Zallinger @ Baukultur N° 3/2019

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BAUKULTUR Zeitschrift des DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V.

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Schwerpunkte Bauen mit Holz Nachhaltiges Bauen

AIV Würzburg Christian Baumgart zum Ehrenmitglied ernannt

AIV zu Berlin Schinkel-Wettbewerb 2019 entschieden

Oldenburgischer AIV 150-jähriges Jubiläum

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RÜCKZUGSORT INMITTEN ALPINER LANDSCHAFT Erweiterung der Zallinger Hütte in Südtirol

Mit der Erweiterung der Zallinger Hütte auf der Seiser Alm entstand ein neues Modell der Gastwirtschaft im Rahmen des nachhaltigen Tourismus. Der Eingriff von noa* – network of architecture umfasst den historischen und landwirtschaftlichen Rückbau im hochsensiblen Gelände der Südtiroler Dolomiten. Die verstreut liegenden Scheunen aus dem 19. Jahrhundert wurden als Chalets wiedergeboren und entwickeln den Charme eines Alpendorfes.

Historie Die Zallinger Hütte wurde Mitte des 19. Jahrhunderts auf 2.200 m Höhe unter dem Plattkofel eröffnet und war einst von 7 Scheunen und einer kleinen Kirche umgeben. Um 1880 wurden die Scheunen durch ein einziges großes Gebäude ersetzt. Die Erweiterung war eine Gelegenheit, die ursprüngliche Dorfstruktur wiederherzustellen und das Ensemble durch weitere 6 Chalets zu erweitern. Fassaden Die Gestaltung der neuen Chalets nimmt die traditionellen Formen der Südtiroler Almen auf. Die Außenwände bestehen aus Massivholzblöcken, die übereinander versetzt angeordnet sind und so den Wechsel zwischen geschlossenen und offenen Zonen bilden, wobei die Öffnungen der Belichtung der dahinterliegenden Räume dienen. Um den Ausblick auf die spektakuläre alpine Landschaft zu erlauben, kann die Holzfassade vor den großen Glasfenstern geöffnet werden. Bei geschlossenem Zustand hingegen werden Licht- und Schatteneffekte in den Zimmern erzeugt. Prämissen Nachhaltigkeit, der Respekt vor der Landschaft und der direkte Kontakt mit der Natur waren die Leitprinzipien für das Design. So wurde beispielsweise bei der Gestaltung der neuen Zimmer sehr bedacht mit dem vorhandenen Platz umgegangen, um auf relativ kleinem Raum einen möglichst

hohen Komfort zu bieten. Die Dächer sind in Südtiroler Tradition mit Holzschindeln gedeckt. Alle Materialien sind zertifiziert. Die Verbindungswege zwischen Chalets und Haupthaus haben keine Beleuchtung, um Lichtverschmutzung zu vermeiden und den Zauber des Sternenhimmels zu erhalten. Das gesamte Gebiet ist autofrei. An- und Abreisen erfolgen mit dem Bus oder mit der Schneekatze. Nachhaltigkeit Mit der Erweiterung des Hotels durch die 6 Chalets entstanden 24 Zimmer. Jedes Chalet aus vorgefertigter Holzbauweise hat ein Betonfundament. Auf diese Weise konnten die Auswirkungen der Baustelle auf die Umwelt so gering wie möglich gehalten werden, was für die Bauzeit als auch den Materialtransport gilt. Die Nachhaltigkeit des Projekts drückt sich auch darin aus, dass das Hotel auf die Klassifizierung von 4 Sternen verzichtet hat, um das Volumen des Gebäudes nicht auf Kosten der Landschaft erhöhen zu müssen. Die Herausforderung der Zallinger Hütte besteht darin, eine Luxusunterkunft zu bieten, die sich in der Qualität der Architektur als auch im Interior Design sowie den Dienstleistungen auszeichnet, ohne dabei die verbaute Fläche makroskopisch zu vergrößern. Die Innenräume sind warm und einladend und werden vor allem durch die starke Präsenz der konstruktiven Holzelemente geprägt. Die Inspiration für die Materialien stammt von der traditionellen und der Region typischen Jägerbekleidung.


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oben Die vorgefertigte Holzbauweise bestimmt das äußere und innere Erscheinungsbild der neuen Chalets oben rechts und rechts Die neuen Chalets sind in Zweiergruppen angeordnet, wobei jedes Chalet 4 Zimmer beherbergt, die über einen gemeinsamen Verteilungskorridor zugänglich sind

Neugestaltung des Bestands In der historischen Hütte wurde das Erdgeschoss mit seinen Gemeinschaftsräumen wie Empfang, Lobby, Lounge und Restaurant komplett neu gestaltet. Restaurant und Lounge sind auch für externe Gäste geöffnet. Die Wände sind mit Holz verkleidet: Die einst gemütliche „gute Stube“ wurde im zeitgenössischen Stil nachgebildet. An den Wänden steigen breite Holzstreifen auf, die ohne Unterbrechung an der Decke weiterlaufen. Hinter der Holzverkleidung sind schallabsorbierende Paneele montiert, um den Aufenthaltskomfort zu erhöhen. Aus demselben Grund wurde auch Filz als Bodenbelag ausgewählt, ein traditionell alpines Material, das Widerstandsfähigkeit und Weichheit verbindet. Der Barbereich ist von einem riesigen Baumstamm geprägt, der als Theke verwendet wird. Zertifizierung Die Schutzhütte und ihre neuen Räume sind mit dem KlimaHotel-Siegel ausgezeichnet, eine Zertifizierung der Klimahausagentur der Provinz Bozen, welche Unterkunftseinrichtungen auszeichnet, die eine nachhaltige Entwicklung sowohl durch die Integration von innovativen und ökologischen Technologien als auch durch strategische Maßnahmen vorantreibt. Laura Ragazzola Alle Fotos: Alex Filz

rechts Die Inspiration für die in den Chalets verwendeten Materialien stammt von der traditionellen und der Region typischen dunkelgrünen Jägerbekleidung

unten Im Restaurant wurde die gemütliche Atmosphäre der „guten Stube“, in der sich einst die Familie um den Ofen versammelt hat, mit zeitgenössischen Mitteln nachgebildet

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