterwolf geplanten Keller für das Hotel Pacherhof unweit von Brixen und wird Teil der Landschaft. Foto: Gustav Willeit, Corvara, IT / bergmeisterwolf
touristische Stadt und mitten im Zentrum spürt man das Leben. Einflüsse und Ideen aus Italien, Österreich, Deutschland und der Schweiz streben nach Brixen und infiltrieren das Leben und Arbeiten auf die beste Weise. Man kann sagen, Brixen ist ein Grenzgebiet auf allen Ebenen und positiv geprägt von Gegensätzen. Auch in unserer Arbeit und generell in der Architektur spiegelt sich dies wider, denn zum Teil verkörpert sie das Strenge und Reduzierte aus der DACH-Region, dann aber greift sie die Materialverliebtheit italienischer Bautraditionen auf. Als Architekt in Brixen tätig zu sein ist also auf jeden Fall vielseitig und unglaublich spannend.
Welches sind Ihre drei Lieblingsorte in Bozen/Brixen und was schätzen Sie besonders an ihnen? noa*: Die Oswald-Promenade am nördlichen Sonnenhang zählt besonders seit der Geburt unserer beiden Kinder Medea und John zu meinem Hotspot der Stadt. Die Serpentinen entlang schlendernd ergibt sich (weil nur etwa zehn Minuten vom Zentrum entfernt) ein beeindruckender Blick von oben auf die Stadt, gepaart mit den landschaftlich einmaligen Weinhängen in St. Magdalena. „Cobos Fischbänke“ in der Bozener Altstadt zählt zu den wenigen Orten der Stadt, die es schaffen, dass ich innerhalb weniger Augenblicke Zeit und Raum vergesse und in eine Parallelwelt eintauche. Die Gastfreundlichkeit des Hausherrn Cobo, im normalen Leben ein Lebenskünstler, erstrahlt auf den Reliquien des antiken Bozener Fischmarkts. Der
Turm in der Sernesistraße, erbaut vom Architekten Plattner im Jahre 1955, war seit unserer Gründung 2011 bis zum Vorjahr die Brut- und Heimstätte von noa*. Leider mussten wir unser Sudio im 11. und obersten Stock mit 360-Grad-Blick mitten in der Stadt aus Platzgründen verlassen, aber die Erinnerungen an diesen einmaligen, heute denkmalgeschützten Ort voller kreativer Explosionen, wilder Partys und nächtelanger Entwurfsessions wird uns noch lange begleiten. bergmeisterwolf: Der Einfluss der Kirche in Brixen war schon immer sehr stark, früher mehr als heute. Mitten in der Stadt ist der Kreuzgang gelegen, als großer von der Natur umgebener Innenhof, ein Wandelgang als Oase mitten im Stadtzentrum und für uns eine Inspirationsquelle. Überall an den Wänden und unter dem Kreuzgewölbe finden sich Fresken, man kann die Geschichte des Orts regelrecht spüren. Besonders schön ist es früh morgens und am späten Abend ohne Touristen. Auch gehen wir gerne entlang der Eisack spazieren und genießen die Berührungspunkte von Natur und Urbanem. Der Fluss spielt eine starke Rolle in der Stadt und durchzieht sie wie ein mächtiges Band. Ein weiterer unserer absoluten Lieblingsorte ist unser Büro in den ersten beiden Geschossen eines zum Atelier umgebauten Gebäudes aus dem 14. Jahrhundert zwischen Fluss und historischem Park. Auch hier finden sich wieder die Gegensätze: Auf der einen Seite ist der aufbrausende, starke Fluss, auf der anderen Seite findet man Ruhe und Intimität. Es ist so schön gelegen, dass wir sogar am Wochenende dort im Garten sitzen und ein Glas Wein trinken.
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Welche großen Herausforderungen wird Bozen/Brixen in der Zukunft bestehen müssen? noa*: Die Zukunft Bozens hängt stark mit drei Großprojekten zusammen, die gegenwärtig konkrete Formen annehmen. Zum einen das ehemalige Bahnhofsareal, das zu einem neuen Stadtviertel wachsen soll, zum anderen der Kohlerer Berg, dem Bozner Hausberg, der durch eine Seilbahn mit Museum und Kongresszentrum aus seinem durchaus tristen Dornröschenschlaf geweckt werden soll, und zuletzt die Entwicklung des Waltherparks als neues Handelszentrum und Mall. Dies wird die Rolle der Bozner Lauben und des Obstmarkts wesentlich verändern, weil viele Geschäfte, Bars und Galerien dorthin ziehen werden ... aber diese Entwicklung sehe ich derzeit auch als immense Chance dafür, dass sich das historische Zentrum neu erfindet und seinen Fokus weg von internationalen Ketten hin zu lokalen Einzigartigkeiten findet: Erste Schritte in diese Richtung vollziehen sich bereits, etwa durch die Eröffnung einer innovativen Patisserie des jungen Konditors Andreas Acherer, der sich in wenigen Jahren zu einem der Besten seines Fachs entwickelt hat und durch seine Aufnahme in „relais desert“ als absoluter Mehrwert für die Stadt gilt. Dies ist nur eines von mehreren Beispielen, wie die Stadt Bozen zu jener Einzigartigkeit zurückkehren kann, die sie einst als wichtigste Handelsstadt etabliert hat, was ihr aber in den letzten Jahrzehnten stark abhandengekommen ist.
bergmeisterwolf: Wir sind der Meinung, dass besonders zwei große Herausforderungen auf Brixen zukommen werden. Eine der beiden betrifft den alten Stadtkern. Hier finden sich viele historische Häuser, bei denen lediglich das Erdgeschoss genutzt wird, die oberen Etagen aber leer stehen. Es müssen neue Wege und Strategien gefunden werden, um das Wohnen dort für Einheimische wieder attraktiver zu machen und das Zentrum neu zu beleben – auch gemeinsam mit dem Denkmalamt. Wichtige Stichworte in diesem Prozess sind Wohnverdichtung, Sanierung, Aufstockung und nicht zuletzt eine Symbiose aus neuer und bestehender Architektur. Die zweite Herausforderung, die wir für die Zukunft sehen, ist der Verkehr – der alltägliche, aber auch der Durchreiseverkehr der Touristen. Brixen hat bereits ein autofreies Zentrum, doch es geht auch darum, Potenziale zu erkennen und neue Verbindungen zu schaffen. So haben wir beispielsweise gemeinsam mit Studio di Ingegneria Valdemarin, Plan Team und Geoconsulting Int. einen internationalen Wettbewerb gewonnen, der die Stadt Brixen näher an ihren Hausberg rücken soll – vom historischen Zentrum über die Peripherie bis hin zum Mittelgebirge und weiter zur Plose markieren sechs Stationen diese Route und verändern ihr Erscheinungsbild je nach Höhenlage. Das ist ein großes Projekt, das die Infrastruktur entscheidend verändern wird und möglicherweise weitere Maßnahmen folgen lässt.
Mit dem Gloriette Guesthouse von noa* entstand auf dem beliebten Hausberg der Bozner, dem Ritten, ein Gebäude, das Stadt und Land miteinander verschmelzen lässt. Foto: Alex Filz, Bozen, IT / noa*
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„Alles hat hier schon mehr Kraft und Leben [...] und man glaubt wieder einmal an einen Gott.” Johann Wolfgang von Goethe 1786 auf seinem Weg von Bozen nach Trient („Italienische Reise“) Deutscher Dichter und Naturforscher Foto: Brixen Tourismus Gen. / © KOTTERSTEGER
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