Lucy's Rausch Nr. 6

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Nr. 6 / Herbst 2017 CHF 1 8.50 / € (D) 14.80 / € (A) 15.30

H A N F   +   K U N S T   +  PA R T Y  +   E T H N O B O TA N I K

Nr.6 / Herbst 2017

weedmaps.com

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

DAS WELTWEITE CANNABIS-VERZEICHNIS SEIT 2008

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Ketamin: bei Depressionen HR Giger –Einsatz Das grosse Interview Stefan Haag: Drogen auf Reisen Absinthe – Besuch im Val-de-Travers MDMA-Psychotherapie: Hoffnung trotz Trauma Legal Highs – Falsche Perspektiven John C. Lilly: Delfinforschung El Pepe – oder die Verbesserung der Welt Praxis:Hofmann Entheogene Gruppenrituale Albert – Ein Gespräch mit Cannabis: Marihuana dem LSD-Entdecker oder Hanf?


Lassen Sie sich berauschen Bisherige Ausgaben: siehe www.lucys-magazin.com Kapitel

Nullnummer / Frühjahr 2014 / CHF 12.50 / EUR 10.–

Jahre Nachtschatten Verlag Symposium, 4. – 7. September 2014, Solothurn (CH)

Lucy’s Null-Nummer

4

Die Offenbarungen des HR Giger • Der zweifelhafte Weg in die schöne neue Welt • Der Psychonaut: Das Portrait von Albert Hofmann • Absinthe: Die Legende aus dem Valde-Travers • Legal Highs: Die erlaubten Gefahren

HR Giger – Das grosse Interview Absinthe – Besuch im Val-de-Travers Legal Highs – Falsche Perspektiven El Pepe – oder die Verbesserung der Welt

Mit folgenden Autoren

Albert Hofmann – Ein Gespräch mit dem LSD-Entdecker

Stanislav Grof, Ralph Metzner, Wolf-Dieter Storl, Christian Rätsch, Claudia Müller-Ebeling, Markus Berger, Alexander Ochse, Wolfgang Bauer, Jochen Gartz Arno Adelaars, Mathias Bröckers, Patrizia Ochsner, Hans Cousto, Tina Loosli Daniel Trachsel, Wolfgang Sterneck, Samuel Widmer, Claudia Möckel, Klaus John Theo Pütz, Mike MoD, Matthias Diesch Zu den spannenden Themen Nachtschattengewächse, Schamanische Kraftpflanzen Hanf, Pilze, LSD, Ayahuasca, Kakteen, Drogenmischkonsum, Partyfood Psycholytische Therapie, Holotropes Atmen, Alchemistische Divination Diverse Künstler

Vorträge, Seminare, Workshops Rahmenprogramm Podiumsgespräche Kino, Ausstellungen Specials, Party

Infos und Anmeldung

www.nachtschatten.ch/symposium info@nachtschatten.ch Tel 0041 (0)32 621 89 49 Vorverkauf ab 1. März bis 31. Mai

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Nullnummer / Frühjahr 2014 / CHF 12.50 / EUR 10.–

HR Giger, Luke Brown, Fred Weidmann, Gerhard Seyfried Steve Stoned, Nana Nauwald, Akasha Project

21.02.14 10:05

Ralph Metzner: Die Kröte und der Jaguar • Timothy Leary • Cannabis als Medizin • Nana Nauwald • Gerhard Seyfried • Adi Dittrich • Neuer Psilo­ cybin-Pilz • Drug Checking = Safer Use • Holotropes Atmen • Peyote-Weg • Progressive Psytrance

Ralph Metzners Welten des Bewusstseins • Ethnobotanik: DMT und 5-MeO-DMT • Cannabiskonzentrate und Dabbing-­ Kultur • Steve Stoned • Christian Rätsch • Ketamin auf dem Dancefloor • Hanscarl Leuner

Ralph Metzner DMT und 5-MeO-DMT Cannabis als Medizin/Dabbing Steve Stoned im Gespräch Auf dem Peyote-Weg

ISBN 978-3-03788-401-0 112 Seiten, Format 20 x26,5 cm € 14.80 / Fr. 18.50

ISBN 978-3-03788-400-3 112 Seiten, Format 20 x 26,5 cm € 10.00 / Fr. 12.50

ISBN 978-3-03788-402-7 112 Seiten, Format 20 x 26,5 cm € 14.80 / Fr. 18.50

Lucy’s Nummer 4

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Jeremy Narby Francis Huxley: Schamanismus HR Giger – Das&grosse Interview Michael Knodt: Cannabis-Landrassen – Besuch im Val-de-Travers Absinthe Terence McKenna: Psychedelik und Maschinen – Falsche Perspektiven Legal Highs Schamanische Snuffs: Rapé der Welt Verbesserung El Pepe – oder die Mathias Bröckers: DieGespräch Opium-Moderne – Ein mit Albert Hofmann Torsten Passie: Harry C. Kane & Meskalin dem LSD-Entdecker

Nr.5 / Frühjahr 2017

H A N F + K U N S T + PA R T Y + E T H N O B O TA N I K

ISBN 978-3-03788-403-7 112 Seiten, Format 20 x 26,5 cm € 14.80 / Fr. 18.50

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

LSD-Analoga und Verwandte • Die Kunst des herman de vries • Das Lied der Schmetterlinge • Albert Hofmann und Psychedelika vor dem Übergang • Safer Use III • Ethnobotanischer Pflanzenbau: Mohngewächse • Psilocybin-Pilze Europas • Cannabispolitik

Nr. 5 / Frühjahr 2017 CHF 1 8.50 / € (D) 14.80 / € (A) 15.30

Lucy’s Nummer 3

Ayahuasca • Luke Browns Kunst • Transformational Festivals • Barnim Schultze und das Akasha Project • Sasha Shulgin • Schadensminderung beim Feiern • Ethnobotanischer Pflanzen­anbau: Windengewächse • Automatik-Cannabis • Reinkarnation

Lucy’s Nummer 2

Lucy’s Nummer 1

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

ISBN 978-3-03788-404-1 112 Seiten, Format 20 x 26,5 cm € 14.80 / Fr. 18.50

Lucy’s Rausch abonnieren: www.lucys-magazin.com/abo

Lucy’s Nummer 5

Geschichte des Schamanismus • Rapé – Schamanische Snuffs • Torsten Passie über Harry C. Kane • Die Opium-Moderne • Cannabis: alte Landrassen • Traumpflanzen • Frank Tempel • Meskalinforschung • Boom-Festival 2016

ISBN 978-3-03788-405-8 112 Seiten, Format 20 x 26,5 cm € 14.80 / Fr. 18.50

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«Die Geschichte des Drogenkonsums stellt eines der merkwürdigsten und auch – wie mir scheint – der bezeichendsten Kapitel in der Naturgeschichte der Menschheit dar.» ALD OUS HUXLEY, MOKSHA


Foto: Roger Liggenstrfer

2


3

AHUAKULLA – Der Kaktus der tausend Farben Seite 24


Christian Rätsch: Geisterschiffe


5

Pforten in innere Welten – Die Kunst von Christian Rätsch Seite 34


Montage: Nina Seiler

6


7

Bewusstseins- und Delfinforscher John C. Lilly

Seite 102


Foto: Ritchie Valens  / Unsplash


9

Nana Nauwald: Fliegenpilz und Ayahuasca Seite 86


1 0   LU C Y ‘ S C O M I C


Lucy’s Rausch Nr.6

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INHALT

13

Editorial Markus Berger

19

US-Hanfimperialismus Klartext von Roger Liggenstorfer

33

Gute Drogen alleine genügen nicht Coustos Psychedelikatessen

KUNST

34 38

Pforten in innere Welten Die Kunst von Christian Rätsch Luis Tamani: Dounia Claudia Müller-Ebeling

CANNABIS

52

Cannabis, Marihuana oder Hanf? Michael Knodt

90

«Eigentlich ist nur das Kraut legal» Apotheker und Cannabis­medizin­Produzent Manfred Fankhauser

95

Offener Brief an Rick Simpson Franjo Grotenhermen

ETHNOBOTANIK

41

Ketamin gegen Depression Christoph Benner

56

Hoffnung trotz Trauma  – Psychotherapie mit MDMA Maurice Clermont

70

Drogen auf Reisen Teil 1 Stefan Haag

80

«Trink mich!» – Lewis Carroll und «Alice im Wunderland» Wolfgang Bauer

100

Wandel im Kopf Mit Bewusstseinserweiterung gegen die Angst Christoph Marthaler

102

John C. Lilly: Der Bewusstseinsforscher und die Delfine Susanne G. Seiler

106

Brücken bauen – Rückblick auf Psychedelic Science und Breaking Convention Helena Aicher, Andrea Casanova

24

AHUAKULLA Der Kaktus der tausend Farben Kajuyali Tsamani

14 Lucy’s Flashback Leserbriefe und Feedback

86

Fliegenpilz trifft Ayahuasca Nana Nauwald

17 Lucy‘s Agenda

PARTY & RITUAL

46 76

Entheogene Gruppenrituale TiKe Die Psychedelisierung der elektronischen Musik Roberdo Raval

15 Lucy’s Mix

20 Psychedelic Science News 30 Eleusis kompakt Giorgio Samorini 63 Lucy’s Mediathek Bücher und DVD 67 Lucy‘s Lifestyle 109 Literatur zu den Artikeln 110 Impressum 111 Lucy‘s Vorschau


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Lucy’s Rausch Nr.6

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EDITORIAL

Frischer Wind für die Bewegung

U

nsere im Frühjahr unter Lucy‘s-Lesern durchgeführte Umfrage überraschte uns durch die vielen Teilnehmer und brachte so manche wertvolle Erkenntnis zutage. Was wollen unsere Leser wissen? Wofür interessieren sie sich? Sind eher die rein psychedelischen Beiträge gefragt oder auch Texte zu den anderen Psychoaktiva? Wie alt sind unsere Leser und was machen sie in Beruf und Freizeit? Und schließlich: Können wir etwas verbessern an Lucy‘s Rausch? Bei der Auswertung der Ergebnisse wurde uns bewusst, dass wir auf dem richtigen Weg sind (eine Auswahl der Antworten findet sich in unserer Rubrik Flashback auf Seite 14). Unsere Leser entstammen so gut wie allen Altersklassen und gesellschaftlichen Schichten – und sie wollen nicht nur Texte zu Psychedelika lesen, sondern auch zu anderen psychoaktiven Substanzen und zu Themen, die damit zusammenhängen, wie Bewusstseinsforschung, bewusstseinserweiternde Techniken und die Interpretation und therapeutische Anwendung veränderter Bewusstseinszustände. Diesen Wünschen entsprechen wir in dieser Ausgabe und bringen unter anderem ein aufschlussreiches Interview mit dem anerkannten und renommierten Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger im Rahmen eines Artikels zum Thema Ketamin bei Depressionen. Besonders freut uns auch der Beitrag unserer Autorin Claudia Müller-Ebeling, die diesmal ihren Lebens- und Forschungspartner Christian Rätsch für Lucy‘s Rausch interviewt (Seite 34). Dabei geht es um etwas, das den meisten bislang verborgen geblieben ist: die Kunst von Christian Rätsch. Der Ethnopharmakologe und Buchautor malt und zeichnet nämlich seit seiner Kindheit. Zu seinem 60. Geburtstag im April 2017 erscheint diesen Herbst die Festschrift Seelenlandschaften (herausgegeben von Claudia Müller-Ebeling), die sich hauptsächlich mit Christian Rätschs Bildern befasst. Wir freuen uns außerdem über die neue Serie von Stefan Haag, dem erfahrenen Weltreisenden und Drogenexperten, der uns ab dieser Ausgabe mit

auf seine äußeren und inneren Reisen nimmt und die globale Psychoaktiva-Kultur auf spannende und unterhaltsame Art ergründet. Nicht immer sind es nur die «alten Hasen», die uns Relevantes zu berichten haben. War es mit dem eher spärlichen Nachwuchs aus der Ecke der psychedelischen Forscher und Schreiber bisher schwierig, frischen Wind in psychoaktive Publika­ tionen zu bringen, so entwächst der jüngeren Generation derzeit so mancher Rohdiamant. Es ist der Nachwuchs, der die Zukunft gestalten wird. Und daher präsentieren wir in dieser Ausgabe wieder einige vielversprechende Jungautoren aus der psychedelischen Bewegung. Übrigens: Unser nächstes Heft erscheint als Sonderausgabe zum Bicycle Day 2018, dem 75. Jahrestag der Entdeckung der psychoaktiven Eigenschaften von LSD durch Albert Hofmann. Bis dahin freuen wir uns auf das Feedback unserer Leserinnen und Leser zu Lucy‘s Rausch – unserem Magazin für psychoaktive Kultur.  Markus B erger, Chefredak teur


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Leserbriefe & Feedback Die Redaktion freut sich weiterhin über Lob und Kritik. Aus Gründen der Diskretion veröffentlichen wir lediglich die Initialen der Absender. Flashbacks bitte an redaktion@lucys-magazin.com

«Lucy rauscht und rauscht und rauscht!» Eure Arbeit ist unschätzbar! Davon wird die Nachwelt noch sprechen. Ihr ersetzt auf kompetente Weise die Arbeit, die die Politik zu machen hätte! A.L.

Mir kommt die mit Psychedelika in Verbindung stehende Spiritualität zu kurz. Aber sonst echt schön. K.A.

Lucy rauscht und rauscht und rauscht! S.S.

Sehr informatives Heft mit tollen Bildern. Schöne Geschichten. Sehr zu empfehlen für jeden, der sich in Sachen Psychedelika weiterbilden möchte. Amazon-Kundenrezension zu Ausgabe 5

Hier eine anonym gehaltene Feedback-Auswahl aus unserer ersten großen Leserumfrage vom Frühling 2017: «Das ganze Blatt ist sehr schön anzusehen und wirkt sehr wertig. Das schlägt sich natürlich auch im happigen Preis nieder. Für mich dürfte es etwas weniger prachtvoll und stattdessen preiswerter sein.» «Das Heft ist formal schön gestaltet. Einfach aufpassen, dass die Inhalte nicht hinter dem Design nachhinken … Wo bleiben die Bewusstseins­philosophie (Prof. Metzinger, Mainz, zum

Beispiel), die neurophysiologische Forschung, die Traum­ forschung der Schlaf­labore? In der Bewusstseins­philosophie wird Traum, Halluzination und Substanzgebrauch zu einem Ganzen gebracht. Sie sind viel einseitiger, als Sie sein müssten. Die Qualiät der Bilder steht im Gegensatz zur Einseitigkeit und manchmal Dürftigkeit der Texte.» Anm. d. Red.: Zumindest Professor Metzinger haben wir diesmal im Heft. «Geniales Heft! Was fehlt, sind Brüder und Schwestern! Also weitere solche Magazine! Weiter so!» «Vielleicht ab und zu mal ein interessanter Beitrag über die Neurologie von Rauschwirkungen. Mir fehlt auch Historisches (beispielweise über die eleusischen Mysterien in Griechenland

«Ein wunderbares und sehr ästhetisches Magazin» oder die Geschichte der Prohibition) –  wobei ich verstehe, dass man nicht alles berücksichtigen kann und sich die Mehrzahl der Leser eher für Aktuelles interessiert.» «Ich finde Lucy's Rausch ein wunderbares und sehr ästhetisches Magazin, das ich immer wieder gerne zur Hand nehme. Für mich gibt es nur eine Anregung - weiter so! Ich wünsche

«… sinnbildlich für etwas Größeres, das nichts ist ohne die Unterstützung des Einzelnen» euch viel Freude und Glück und gutes Gelingen! Ihr bringt sehr wichtige Informationen zu den Menschen; dies ist sehr notwendig in der heutigen Zeit!» «Das Magazin steht für mich auch sinnbildlich für etwas Größeres, das nichts ist ohne die Unterstützung des Einzelnen.» «Super schönes Magazin, auch die Fotos! Mit viel Liebe recherchiert, gestaltet und geschrieben. Bewundernswert!» «Macht weiter so. Das Thema wird in den nächsten Jahren immer mehr an Relevanz gewinnen und eure gute Aufklärungsarbeit und Informationsverbreitung tragen sicherlich stark dazu bei. Viele Substanzen haben ein enormes Potenzial für die geistige und körperliche Genesung der Menschen.»

Wir danken allen Lesern ganz herzlich für ihre Rück­meldungen und für das Vertrauen, das sie uns entgegenbringen. Eure Feedbacks helfen uns, ein noch besseres und genau auf unsere Leserschaft abgestimmtes Magazin zu machen.  Die Redaktion


Lucy’s Rausch Nr.6

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MIX

Der neu gewählte Schweizer Bundesrat Ignazio Cassis (FDP) aus dem Schweizer Kanton Tessin machte letzten September in den Medien von sich reden. Zunächst sprach er sich öffentlich für eine Legalisierung von Cannabis aus, was für einen hochrangigen Politiker eher un­gewöhnlich ist. Dann setzte er noch einen drauf und erklärte, dass er sich auch für eine Legalisierung von Kokain erwärmen würde. Seine Begründung: Ein kontrollierter und legalisierter Markt erleichtere die Prävention und eigne sich daher besser als die Prohibition, den Missbrauch von psychoaktiven Substanzen einzudämmen. Auch Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss (SP), die sich seit vielen Jahren für eine Änderung des Betäubungsmittelrechts einsetzt, hatte sich zuvor für eine Legalisierung von Kokain ausgesprochen. Ihre Sicht der Dinge: Weil Drogen auch künftig trotz der Verbote konsumiert würden, sei es vernünftiger, die gefragten Substanzen zu regulieren, als diesen Markt den kriminellen Banden des organisierten Verbrechens zu überlassen. Lars Stark, ärztlicher Leiter eines suchtmedizinischen Zentrums in Zürich, sieht das genauso. Für ihn bedeutet die Legalisierung einen verbesserten Schutz der Konsumenten vor gefährlichen Streckmitteln und weiteren negativen Einflüssen des Schwarzmarkts, wie beispielsweise der Verfügbarkeit weiterer (verschnittener) Drogen. http://bit.ly/2faSq4f

Foto: foto lia

Foto : P D

CH-Politiker für Legalisierung von Kokain

Cannabis verjüngt Mäusehirne Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass Tetrahydro­ cannabinol (THC), der hauptwirksame psychoaktive Inhaltsstoff der Cannabispflanze, die Gehirnleistungen bei Mäusen verbessern kann. Demnach versetzt eine mikro­ dosierte, nicht psychoaktive wirksame Gabe von THC über vier Wochen das Gehirn von Mäusen in einen «verjüngten» Zustand. Bei der Untersuchung wurden Mäuse im Alter von 2, 12 und 18 Monaten mit THC oder einem Placebo behandelt. Andreas Zimmer vom Institut für Molekulare Psychiatrie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und israelische Forscher von der Hebrew Universität Jerusalem führten die Studie durch und publizierten sie in der Fachzeitschrift Nature Medicine. Das Ergebnis: Die Applikation von minimal dosiertem THC kehrte die Alterungsprozesse in den Mäusehirnen regelrecht um. Die altersbedingten Leistungsschwächen, die bei den Placebo-behandelten Mäusen erwartungsgemäß auftraten, regulierten und verbesserten sich bei der THC-Kontrollgruppe. Insgesamt entsprach die Hirngewebsstruktur der mit THC behandelten älteren Mäuse eher der von jungen Tieren, was die Forscher überraschte. «Es sah so aus, als hätte die THC-Behandlung die molekulare Uhr wieder zurückgesetzt», wird Andreas Zimmer in einer Pressemitteilung der Uni Bonn zitiert, die auch gleich die Erklärung dafür mitliefert: «Mit steigendem Alter verringert sich die Menge der im Gehirn natürlich gebildeten Cannabinoide», sagt Zimmer. «Wenn die Aktivität des Cannabinoidsystems abnimmt, dann finden wir ein rasches Altern des Gehirns.» www.uni-bonn.de/neues /128-2017; http://go.nature.com/2wQmqLY


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MIX

Legalisierungswelle rollt weiter Nachdem Uruguay in diesem Jahr beschlossen hatte, Cannabis komplett zu legalisieren und sogar landeseigene Cannabisprodukte über Apotheken an erwachsene Freizeitkonsumenten zu verkaufen (Hanfbesitz ist in Uruguay bereits seit 2013 entkriminalisiert), hat nun auch Kanada für den 1. Juli 2018 angekündigt, die Cannabis-Prohibition vollständig fallen zu lassen. Ab dann soll jeder Erwachsene ab 18 Jahren (auch Touristen!) bis zu 30 Gramm Marihuana besitzen dürfen – und jeder Haushalt bis zu vier Hanfpflanzen, die nicht höher als einen Meter sind. Die Weitergabe an Minderjährige soll weiterhin mit Haftstrafen bis zu 14 Jahren geahndet werden.

Microdosing-Coach per Skype Microdosing –  der Gebrauch von Psychedelika in minimalen Dosierungen –  erfreut sich zunehmender Beliebtheit, nicht nur unter Psychonauten. Mithilfe kleinster Mengen von LSD, Psilocybin, Meskalin, DMT usw. können verschiedenste Effekte herbeigeführt werden, zum Beispiel eine gesteigerte Konzentrations­fähigkeit, Wachheit und ein besseres Wohlbefinden. Der US-Amerikaner Paul Austin bietet per Skype-Telefonat CoachingSitzungen für interessierte

Anwender an: Für 97 US-Dollar pro Session (25–30 Minuten) erklärt Austin, wie man Microdosing am sinnvollsten im Alltag anwendet; außerdem gibt es einen entsprechenden Onlinekurs. thethirdwave.co/microdosing-course

CannaSwissCup zu CBD-Gras Im Rahmen der Schweizer Hanfmesse Canna­ Trade im Frühling 2018 (siehe Agenda) wird es eine neue Auflage des CannaSwissCups geben, diesmal mit CBD-Gras. Produzenten können sich anmelden und Proben ihrer CBD-Hanfsorten einreichen. Der Sieger wird am Samstag, 28. April 2018, an der CannaTrade gekürt. Infos und Teilnahmebedingungen: www.cannaswisscup.ch

Coca Social Club Der European Coca Leaf Social Club wurde vom belgischen drogenpolitischen Aktivisten Joep Oomen (1962–2016) und dessen Organisation European Coalition for Just and Effective Drug Policies (ENCOD) ins Leben gerufen und setzt sich für die Legalisierung von Coca-Blättern ein. Die unterstützenswerte Initiative benötigt dringend engagierte Mitstreiter, die sich in der Organisation einbringen und die Ziele des ECLSC weiter verfolgen. Infos: www.encod.org/info/EUROPEAN-COCA-LEAF-SOCIAL-CLUB.html

Foto : H . Ze ll

Infos: www.hanfverband.de


Lucy’s Rausch Nr.6

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MIX

CBD-Zigaretten sorgen für Aufregung Seit diesem Jahr gibt es in der Schweiz eine neue Zigarettenmarke, die nicht nur Schweizer Tabak, sondern auch legales Cannabidiol-Marihuana enthält. Cannabidiol (CBD) ist ein nur leicht beruhigendes, ansonsten aber nicht psychoaktives Cannabinoid aus der Hanfpflanze. Das CBD-Gras ist in der Schweiz legal, solange es einen THC-Wert von maximal einem Prozent nicht überschreitet. Deshalb hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die «Heimat»-Zigaretten zugelassen. Seit einigen Monaten sind diese nicht nur in Hanfshops und Tabakwarengeschäften, sondern auch in den Supermarktketten Coop, Denner und Spar erhältlich. Einzig im Tessin mussten die Märkte die CBD-Zigaretten aus dem Sortiment entfernen, weil der Kanton das

Betäubungsmittelgesetz indivi­duell auslegt und den Verkauf von Cannabis-­ Zigaretten untersagt. Um CBD-Zigaretten und CBD-Cannabis herrscht 2017 ohnehin viel Aufregung. Einerseits vermag die Polizei Cannabidiol-­ Gras nicht von gewöhnlichem zu unterscheiden; andererseits regen sich viele Menschen über die Verfügbarkeit von legalem Cannabis auf, beispielsweise die konservative Hardliner-Organisation «Eltern gegen Drogen», die dem Gesetzgeber vorwirft, mit den CBD-Zigaretten schon Jugendlichen ein riskantes Beruhigungsmittel zugänglich zu machen. In der aktuellen Lage trägt zum Beispiel die IG Hanf, die sich um Aufklärung in Sachen Cannabis bemüht, zur Klärung und Entspannung bei: ig-hanf.ch

AGENDA 22.–24. NOVEMBER: International Conference on Medical Cannabis and Cannabinoids, Prag

nicht fest.  www.waset.org/

medical-cannabis-conference.com

CannaTrade, Europas dienstälteste

conference/2018/01/istanbul/ICAPP

27.–29. APRIL 2018 Hanfmesse, diesmal in Zürich-

30.–31. JANUAR 2018 ICAPP 2018: 20th International

Oerlikon:  www.cannatrade.ch

Conference on Advances in

APRIL 2018

Psychedelic Pharmacology

75 Jahre LSD-Erfahrung

Trotz der politischen Situation in

Im April 2018 jährt sich die

der Türkei findet dieser Kongress zur

Entdeckung der Psychoaktivität

psychedelischen Pharmakologie in

von LSD zum 75. Mal. Anlässlich

Istanbul statt. Das Programm

dieses Jubiläums finden unter

stand bei Redaktionsschluss noch

anderem in Basel, Berlin und

Amsterdam verschiedene Veranstaltungen statt,so zum Beispiel Vorträge und ein Podium im Basler Hotel Hofmatt. Alle Termine und Infos: nachtschatten.ch/lsd75


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Foto : Lara vo n D än ike n

KLAR TEXT  E I N E K O L U M N E V O N

Ro ger Liggenstor fer

Amerikanischer Hanfimperialismus

A

ls ich vor rund 40 Jahren meinen ersten Joint rauchte, waren wir noch der Illusion verfallen, Kiffer wären bessere Menschen, würden die Welt positiv verändern und könnten dem OrwellJahr 1984 und der ‚Schönen Neuen Welt’ mit der totalen Überwachung die Stirn bieten und damit ökologische, politische und spirituelle Inputs für eine friedlichere Zukunft geben. Wie haben wir uns getäuscht! Wir werden rund um die Uhr überwacht, tragen den dazu nötigen Chip ständig mit uns und sehen überall die Welt kollabieren – und sie ist alles andere als friedlich. «Legalize Marijuana» war mehr als eine politische Forderung, es war das Synonym für eine friedliche Revolution. Kiffen war eine Entscheidung für ein engagiertes Leben. Umweltschutz und ein gewaltloses Zusammenleben lagen uns am Herzen, der Militärdienst wurde verweigert. Die USA, die damals den ‚War on Drugs’ ausriefen, sind seit ein paar Jahren ein mächtiger Promoter für die Legalisierung von Hanf und ermöglichen vielver­ sprechende Forschungen mit MDMA und anderen Psychoaktiva im medizinischen Bereich (notabene um kriegsgeschädigte Soldaten zu heilen). Die Kommerzialisierung treibt ihre eigenen Blüten: Investoren, die vor Jahren im Prohibitionslager zuhause waren, wechseln die Seite – mit hanfgrünen Dollarzeichen in den Pupillen. Hanf ist längst zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Die Schweizer Handelszeitung vom 30. März 2017 zeigte unter dem Titel «Geld mit Gras: So profitieren Anleger vom Hanfboom» die Börsenkurse der wichtigsten amerikanischen und kanadischen Firmen. Wären nicht andere Wege erstrebenswert als die totale Kommerzialisierung? Wieso überlassen wir das Feld denen, die uns vor kurzem noch verfolgt haben? Monsanto & Co. sind längst in den Start­ löchern. Patentierte Hanfsamen sind kein Fremdwort mehr. Die meisten Hanffirmen an den Börsen

kommen aus Kanada und den USA, ebenso wie viele der medizinischen Hanfprodukte hierzulande. Der Hanfimperialismus wird sich 2018 mit der Legalisierung in Kanada noch intensivieren. Er zeigt sich bei uns an den Messen von kommerziellen US-amerikanischen Veranstaltern (International Cannabis Business Conference im April 2017 in Berlin), an Hanf-Heilsversprechern wie dem Kanadier Rick Simpson (siehe Seite 95) und an der Vielzahl an neuen, nicht immer notwendigen Hanfprodukten. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, können wir uns organisieren und uns das große Stück vom Hanfkuchen abschneiden, das uns zusteht. Lange waren die holländischen Coffeeshops das Vorzeigebeispiel für einen regulierten Verkauf von berauschenden Hanfprodukten. Vor einigen Jahren sind Cannabis Social Clubs (CSC) entstanden; sie erfreuen sich seither großer Beliebtheit und sind in Spanien zum Beispiel weitgehend toleriert. Auch Genossenschaften sind ein gutes Modell, um das Hanf­ geschäft nicht den Multis zu überlassen. Den Eigenanbau von Hanf dürfen wir nicht aus den Händen geben – er muss in unserem Garten, auf unserem Balkon bleiben, und dass er für den Eigenkonsum längst erlaubt sein sollte, versteht sich von selbst. Setzen wir uns also dafür ein, dass Hanf in unserer Kultur bleibt –  im doppelten Sinne. Vielleicht hat Hanf trotzdem durchaus das Potenzial, die Welt zu verändern – als Nutz- oder als Medizinalpflanze. Tatsächlich ist es nicht egal, mit welchen psychoaktiven Genussmitteln sich der Mensch berauscht. Alle Substanzen besitzen einen Heil-, einen Genuss- oder einen Suchtfaktor. Wir selbst entscheiden, wie wir sie einsetzen und wie sie unsere Weltanschauung, abgesehen vom Spaßfaktor, positiv beeinflussen –  und ob wir etwas Sinnvolles daraus machen. Wer weiß, vielleicht waren die bekifften Ideen in unserer Jugend ja doch nicht so verkehrt.

Setzen wir uns dafür ein, dass Hanf in unserer Kultur bleibt.


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Psychedelic Science NEWS Unsere neue Rubrik widmet sich den neuesten Erkenntnissen und aktuellen Fragestellungen aus der weltweiten wissenschaftlichen Erforschung psychedelischer Substanzen und Organismen.

Psilocybin gegen Rauchen Jedes Jahr sterben in Deutschland weit über 100 000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Psilocybin, der psychedelische Wirkstoff der Zauberpilze, könnte dabei helfen, diese Zahlen zu senken. Neben Aufklärung und Prävention ist die Suchttherapie das wichtigste Mittel, um von Nikotinsucht betroffene Menschen beim Aufhören zu unterstützen. Klassische Therapieansätze verhelfen jedoch nur circa 30 Prozent der Teilnehmer dazu, für 12 Monate oder länger mit dem Rauchen aufzuhören. Forscher um Matthew W. Johnson von der John Hopkins Universität in Baltimore, USA, wollen deshalb einen Umbruch im Umgang mit an Nikotinsucht Erkrankten wagen: die Psilocybin-­ gestützte Suchttherapie, welche Elemente der klassischen Suchttherapie mit gut vorbereiteten psychedelischen Erfahrungen verbindet. Für ihre Pilotstudie fanden die Forscher 15 Freiwillige, die im Mittel seit 30 Jahren rauchten und im Schnitt sechs gescheiterte Versuche hinter sich hatten, mit dem Rauchen aufzuhören. Die Therapie startete mit vier klassischen Therapiesitzungen im Abstand von je einer Woche. In einer ersten psychedelischen Sitzung wurde den Probanden im Rahmen einer gemeinsamen Therapiestunde eine moderate Dosis Psilocybin (20 mg/70 kg Körpergewicht) verabreicht. Ab diesem Stichtag galt es auch für alle Teilnehmer, mit dem Rauchen aufzuhören. Die Teilnehmer bekamen zwei Wochen Zeit, ihre erste Psilocybinerfahrung zu verarbeiten, dann folgte die zweite psychedelische Sitzung. Diesmal wurde ihnen eine stärkere Dosis Psilocybin (30 mg/70 kg) verabreicht, die sie wieder in einer geleiteten Therapiestunde zu sich nahmen. Nach einer einmonatigen Integrationszeit stand es den Probanden frei, an einer dritten Psilocybin-gestützten Therapiesitzung teilzunehmen. Damit endete die Therapie. Nun galt es für die Teilnehmer, die individuellen Erfahrungen und

das von vielen als spirituell empfundene Erleben während des Psilocybin-Rausches in ein Ablegen der Sucht umzuwandeln. Nach zehn Wochen sowie nach drei, sechs und zwölf Monaten wurden die Teilnehmer mittels Atem- und Urintests auf ihr Rauchverhalten ge­ testet. In Selbstauskunftsbögen trafen sie zudem Aussagen zu ihrem persönlichen Wohlbefinden, Verhalten und ihrer Spiritua­ lität. Das Ergebnis: Zehn Personen (60 Prozent)

60 Prozent waren auch noch nach 12 Monaten rauchfrei. waren auch nach zwölf Monaten immer noch rauchfrei: eine Erfolgsverdoppelung im Vergleich zu etablierten nicht-psychedelischen Therapieformen. Die Forscher fanden dabei einen Zusammenhang zwischen dem selbst angegebenen spirituellen Empfinden während der Psilocybinerfahrung und dem Erfolg der Therapie (r = 0,55; p = 0,03). Ganz ohne Hindernisse war die psychedelische Therapie aber nicht für alle: Eine Person gab an, im psychedelischen Zustand schwere Kindheitserinnerungen wieder erlebt zu haben, was ihr allgemeines Wohlbefinden auch zwölf Monate später noch beeinträchtigte. Obwohl diese Pilotstudie nur wenige Teilnehmer und keine interne Kontrollgruppe hatte, sehen die Autoren die Ergebnisse als wichtigen ersten Erfolg. Eine zweite Studie mit mehr Probanden und interner Kontrollgruppe läuft bereits seit 2016. Matthew W. Johnson et al., 2016: «Long Term follow-up of psilocybin-facilitated smoking cessation». The American Journal on Drug and Alcohol abuse, Vol. 43.


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Psychedelic Science NEWS

LSD verringert das Erkennen von angsterfüllten Gesichtern

Rot markiert: die Amygdala. Foto: Fotolia

LINUS NAUMANN (*1989) ist Doktorand der Molekularbiologie. Sein besonderes Interesse gilt der aktuellen Psychedelika-Forschung und ihrem Potenzial, das öffentliche Bild von MDMA, Psilocybin, LSD und anderen Substanzen zu revolutionieren.


SMARTSHOP VAPORIZER HANFSAMEN HEADSHOP

azarius.de }


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Ein San-Pedro-Kaktus blüht auf der kanarischen Insel La Gomera.  Foto: RL

Lucy‘s Rausch Nr.6


Lucy’s Rausch Nr.6

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AHUAKULLA Der Kaktus der tausend Farben TEXT

K a j u y a l i Ts a m a n i

Für Christian Rätsch – unserem entheogenen Gelächter zu Ehren

A

huakulla ist die älteste heilige Pflanze der Anden, des heiligen Gebirges von Südamerika. Es ist eine weibliche Pflanze, so beschreibt es der Name in der Quechua-Sprache, der sich aus zwei Begriffen zusammensetzt: Ahua ist der heilige Name des Guacamayo1 (Ara chloroptera, Fam. Psittacidae). Seine Federn sind grün, gelb, rot und blau gefärbt, wie der Federschmuck, den der Schamane trägt, um die Pracht der Farben bei der entheogenen Zeremonie hervorzurufen. Kulla ist der heilige Name der Weiblichkeit und bezieht sich auf die Frau und die schamanische Weiblichkeit. Der botanische Name dieser Pflanze ist Trichocereus pachanoi, ein großer Kaktus, der höher als 10 Meter werden kann. Wenn er nach sieben Jahren seine volle Reife erreicht, blüht er im Frühling um Mitternacht, zum geeignetsten Zeitpunkt, um ihn rituell zu verzehren. Sein natürlicher Lebensraum in Südamerika reicht vom Meeresspiegel bis zu den kalten Gipfeln der Anden. Sein Hauptwirkstoff ist das Meskalin (Trimethoxyphenethylamin), das wie beim Peyote (Lophophora williamsii) die biochemische Quelle ist, welche bei den schamanistischen Ritualen die entheogenen Erfahrungen hervorruft. In den Mestizen-Traditionen, die durch das Christentum kolonisiert wurden, nannte man ihn San Pedro; denn ebenso, wie diese Figur aus der jüdisch-christlichen Tradition die Schlüssel besitzt, um die Tore zum Himmel zu öffnen, vermag dieser Kaktus die Pforten zur Erweiterung des Bewusstseins zu öffnen. Doch der männliche Name dieses

biblischen Charakters steht im Widerspruch zur heiligen weiblichen Eigenschaft dieser Pflanze und ihrer weiblichen schamanischen Kräfte. Dieser Name und der religiöse Synkretismus um die Pflanze führten auch dazu, dass in den schamanischen Mestizo-Traditionen der Anden die mythischen Überlieferungen zu dieser heiligen Pflanze verloren gingen und die Mythologie vom heiligen Kaktus als Träger der Schlüssel zum christlichen Himmel aufkam. Archäologische Überreste aus der Vor-Inka-Zeit zeugen von einem sehr alten schamanischen Gebrauch. In seinem Buch Magier der vier Winde (1978) schreibt Douglas Sharon: «Die älteste Darstellung des San Pedro befindet sich auf einem Steinblock, der vor Kurzem auf einem kreisförmigen Platz im Hof des alten Tempels von Chavín de Huantar im nördlichen Hochland ausgegraben wurde. Diese Darstellung ist als Basrelief eingraviert und zeigt eine Seitenansicht der Hauptgottheit von Chavín: ein mythologisches menschenähnliches Wesen mit schlangenartigen Haaren, Zähnen, einem Gürtel } Der Tempel von Chavín de Huantar.  Foto: jipe7/ Flickr


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mit einer zweiköpfigen Schlange und Adlerklauen. einen Blick auf ihre Ursprungsmythen zu werfen: In der verlängerten rechten Hand hält die Figur Beim alles erhellenden Lichtblitz des Chuki Illapa, einen San-Pedro-Kaktus mit vier Blattadern. Die des ersten Blitzes im Kosmos, hörte man den uralChavín-Kultur hatte ihre Blütezeit zwischen 1400 ten Donner des Kutu Illapa, des ersten Donners; und 400 v.Chr., und der behauene Stein stammt aus der Zeit um 1300 v.Chr. Vor Kurzem entdeckte Textilien aus Chavín an der südlichen Küste von Peru deuten darauf hin, dass San Pedro im ersten Jahrtausend v.Chr. verwendet wurde. Der auf den Textilien abgebildete Kaktus besitzt keine Stacheln und ist in Verbindung mit einer Katze und einem Inti, die Sonne, schien mit der ganzen heiligen kolibriartigen Wesen dargestellt. Es gibt auch Kraft von Nina, dem Feuer, in einer leuchtenden San-Pedro-Darstellungen aus Keramik, die aus Schlange, die sich durch Fuyu, die Wolken, schlänChavín stammen. Eine der ältesten kommt von der gelte, um zur Mutter Erde, Allpa Milli, hinunterzuKüste im Norden von Peru. steigen und bis zu Uku Pacha, Man nimmt an, dass sie aus der Unterwelt, zu gelangen. der Zeit zwischen 1000 und Dies war der erste Strahl, 700 v.Chr. stammt, und sie der ursprüngliche Strahl: Inti zeigt die magische Pflanze Illapa («Funke der Sonne»). neben einem Hirsch. Fünf Inti Illapa ist eine Schlange des Gefäße, auf denen der San Feuers (Amaru Nina). Nach Pedro neben einem Jaguar dem Eintauchen in die Unterangeordnet ist, stammen welt (Uku Pacha) entspringt wahrscheinlich aus der Zeit sie der Erde dort auf den Gipvon 700–500 v. Chr. Auf feln der Anden als Yakumama, jedem Gefäß sieht man die Schlangenmutter des Wasden San Pedro mit vier Ripsers, und fließt dann wie der pen neben einem gefleckgroße Fluss Allkumayu, der ten Jaguar und spiralförmi«Fluss des Hundes»3 – heute 2 gen Verzierungen.» Früher bekannt als der Amazonas –, wie heute verwendete man Die Gottheit von Chavín hält in ihrer rechten Hand bis ins Meer, Mama Kucha, das einen San-Pedro-Kaktus mit vier Rippen.  den Ahuakulla-Kaktus für die Erde umfasst und sie schamanische Zwecke in den beschützt. Dort schenkt YakuAndenregionen von Bolivien, Kolumbien, Ecuador mama dem Meer ihre Vitalität, vereint ihren Körund Peru. per mit der heiligen Lagune (Kucha) und gibt MutDank des botanischen Wissens über ter Erde Schutz, indem sie sie mit ihrem Körper Ayahuasca, das mir mein erster Meister, Taita umhüllt. Martín Ágreda von den Ureinwohnern von An diesem heiligen Ort, wo Inti Illapa, die Camëntzá im Valle de Sibundoy (Putumayo, Schlange (Amaru) des Feuers (Nina), die Erde Kolumbien), vermittelt hatte, erhielt ich Gelegen- berührte und in ihr aufging und als großer Fluss heit, mich mit dem schamanischen Gebrauch des wieder auftauchte, teilte sich die Schlangenmutter Ahuakulla vertraut zu machen. Er gab mir bei vie- des Wassers (Yakumama) und entfaltete ihren len nächtlichen Ritualen einen köstlichen Cocktail Körper in eine weitere Schlange, die über die Erde aus Ayahuasca und Ahuakulla zu trinken, um den floss und in sie eindrang, um ihr ihre schützende Kaktus kennenzulernen, und erlaubte mir später Kraft zu schenken. Diese andere Schlange trägt den Gebrauch des wertvollen Kaktus. den Namen Sachamama, «die Mutter des WalIn unserem Gemeinschaftshaus Nabi Nun- des»4. Sachamama ist eine heilige zweiköpfige hue («Haus des Jaguars») führen wir regelmäßig Schlange, die ihren Körper mit dem Harn des ersZeremonien mit dieser heiligen Pflanze durch. Bei ten Blitzes energetisiert hat. Sie steht aufrecht wie einer dieser Zeremonien hatte ich Gelegenheit, ein Baumstamm.

Als Sachamama sich aufrichtete, brachte sie Mallki hervor.


Die ursprüngliche Energie, die als Blitz aus dem Himmel hervorging, um den Ahuakulla aus der Erde hervorzubringen, kehrt zum Himmel zurück, indem er die Farben der Energie seines Körpers als Regenbogen ausstrahlt.  Foto: Pexels

Als Sachamama sich aufrichtete, brachte sie Mallki hervor: Dieser Ur-Baum der Ahnen war der erste Ahuakulla, der aus der Erde hervorging. Dies war der Ursprung des heiligen Kaktus der Anden6. Die Energie des Mallki Ahuakulla verdichtete und bildete sich aus dem «Urin» des Blitzes und dem Körper der Sachamama, strahlte in den Kosmos aus und formte so Kuichi, den Regenbogen, den Ring aus Licht, der im Himmelszelt als Amaru (Schlange) leuchtet und als Schimmer im farbigen Gefieder des Huakamayu, des heiligen Vogels – Ahua, aus dem «Urin» des Blitzes – Kulla strahlt. So kehrt die ursprüngliche Energie, die als Blitz aus Hanan Pacha (dem Himmel) hervorging, um den Ahuakulla aus der Erde hervorzubringen, zum Himmel zurück, indem er die Farben der Energie seines Körpers als Regenbogen ausstrahlt. Durch diese mythologischen Urahnen des Ahuakulla können wir die Ikonographie des alten Tempels von Chavín de Huantar besser verstehen. Douglas Sharon schreibt, dass die Gottheit von Chavín in dem Moment, in dem sie die Erde berührt und ihr die heilige Kraft des Ahuakulla schenkt, die sie in der rechten Hand hält, zu Inti Illapa gehört. In den schamanischen Traditionen überreicht man die heiligen Geschenke mit der rechten Hand. Das Schlangenhaar ist die Manifestation der Kraft und 5

die Macht von Illapa (der Blitz), der auch Chukilla7, Inti Illapa («Lichtblitz der Sonne», «Funke der Sonne») und Kuri Kakcha («Goldglanz») genannt wird. Der Blitz (Illapa) ist die heilige Kraft des Feuers; sein Körper ist eine leuchtende Schlange (Amaru), die zickzackförmig durch die Wolken (Fuyu) vorrückt, bis sie sich in die Unterwelt (Uku Pacha) begibt. Er ist aber auch ein himmlischer

Die alte Beziehung zwischen dem Ahuakulla und dem Jaguar ist auf den Keramiken von Chavín zu sehen. Krieger, der eine Schleuder (Huaraka) besitzt. Wenn er sie schüttelt, gibt es eine Explosion aus Feuer, Licht und Tönen. In der anderen Hand hält er eine Keule, die Regen und Hagel (Runtu)8 erzeugt. Der Regen und der Hagel sind der «Urin» des Blitzes. Illapa bildet drei himmlische Kräfte, die sich zusammentun: Chuki Illapa («Speer-Blitz»), Kutu Illapa («Rotz-Blitz»; wie der Lärm, den er von sich gibt: der Donner) und Inti Illapa («Lichtblitz der Sonne», «Sohn der Sonne»). Zusätzlich zu seiner }


williamsii), konnte man spüren, dass sein Geist durch den Hirsch bewohnt wird. Der Geist des Hirsches ist fröhlich, spielerisch, tänzerisch, singend und musikalisch: schamanische Tugenden, die das

Der Geist des Hirsches ermöglicht die Heilung von Furcht und Angst. Fröhlich und spielerisch: Der Hirschgeist. Foto: zvg

Beziehung zum Feuer, dem Feurigen und dem Wasser (Yaku) wird Illapa zur Yakumama («Mutter des Wassers»), zur großen Amaru («Schlange»), die der Ursprung der Flüsse ist. Der Blitz steht auch in Beziehung zum Adler – nicht nur in der Tradition der Anden, sondern auch in verschiedenen indianischen Traditionen, wie zum Beispiel beim Wakinyan Tanka (Donnervogel) der Lakota sowie im Amazonasgebiet. Dies zeigt sich daran, dass die Hände der Gottheit von Chavín wie Adlerklauen geformt sind. Ihre Jaguar-Eckzähne sind die Zähne des Inti (des «Sonnen-Jaguars»). Dies zeigt die Kraft des Jaguar-Blitzes, des Sohns des Sonnen-Jaguars, und erklärt auch die alte Beziehung zwischen dem Ahuakulla und dem Jaguar, die auf den Keramik-Kunstwerken von Chavín zu sehen ist. Die zweiköpfige Schlange, welche die Gottheit als Gürtel trägt, ist Sachamama, die Schlangenmutter des Waldes, die Mutter des Urwaldes, die, indem sie sich aufrichtet, den Mallki Ahuakulla formt, der den Inti Illapa im alten Tempel von Chavín de Huantar in der rechten Hand hält. In den schamanischen Ritualen der indigenen Völker, die den heiligen Kaktus verwenden, sei es nun der Ahuakulla oder der Peyote (Lophophora

Anmerkungen  1  Der Name des Vogels, Guacamayo, ist eine spanische Version seines Namens in der Sprache Quechua, huakamayu (von huaka «Platz, Ort und heilige Existenz» und mayu: «Fluss», Huakamayu: «Heiliger Vogel des Wassers»).  2  Douglas Sharon: Der Magier der vier Winde (1978), S. 62–63.  3 Allku, «der Hund des Wassers», ist der Fischotter (Lutra enudris).  4 Sacha: «Berge, Urwald, Wald».  5 Mallki: «Baum der Urahnen», «Ursprung», «Samen»;

Festliche und die farbigen Visionen des entheogenen Rausches begleiten. Der Geist des Hirsches fördert nicht nur die Freuden des Geistes und des Daseins, er ermöglicht auch die Heilung von Furcht und Angst. Mit seiner Freude ruft er den flinken, glänzenden und bunten Kolibri herbei, den heiligen Vogel, der vom Nektar des Ahuakulla trinkt. Der Geist des Kolibri (Kindi) und der Geist des Huakamayu schenken dem Geist des Ahuakulla die heilige Tugend des Kaktus der tausend Farben, der im Weltall in der Fülle des Regenbogens zu sehen ist. Nabi Nunhue, 12.  Januar 2005 Sol Movimiento Übersetzung aus dem Spanischen: Nadia Thomet

KAJUYALI TSAMANI aus Kolumbien ist Ethnologe und ausgebildeter Yopo-, Coca-, Tabak- und Ayahuasca-Schamane. Kajuyali, der Autor diverser Publikationen und internationaler Referent ist, erfuhr seine umfassenden schamanischen Initiationen bei Meistern der indigenen Ethnien der Camentsa, Kogi, Siona, Sikuani, Huitotos und Lakota. Er hat das Projekt Nabi Nunhue (Haus des Jaguars) ins Leben gerufen, das sich für den Erhalt traditio­nellen Wissens über ethnomedizinische Pflanzen und die schamanische Praxis einsetzt.

«Mutter».  6 «Zur Zeit der Inkas bedeutete das Wort für Mumie – mallki – auch ‹Samen›. Wenn diese begriffliche Analogie Teil des Nazca-Totenkultes war, dann war möglicherweise die Botschaft, welche auf den Graburnen durch den San Pedro (Trichocereus pachanoi) übermittelt wurde, dass die tote Person als Samen begraben wurde, der im Jenseits keimen würde. Möglicherweise symbolisierten die Triebe des San Pedro die Fähigkeit der Samen-Persönlichkeit, nach einer

sorgfältigen Bestattung im Dunkeln wieder aufzuerstehen – genau wie der San Pedro, der jeden Frühling in der Nacht blüht» (Douglas Sharon, Der Magier der vier Winde).  7 Chuki: «Speer», Illa: «Leuchten».  8 Die Konstellation Chukichinchai («Himmlischer Jaguar»), die Plejaden, bringt man auch mit dem Blitz in Verbindung, wenn beide Hagel (runtu) produzieren: der himmlische Jaguar mit seinem Speer (chuki) und der Blitz mit der Keule.


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Giorgio Samorini

ELEUSIS KOMPAKT

Der bekannte italienische Drogenforscher präsentiert Nachrichten und kurze Meldungen zu psychoaktiven Pflanzen und Substanzen und zur Rauschkultur.

ARCHÄOLOGIE Erst kam die Trunkenheit und später die Nahrung  Archäologische Erkenntnisse zeigen mehr und mehr, dass es nicht der Getreideanbau zu Speisezwecken war, der die Menschen darauf brachte, Alkohol aus Cerealien herzustellen. Das Gegenteil ist der Fall: Es war dem frühen emsigen Brauen und Konsumieren von Bier geschuldet, dass die Getreidesorten auch als Am Anfang war das Bier. Foto: 123RF Nahrungsmittellieferanten entdeckt wurden. Dies zeigte sich bei Forschungen im Nahen Osten und in der mediterranen Levante, wo die Menschen mindestens 1000 Jahre länger Bier als Brot aus Gerste herstellen. Kürzlich hat sich herausgestellt, dass auch in China vor 5000 Jahren bereits Gerstenbier gebraut wurde, obwohl es zu dieser Zeit dort keine Gerste gab. Das Getreide wurde aus dem Westen nach China transportiert – und zwar explizit, um damit alkoholische Getränke herzustellen. Der Gebrauch von Gerste als Speise etablierte sich erst 3000 Jahre später. Das Gleiche gilt für Südamerika und den Mais, der dort schon Hunderte von Jahren, bevor Mais als Nahrungsmittel bekannt war, in alkoholischen Gebräuen wie chicha und caouim verwendet wurde – die Droge als Schrittmacher menschlicher Kultur und Evolution. Hayden, B. et al. (2013): What Was Brewing in the Natufian? An Archaeological Assessment of Brewing Technology in the Epipalaeolithic. J.Arch.Method.Th. 20: 102-50 • Boyd, M. & C. Surette(2010): Northernmost precontact maize in North America. Am.Ant., 75: 117-33 • Wang J. et al., 2016: Revealing a 5000-y-old beer recipe in China. PNAS, 113: 6444-8.

Antike Tryptaminraucher In Nordargentinien hat man schon vor mindestens 2000 Jahren Yopo-Samen (Anadenanthera peregrina) geraucht und nicht bloß geschnupft. Das zeigt der dritte Fund, bei dem man Spuren von Bufotenin, DMT und 5-MeO-DMT in Pfeifen gefunden hat. Möglicherweise wurden damals Yopo-­Extrakte produziert und dann per Inhalation konsumiert. Dies geschah Yopo-Samen. in einer Zeitspanne von 2000 v. Chr. bis Foto: zvg mindestens 100 n. Chr. M.F. Bugliani et al., 2010: Fumando en la cocina: determinación de contenidos por técnicas fisico químicas en dos pipas cerámicas del sitio Cardonal, en: AA.VV., La arqueometría en Argentina y Latinoamérica, Brujas, Córdoba, 231-6.

BIOCHEMIE Hanf  Kürzlich wiesen Forscher Indolalkaloide in Cannabis-Samen nach. Diese indolischen Bestandteile scheinen im Hinblick auf neuro­ degenerative Erkrankungen ein therapeutisches Potential zu besitzen. X. Yan et al., 2016: Diketopiperazine indole alkaloids from hemp seed, Phytochem.Lett., 18: 77-82.

Tropane  Am Grund der Lagune von Lagos (Nigeria) fanden Forscher einen Hyoscyamin produzierenden Pilz. Hyoscyamin ist ein Tropan­ alkaloid, das normalerweise im Schwarzen Bilsenkraut und anderen halluzinogenen Nachtschattengewächsen nachgewiesen werden kann. Außerdem produziert ein Pilz, der im Zellgewebe des Gemeinen Stechapfels gedeiht, Datura stramonium. Foto: H. Zell

GIORGIO SAMORINI (* 1957 in Bologna, Italien) ist Ethnopharmakologe und Drogenforscher. Mitbegründer der Italienischen Gesellschaft für die Erforschung veränderter Bewusstseinszustände und Herausgeber der ethnobotanischen Fachzeitschrift Eleusis. Er war der erste Weiße, der in Gabun (West­afrika) in den Bwiti-Kult (Iboga-Kult) eingeweiht wurde. www.samorini.it


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ebenfalls Hyoscyamin sowie Scopolamin. Könnte es etwa tatsächlich sein, dass es dieser kleine Pilz ist, der die Alkaloide hervorringt, die man gewöhnlich dem Bilsenkraut zuschreibt, so wie es bei manchen halluzinogenen Pflanzen der Fall ist, zum Beispiel bei den Winden der Gattungen Ipomoea, Rivea und Argyreia? Bei den drei letztgenannten Spezies fand man nämlich heraus, dass die Mutterkornalkaloide nicht von den Pflanzen selbst hergestellt werden, sondern von endophytischen Pilzen, die in Symbiose mit den Winden leben.

Foto: apsnet.org

Flora, D.O. et al., 2015: Hyoscyamine-producing marine Actinomycetes from Lagos Lagoon sediment, Asian Pacific Journal of Tropical Biomedicine, vol. 5, pp. 196-201 • Christhudas I.V.S.N. et al., 2012: Antimicrobial activity and HPLC analysis of tropane alkaloids in Streptomyces spp. isolated from Datura stramonium L., Asian Journal of Pharmaceutical and Clinical Research, 5, Suppl. 4, pp. 278-82.

Dihydroergotamin, ein Pharmazeutikum, das aus Ergotamin im Labor synthetisiert werden kann und für die Behandlung von Migräne und Clusterkopfschmerz eingesetzt wird, hat man jetzt als Naturstoff nachgewiesen, und zwar im Sklerotium des Pilzes Claviceps africana. Wie beim Amphetamin, das ebenfalls zuerst im Labor synthetisiert wurde, bevor man Claviceps africana. es dann erst kürzlich im Stechapfel nachweisen konnte, weiß die Natur sehr genau, was sie tut, und es gibt Vermutungen, dass man auch LSD früher oder später als Naturstoff entdecken wird. J.A. Shimshoni et al., 2017: Newly discovered ergot alkaloids in Sorghum ergot Clavicesp africana occurring for the first time in Israel. Food Chem., 219: 459-67.

Es liegen Drogen in der Luft Mit modernen wissenschaftlichen Mitteln und Instrumenten ist es heutzutage möglich, überall nach Spuren von Drogen zu forschen, auch in der Atmosphäre. So fand man bei der Analyse von Luft und Metaboliten, die sich 10 Meter über dem Campus der Universität von Madrid befinden, zahlreiche psychoaktive Substanzen – hauptsächlich Kokain, gefolgt von Heroin, THC, MDMA und Amphetamin. M. Viana et al., 2010: Drugs of abuse in airborne particulates in urban environments. Environm.Int., 36: 527-34.

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PILZE Der Fliegenpilz und das Mannitol  Fliegenpilze enthalten den Zuckeralkohol Mannitol in einer Konzentration von etwa 1 Prozent (Trockengewicht). Forscher vermuten, dass diese Verbindung am Transport der psychoaktiven Alkaloide in unser Gehirn beteiligt ist. Dies könnte erklären, warum die Wirkung der extrahierten Alkaloide weniger potent ausfällt und warum der Pantherpilz, der viermal mehr Mannitol enthält als der Fliegenpilz, eine stärkere Wirkung zeigt als AmaAmanita pantherina, der Pantherpilz. Foto: Archenzo nita muscaria. E. Maciejczyk & P. Kafarski, 2013: Mannitol in Amanita muscaria - An osmotic blood-brain barrier disruptor enhancing its hallucinogenic action? Med.Hypoth., 81: 766-7.

«Liberty Cap»  «Die Kappe der Freiheit» nennt man den Spitzkegeligen Kahlkopf Psilocybe semilanceata im Englischen. Aber wieso eigentlich? Im antiken Rom erhielten befreite Sklaven eine Kopfbedeckung (den Die Freiheitsstatue mit Pileus auf Pileus), die später zum einem Medaillon von 1783 Symbol für die politische Freiheit wurde. Im 18. Jahrhundert galt der Pileus dann als Signum der antimonarchistischen Revolutionäre in Frankreich und Amerika. Auch Großbritannien leitete sein Symbol für Legitimität und Freiheit von der auf einem Stab abgebildeten Kopfbedeckung ab. Zwei englische Dichter der Romantik (19. Jahrhundert), Samuel Taylor Coleridge und Robert Southey, assoziierten die Liberty Cap in ihren mehrdeutigen Gedichten mit dem Hut eines Pilzes. Ihre Assoziation hat bis heute Bestand. Adrastos Omissi (2016): The Cap of Liberty: Roman slavery, cultural memory, and magic mushrooms. Folklore, 127: 270-85.



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Coustos Psychedelikatessen Hans Cousto ist Sachbuchautor, Musikwissenschaftler und Mitbegründer von Eve&Rave Berlin.

Gute Drogen alleine genügen nicht

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rogenkonsum ist grundsätzlich nicht ein Problem, dem entgegengewirkt werden muss, sondern der Konsum psychoaktiver Substanzen ist als Phänomen wahrzunehmen, das unter bestimmten Voraussetzungen in die Lebenswirklichkeiten der Menschen integrierbar ist und dort einen berechtigten Platz haben kann. Die Voraussetzung dafür ist Drogenkompetenz als Basis eines autonom kontrollierten, sozial integrierten und vor allem genussorientierten Konsums. Wenn man selbst nicht in guter Verfassung ist, helfen auch keine Psychoaktiva, denn diese verstärken vor allem die positiven und negativen Stimmungen, die man schon vor der Einnahme in sich verspürte. Die Wirkung, die man wahrnimmt, und die Risikofaktoren, welche die Wahrschein­ lichkeit von störenden Effekten erhöhen können, sind nicht nur von der Dosierung und der Kom­ bination (Mischung) der konsumierten Substanzen abhängig, sondern maßgeblich auch von der Erwartungshaltung, der körperlichen Verfassung, der Stimmung und den persönlichen Vorbereitungen auf die Drogeneinnahme sowie von der Atmosphäre, die einen umgibt. Die drei Begriffe Drug, Set und Setting zur Beschreibung therapeutischer und ritueller Drogensitzungen wurden in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts von Timothy Leary, dem Harvard-­ Professor für Psychologie, eingeführt. Der Begriff Set bezieht sich auf das, was jemand in die Konsumsituation einbringt, also die persönlichen Erinnerungen, die eigene Lernfähigkeit, das individuelle Temperament, das vertraute emotionale, ethische und rationale Wertesystem und vor allem

die Erwartungshaltung an die Drogenerfahrung. Das Setting bezieht sich auf das soziale, räumliche und emotionelle Umfeld, das einen vor, während und nach dem Drogengebrauch umgibt. Die wichtigsten Aspekte des Settings sind jedoch das Verhalten, das Verständnis und das Einfühlungsvermögen derjenigen, die den Konsumierenden die Drogen überreicht haben. Informationen zu den Eigenschaften der Drogen (Drug), das heißt die rein substanzbezogenen Informationen, kann man in Büchern oder Broschüren nachlesen. Doch die interagierenden Faktoren der inneren Bereitschaft (Set) und der äußeren Umstände (Setting) entziehen sich einer normierten Betrachtungsweise. Erfahrene Psychonauten achten auf das richtige Setting für ihre psychedelischen Reisen. Psychoaktiva sind Mittel für einen bestimmten Zweck, und das richtige Setting kann einen großen Einfluss auf das Gelingen des angestrebten Ziels haben. Ein falsches Setting hingegen kann nicht nur den Genuss minimieren, sondern auch das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen massiv erhöhen. Nicht selten sitzen Leute einfach nur herum und machen nichts anderes, als diverse Drogen zu konsumieren. Zwischendurch beschäftigen sie sich mal mit ihrem Smartphone, um dann gleich die nächste Dosis einzunehmen. Dabei werden sie einfach nur immer breiter, ohne Sinn und Zweck. Diesem Konsumtrend – bei dem sich weder wahres Glück noch Befriedigung zeigt – will Lucy’s Rausch mit Empfehlungen zur Drogengenusskultur und zur Bewusstseinserweiterung mittels Psychoaktiva entgegenwirken.

Wenn man selbst nicht in guter Verfassung ist, helfen auch keine Psychoaktiva.


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Pforten in innere Welten Die Kunst von Christian Rätsch TEXT

Claudia Müller-Ebeling

Der Altamerikanist und Ethnopharmakologe Christian Rätsch ist bekannt als Autor zahlreicher Bücher, vor allem für das gewichtige Standardwerk Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen (in der 13. Auflage). Lucy’s-Leser konnten entdecken, dass er auch Künstler ist. Im vierten Quartal 2017 erscheint eine Auswahl seiner Aquarelle in einer Festschrift zu seinem 60. Geburtstag. Wiedergabe von Visionen (ob in Gemälden, Zeichnungen oder Grafik). Und genau das liegt Christian Rätsch künstlerisch am Herzen. Inwiefern seine Kunst psychedelisch ist, erläutert er im Interview. Was hast du als Kind gemalt und welche Erinnerungen hast du daran? Rätsch: Schon als Kind war Malen für mich etwas Magisches. Ich versank in den Welten, die farbig

Etwas zusammenrühren, in Kesseln brauen und zaubern fand ich einfach faszinierend. Christian Rätsch.  Foto: Elfriede Liebenow

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ie Malerei kann visionär Erschautes farbig festhalten. Sie kann Unsichtbarem Gestalt geben und Kaskaden von Motiven in eine parallele Gleichzeitigkeit bannen. Die bildende Kunst kann verborgene innere Zusammenhänge vermitteln und das betrachtende Gegenüber in ungeheuerliche Dimensionen entführen, die sich Worten entziehen. Sie ist ein perfektes Medium zur

auf Papier entstanden, und produzierte etwas, das ich wiedererkennen konnte. Mit Buntstiften malte ich Unterwasser- und Dschungelwelten, Ritter, Drachen und Fantasiewesen, germanische Götter und Helden, Hexenküchen, Hexen und Zauberer, die in brodelnden Kesseln rührten. Das sind ja ziemlich prophetische Motive für deine späteren Forschungsthemen. Gab es Kinderbücher oder Geschichten, die dich zu diesen Hexenküchen inspirierten? Nein – diese Motive kamen mir einfach in den Sinn. Etwas zusammenrühren, in Kesseln brauen und }


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} Stiergöttin


36  CHRISTIAN RÄTSCH

Ikone

Christian Rätschs Bilder spiegeln das vielfältige Spektrum seines Inter­esses. Sie bezeugen wesentliche Stationen seines Lebens und seiner interkulturellen Forschungen. Von den Mythen der Germanen bis in den Regenwald der Maya. Von Richard Wagner bis Heavy Metal. Von Neander­thalern und Steinzeitjägern bis zu Göttinnen der Donau-­ Zivilisation. Und vor allem vom Schamanismus bis zu bewusstseinserweiternden Visionen durch die Pflanzen und das Fleisch der Götter.

zaubern fand ich einfach faszinierend. Meine Eltern wunderten sich darüber und unterstützten mich, zunächst mit guten Farben und Papier. Und später, als Schüler, mit allem, was ich für mein gut ausgerüstetes chemisches Laborhäuschen im Garten brauchte. Also stringente Hinweise für meinen späteren beruflichen Weg.

C. Müller-Ebeling, Festschrift Christian Rätsch

Viele malen nur in der Kindheit und vergessen das dann, wenn sie in die Pubertät kommen. Wie war das für dich? Welche Einflüsse beschäftigten dich als Jugendlichen? Mich fesselte die Malerei kontinuierlich, auch in der Jugend. Vor allem die Illustrationen auf den Alben der legendären Rockgruppe Cream und der Beatles-Film Yellow Submarine, den ich mit meinem Vater im Kino sah, inspirierten mich zu eigenen Kompositionen mit farbigen Filzstiften. In der Oberstufe experimentierte ich dann mit Aquarell und Collagen. Surrealismus war ein Thema im Kunst­unterricht. Dass ich dafür immer eine Eins bekam, war natürlich sehr motivierend.

ermöglichte mir einen tiefen, emotionalen und nicht verbalisierbaren Zugang zu diesen fremden Welten. Mir wurden mehrdeutige Perspektiven in der Kunst der Maya bewusst. Ich entdeckte, wie die Maya unsichtbare Welten in Schlangenleibern und Köpfen visualisieren, die aus dem weit geöffneten Rachen von Schlangen emportauchen. Ich verstand, dass Spiralformen, die aus Mündern quellen, visionäre Botschaften symbolisieren. Und natürlich erinnerte mich der detailreiche Kopfschmuck der Mayagötter und Priester an eigene Erfahrungen mit Zauberpilzen, die die Maya als 'Fleisch der Götter' verehrten und nutzten.

Als Altamerikanistik-Student hast du dich künstlerisch der Welt der Maya genähert. Welche Einblicke hast du dadurch gewonnen? Mit Aquarellen und Graphiken vertiefte ich meine Studien zu Mesoamerika. Das Malen und Zeichnen

Ist der Begriff 'psychedelisch' in diesem Zusammenhang sinnvoll und was verstehst du darunter? Mexiko ist reich an psychoaktiven Pflanzen, Pilzen und Kakteen. Mazateken, Tarahumara, Huichol und


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Wasi

andere indianische Gesellschaften nutzen sie bis heute. Die Kunst der Huichol basiert auf Visionen des heiligen Peyote-Kaktus. Sie erhellen und offenbaren die Seele – das bedeutet der griechische Begriff psychedelisch! Die Kunst und Kultur der Maya ist eindeutig geprägt von visionären Erfah-

Die visuelle Symbolik der Maya inspirierte mich zu Bildern meiner eigenen Visionen. rungen und dem rituellen Gebrauch entheogener Pflanzen und Pilze. Also im wahrsten Sinne psychedelisch. Die visuelle Symbolik der Maya inspirierte mich zu Bildern meiner eigenen Visionen. Ich reduziere 'psychedelisch' nicht auf die Kunst der sechziger Jahre. Ich verstehe darunter eine Wahrnehmungserweiterung, die zu neuen Darstellungsmöglichkeiten führt. Und damit experimentiere ich bis heute. So konnte ich allmählich meine Technik

verfeinern, um wiederzugeben, was ich in visionären Zuständen mit Entheogenen so farbig und plastisch gesehen habe. Ich male nicht ab, was ich innerlich erschaute, sondern setze es figürlich ab­strakt um. Natürlich reichen meine Bilder noch immer nicht an diese Visionen in veränderten Bewusstseinszuständen heran. Diesbezüglich habe ich natürlich hohe Ansprüche. Zum Glück aber gelingt mir das inzwischen mehr und mehr.

Claudia Müller-Ebeling (Hg.): Seelenlandschaften Festschrift zum 60. Geburtstag von Christian Rätsch Ca. 130 Seiten, Format 24 x 24 cm, durchgehend vierfarbig, Pappband, ISBN: 978-3-03788-534-5


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Luis Tamani:

Dounia

Acryl auf Leinwand, 80 x 100 cm, 2015

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Claudia Müller-Ebeling

Eine meditierende Gestalt schwebt im grenzenlosen Raum. Es sind keine blauen Weiten, sondern es ist eher ein brauner Urgrund des Seins. Die hybride Erscheinung zwischen Indien und Amazonas mutet weiblich an, obgleich man vergeblich nach Rundungen von Brüsten fahndet. Ihre Lider sind ebenso geschlossen wie der Mund, den ein zart angedeutetes Lächeln umspielt. Ihre linke Hand ruht auf dem Solarplexus. Nur Gesicht, Hals, Schultern, Brustkorb und der linke Arm sind zu sehen. Den restlichen Körper verschluckt das Dunkel der Nacht, aus dem farbige Lichtpunkte aufblitzen. Rechts und links berühren Kolibrischnäbel ihre Ohren. Ihr flirrendes Blau zaubert gefiederte Arabesken an die Lider des Amazonas-Buddha. Vom amethyst­farbenen Juwel im dritten Auge, das sich in einer Reihe von tierischen Augen spiegelt, strahlen kristalline Muster aus. Über der Hand breitet sich ein grünblaues Geschmeide im gelben Netz feiner Linien aus. Darunter wabern Flammen über dem Nabel, die Funkenflüge und immaterielle Schmetterlingswesen entsenden. Die meditierende Gestalt erhebt sich aus den Windungen einer luziden körperlosen Schlange, die dem Betrachter ihren reich geschmückten Kopf zuwendet. Das Gesicht der visionären Erscheinung ist von komplexen vegetativen Formen umgeben, die an Baumstämme, Pflanzen und nach beiden

Seiten strebende Schlangen erinnern. Die Flammen, das Geschmeide und das Stirn­ juwel konzentrieren mit ihrem luziden Gespinst leuchtender Farben den Blick auf die Mittelachse und verleihen der Amazonas-Vision eine zentrierende Ruhe. Wenn man die Mythologie der Amazonasindianer kennt, weiß man, dass Kolibris dem Menschen im Ayahuasca-Rausch farbige Visionen schenken. Tamani vergegenwärtigt das feine Gewebe des Lebens, das Menschen, Tiere und Pflanzen verbindet, in Bildern wie diesem, das erfahrene Betrachter an eigene Ayahuasca-Visionen erinnert. Der peruanische Künstler Luis Tamani wuchs am Ucayali in Pucallpa auf, im Amazonas-Tiefland. Seine künstlerische Ausbildung schloss er nach fünf Studien­ jahren an der von Eduardo Meza gegründeten Schule Saravia Escuela Superior de Formación Artística in Pucallpa ab. Seine Erfahrungen mit den respektvoll «Pflanzenlehrer» genannten Entheogenen seiner Heimat verarbeitet er künstlerisch zu bestechenden, magischen Einblicken in die visionäre Welt. Seine transparent und luzide wirkende Kunst ist mittlerweile weltweit in Galerien präsent, von Peru, Südamerika bis nach Europa und in den USA. www.luis-tamani.com www.claudia-mueller-ebeling.de


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Lucy‘s Rausch Nr.6

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Wenn sich Probleme vom Selbst lösen Ketamin gegen Depression TEXT

Christoph Benner

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as menschliche Bewusstsein ist eine spezielle Form der Wahrnehmung, der Sensibilität für innere Reize und des Verstehens der uns umgebenden Welt. Unser Alltagsbewusstsein lässt mehr Dinge aus, als es mit einbezieht, und ist damit per se schon höchst eingeschränkt. Noch wesentlicher eingeschränkt ist die Selbstwahrnehmung depressiver Menschen, die in einer destruktiven Gedankenspirale stecken, aus der sie nur schwer wieder herauskommen. Wenn es darum geht, depressive Patienten zu behandeln, steckt die Psychiatrie in einer mittelschweren Krise. «Personalisierte Medizin» lautet das Schlagwort der Forscher und Ärzte, die allerdings trotz aller Bemühungen noch weitgehend im Trüben fischen. Eine Substanz allerdings zeigt einen paradoxen Lösungsansatz auf, den es zu untersuchen gilt: Ketamin – personalisierte Medizin durch Depersonalisation? Vom Knast in die Klinik 1964 nahmen Insassen des Jackson-Gefängnisses im US-Staat Michigan unfreiwillig an einer Studie teil, bei der die Wirkungen eines ihnen unbekannten Mittels erkundet werden sollten. Der Versuchsleiter Edward Domino war der erste Wissenschaftler, der die facettenreichen Qualitäten dieser Substanz beschrieb. Zwei Jahre zuvor hatte sie im Pharmaunternehmen Parke-Davis das Licht der Welt erblickt. Ihr Schöpfer, Calvin Stevens, suchte nach einem neuen Abkömmling aus der Stoffgruppe der Phenylcyclohexylamine, mit dem er ein weit verbreitetes Problem der damaligen Anästhesie zu lösen versuchte. Viele Patienten, die mit dem

damals gebräuchlichen Mittel Phencyclidin («Angel Dust») sanft in das Reich des Unbewussten befördert wurden, wachten weniger sanft mit psychotischen Symptomen auf und stellten eine unangenehme Belastung für das Pflegepersonal dar. Stevens synthetisierte das Ketamin Molekül CI-581, später in Ketamin HCl. umbenannt und als Ketalar patenFoto: Alamy tiert. Für Patienten bestand damit zwar immer noch ein gewisses Risiko, eine solche «postanästhetische Agitiertheit» zu erleiden, doch Ketamin wirkte wesentlich unproblematischer als sein Vorgänger auf Vitalfunktionen wie Puls und Atemfrequenz und wurde deswegen gerne als sicheres Anästhetikum in die materia medica aufgenommen. Bei der Untersuchung seiner Probanden stellte Domino neben der betäubenden auch eine analgetische und antidepressive Wirkung mit schizophrenieähnlichen Symptonen fest. Da viele Insassen ein Gefühl des Aus-sich-Heraustretens beschrieben, prägte Dominos Frau den Begriff «dissoziatives Anästhetikum» für Ketamin; als solches wurde es 1970 von der FDA zugelassen. . Sein oder Nichtsein: Die Dosis ist die Frage Sowohl die dissoziative als auch die anästhetische Wirkung fand schnell großen Anklang außerhalb der Klinik. GIs nutzten Ketamin als «buddy drug» in Vietnam zum Ausschalten von Schmerzen, während Psychonauten erstmals in San Francisco und Los Angeles «Special K» im Privaten nutzten, um direkte Einsichten in die Natur des Selbst zu bekommen oder in traumartigen Zuständen «Urlaub auf Keta» zu machen. }


4 2   K E TA M I N G E G E G N D E P R E S S I O N

Ketamin, Glutamat und das Ruhenetzwerk im Gehirn Im Gehirn eines depressiven Patienten geht es wesentlich härter zu als im Gehirn eines Gesunden. Besonders das Ruhenetzwerk (so genannt aufgrund seiner hohen Aktivität bei kontemplativen, tagträumerischen, nach innen gerichteten Tätigkeiten) ist bei depressiven Patienten höchst dominant und in seiner funktionellen Vernetzung mit anderen Hirnbereichen äußerst eingeschränkt1. Die Folgen sind exzessives negatives Nachdenken über die eigene Persönlichkeit, Schuldge-

Das kann eine tiefe Empfindung von innerem Frieden und Akzeptanz, der Transzendenz von Zeit und Raum oder ein Gefühl von absoluter Realität zur Folge haben. Nicht überraschend ist in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung solcher Erfahrungen für den philosophischen Diskurs über das Leib-Seele-Problem oder generell als epistemologisches Hilfsmittel (siehe Fragen an Thomas Metzinger ab Seite 44).

fühle und eine schwer zu durchbrechende Gedanken­ spirale, die den Patienten immer weiter nach unten zieht. Ketamin wirkt auf diese Blockade wie neuronaler Sprengstoff. Pharmakodynamisch vermittelt es zwischen einzelnen Nervenzellen über eine blockierende (antagonistische) Wirkung des N-Methyl-D-Aspartat-(NMDA)-Rezeptors. Dieser Rezeptor reguliert den zellulären Ein-und Ausstrom des erregenden Neuro­ transmitters Glutamat. Im weiteren Verlauf kommt es, vielleicht als bioenergetische Folge der angeregten Nervenzellen, zu einem größeren Austausch des Ruhenetzwerks mit anderen Hirnarealen und gleichzeitig zu einer verminderten Dominanz. Das Ruhenetzwerk wird entkoppelt; das korreliert mit der subjektiven Erfahrung der Körper-Geist-Dissoziation, der Ego-Auflösung2.

Ob nun als Schmerzpflaster oder Reiseticket: Auf welche Weise Ketamin wirkt, hängt vor allem von der Konzentration ab, die das zentrale Nervensystem erreicht. Einer der bekanntesten Ketamin-Psychonauten, die dieses Prinzip gründlich erforscht und dokumentiert haben, war John Lilly (siehe auch Seite 102). Die Ketamin-Erfahrung beginnt laut Lillys persönlichen Beschreibungen bei geringer Dosis (30 mg intramuskulär) mit visuellen Eindrücken bei geschlossenen Augen, steigert sich über ein Gefühl des Schwebens zu dem Eindruck, als eigenständiges Bewusstsein den Körper zu verlassen, kulminiert in der Auflösung des Egos und kann bei weiterer Steigerung der Dosis (300 mg intramuskulär) zu Bewusstlosigkeit führen: Sein oder Nichtsein –  Shakespeares weltbekannte Dichotomie, reduziert auf eine Messerspitze Ketamin. In The Center of the Cyclone beschrieb Lilly 1972 seine Idee zur Nutzung der Ketamin-Erfahrungsräume als Mittel gegen Depression. Die Dissoziation von Körper und Geist erlaube es dem Patienten, als neutraler Beobachter bis auf den Boden seiner erkrankten Egostruktur zu blicken.

Sprengstoff fürs Gehirn Die Behandlung von Depression mit herkömmlichen Antidepressiva wie den Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) gleicht der Behandlung eines komplexen Armbruchs nur mit Schmerzmitteln in der Hoffnung, der Knochen würde von selbst wieder zusammenwachsen. Ungefähr ein Drittel der Patienten sprechen nicht auf SSRI an, wobei der Rest mit Nebenwirkungen wie sexueller Dysfunktion, Schlafstörungen und Gewichtszunahme rechnen muss. Ketamin dagegen könnte dem Patienten durch Selbsthilfe in der transzendenten Erfahrung helfen. Was die Ergotherapie für den Patienten mit dem gebrochenen Arm und seinen Orthopäden ist, könnte die Egotherapie für den depressiven Patienten und seinen Psychiater werden. Eine KetaminSitzung als eine Art Psychotherapie «to go» trifft

Eine Behandlung mit Ketamin ist kein Wundermittel. den Zeitgeist: Eine signifikante Verbesserung der Symptomatik ist nämlich bereits nach wenigen Stunden zu beobachten, während dies bei SSRI in der Regel mehrere Wochen dauert. Der dahinterliegende neurobiologische Mechanismus ist nicht erforscht, allerdings gibt es dazu interessante Ideen. Quo vadis, Ketamin? Es wäre zu einfach, wenn man nach dem Prinzip «Kein Ego – kein Problem» depressive Menschen nach einmaliger Erfahrung von ihrem unermesslichen Leid befreien könnte. Allerdings ist eine Behandlung mit Ketamin kein Wundermittel, und die Methode ist längst noch nicht etabliert. Heiß


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Die Selbstwahrnehmung depressiver Menschen ist stark eingeschränkt.  Foto: Fotolia

debattiert in der akademischen Fachliteratur wird beispielsweise, ob eine dissoziative Erfahrung überhaupt für eine Heilung notwendig ist oder nur einen störenden Nebeneffekt darstellt. Eine der ersten Publikationen3 über die positiven Effekte von Ketamin für Patienten mit behandlungsresistenter Depression berichtete über eine sub-psychedelische Dosis von 0,5 mg/kg Körpergewicht intravenös über einen Zeitraum von 40 Minuten verabreicht. Eine neuere, größere Studie4 fand dagegen eine deutliche Korrelation zwischen der subjektiv empfundenen Dissozia­ tionserfahrung während der Ketamin-Infusion und der antidepressiven Wirkung. An einem Maus­ modell der Depression fand man wiederum heraus, dass nicht Ketamin selbst, sondern eines seiner nicht-dissoziativen Stoffwechselprodukte, (2S,6S;2R,6R)-Hydroxynorketamin, für die schnelle antidepressive Wirkung zuständig sein soll5. Mehr Forschung ist in jeden Fall nötig, um die notwendigen und hinreichenden Voraussetzungen für ein schnell wirkendes, antidepressives Mittel zu extrahieren. Zudem stellt sich die Frage, wie man die Langzeitwirkung einer Therapie mit Ketamin sicherstellen will, da nach circa einer Woche die meisten depressiven Patienten wieder eine Symptomverschlechterung erfahren. Die Ausbildung einer Toleranz und einer psychischen Abhängigkeit sowie einer Niereninsuffizienz ist im klinisch-antidepressiven Setting zwar sehr gering, jedoch nicht ausgeschlossen. Attraktiv erscheint ein Modell nach Evgeny Krupitsky: Es verbindet eine psychedelische mit

einer psychologischen Behandlung; mit dem therapeutischen Dreiklang Präparation-Administra­tionIntegration will man eine möglichst ganzheitliche Wiederherstellung des geistigen Gleichgewichts im Patienten erreichen. Die aktive psychotherapeutische Arbeit sollte nicht während oder kurz nach der Ketamin-Verabreichung (zwischen 0,5  mg/kg bis 3 mg/kg) stattfinden, sondern während der Tage davor und danach. Der Patient soll dabei einerseits darauf vorbereitet werden, dass die Erfahrung eine grundlegende Veränderung der kognitiven Struktur und des Selbstmodells mit sich bringen kann; andererseits soll es ihm auch gelingen, diese in der Regel positiven Erfahrungen in den Alltag zu integrieren. Ketamin – personalisierte Medizin durch Depersonalisation? Auf der Grundlage der bisherigen wissenschaftlichen Daten scheint dies eine Glaubensfrage zu sein. Psychotherapeuten werden sich an der geistigen Formbarkeit, die eine dissoziative Erfahrung mit sich bringt, wohl mehr erfreuen können als Pharmakologen, die an einem rationalen Drug Design möglichst ohne unvorhersehbare Nebenwirkungen interessiert sind. Ob durch Körper-Geist-Entkopplung oder nicht, eine Behandlung mit Ketamin gegen Depression scheint jedenfalls bei ansonsten behandlungsresistenten Patienten besonders vielversprechend. Die Yale-Professoren Ronald Duman und George Aghajanian bezeichneten diese Entwicklung in der angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift Science als eine der derzeit wichtigsten für die Psychiatrie. Ganz davon abgesehen bietet Ketamin, im Vergleich zu LSD oder Psilocybin, als für die Forschung einfach zugängliches Mittel die Möglichkeit, eine das Selbst auflösende psychedelische Erfahrung wissenschaftlich zu ergründen, um unsere allzu menschlich eingeschränkte Wahrnehmung zu erweitern.  lucys-magazin.com/autoren/benner

Quellen zu Ketamin als Antidepressivum  1 Hamilton JP, Farmer M, Fogelman P, Gotlieb I (2015): Depressive Rumination, the Default-Mode Network, and the Dark Matter of Clinical Neuroscience. Biological Psychiatry; 78: 224-230.  2 Lehmann M, Seifritz E, Henning A, Walter M, Bocker H, Scheidegger M, and Grimm S (2016): Differential effects of rumination and distraction on ketamine induced modulation of resting state functional connectivity and reactivity of regions within the default-mode network. Social Cognitive and Affective Neuroscience, 1227–1235.  3 Berman R, Cappiello A, Anand A, Oren D, Heninger G, Charney D, Krystal J. (2000): Antidepressant effects of ketamine in depressed patients. Biological Psychiatry; 351-354.  4 Luckenbaugh DA, Niciu MJ, Ionescu DF, Nolan NM, Richards EM, Brutsche NE, Guevara S, and Zarate C (2014). Do the dissociative side effects of ketamine mediate its antidepressant effects? Journal of Affective Disorders; 159: 56-61.  5 Zanos P, Moaddel R, Morris PJ, Georgiou P, Fischell J, Elmer GI, et al. (2016): NMDAR inhibition-independent antidepressant actions of ketamine metabolites. Nature; 533: 481–486.


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«So etwas wie ein Selbst gibt es  Vier Fragen an Thomas Metzinger Viele Menschen bedienen sich tagtäglich eines ganz speziellen Gedankens, nämlich dem «Ich». In Ihrem Buch Der Ego-Tunnel scheinen Sie das «Ich» als phänomenales Selbst als Illusion erklären zu wollen. Können Sie dieses kontraintuitive Modell genauer erklären? Thomas Metzinger: Der Begriff «Illusion» passt in diesem Zusammenhang nicht wirklich, er bezieht sich auf eine Sinneswahrnehmung, die auf einem Reiz beruht, der aber verzerrt oder falsch dargestellt wird, und er impliziert logisch, dass es ein Subjekt gibt, das diese Illusion haben kann. Es müsste hier also ein Selbst hinter dem Selbst existieren, das sich wiederum selbst täuscht. Ein Selbst ist aber nichts, was man wie ein Fahrrad besitzen kann – es ist kein Ding, sondern ein Vorgang. Ich glaube, dass wir bei wissenschaftlichen Erklärungen des Selbstbewusstseins auf den Begriff des «Selbst» komplett verzichten können, dass es so etwas wie ein Selbst überhaupt nicht gibt. Existiert das Selbst nicht alleine schon als Produkt neurobiologischer Prozesse? Was existiert, ist ein bewusstes Selbstmodell, das wir normalerweise nicht als Modell erleben können. Und ja, das Entstehen dieses Modells ist ein soziokulturell eingebetteter neurobiologischer Vorgang. Reduktion ist eine Beziehung zwischen Theorien und nicht zwischen Phänomenen. Ein schöner Regenbogen bleibt ein schöner Regenbogen, auch nachdem das Phänomen physikalisch durch das Entstehen verschiedener elektromagnetischer Wellenlängen durch Lichtbrechung erklärt wurde. Analog bleibt auch das Ichgefühl erhalten, wenn das Phänomen Selbstbewusstsein einmal erfolgreich einem naturwissenschaftlichen Erklärungsmodell zugänglich gemacht wird. Die Phänomenologie bleibt, die abendländische Substanz­metaphysik verschwindet. Besitzen psychedelische Erfahrungen der Ego-Auflösung ein echtes Erkenntnis­ potenzial oder ist das nur drogeninduziertes neuronales Rauschen? Allein von der Phänomenologie her tragen Erfahrungen psychedelischer Natur das Potenzial in

sich, einen enorm großen Raum möglicher Realitätsmodelle zu entwickeln – sie führen zu einem «modalen» Erkenntnisfortschritt aus der ErstePerson­-Perspektive, zu tiefen subjektiven Einsichten darüber, was möglich ist oder auch darüber, was nicht notwendig ist. Für viele wird so ein Potenzial des menschlichen Gehirns und Geistes direkt erfahrbar, das man davor leichtfertig für unmöglich gehalten hat, weil man es sich nicht vorstellen konnte. Einer der philosophisch relevantesten Erlebnistypen ist wohl die Dimension der Ego-Auflösung. Allerdings ergibt sich bei der Verbalisierung etwa von «Mein Selbst hat sich aufgelöst!» ein logisches Problem, man spricht in der Philosophie von einem performativen Selbstwiderspruch. Der Inhalt solcher Aussagen widerspricht den Bedin-

Die theoretische Relevanz psychedelischer Erfahrungen ist aus philosophischer Sicht nicht zu unterschätzen. gungen des Sprechakts selbst: Es kann keine autobiographischen Berichte über eine Episode geben, in der es kein Selbst und keine Erste-Person-Perspektive gab. Wenn man einen vermeintlichen Erkenntnisgewinn nur so formulieren kann, dass man sich dabei in einen logischen Widerspruch verwickelt, dann besitzt dieser keinen Geltungsanspruch, niemand muss ihn ernst nehmen. Ein weiteres Potenzial für psychedelische Erfahrungen könnte in der Auflösung des naiven Realismus bestehen. Erlebnismäßig sind wir alle naive Realisten, weil wir das Realitätsmodell, unter dem wir im Alltagsbewusstsein operieren, nicht als ein Modell erkennen. Die klassischen Halluzinogene können nachweislich vorübergehend diesen naiven Realismus aufheben, sie erlauben es Versuchspersonen, den Unterschied zwischen einer transparenten und einer opaken Repräsentation ganz direkt erlebnismäßig zu erfassen – deshalb könnten sie in niedrigeren Dosierungen auch Bedeutung für eine säkularisierte spirituelle


Lucy‘s Rausch Nr.6

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überhaupt nicht» Praxis besitzen. Dies sind nur Beispiele, die theoretische Relevanz psychedelischer Erfahrungen ist aus philosophischer Sicht nicht zu unterschätzen. In dem Buchkapitel zu einer neuen Bewusstseinsethik werfen Sie die Frage nach guten Bewusstseinszuständen auf. Was ist für Sie persönlich ein guter Bewusstseinszustand, der mehr kultiviert werden sollte? Nach über 40 Jahren Auseinandersetzung mit der Thematik halte ich eine klassische formale Achtsamkeitspraxis in Kombination mit Naturerfahrung für das wichtigste Beispiel für Bewusstseinszustände, die nachhaltig sind, einen hohen Erkenntniswert besitzen und die mit positiven Effekten in den Alltag integriert werden können. Es kommt aber immer auf den inneren Kontext an: Meditation ohne ein ernsthaftes Interesse an ethischer Integrität bleibt leicht irgendwo zwischen Sterblichkeitsverleugnung, Wellness-Spiritualität und Selbstoptimierung hängen, Experimente mit psychoaktiven Substanzen ohne Respekt, echtes Erkenntnisinteresse und den bereits bestehenden Hintergrund einer spirituellen Praxis können dagegen leichter zu tiefer Verstörtheit, zu Unfällen und psychotischen Episoden führen. Was vielleicht noch zu wenig erforscht ist, wäre eine systematische Kombination aller drei Elemente: ein ernsthafter innerer Kontext plus Schwellendosierungen plus klassische Achtsamkeitspraxis. THOMAS METZINGER, 57, lehrt Philosophie an der Universität Mainz und ist ein weltweit anerkannter Bewusstseinsforscher. Er tritt ein für eine stärkere Vernetzung von Philosophie und Hirnforschung. Buchtipp: Thomas Metzinger

Der Ego-Tunnel Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik Piper Verlag, 2014 ISBN: 978-3-492-30533-4 Thomas Metzinger.  Foto: © JGU Mainz / Stefan F. Sämmer


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ENTHEOGENE GRUPPENRITUALE

Tipps und Anregungen für rekreative, erkenntnisorientierte und heilsame Sessions TEXT

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er gezielte Einsatz heiliger Substanzen und anderer geistbewegender Techniken im Setting eines Gruppenrituals ist kulturhistorisch gut dokumentiert und war bereits vor Jahrtausenden von zentraler Bedeutung. Zahlreiche Menschen, die auf der Suche nach Heilung und spirituellem Erkenntnisgewinn sind, zelebrieren solche Rituale heute noch – und werden dies wohl auch in Zukunft weiterhin tun. In einer Zeit, in der der gesamte Planet unüberhörbar um kollektive Heilung fleht, benötigen wir Rituale mit transpersonalem und spirituellem Charakter möglicherweise dringender als je zuvor in der Menschheitsgeschichte. Die hier vorgestellten Möglichkeiten zur Ausgestaltung entheogener Rituale sind nicht als Aufforderung zur Einnahme illegalisierter Substanzen zu verstehen. Vielmehr geht es um eine Ergänzung des Safer Use, der die klassischen Strategien um die Fragestellung erweitert, wie sich Substanzkonsum nicht nur sicher gestalten lässt, sondern dar­ über hinaus auch möglichst rekreativ und/oder mit heilsamen Erfahrungen und Erkenntnissen. Anders formuliert könnte die Frage lauten: Wie lässt sich das maximale Potenzial einer Substanzwirkung voll ausschöpfen? Eine Methode, die sich im Kontext dieser Fragestellung in traditionellen schamanischen wie auch in psychonautischen und psycholytischen Kreisen etabliert und bewährt hat, ist das Gruppenritual. Der essenzielle Vorteil dieser Ritualform liegt im Gegensatz zur Einzelsession vor allem darin begründet, dass sich im Ritualverlauf ein höchst dynamisches Gruppenbewusstsein entwickeln kann, das ein großes Reservoir an Heilenergien und «Zauberkräften» zur Verfügung stellt. Gleichzeitig bietet ein Gruppenritual aber auch viel Platz für Projektionen jeder Art. Dies kann

T i Ke einerseits eine blockierende und zu Irritationen führende «Gefahr» darstellen, genauso gut aber auch eine Möglichkeit zu ihrer Überwindung und Transformation. Jedenfalls sollte sich jeder Ritualteilnehmer bewusst sein, dass Projektionen und andere psychische Phänomene auftauchen können, was sich durch einen entsprechenden Austausch im Voraus weitgehend gewährleisten lässt. Ist dies der Fall und wurden Set und Setting auch sonst dem Vorhaben angemessen ausgerichtet, dann stehen die Chancen gut, dass das Gruppenritual für alle Personen eine äußerst fruchtbringende Erfahrung wird, an deren ekstatischem Höhepunkt man sich real oder im Geiste an die Hände nimmt, gemeinsam das Reich der dualen Welten verlässt und in Bewusstseinsdimensionen vorstößt, die weit jenseits des im Alltag Erfahrbaren liegen.

Das kosmische Geschenk Im Idealfall erfährt sich die gesamte Gruppe als Unio mystica, das, was man in der Mystik auch als die «göttliche Hochzeit» bezeichnet: die Vereinigung des Menschen mit seinem geistigen Urgrund – ein Zustand reinen, unverfälschten Seins, der unter anderem dadurch geprägt ist, dass es zwischen dem Ich und dem Du sowie dem Innen und Außen keine Trennung mehr gibt. Viele Personen bezeichnen eine solche entheogene Erfahrung, ganz gleich, ob sie mit oder ohne die Zuhilfenahme geistbewegender Moleküle herbeigeführt wurde, als kosmisches Geschenk sondergleichen und häufig auch als Glücksfall von lebensveränderndem Ausmaß. Und erfahrbares Glück lässt sich, genau wie echte Liebe, bekanntlich um ein Vielfaches multiplizieren, wenn es mit anderen Personen geteilt wird – so wie in einem Gruppenritual.


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Das Gruppenbewusstsein kann ein großes Reservoir an Heilenergien und «Zauberkräften» zur Verfügung stellen. Foto: Jan-Frank Gerards

Wichtig ist, dass die hier aufgeführten Gestaltungsmöglichkeiten nicht als Anleitung verstanden werden. Vielmehr handelt es sich um inspirative Anregungen, die eingesetzt werden können oder auch nicht. Je nach Ausrichtung und Intention lassen sich in Bezug auf den Ritualablauf und die jeweiligen Ritualelemente ohnehin keine Pauschalaussagen treffen. So ist es in aller Regel auch nicht sinnvoll, im Voraus einen detaillierten Ritualablauf zu planen (einen groben aber durchaus!), weil es bekanntlich meist ja doch immer anders kommt, als man denkt; so tauchen beispielsweise während des Rituals plötzlich und unerwartet Phänomene und verdrängte Bewusstseinsinhalte auf, mit denen man in keiner Weise rechnen konnte, die aber ganz akut im Hier und Jetzt gesehen, bearbeitet und integriert werden wollen. Eine gewisse Offenheit in Bezug auf die rituelle Struktur ist deshalb sehr wichtig. Geht es

hingegen um den gezielten Einsatz ritueller Werkzeuge wie Klang, Massage, Räucherwerk usw., so ist vor allem eines wichtig: seiner Intuition zu folgen. Dann tut man in der Regel zur richtigen Zeit das, was im Sinne individueller und kollektiver Heilungsprozesse getan werden muss.

Dosis, Set und Setting müssen stimmig sein Die Theorie von Dosis, Set und Setting gilt in der Psychonautik als grundlegend und ist die Essenz aller Safer-Use-Strategien. Alle drei Faktoren müssen stimmig sein. Denn nur dann, wenn die verwendete Substanz richtig ausgewählt und dosiert wird und die innere Geisteshaltung sowie der äußere Rahmen adäquat zur Intention, dem rituellen und zeremoniellen Vorhaben ausgerichtet werden, kann ein entheogenes Gruppenritual seine volle Wirksamkeit entfalten. Ganz konkret bedeutet das unter }


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Die Kreisform schafft eine klare und übersichtliche Ordnung; in der Mitte des Kreises befindet sich oft ein Altar .  Fotos: TiKe, Pixabay

anderem, dass sich jeder Teilnehmer darüber bewusst ist, dass es während des Rituals zu grenz­ überschreitenden Erfahrungen kommen kann und diese auch beabsichtigt werden (Set). Gleichzeitig sollte man zur Durchführung des Rituals einen Ort wählen, an dem sich die Teilnehmer wohl fühlen und fallen lassen können (Setting). Das kann zum Beispiel ein liebevoll mit Pflanzen, Steinen, Tüchern, Decken und Matratzen ausgestattetes Wohnzimmer sein, aber auch ein sicherer und geschützter Ort im Freien.

Ob ein traditioneller Schamane, ein westlicher Therapeut oder ein erfahrener «Tripsitter» (Reisebegleiter) durch das Ritual führt, ist im Grunde genommen sekundär. Viel wichtiger ist, dass die leitende Person ihre Rolle ernst nimmt und in der Lage ist, bei Bedarf angemessen zu intervenieren. Manchmal ist die leitende Rolle aber auch nicht klar definiert, vor allem, wenn das Ritual unter Freunden stattfindet. Meist übernehmen bei solchen Gruppenritualen – häufig auch spontan und intuitiv – einfach diejenigen die Leitung, welche über die meisten Erfahrungswerte verfügen. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Kontext auch die therapeutische Qualität des dynamischen Gruppenprozesses, in dem sich jeder um das Wohl des anderen bemüht.

kehr, das wohl wichtigste Instrumentarium; man kann sie gleichermaßen zur Vor- und Nachbearbeitung, aber auch während des Rituals selbst einsetzen. Zuvor lässt sie sich vor allem dazu nutzen, ein stilles Gebet zu sprechen, Fragen an sein höheres Selbst zu stellen und Alltägliches loszulassen – beispielsweise, indem man es in der Form eines Energiestrahls an Mutter Erde abgibt – , damit man das Ritual möglichst ohne Gedankenballast beginnen kann. Während des Rituals ist die Meditation, in welcher Form auch immer (auch gemeinsames Singen, Tanzen oder das Rezitieren heiliger Mantras kann Meditation sein), besonders zur Vertiefung des erweiterten Bewusstseinszustandes geeignet. Im Anschluss kann man sie einsetzen, um die aus der Erfahrung gesammelten Einsichten mit dem eigenen Leben im Alltag in einen harmonischen Einklang zu bringen. Daneben eignet sich zur Vor- und Nachbereitung entheogener Sitzungen eine Vielzahl weiterer Techniken und Ritualtypen, zum Beispiel das yogische Pranayama (Atemübungen), Hatha Yoga (Asanas), Nada Yoga (Klang), Yoga Nidra (Tiefenentspannung/Schlaf), Schwitzhüttenzeremonien, Floating, luzides Träumen, Pflanzenblütenbäder, Malen und andere künstlerischen Ausdrucksformen, um nur ein paar denkbare Beispiele zu geben.

Vor- und Nachbearbeitungsrituale

Die Kreisstruktur

Vorbereitungsrituale, die vor der eigentlichen Sitzung stattfinden, dienen vor allem der energetischen Reinigung, der Zentrierung sowie der geistigen Einstimmung auf das Bevorstehende. Nachbearbeitungsrituale hingegen eignen sich zur Festigung und Integration nicht-alltäglicher Erfahrungen. Dabei ist die Meditation, die innere Ein-

Fast alle entheogenen Gruppenrituale finden in Kreisform statt. Dies schafft auf der einen Seite Gleichberechtigung, andererseits eine klare und übersichtliche Ordnung; in der Mitte des Kreises befindet sich beispielsweise ein Altar mit kraftvollen Pflanzen und Objekten oder ein Feuer. Symbolisch steht der

Schamane, Therapeut oder Tripsitter?


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Kreis für Einheit, Göttlichkeit, Ewigkeit, Verbundenheit sowie für Raum- und Zeitlosigkeit – alles Aspekte, die auch im Rahmen einer psychedelischen Erfahrung relevant sein können. Ob die Teilnehmer liegen oder sitzen oder zwischen beiden Posi­ tionen wechseln, sollte generell im eigenen Ermessen liegen; manchmal ist Sitzen angenehmer, manchmal folgt man den Visionen lieber im Liegen. Es gilt jedoch darauf zu achten, dass in einer liegenden Position die Füße immer nach außen und der Kopf ins Innere des Kreises gerichtet werden. Ralph Metzner schreibt in diesem Kontext, angelehnt an die Lehren des Yoga: «Die Ausscheidung von toxischen Energierückständen erfolgt abwärts und nach außen durch die Füße und Beine, da die reinigenden Energien von den Lichtzentren über dem Kopf nach unten fließen.» (Metzner 2017: 33)

Foto: National Museum of the American Indian

Einbezug geistiger Wesenheiten In traditionellen schamanischen Settings ist ein Ritual ohne den Einbezug der geistigen Verbündeten undenkbar.

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Talking-Sticks & Co. Der Talking-Stick (Redestab) ist ein uraltes indianisches Kommunikationswerkzeug, das traditionell zur Förderung der Gesprächskultur bei Ratstreffen, Gruppengesprächen und Gruppenritualen eingesetzt wird; besonders bekannt ist die Verwendung der hölzernen, meist mit Federn und anderem Ritualschmuck versehenen Talking-Sticks aus den entheogenen Peyote-Zeremonien nordamerikanischer Indianerstämme. Wer den Talking-Stick in der Hand hält, darf sprechen oder sich anderweitig mitteilen, die anderen schweigen und schenken dem Sprechenden ihre volle Aufmerksamkeit. Der Einsatz des Redestabs erfolgt traditionell sowie in modernen psychonautischen Kreisen häufig am Höhepunkt des Rituals, wenn das visionäre Erleben in vollem Gange ist. Erfahrungsgemäß kann der Einsatz zu diesem Zeitpunkt allerdings einige Nachteile bergen, denn vielen Personen ist es in der Peak-Phase des Rituals gar nicht möglich, ihre Visionen und Gefühle den anderen mitzuteilen, weder verbal noch nonverbal. In vielen Fällen hat es sich deshalb als sinnvoll erwiesen, den Talking-Stick erst dann zu benutzen, wenn die Substanzwirkung am Abklingen ist und die Ritualnehmer wieder mit einem Bein im Alltagsbewusstsein stehen. Dann ist die Methode mit dem Redestab, der natürlich auch durch einen Stein oder ein anderes Objekt ersetzt werden kann, gleichzeitig der erste Schritt zur Integration.

Räucherwerke & Klangschalen Üblicherweise werden die Geister der vier Himmelsrichtungen, die Geister des Ortes sowie die Geister der Zeit (planetarische Geister), daneben auch persönliche Schutz-, Tier-, Pflanzen-, Pilzoder Ahnengeister angerufen, um Unterstützung und Führung gebeten und zum Mitfeiern eingeladen. Es nützt jedoch nichts, die Anrufungsgebete afrikanischer, asiatischer, nord- oder südamerikanischer Schamanen zu kopieren; man sollte nur jene Geistwesen einladen und um Beistand, Hilfe und Rat bitten, zu denen man tatsächlich eine Verbindung hat.

Der rituelle Gebrauch von Räucherwerk ist uralt und ein wichtiges Element der schamanischen und psychonautischen Praxis. Der primäre Zweck des Räucherns besteht darin, durch das Verbrennen getrockneter Pflanzenteile den Geist der Pflanze von seiner Materie zu lösen, sodass er sich unge­ hindert ausbreiten und wirken kann. Letzteres geschieht auf sehr unterschiedliche Weise: Der aufsteigende Rauch dockt einerseits auf olfaktorischem Weg an den endogenen Rezeptoren an und wirkt auf diese Weise; daneben kann er gezielt zur Harmonisierung der Körper- und Raum-Energien eingesetzt werden. Traditionell bewährt haben sich für diesen Zweck unter anderem Mapacho-­ Tabak, Palo Santo, Weißer Salbei sowie diverse Artemisia-­Arten. }


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Klangschalen harmonisieren die feinstofflichen Energien.  Foto: Pixabay

Als hervorragendes Mittel zur energetischen Harmonisierung und Lösung spezifischer Energie­ blockaden ist seit jeher auch die weitläufig bekannte Klangschale bekannt. Sie erzeugt – je nach Tonlage und Schwingungsfrequenz – unterschiedliche, aber höchst harmonische Energiemuster und -strukturen, was am Beispiel von Wasser-Experimenten leicht nachzuvollziehen ist. Bedenken wir nun, dass unserer Körper zu 80 Prozent aus Flüssigkeit besteht, kann man sich ansatzweise vorstellen, was passiert, wenn wir mit Klängen und Schwingungen massiert werden. Klangschalen erzeugen jedoch nicht nur eine harmonische Struktur im Wasser, sie harmonisieren auch die feinstofflichen Energien, ebenso wie die in der Phonophorese (Schalltherapie) eingesetzten Stimmgabeln. Zur Harmonisierung von Körper­ energien eignet sich übrigens auch die Rassel (Maraca).

«Übersinnliche» Phänomene Während eines entheogenen Gruppenrituals können Phänomene auftauchen, die vom Verstand zunächst nur schwer einzuordnen sind und die gemeinhin als «übersinnlich» oder «parapsychologisch» bezeichnet werden – so zum Beispiel Astralreisen, Telepathie, Hellhören, Aurasehen oder das deutliche Spüren von Prana, unser aller Lebens­ energie. All diese Phänomene können bei unerfahrenen Personen zwar einen überwältigenden und

manchmal auch überfordernden Eindruck hinterlassen. Sie eignen sich gleichzeitig aber auch hervorragend zur Unterstützung von ganzheitlichen Heilungsprozessen, was Schamanen und Heilern weltweit und seit jeher bekannt ist. Erkennen wir im erweiterten Bewusstseinszustand zum Beispiel Unstimmigkeiten in der Aura eines anderen Teilnehmers, so können wir an den betroffenen Stellen – vorausgesetzt man fühlt sich von dieser Situation nicht allzu sehr überwältigt und hat die verbale oder nonverbale Zustimmung des Betroffenen – heilsame Impulse setzen und etwas Licht, Liebe und Harmonie hineinbringen, etwa durch das Verbrennen von Räucherwerk oder den Einsatz von Klangschalen, sanften Druckmassagen oder Reiki. Solche Handlungen dürfen jedoch nur mit einem reinen, herzgeleiteten Willen und äußerst respektvoll ausgeführt werden, da die Qualität unseres Bewusstseins unmittelbar als Information in das energetische Geschehen mit einfließt. Weiterhin muss klar sein, dass man nicht gleich ein Schamane oder eine Schamanin wird, weil man seinen Mitmenschen auf der energetischen Ebene etwas Gutes tut – schließlich schlummert das wunderbare Potenzial für derartige Herzensgeschenke in jedem von uns.   Bezugsquellen für Ritualbedarf (Auswahl): katukina.com • mapacho-tribe.de • sensatonics.de • planetware.de

Weiterführende Literatur Adelaars, Arno / Müller-Ebeling, Claudia / Rätsch, Christian: Ayahuasca – Rituale, Zaubertränke und visionäre Kunst aus Amazonien. Baden und München: AT Verlag, 2006 • Berger, Markus: Changa - Die rauchbare Evolution des Ayahuasca. Solothurn: Nachtschatten Verlag, 2015 • Johann, Kevin: Der Schamanengarten – Über die Anzucht und Verwendung geistbewegender Ritualpflanzen. Solothurn: Nachtschatten Verlag, 2016 • Meckel Fischer, Friederike: Therapie mit Substanz – Psycholytische Therapie im 21. Jahrhundert. Solothurn: Nachtschatten Verlag, 2016 • Metzner, Ralph: Handbuch für nachhaltige Erfahrungen mit Entheogenen. Solothurn: Nachtschatten Verlag, 2017 • Nauwald, Nana: Schamanische Rituale der Wahrnehmung. Aarau: AT Verlag, 2011 • Rinpoche, Sogyal: Das tibetische Buch vom Leben und Sterben – Ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod. 5. Auflage, Frankfurt am Main: Fischer Verlag • Vishnudevananda, Swami: Meditation und Mantras - Eine Darstellung der vier großen Yogasysteme in Theorie und Praxis. 7. Auflage, München: Sivananda Yoga Vedanta Zentrum, 2013 • Storl, Wolf-Dieter: Naturrituale – Mit schamanischen Ritualen zu den eigenen Wurzeln finden. Baden und München: AT Verlag, 2004.


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Cannabis, Marihuana oder Hanf? TEXT

M

Michael Knodt

an unterscheidet in den USA zwischen Marihuana (Rauschhanf) und Hemp (Nutzhanf). Das hat dazu geführt, dass es Studien gibt, die behaupten, bei Nutzhanf handle es sich um eine eigene Cannabis-Art. In Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und vielen europäischen Ländern sind Cannabis sativa und Hanf lediglich zwei Worte für die gleiche Pflanze, egal ob sie sich im Laufe der Evolution in freier Wildbahn oder durch menschliches Zutun entwickelt hat. So heißt medizinisches Cannabis offiziell «Medizinal-Hanfblüten», der Deutsche Hanfverband steht für die Legalisierung von Cannabis, und in der Schweiz heißen die CBD-GrasCoffeeshops «Hanf-Lädeli». Die Ursachen für die unterschiedliche Wahrnehmung hüben und drüben sind das einst weltweite Verbot der Pflanze sowie die halbherzigen Projekte zur Wiederbelebung des Hanfanbaus in der EU. Das für US-Studien verwendete Saatgut hat nichts mehr mit den ursprünglich in Europa

kultivierten Hanfsorten zu tun. Es ist lediglich das Ergebnis einer stark reglementierten Wiederzulassung des Hanfanbaus in der EU im Jahr 1996 – da nämlich ausschließlich die zugelassenen EU-Sorten die genetische Grundlage aller in den USA und Kanada wieder zugelassenen Sorten bilden, gilt diese Einschränkung der natürlichen Vielfalt auch für die Sorten, an denen in den Vereinigten Staaten oder Kanada geforscht wird. Der Fall Martin Butter Während der Anbau von Cannabis sativa in den meisten europäischen Ländern bis in die 1980er Jahre legal war, wurde der Anbau in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg komplett verboten. In Deutschland gab es bis 1981 Hanfbauern, in der Schweiz war der Anbau nie verboten. Sogar THC-reiche Cannabissorten waren dort nur illegal, wenn sie zur Gewinnung von Drogen angebaut wurden. So konnten Brauereien bis 2009 Cannabispflanzen mit hohem THC-Gehalt zur


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Herstellung des beliebten Hanfbiers verwenden, Hauptsache, das Endprodukt war THC-frei. Selbst nach dem Verbot des Rauschhanf-Anbaus im Zuge einer Gesetzesreform dürfen Cannabispflanzen dort heute noch bis zu 1 Prozent THC enthalten; die meisten Schweizer Nutzhanfsorten wären somit in der EU oder den USA als Cannabis, Marihuana oder Rauschhanf verboten. Allein das beweist, wie willkürlich und unwissenschaftlich die Einteilung von Cannabis sativa in Nutzund Rauschhanfsorten ist.

Viele alte Sorten, die über Jahrhunderte angebaut wurden, dürfen heute nicht mehr verwendet werden. In den 1950er Jahren wurde der Hanfanbau sogar noch von der EG, der Vorgängerin der EU, staatlich gefördert. Die Samen kamen aus der Türkei, und von THC-Grenzwerten war bis 1971 keine Rede. Als der Anbau von EU-zertifizierten Nutzhanfsorten dann 1998 wieder zugelassen wurde, gab es durchaus noch Bauern, die das Handwerk von der Pike auf gelernt hatten und über einen großen Erfahrungsschatz verfügten – wie zum Beispiel der Hanfbauer Martin Butter. Seine Familie hatte in der Donauebene über Generationen hinweg Cannabis sativa zu Hanffasern und Nahrungsmitteln verarbeitet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Donauschwaben vertrieben und mussten in die Bundesrepublik flüchten. Butter berichtet in seinem Buch Das weiße Gold der Batschka über alte H a n f - A n b a u t e c h n i ke n und rechnet mit den heutigen EU-Richtlinien ab. Denn aufgrund der rigorosen Bestimmungen zum THC-­ Gehalt dürfen viele alte Sorten, die über Jahrhunderte hinweg angebaut wurden, heute nicht mehr verwendet werden. Nach einem Neustart als Produzent von Hanf­ faser-Dämmplatten für den Hausbau in der BRD der 50er und 60er Jahre geriet Butter 1971 erstmals ins Visier des Bundes­

kriminalamts. Nach jahrelangem Rechtsstreit mit der Bundesopiumstelle musste er seinen Betrieb 1981 schließen, nachdem die sozialliberale Koalition aus SPD und FDP alle Pflanzen der Gattung Cannabis im Zuge einer Reform des Betäubungsmittelgesetzes komplett verboten hatte. Hanf ist eine zweihäusige, getrennt geschlechtliche (diözische) Pflanze. Das bringt Probleme mit der Fasererzeugung mit sich, weil die männlichen Pflanzen früher erntereif werden als die weiblichen. Die männlichen Exemplare sterben also weit früher ab als die weiblichen, so dass früher in einem ersten Arbeitsgang zuerst die männlichen Pflanzen geerntet werden mussten. Auch eine maschinelle Ernte hätte erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Deshalb züchtete man einhäusigen (monözischen) Hanf. Kaum noch nordeuropäische Landrassen Einhäusige Pflanzen sind umgangssprachlich auch als Zwitterpflanze bekannt; ihr Vorteil liegt vor allem in der gleichmäßigen Reifung aller Pflanzen eines Bestandes. Allerdings sind einhäusige Sorten den zweihäusigen beim Ertrag klar unterlegen. Hanfsorten, die ursprünglich zur Samengewinnung dienten, müssen ausreifen und möglichst große Blüten bilden. Mit einhäusigen Sorten werden Samenerträge von drei bis vier Tonnen pro Hektar erzielt; diese sind allerdings in der EU nicht zugelassen, da ein möglichst niedriger THC-Gehalt und somit die Zucht zweihäusiger Pflanzen }

Die zweihäusige Sorte Carmagnola, war bei Saatgutproduzenten und Bauern bis 2014 sehr beliebt.


5 4   C A N N A B I S , M A R I H UA N A O D E R H A N F ?

seit 1996 das Ziel aller europäischen Bemühungen ist. Selbst die zweihäusige Sorte Carmagnola, die bei Saatgutproduzenten und Bauern bis 2014 sehr beliebt war, wurde aus dem EU-Sortenkatalog entfernt, weil der THC-Gehalt einiger Proben mit 0,5 Prozent zu hoch war. Seit der Re-Legalisierung des Hanfanbaus dürfen Europas Hanfbauern ihr Saatgut nicht mehr selbst produzieren. Die meisten zertifizierten Saatguthersteller, von denen Hanfbauern in der EU ihre Samen beziehen müssen, sitzen in Frankreich oder Italien. Würden Hanfbauern ihr Saatgut wieder selbst produzieren und boden- sowie klimagerechte Sorten aus dem historischen Pool frei wählen dürfen, wäre der künstlich niedrig gehaltene THC-Gehalt kaum noch zu gewährleisten. Besonders im Süden würden viele Varianten spätestens nach ein paar Generationen wieder ihren ursprünglichen THC-Gehalt von über zwei Prozent aufweisen.

Gebauter Hanf (Cannabis sativa L.) im Wiener Dioskurides, fol. 167 verso.

Nutz- und Rauschpflanze Ob nun Cannabis sativa, Cannabis indica oder Cannabis ruderalis – Hanf wurde immer als Nutzund Rauschpflanze angebaut. Die Unterscheidung zwischen Nutz- und Rauschhanf gibt es überhaupt erst seit der «Reefer Madness»-Kampagne in den 1920er Jahren. Der THC-Gehalt war ursprünglich nur von den klimatischen Bedingungen und natür-

Papst Innozenz VII. verkündete, dass Hanf ein unheiliges Sakrament der Satansmesse sei. lich von menschlichen Eingriffen wie Zucht und Selektion abhängig. In der Arzneimittellehre des Dioskurides (um 50 n.Chr.) werden Hanf und Cannabis als eine Pflanze erstmals in einer abendländischen medizinischen Schrift erwähnt: «Der Hanf: Einige nennen ihn Kannabion, andere Schoinostrophon. Asterion ist eine Pflanze, welche im Leben sehr viel Verwendung findet zum Flechten der kräftigsten Stricke. Er hat denen der Esche ähnliche übelriechende Blätter, lange einfache Stängel und eine runde Frucht, welche, reichlich genossen, die Zeugung vernichtet. Grün zu Saft verarbeitet und eingeträufelt, ist sie ein gutes Mittel gegen Ohrenleiden.» In nördlichen Breitengraden wurden Hanfpflanzen, die als Rauschdrogen nie zu diesem Kulturkreis gehörten, vor allem als Lebensmittel und zur Textilproduktion angebaut. Trotzdem kannte man auch in Nordeuropa spätestens seit Hildegard von Bingen die medizinische und auch die berauschende Wirkung von Hanf: «Wer ein leeres Hirn hat, dem verursacht der Genuss des Hanfes einen Schmerz im Kopfe. Den, der aber gesund ist und ein volles Gehirn im Kopfe hat, schädigt er nicht», schreibt die berühmte Äbtissin um 1150. In den folgenden Jahrhunderten wird Hanf in den meisten Kräuter- und Arzneibüchern erwähnt, obschon im Jahr 1484 Papst Innozenz VII. Kräuterheilern die Verwendung von Cannabis verbietet. Dieser verkündet, dass Hanf ein unheiliges Sakrament der Satansmesse sei. Noch im selben Jahr erscheint das Kräuterbuch Der Herbarius, in dem auch Hanf aufgeführt wird. Auch Paracelsus beschreibt Canna­bis in mehreren seiner zahlreichen Werke. US-Wissenschaftler sind sich dieser historischen Entwicklung kaum bewusst und fertigen


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Es handelt sich um verschiedene Spielarten derselben Spezies, die sich seit Jahrtausenden bunt vermischen. Studien zum Unterschied von Nutz- und Rauschhanf mit Saatgut an, das mit den ursprünglichen Nutzhanfsorten Nordeuropas nur noch wenig gemein hat. Alte Nutzhanf-Landrassen findet man höchstens noch als Wildbestand in Ungarn, Weißrussland und Rumänien oder in den Schatullen uralter Hanfbauern. Den Rest des großen Genpools haben das Cannabis-Verbot und die EU-Verordnung innerhalb 20 Jahren erledigt. Die Klassifizierung von Hanf in Nutz- und Rauschhanf gleicht der Einteilung der Menschen in verschiedene Rassen während der Kolonialzeit. Dabei handelt es sich wie beim Menschen doch nur um verschiedene Spielarten derselben Spezies, die sich seit Jahrtausenden bunt untereinander vermischen. Indica-Sorten sind kleiner und gedrungener, so wie viele andere Pflanzen der gleichen Art, wenn sie klimatisch bedingte Unterarten entwickeln oder der Mensch sie nach bestimmten Merkmalen selektiert. Cannabis ruderalis hat aufgrund der kurzen Sommer einen natürlichen Trick entwickelt, um sich auch bei langen Lichtphasen zu vermehren,

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und Cannabis sativa kannten bereits die alten Römer in zahlreichen Varianten. Dazwischen sieht die Natur alle nur denkbaren Spielarten vor, denn die Sorten lassen sich einfach untereinander kreuzen. Die in Europa sehr beliebten AutomatikSorten sind das Ergebnis vieler Kreuzungen aus THC-armen Ruderalis-Pflanzen – mit hoch potenten Indica- oder Sativa-Sorten. Um den THC-Gehalt hat sich bis vor 90 Jahren niemand gekümmert, der lag bei allen Hanf-Landrassen irgendwo zwischen 0,1 und 6 Prozent – je nachdem, wo und zu welchem Zweck sie angebaut wurden. Wiederbelebung alter Hanfsorten ist nötig Eine echte Nutzhanf-Kultur hat nur dann eine Chance, wenn die Beschränkungen des THC-Gehalts wie in der Schweiz gelockert werden oder ganz wegfallen. Alte, einhäusige Sorten müssen wieder gefunden oder gezüchtet werden, um vor allem die Öl- und Saatgutproduktion effektiver zu gestalten. Bauern sollten sich nicht mehr nach Bestimmungen richten müssen, die für das Endprodukt sowieso irrelevant sind. Denn auch ein Hanf-Speiseöl aus Pflanzen mit 20 Prozent Wirkstoff würde am Ende kein THC enthalten. Selbst die Herstellung einer THC-freien Jeans aus den Fasern der persönlichen Cannabis-Lieblingssorte wäre dann keine Straftat mehr, sondern eine prima Geschäftsidee. lucys-magazin.com/autoren/knodt

Cannabis-Samen: Alte, einhäusige Sorten müssen wieder gefunden oder gezüchtet werden.  Foto: PD


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Hoffnung trotz Trauma

Psychotherapie mit MDMA Maurice Clermont

Medical science has made such tremendous progress that there is hardly a healthy human left.* A ldous H uxley

A

ngst, Trauer, Hilflosigkeit, geistige Leere. All das sind Gefühle, die wohl jeder von uns schon einmal durchlebt hat. Doch dies umschreibt nicht ansatzweise die emotionale Zerrüttung, die PTBS-Patienten tagtäglich durchleben müssen. Posttraumatische Belastungsstörungen  – kurz PTBS – sind psychische Erkrankungen, die durch traumatisierende Ereignisse ausgelöst werden können.

Dazu zählen Misshandlungen, sexueller Missbrauch, Kriegserlebnisse, schwere Unfälle und andere stark belastende Erfahrungen. Selbst in ungefährlichen Situationen fühlen sich Betroffene oft stark gestresst, verängstigt oder bedroht. Zu den typischen Symptomen gehören außerdem Affektintoleranz, Vermeidungshaltung und soziale Isolation; auch Konzen­ trations- und Schlafstörungen sowie Albträume oder sogar Suizid sind keine Seltenheit.

Foto: 123RF

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Aufgrund ihrer Unfähigkeit, heftige Gemüts­ erregungen auszuhalten (Affektintoleranz) sowie der daraus folgenden Vermeidungshaltung gegenüber der traumatischen Erfahrung und durch ihre soziale Isolation fällt es oft äußerst schwer, die Betroffenen zu behandeln. Insbesondere Patienten, die von Vertrauenspersonen missbraucht oder misshandelt wurden, sind sehr misstrauisch gegenüber anderen Personen, was ein offenes Verhältnis zum Therapeuten deutlich erschwert. PTBS sind ein ernsthaftes volksgesundheit­ liches Problem. Zwischen 6 und 10 Prozent der amerikanischen Gesellschaft erleiden mindestens eine PTBS innerhalb der Lebenszeit (Lebenszeitprävalenz). Bei amerikanischen Soldaten, die aus dem Irakkrieg zurückkehrten, stieg die Lebenszeitprävalenz auf 18 Prozent, und bei Kindern in Kriegsgebieten sogar auf 41 Prozent mit starken Symptomen beziehungsweise 72,8 Prozent mit leichten Symptomen. Bei mehr als einem Drittel der Patienten bessert sich die Situation selbst nach jahrelanger Therapie nicht. Psychotherapeutisches Potential MDMA allein ist kein Wundermittel. Nur durch den Konsum dieser Substanz wird kein psychisch kranker Mensch gesund. Allerdings kann MDMA zusammen mit einer Psychotherapie zu enormen Erfolgen bei der Behandlung von PTBS führen. Mithilfe der MDMA-unterstützten Psychotherapie können tiefgreifende psychische Veränderungen in deutlich kürzerer Zeit als bei konventionellen Therapieformen erreicht werden. Selbst bei behandlungsresistenten Patienten kann bereits eine einzige MDMA-Sitzung enorme Verbesserungen bewirken. Nach der ersten abgeschlossenen Phase-­2Studie von MAPS (Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies) zeigten 83 Prozent der Patienten nach nur zwei MDMA-Sitzungen keine PTBS-Symptomatik mehr. Dabei kam es

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Anders als die meisten Antidepressiva wird MDMA nicht jeden Tag eingenommen. In den Studien von MAPS wird es normalerweise nur zwei- bis dreimal verabreicht. Die jeweils achtstündigen MDMA-Sitzungen liegen mehrere Wochen auseinander, um neurotoxische Schäden auszuschließen. Dazwischen liegen reguläre Therapiesitzungen ohne Substanzeinnahme. Die oral applizierte Initialdosis liegt entweder bei 100 oder 125 Milligramm. Optional wird nach 1,5 bis 2,5 Stunden eine Zweitdosis von 50 oder 62,5 Milligramm (50 Prozent der Initialdosis) verabreicht.

Die neurophysiologische Wirkung von MDMA wird hauptsächlich durch die Freisetzung und Wiederaufnahmehemmung von Serotonin, Dopamin und Noradrenalin sowie durch die Freisetzung von Oxytocin und Prolactin hervorgerufen. Obwohl MDMA noradrenerge und damit stimulierende Wirkkomponenten auf-

MDMA kann den Patienten wieder ein Bewusstsein für das Positive im Leben verschaffen. weist, ist die Hauptwirkung weniger von lokomotorischen, sondern eher von entaktogenen und empathogenen Effekten geprägt. Aufgrund der entaktogenen Wirkung von MDMA wird die Konzentration auf die eigene Gefühlswelt (Introspektion) vereinfacht. PTBS-Betroffene leiden oft unter einer gnadenlosen Selbstverurteilung und einer unterbewussten Vermeidungshaltung gegenüber zahllosen Reizen, die mit dem traumatischen Ereignis zusammenhängen und eine hochgradig belastende Reaktivierung des Traumas triggern können.

weder zu ernsthaften Blutdruckerhöhungen noch zu unerwünschten neurokognitiven

Bei Patienten mit chronischen PTBS konnten

Effekten. In einer langfristigen Follow-up-

dauerhafte Veränderungen zerebraler Strukturen

Studie zeigten mindestens 74 Prozent

festgestellt werden. Besonders betroffen sind

eine anhaltende Reduzierung ihrer PTBS-

Amygdala, Hippocampus und der präfrontale

Symptome.

Cortex. Diese Hirnareale sind unter anderem an der emotionalen Bewertung von Situationen

}


58  MDMA-THERAPIE

und Verarbeitung von Stressreaktionen beteiligt. MDMA führt zu einer Veränderung der Durchblutung von Amygdala und Hippocampus, was eine Erklärung für Stressreduktion und emotionale Toleranz sein kann.

Psychische Blockaden können sich mithilfe von MDMA auflösen; dadurch sind die Patienten in der Lage, sich den traumatischen Erinnerungen zu stellen und mit negativen Emotionen besser umzugehen. MDMA kann den Patienten außerdem wieder ein erhöhtes Bewusstsein für das Positive im Leben verschaffen, indem es Euphorie und Gefühle von Sicherheit bewirkt. Darüber hinaus wird es möglich, das Erlebte aus einem anderen, wertefreien Blickwinkel zu betrachten und es so besser zu verarbeiten. Zudem intensiviert MDMA die Selbstwahrnehmung und verbessert sowohl das Selbstwertgefühl als auch die Selbstakzeptanz. Dadurch lernen die Patienten, ihre Stärken und Schwächen zu akzeptieren und infolgedessen konstruktive Lösungsansätze für ihre Probleme im Leben zu finden. Diesen Prozess nennt man auch «inner healer», innerer Heiler. Zusätzlich zur psychischen Entlastung sorgt MDMA für eine signifikante Reduzierung somatischer Symptome wie Muskelverspannungen oder Schmerzen. Durch die empathogene Wirkung von MDMA werden prosoziale Effekte wie Offenheit, Vertrauen zu anderen Personen und Bedürfnisse nach Nähe

Offenheit, Vertrauen zu anderen Personen und Bedürfnisse nach Nähe werden deutlich verstärkt. deutlich verstärkt. So baut sich zwischen Patient und Therapeut schneller eine Vertrauensbasis auf, was für eine effektive Psychotherapie von essentieller Bedeutung ist. Um die Vorteile der entaktogenen und empathogenen Effekte von MDMA auszunutzen, wechseln sich während der MDMA-Sitzung Phasen der inneren Einkehr mit einer offenen Kommunikation mit dem Therapeuten ab. Typischerweise kommt es bei PTBS zu unkontrollierbaren und stark belastenden Flashbacks (Wiedererleben des traumatischen Ereignisses),

Die Erfahrungen unter MDMA-Einfluss müssen in das Alltagsbewusstsein integriert werden. aber auch zu Erinnerungslücken an die Ursache des Traumas. MDMA verbessert den Zugriff auf das Langzeitgedächtnis, wodurch sonst unzugängliche traumatische Erinnerungen wieder aufkommen und verarbeitet werden können. In Tierversuchen (an Mäusen) zeigte sich, dass eine einzelne MDMA-Dosis mit nachfolgendem Extinktionstraining (Training zum «Verlernen» von Ängsten) eine langanhaltende und deutliche Reduktion der Angstsymptome bewirkt. Dieser Nachweis hat eine große Bedeutung für die Durchführung von Studien am Menschen und legt nahe, dass MDMA auch bei Menschen die Extinktion der Angstsymptomatik nachhaltig und positiv beeinflussen kann, wie es bereits in der Praxis beobachtet wurde. MAPS wird in naher Zukunft entsprechende Untersuchungen am Menschen durchführen.

Genau wie Set und Dosis ist auch das therapeutische Setting für die MDMA-Erfahrung von äußerst hoher Bedeutung. Daher sollte das Behandlungszimmer bequem und ansprechend eingerichtet und frei von äußeren Störfaktoren wie Lärm sein. Den Teilnehmern soll das Gefühl von Sicherheit und Privatsphäre vermittelt werden. Allerdings können während der MDMA-Erfahrung durch das veränderte Körpergefühl und die hochkommenden Emotionen sehr starke Angstzustände ausgelöst werden. Bei manchen Patienten kann dies zu einem erhöhten Bedarf an psychotherapeutischer Begleitung führen, weshalb eine lückenlose und engagierte Unterstützung unerlässlich für das Wohl der Teilnehmer ist. Damit die Behandlung langfristig wirksam ist, müssen die Erfahrungen unter MDMA-Einfluss in das Alltagsbewusstsein integriert werden. Nach den MDMA-Sitzungen kann es in den ersten Tagen oder Wochen vermehrt zu Wut, Trauer, Angst und anderen Emotionen kommen; dies soll jedoch als Teil des Integrationsprozesses und nicht als Verschlimmerung der psychischen Störung verstanden


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Psychotherapie. Fakt ist, dass MDMA-Konsum bei Nichtbeachtung der Safer-Use-Regeln zu Schäden des serotonergen Systems führen kann. Doch wenn man die Dosis auf das Körpergewicht abstimmt und auf lange Konsumabstände, ausreichende Flüssigkeitszufuhr etc. achtet, ist MDMA in der Regel nicht neurotoxisch. Obwohl MDMA ein gewisses Suchtpotential aufweist, kommt es selbst bei

Pulverisierte MDMA-Kristalle.  Foto: youredm.com

werden. Dafür werden spezielle Nachbereitungssitzungen durchgeführt, bei der die Patienten therapeutische Unterstützung erfahren. Risiken der Therapie Wie bei fast jedem Medikament gibt es auch bei MDMA keine Wirkung ohne Nebenwirkung. MDMA erhöht den Puls, den Blutdruck und die Körpertemperatur, weshalb Voruntersuchungen bezüglich Herz-Kreislauferkrankungen und eine Überwachung der Körpertemperatur durchgeführt werden müssen. Da Bedürfnisse wie Hunger und Durst unter MDMA-Einfluss kaum wahrgenommen werden, muss auf eine ausreichende Wasserzufuhr geachtet werden, da es andernfalls zu Dehydratation (Austrocknung) kommen kann. Im Freizeitkonsum sind Todesfälle, die ausschließlich durch MDMA verursacht wurden, selten. Die häufigsten Todesursachen sind auf Überdosierungen, Mischkonsum mit anderen psychoaktiven Substanzen oder gefährliche Streckmittel zurückzuführen. Beim medizinisch eingesetzten MDMA handelt es sich um ein pharmazeutisch reines Produkt, das in moderaten Dosierungen sicher in therapeutischen Sitzungen angewendet werden kann. In den vergangenen klinischen Studien von MAPS wurden mehr als 1100 Patienten behandelt, bei denen keine unerwarteten Nebenwirkungen oder neurotoxische Langzeitfolgen aufgetreten sind. Angesichts der potentiellen Neurotoxizität und des Suchtpotentials von MDMA kommt es immer wieder zu Kritik an der MDMA-unterstützten

Bedauerlicherweise ist MDMA-unterstützte Psychotherapie immer noch illegal. einem Freizeitkonsum eher selten zur Ausbildung einer Sucht. In der therapeutischen Anwendung ist das Risiko, eine MDMA-Sucht zu entwickeln, aufgrund der langen Pausen außerordentlich gering. Ausblick Bedauerlicherweise ist MDMA-unterstützte Psychotherapie immer noch illegal und nur mit einer Sondergenehmigung zu Forschungszwecken erlaubt, obwohl das Risiko-Nutzen-Verhältnis besser als bei vielen zugelassenen Medikamenten ist. Im Laufe dieses Jahres wird MAPS mit der finalen Phase-3-Studie beginnen. Diese wird entscheiden, ob MDMA in den USA die Zulassung als verschreibungsfähiges Medikament für die Behandlung von PTBS erhält. MAPS rechnet mit der medizinischen Zulassung bis zum Jahr 2021. Mit MDMA können allerdings nicht nur PTBS behandelt werden. Bei erwachsenen Autisten mit sozialen Angststörungen zeigte die MDMA-unterstützte Psychotherapie durch die gesteigerte Offenheit und Introspektion der Patienten eine langanhaltende Verbesserung der sozialen Anpassungsfähigkeit und damit der Angstsymptome. In Tiermodellen (bei Ratten) wurde eine symptomatische Verbesserung von Morbus Parkinson durch die Gabe von MDMA nachgewiesen. Für diese Wirkung scheinen serotonerge, dopa­ minerge sowie opioiderge Wirkmechanismen verantwortlich zu sein. Dass MDMA bei Menschen mit fortgeschrittenem Parkinson helfen kann, bestreitet der US-amerikanische Medizinalchemiker David E. Nichols jedoch vehement.

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60  MDMA-THERAPIE

Aktuell läuft eine Studie von MAPS zur MDMA-unterstützten Psychotherapie bei Patienten mit Angststörungen, welche durch lebensbedrohliche Krankheiten ausgelöst wurden. Zudem führt das Imperial College London unter Leitung von David Nutt die weltweit ersten Forschungen zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit mit MDMA durch. Die Ergebnisse dieser Studie könnten Aufschluss darüber geben, inwiefern MDMA bei suchterkrankten Patienten mit psychischen Störungen eingesetzt werden könnte. Süchtige Patienten wurden bisher aus den MDMA-Studien ausgeschlossen. Ferner gibt es Hinweise darauf, dass MDMA auch bei bipolaren Störungen, zerebralen Bewegungsstörungen, chronischen Schmerzen, Depressionen, Eierstockzysten, Essstörungen, rheumatoider Arthritis, Schizophrenie, Trichotillomanie, dem

Tourette-Syndrom sowie bei Familien- und Paar­ therapien und bei der neuromuskulären Therapie eingesetzt werden kann. Klinische Studien dazu stehen noch aus.

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MAURICE CLERMONT (*1995) arbeitet als Ingenieur und macht seit zwei Jahren in Online-­ Gruppen sowie auf Festivals und Partys ehrenamtlich Drogenaufklärung. Im Sommer 2016 wurde er Lucy‘s-Botschafter und gründete im November 2016 die Facebook-Gruppe «DrAuf-Drogenaufklärung». Er interessiert sich besonders für die neurophysiologischen Wirkweisen sowie für den therapeutischen Nutzen diverser Psychoaktiva und setzt sich für deren Legalisierung ein.


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Jörg Böckem Lasst mich die Nacht überleben – Mein Leben als Journalist und Junkie Deutsche Verlags-Anstalt 2004 Frank Sembowski Liberalisierung psychoaktiver Substanzen Nachtschatten Verlag 2017 ISBN: 978-3-03788-536-9

ISBN: 3-421-05775-3

Jörg Böckem ist Journalist und Befürworter eines liberalen Umgangs mit psychoaktiven Drogen. In diesem Buch beschreibt er auf eindrückliche Art sein Leben als Heroinsüchtiger, das er nach Jahren und vielen Rückfällen hinter sich gelassen hat. Böckem schreibt ergreifend und mitreißend, der Leser kann die Tortur seines früheren Lebens mitfühlen und die verheerenden Auswirkungen der Drogenverbote gut nachvollziehen. Jörg Böckem setzt sich seitdem für eine Veränderung der Drogenpolitik ein und hat unter anderem das Drogen-Aufklärungsbuch High sein verfasst, das wir in Lucy‘s Nr. 3 besprochen haben.


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MEDIATHEK

Arbeitsbuch für luzides Träumen

Der Titel ist hier Programm Dem üblen Machwerk wollen wir hier nicht viel Platz einräumen – daher nur die Warnung: Das Geld für diese zwischen zwei Buchdeckel gepressten Lügen sollte man lieber für gute Literatur ausgeben. Der Autor Yazdi ist Psychiater und ein Prohibitionist der untersten Schublade, macht sich über Cannabispatienten lustig und verbreitet auch sonst nur Unsinn über Cannabis.

Dylan Tuccillo Klarträumen  – Träume bewusst steuern, die Kreativität beflügeln, Probleme lösen Goldmann 2015 ISBN: 978-3-44222-129-5

So intensiv unsere Träume manchmal auch sein mögen, erleben wir sie meist doch aus einer passiven Beobachterperspektive. In einem Klartraum hingegen wird einem klar, dass man gerade träumt. Man kann Entscheidungen treffen, die man ganz wie im Wachzustand. als bewusst erlebt. In der Traumwelt gelten natürlich andere Gesetze ... alles ist möglich! Durchweg praxisorientiert gibt dieses Buch in humorvoll-­ verständlichem Ton Anleitung, wie man sich zunächst besser an seine Träume erinnert und dann mittels Intentionen, sogenannten Reality Checks und anderer Techniken die Wahrscheinlichkeit eines luziden Traums systematisch steigern kann. Ein echtes Arbeitsbuch und der Wegweiser in die fantastische Welt, wohin wir Nacht für Nacht reisen – kostenlos und legal.  ROBERDO RAVAL

Standardwerk zu DMT Kurosch Yazdi Die Cannabis-Lüge: Warum Marihuana verharmlost wird und wer daran verdient Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2017 ISBN: 978-3-86265-633-2

Markus Berger DMT –  Forschung, Anwendung, Kultur AT Verlag 2017 ISBN: 978-3-03800-933-7

Dieses 400 Seiten dicke Buch von Markus Berger, verlegt vom Schweizer AT Verlag, trägt alle wichtigen Informationen zu den Psychedelika DMT, 5-MeO-DMT, Bufotenin und zum gesamten DMT-­Komplex (Analoge, Homologe und verwandte Substanzen) zusammen. Der Hardcoverband vereint alles über Wissenschaft, Untergrund, Geschichte, Theorie und Praxis rund um die Dimethyltryptamine. Eine Teilauflage des Werks ist im Nachtschatten Verlag erschienen.


Luc y’s Rau sch Nr. 6

D er Kl as si ke r

Bernhard Hefele Drogenbibliographie Verzeichnis der deutschsprachigen Literatur über Rauschmittel und Drogen von 1800 bis 1984 Band 1: Bibliographie und Einführung, Band 2: Register De Gruyter 1988

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Drogenliteratur-Sammlung Dieser Klassiker von 1988 hat es in sich: Bernhard Hefele hat in diesem großformatigen, zweibändigen Werk sämtliche Drogen­ literatur von 1800 bis 1984 bibliographisch zusammengefasst und geordnet. Übersichten über Autoren und Verlagshäuser bzw. Zeitschriften sowie ein umfangreiches Register werten das dicke Buch weiter auf. Mit Hefeles Bibliographie ist es kinderleicht, beispielsweise alle bis 1984 erschienenen Arbeiten von Albert Hofmann oder anderen Autoren zu ermitteln. Alle Daten wurden ohne Hilfe des Internets oder anderer digitaler Datenbanken zusammengetragen – eine unglaubliche Leistung. Dieses Werk ist in der Hand des Forschers und Schreibers eine wahrhaftige Schatztruhe.

ISBN: 978-3-59810-671-2

Psychonauten auf dem Mond

VIDEOSPIEL

Sei alles in EVERYTHING

Was wäre, wenn wir, um Urlaub zu machen, einfach auf den Mond flögen? Wer bzw. was würde uns dort erwarten? Etwa eine psychonautische Party-Crowd, die – mit Blick auf die Erde – ewige Hippie-­ Partys feiert? Das zumindest erlebt Protagonist Darian Curtis auf seinem Trip in lunare Gefilde. Das Debüt des Autors Arne Ahlert aus Berlin ist eine gelungene Melange aus kurzweiligem Roman und psychedelischem Insiderwissen.

Arne Ahlert Moonatics Heyne Verlag 2016 ISBN: 978-3-45331-814-4

Everything ist eine Natursimulation, die es dem Spieler ermöglicht, schlichtweg alles zu sein. Nicht nur Tiere lassen sich steuern, sondern auch Atome, Pflanzen, Gebäude, Wolken, Kontinente, Galaxien und alles andere. Während des Spielverlaufs finden sich immer wieder kleine Blasen, die bei Aktivierung philosophische Vorträge von Alan Watts abspielen. So wird das vom Multimediakünstler David O’Reilly gestaltete Geschehen klanglich angenehm untermalt, was dem Gesamtkunstwerk eine weitere psychedelische Note verleiht. Das Spiel wurde von Double Fine Presents verlegt und ist für PC, MAC, Linux und PS4 erhältlich. MIRKO BERGER

www.everything-game.com


Absinthe-Bar & Bistro

Die Grüne Fee Die erste Absinthe Bar der Schweiz

Kronengasse 11 · 4500 Solothurn · www.diegruenefee.ch


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LIFESTYLE

«Die kollektive Bewusstseins­ entwicklung unterstützen» Das Projekt Mapacho-Tribe wurde 2015 von Giovanni Fallico ins Leben gerufen und bietet interessante Produkte an I N T E RV I E W

Ke v i n J o h a n n

Auf welche Produkte hat sich Mapacho-Tribe spezialisiert? Giovanni Fallico: Alle unsere Produkte haben einen Bezug zu schamanischen Ritualen, Visionen, bewusstseinserweiternden Pflanzen und auch zum Aspekt der Heilung. In unserem Online-Shop bieten wir ausgewählte Räucherwerke und ätherische Pflanzenöle an,

«Ich möchte mein Bestes zum Wohle aller geben.» visionäres Kunsthandwerk, Tücher und Medizintaschen der Shipibo- und Huichol-Indianer, Agua de Florida und andere «Aguas», Ritualsprays, Aya-, Palo-Santo- und Heilstein-Schmuck, Instrumente – zum Beispiel hochwertige Schamanentrommeln sowie Chacapas und Maracas –, aber auch diverse amazonische Ethnobotanika wie Copaiba, Sangre de Drago und Rapé. Wenn wir im Sommer mit unserem Stand auf Festivals stehen, haben wir zusätzlich

auch Kleidung und handgemachte Pfeifen dabei. Was hat dich motiviert, Mapacho-Tribe zu gründen? Ich bin oft und lange in Südamerika, pflege einen engen Kontakt zu einigen indigenen Stämmen und habe an zahlreichen ihrer Zeremonien teilgenommen. Mapacho-Tribe ist die Antwort auf meine Frage, wie

ich einen aktiven Beitrag zur Erhaltung dieser Kulturen leisten und den Prozess der kollektiven Bewusstseinsentwicklung unterstützen kann. Welche Geschäftsphilosophie verfolgst du? Meine Geschäftsphilosophie entspricht exakt meiner persönlichen: Ich möchte mein Bestes zum Wohle aller geben. Das }


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LIFESTYLE «Die kollektive Bewusstseins­e ntwicklung unterstützen»

Maraca-Rasseln. Foto: zvg

bedeutet konkret, dass ich direkt vor Ort bei den Indianern einkaufe und sie fair bezahle. Dadurch wird begünstigt, dass ihre Traditionen bewahrt bleiben und die Menschen ihre Dörfer und Gemeinschaften zum Geldverdienen nicht verlassen müssen. Ich achte beim Einkauf auf beste Qualität, was für mich unmittelbar mit Nachhaltigkeit und ökologischem Anbau verknüpft ist. Dennoch gestalte ich den Verkaufspreis angemessen, so dass auch der Kunde zufrieden

ist. Einen Teil des Gewinnes spende ich jeden Monat einem amazonischen Regenwaldprojekt, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Regenwaldflächen zu kaufen, um diese vor der Abholzung zu schützen. So ist es eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Das hört sich sehr gut und unterstützenswert an. Gibt es ein Produkt, das du unseren Lesern ganz besonders ans Herz legst? Schwierig zu sagen, schließlich bin ich von allen Produkten überzeugt. Räucherwerk-Liebhabern empfehle ich aber unbedingt die Mapacho-Sticks, die aus den Blättern des Bauerntabaks hergestellt werden. Eine wirklich großartige Pflanze mit tollen Qualitäten und natürlich ein sehr wichtiges

Fortsetzung von Seite 67

schamanisches Heil- und Ritualmittel. Diese Pflanze hat mich letztlich auch dazu inspiriert, den Shop so zu nennen, wie er nun heißt. Was ist deine Vision? Wie soll es für Mapacho-Tribe weitergehen? Zunächst möchte ich das Sortiment um einige ausgewählte Produkte erweitern. Der zentrale Inhalt meiner Vision ist aber die Verbindungsarbeit. Mapacho-Tribe möchte zwischen Mensch und Mutter Natur, zwischen Mensch und Anderswelt, aber auch zwischen Mensch und Mensch vermitteln, hier in Europa, aber auch, indem wir künftig beispielsweise Gruppenreisen nach Peru und in andere südamerikanische Länder anbieten. www.mapacho-tribe.de

APP TIPP

Pflanzenbestimmung mit dem Handy Die Smartphone-Software «Plant Net» dient der Pflanzenbestimmung und dem Aufbau einer möglichst großen Datenbank von Pflanzensamples in Form von Fotografien. Soll heißen: Jeder kann teilnehmen und Fotos von Pflanzen zur Kollektion hinzufügen – mit etwas Glück findet man eine unbekannte Pflanze in der Datensammlung oder über einen morphologischen Bestimmungsschlüssel, was zumindest einen Anfang auf dem Weg der endgültigen Bestimmung ermöglicht.

Hersteller: Cirad France, in den App Stores der Anbieter.

Rapé-Linie von Sensatonics In unserer letzten Ausgabe veröffentlichten wir einen Artikel über das schamanische Schnupfpulver Rapé, der auf viel Interesse stieß. Kurz nach Herausgabe der Nummer brachte die Berliner Firma Sensatonics – Partner von Lucy‘s Rausch – eine eigene Rapé-Linie auf den Markt, die aus sechs verschiedenen Rapé-Sorten besteht. Die Sorten, die alle von indigenen Ethnien Amazoniens rituell gefertigt werden, unterscheiden sich anhand ihrer energetischen Eigenschaften und können sowohl belebende, heilsame, öffnende, entspannende wie auch euphorisierende und andere Effekte herbeiführen. www.sensatonics.de


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B L ÄT T E RWA L D #4

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Magazine, die wir schätzen

Im Sinne der psychonautischen Vernetzung präsentiert Lucy’s an dieser Stelle regelmäßig eine Übersicht über andere Magazine im psychoaktiven Sektor. Diesmal schauen wir uns drei internationale Magazine an, die es schon lange gibt. MAPS Bulletin Printmagazin der Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS), das sich mit den verschiedenen Bereichen der psychedelischen Wissenschaft auseinandersetzt. Es gibt aber auch Nummern, die sich beispielsweise um psychedelische Kunst ranken. Das Heft kostet 6 US-Dollar pro Einzelnummer und ist auf jeden Fall eine Bereicherung für alle englischsprachigen Leser. www.maps.org

Curare – Zeitschrift für Medizinethnologie

Journal of Psychoactive Drugs

Das zweisprachige (Deutsch/Englisch) Magazin Curare gibt es nun bald bereits seit 40 Jahren! Gegründet 1978, hat das Magazin, das wie Lucy‘s Rausch im Buchformat erscheint, seit jeher mit erstklassigen Themen und Autoren aus Ethnobotanik, Ethnopharmakologie, Ethnomykologie und Ethnomedizin aufgewartet. Über die Jahre sind dabei auch zahllose exzellente Grundlagen- und spezifizierte Beiträge zur Rauschkunde erschienen. Das hat sich bis heute nicht verändert. www.curare-zeitschrift.de

Fachmagazin, das noch älter ist als Curare. Es erscheint seit 1967 und hieß früher Journal of Psychedelic Drugs. Heute publiziert es Fachartikel aus Forschung und Wissenschaft rund um alle psychoaktiven Substanzen. Das hochinteressante Magazin ist für 109 Euro im Abo zu haben. Wärmstens empfohlen für alle, die wissenschaftlich am Thema arbeiten, und für alle ambitionierten Privatforscher, die englische Texte verstehen.  www.journalofpsychoactive­drugs.com

SOUNDCLOUD TIPP Wer das legendäre Boom-Festival in Portugal kennt, der wird den Soundcloud-Kanal der Veranstalter lieben. Aber auch, wer noch niemals an diesem größten europäischen Psychedelic Gathering teilgenommen hat, wird mit den vielen Sets aus veschiedenen Stilrichtungen seinen Heidenspaß erleben. Die Boom bietet eben nicht nur Psychedelic Trance in Fullon- und Progressive-Variationen, sondern auch Electronic, Chill Out und Ethno-Musik. Das ist stundelange Tripuntermalung zum Nulltarif. https://soundcloud.com/boomfestival


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LUCY‘S ALPTRAUM

DROGEN AUF REISEN Risiken und Gefahren – und wie sich diese vermeiden lassen TEIL 1:

TEXT

E

Stefan Haag

s gibt wohl kaum einen Menschen in Psychonautenkreisen, der nicht in irgendeiner Form, sei es beruflich oder aus privaten Gründen, ab und zu ins Ausland reist. Und ich gehe davon aus, dass die allermeisten mehr oder weniger intensive Erfahrungen mit illegalem Tun in fremden Ländern haben, so wie auch jeder seine persönliche Strategie hat, wie er (und natürlich auch sie) an die Dinge herankommt, an die man nicht herankommen soll. Ich beschäftige mich seit meinem ersten Trip 1978 nach Marokko (nach drei Tagen völlig entnervt wieder heimgefahren!) intensiv mit der Thematik – am Anfang ausschließlich wegen Cannabis, dann irgendwann und lange Zeit wegen so ziemlich allem, und jetzt, im gesetzteren Alter, wieder im Schoße von Mary Jane. Um es vorwegzunehmen, in den nun vierzig Jahren, in denen ich im In- und Ausland notgedrungen in der Illegalität wandle, hat sich verdammt wenig verändert. Klar, wenn ich in die USA reisen dürfte, wären zum Beispiel Colorado und Kalifornien eine Option, die es so vor 40 Jahren noch nicht gab. Da hat sich natürlich mit der Legalisierung von Cannabis Grundlegendes verändert. Aber in vielen Ländern hat sich die Situation überhaupt nicht positiv entwickelt, im Gegenteil.

Man denke nur an Malaysia oder die Philippinen, denen man eigentlich nur noch den Stempel Unbesuchbar aufdrücken kann. Unbesuchbar zumindest, wenn man auf ein einigermaßen entspanntes Set und Setting Wert legt, und das geht meines Erachtens nur, wenn es die konkrete Sicherheitslage vor Ort zulässt.

Erstens, man wird beschissen, oder zweitens, man wird erwischt. Bevor wir uns in den folgenden Ausgaben mit verschiedenen Gegenden und Ländern beschäftigen, widme ich mich ausschließlich dem Thema Sicherheit, damit aus Lucy’s Traum kein Alptraum wird. Im Grunde drohen einem in der Fremde dieselben beiden Hauptgefahren wie in heimatlichen Gefilden auch: Erstens, man wird beschissen, oder zweitens, man wird erwischt. Ersteres ist ärgerlich, aber harmlos (es sei denn, man kriegt Rattengift statt Koks oder es war das letzte Geld), das andere dagegen bestenfalls suboptimal, im schlechtesten Fall aber lebensgefährlich.


Fotos: Bin im Garten, Azer Koculu / Unsplash, Pexels

Ich möchte hier keine (zusätzliche) Paranoia mit vorgehaltener Knarre, Schlägen und Handschüren; ich wurde selbst rund zehnmal im Ausland schellen, habe ich mich sogar mal gefragt, ob ich wegen Drogenbesitzes vorübergehend verhaftet – bereit gewesen wäre, diesen Drecksbullen abzumit Betonung auf vorübergehend, weil jedes Mal knallen, wenn das der einzige Ausweg gewesen die viel geschmähte, weltweit grassierende Kor- wäre. Die Antwort lautete: Ja. ruption das Mittel der Wahl war, um das geltende Aber auch diese Sau (ich beschimpfe MenRecht zu beugen und wieder frei zu kommen. Man schen ungern in dieser Art und Weise, aber der Typ mag ja über die Korruption lamentieren, wie man war der Prototyp eines menschlichen Schweins) will – im Falle eines «Unfalls» dankt man Gott oder war auf nichts anderes aus als auf meine Kohle. dem Teufel dafür, dass es sie Leider war er Stationsvorstegibt, die gute alte Korher, und somit gingen seine ruption. Und wenn ich den Befugnisse und sein DrohpoWer vor nichts Angst hat, wird Bullen mein letztes Hemd tenzial recht weit. 1000 Doldurch die Gefahr überrascht. gebe – alles besser, als in lar, den Fotoapparat und die Konfuzius (551–479 v. Chr.) irgendeinem gottverlasseBeschlagnahmung aller Vornen Kerker zu hocken und räte kostete mich der Spaß. festzustellen, dass es gerade in den Ländern, in die Und all das nur, weil ich den falschen Mann am fales Drogenkonsumenten besonders gerne zieht, schen Ort das Falsche gefragt hatte. rechtsstaatliche Verhältnisse nicht wirklich gibt. Womit wir beim Thema Beschaffung angeErschwerend kommt hinzu, dass manche kommen wären. Wer öfter an denselben Ort reist, deutsche Botschaft ihrer konsularischen Pflicht hat diese Frage für gewöhnlich geklärt. Ich für der Gefangenenbetreuung im Ausland bei Rausch- meinen Teil fahre eben darum gerne immer wiegiftdelikten aus Kostengründen reichlich ungern der, zumindest zum Beginn einer Reise, an denselbis gar nicht nachgeht. Sorry, aber bevor es mir an ben Ort, damit ich nicht immer wieder aufs Neue den Kragen geht, scheiß ich auf die Moral. Nach die richtigen Leute suchen muss. Das ist bekannteinem extrem gewalttätigen Übergriff im Senegal lich nicht immer einfach, weil die meisten Leute, }


7 2   D R O G E N AU F R E I S E N

die einem Traveller ungefragt Drogen anbieten, Betrüger sind, die sich auf leichte Opfer wie unsichere oder gierige Ausländer spezialisiert haben. Meine Taktik auf fremdem Terrain sieht etwa so aus: Wenn ich nichts mitgenommen habe und auch nicht sicher weiß, woher ich meine tägliche Ration Hanf bekomme, ist mein erster Ansprechpartner gewöhnlich der Taxifahrer, der mich vom Flughafen zum Hotel fährt. Denn er verdient Geld mit mir, ist mit Sicherheit kein Bulle, und  – glaubt es mir – 90 Prozent aller Taxifahrer weltweit wissen, wo es Drogen gibt, falls sie nicht sogar selber welche verkaufen. Ob sie es dir sagen oder dich sogar gleich dorthin fahren, hängt – und wieder sind wir mitten im Thema – in erster Linie von deiner Bereitschaft ab, sie finanziell partizipieren zu lassen. Gefühlte Regel: Doppelter Fahrpreis, und er fährt dich vor des Dealers Türe, wartet brav in seinem Toyota oder Daimler und bringt dich nach vollzogenem Geschäft direkt ins Hotel. Taxifahrer, Nachtportiers und Traveller In ganz Lateinamerika, in Nah- oder Fernost, aber auch in Spanien und Portugal ist der Taxifahrer Lucy‘s best Friend. Sprachkenntnisse helfen natürlich ungemein, denn nicht überall sprechen Taxifahrer Englisch oder gar Deutsch. Aber notfalls geht das auch mit einfacher Zeichensprache; meine Freunde vom Transportgewerbe sind einiges

gewohnt und lassen sich durch nichts erschüttern. Ich habe unzählige Deals über oder mit Taxifahrern gemacht. Kein einziger war link. Ist einem das zu suspekt, gibt es auch in jedem Hotel Leute, die man unbesorgt fragen kann; zwar nicht unbedingt den- oder diejenige an der Rezeption, die sind leider oft Mitstreiter des Inhabers, und der wiederum will normalerweise

Gerade der erste Deal im neuen Umfeld ist der gefährlichste. keine Drogenleute in seinen heiligen Hallen (Ausnahmen bestätigen die Regel). Aber sowohl die unterbezahlten Jungs, die einem für zehn Cent den Rucksack hochtragen, als auch der Barkeeper, Kellner oder meine speziellen Freunde, die Nachtportiers, törnen oft selber und wissen Bescheid. So beklagenswert es sein mag, aber auch hier ist eine gewisse Großzügigkeit von höchstem Nutzen. Und selbst wenn man brüskiert abgewiesen wird, droht einem aus diesem Personenkreis keinerlei Gefahr. Man ist schließlich Gast und Kunde. Hotels, in denen Rucksackreisende absteigen, sind preiswert und meist keine Sterne-Häuser, aber erfahrungsgemäß trifft man dort am ehesten


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Fotos: Adrien Ledoux /Unsplash, Niels Steeman /Unsplash, Alex, NS (3)

seinesgleichen. In vielen Ländern gibt es Traveller, das Risiko für Betrug und polizeiliche Übergriffe die sich ihren Trip durch Dealen mit anderen Rei- steigt proportional zum Bekanntheitsgrad einer senden finanzieren. Das Prinzip sieht so aus: Der Szene. Warum es sich schwer machen, wenn die Kollege kauft zum Beispiel beim Bauern im Rif Opfer sich freiwillig alle am gleichen Ort einfin(Marokko) für 1000 Euro ein den? Das denken die Dealer, Kilo Hasch, fährt damit unbeund das denken die Herren von helligt als harmloser Tourist im Leute, die sich die Finger der Polizei. Hier kann die Sache Bus nach Agadir ans Meer und verbrennen, verstehen nichts dann überaus haarig werden, verkauft dann dort das Piece vom Spiel mit dem Feuer. daher noch einmal der einzu europäischen Preisen an Oscar Wilde (1854–1900) dringliche Hinweis, dass die europäische Kunden, die lieber aufdringlichsten Verkäufer leibei einem Landsmann das der die suspektesten sind. Fünffache des normalen Straßenpreises bezahlen, Gerade der erste Deal im neuen Umfeld ist der als sich auf dubiose Angebote von Strandverkäu- gefährlichste, weil man – so geht es zumindest mir fern einzulassen oder gar in der Medina selbst auf – halt gierig ist, nach womöglich 10 000 Kilometern die Suche zu gehen. Sicher eine gute Möglichkeit, Flug und nichts rektal dabei … etwas zu bekommen: Diese Traveller-Dealer oder Manche Orte haben allerdings keine offene dealenden Traveller konsumieren alle selber, haben oder versteckte Drogenszene. Wenn dann auch also gutes Material und haben – wie du und ich – noch die Taxifahrer nicht funktionieren, gibt es höllische Angst vor der Polizei. Es ist gut, irgendwo einen letzten Weg, einen Kontakt zu finden, und anzukommen und so jemanden zu treffen. der führt ins lokale Freudenhaus. Die meisten Prostituierten nehmen selber Drogen, sind meist gute Stadtpark oder Freudenhaus Menschen und kennen die Unterwelt wie niemand Wenn dir weder der Taxifahrer noch der Hotelpage sonst. Ich musste zwei-, dreimal diesen Weg gehen noch andere Reisende helfen können oder wollen, und bezahlte den eigentlichen Sex-Preis für den ist der logische nächste Schritt das Aufsuchen Kontakt zum Dealer, der gewöhnlich identisch mit entsprechender Örtlichkeiten, wie Kneipen, Bars, dem Zuhälter ist. Das klappte einwandfrei. Im Puff Discos oder Stadtparks. Das Internet hilft dir gerne kriegst du den besten Stoff, heißt es landläufig. Da weiter. Geheimnisse gibt es da keine mehr. Aber ist was dran. Gibt es hingegen nicht mal mehr ein }


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Fotos: Hedwig Storch, MB

Freudenhaus, dann bist du aus Ver­sehen in Nordkorea oder Saudi Arabien ausgestiegen. Da helfen dann nur noch direkte Kontakte zur jeweiligen Despoten-Dynastie. Soviel, rein exemplarisch, zur Suche am ersten Tag im fremden Land. Fazit: Trau, schau, wem – und besser ist es allemal, eine Notration dabei zu haben. Oder zu verzichten, bis man am richtigen Ort zur richtigen Zeit ist. Das ist schon in Sachen Hanf unangenehm genug. Unangenehmer als der Entzug des täglichen Brots ist der Verlust der Freiheit. Und da gibt es, nichts eint uns so sehr wie das, einen gemeinsamen natürlichen Feind: die Polizei. Mal mehr, mal weniger (wegen Kiffens in einigen Ländern inzwischen gar nicht mehr), aber im Großen und Ganzen zwingt uns die Prohibition im Umgang mit den Gesetzeshütern zu Verhaltensweisen, die auch jeder gewöhnliche Kriminelle kennt: Tarnen, Täuschen und Verpissen. Shit happens: Polizeikontrollen Generell halten sich Polizisten in den allermeisten Regionen im Umgang mit Touristen extrem zurück und lassen Mann (und Frau noch viel mehr) völlig in Frieden. Fast überall ist der Tourismus ein wichtiger, oft sogar der wichtigste Wirtschaftsfaktor, und die

Du wartest nichtsahnend mit einem kleinen Stück Haschisch im Tabakbeutel auf deinen Bus … Polizei ist angewiesen, für die Sicherheit der Kundschaft zu sorgen und ihnen nicht das Leben schwer zu machen. Und das tun sie auch fast nirgends, es sei denn – wir ahnen es – der Urlauber nascht von den verbotenen Früchten, die so manches Land im Überfluss besitzt. Dann kann es unter Umständen äußerst unangenehm bis lebensgefährlich werden. Folgende Szenarien sind denkbar: Szenario Nummer eins – passierte mir vor ein paar Wochen erst auf dem Busbahnhof von Alicante (Spanien): Du wartest nichtsahnend mit einem kleinen Stück Haschisch im Tabakbeutel auf deinen Bus, da kläfft dich plötzlich ein Köter an. Nicht irgendeine Töle natürlich, sondern ein Drogenhund der lokalen Polizeibehörde, die routinemäßig durch den Busbahnhof schlendert, um böse Haschhändler (Alicante ist aufgrund seiner geografischen Nähe zu Marokko eine Hochburg) zur Strecke zu bringen. Nun denn, das zum Hund gehörende Herrchen und seine Helfershelfer wenden sich an


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dich und fragen dich, ob du Drogen dabei hast. Und ehe du überlegen kannst, wie du jetzt dieses kleine Piece aus dem Tabak in der Brusttasche herauszaubern und verschwinden lassen kannst, beginnt auch schon die Leibes- und Gepäckvisitation auf der Behindertentoilette des Bahnhofs. Um das Prozedere abzukürzen, rücke ich das Piece freiwillig raus. Es ist eine lächerliche Menge, der Reiseproviant für einen Tag, also vier, fünf Joints. Da muss selbst der Bulle müde grinsen: «Mehr nicht, Kollege?» Ich verneine und sollte Recht behalten, was er dann nach zehn Minuten intensiver Suche auch feststellt. «Tut mir leid, Amigo, das muss ich beschlagnahmen.» Dann macht er ein Erinnerungsbild von meinem Ausweis, und schwupps verschwinden die beschlagnahmten Drogen in der Außentasche der schmucken Uniform eines freundlichen Beamten der Policia Nacional. Seine Kaffeepause war gerettet, meine war versaut. Na gut, Shit happens. Keine Strafe, kein Protokoll, das Schlimmste war, dass ich den Bus verpasste, doch was hätte ich besser machen können? Hätte ich das Piece im Mund gehabt, hätte ich es schlucken oder heimlich ausspucken können. Aber wer hat seinen Stoff schon permanent im Mund? Oder gar im Arsch? Auch sicher, aber irgendwie eher unpraktisch, vor allem, wenn man zwischendurch mal einen durchziehen möchte. Grins. Das sind Techniken für besondere Anlässe, und dazu gehörten stinknormale Busfahrten in Spanien bislang nicht. Ich werde es künftig überdenken. Szenario Nummer zwei –  irgendwie auch lustig, allerdings etwas untypisch – passierte mir einst in Kolumbien, wo ich beim Stoffkauf wohl beobachtet wurde und kurz darauf einer Polizeikontrolle unterworfen wurde. Man fand 20 Gramm Base und fragte mich, was ich damit vorhätte, ich sagte «Konsumieren». Aha! Dann folgte die Frage, wie viel Geld ich bei mir habe. Es waren fast 200 Dollar. Aha! Dann stellte mich die Beamten vor die Alternative: Man könne mich jetzt auf die Polizeiwache mitnehmen, dann die Immigracion informieren und blablabla, oder –  wir ahnen es – man könne sich wie «hombres» einigen. Ein fairer Vorschlag, wie ich meine. Ich willigte ein (alles andere wäre Wahnsinn gewesen) und bekam nach erfolg-

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ter Zahlung tatsächlich den Stoff zurück. Dann wünschte man mir einen schönen Abend und einen noch viel schöneren Urlaub und ich solle aufpassen mit dem guten Stoff. Ich nehme mal an, Bullen und Dealer haben zusammengearbeitet. Nun ja. Shit happens. Hätten sie nicht kooperiert (oder wäre es nicht mein Stammdealer gewesen), wäre der Stoff auf Nimmerwiedersehen weg gewesen, ist doch klar. Und so geht es halt in den allermeisten Fällen über die Bühne. Einen kleinen Trumpf hat man schließlich, weil Korrupt-Sein natürlich auch verboten ist und die Bullen deshalb unter einem gewissen Zeitdruck stehen, sprich die Sache schnell erledigen wollen. Szenario Nummer drei kommt ins Spiel, wenn die Polizisten oder diejenigen, die sich als Polizisten ausgeben, alle Zeit der Welt haben und wir uns überdies irgendwo befinden, wo Korruption nicht wirklich illegal ist, sondern zum Grundeinkommen der Polizei gehört, wie zum Beispiel in Westafrika und anderswo. Dann ist echt Schluss mit lustig, denn denen fällt dann beispielsweise auch auf, dass man eine Kreditkarte hat, die man plündern kann und dass auch Kamera, Handy, selbst Klamotten einen gewissen Wert darstellen. Und diese Hyänen nehmen dir dann einfach alles weg. Wenn du Glück hast, lassen sie dir den Pass und die am Limit belastete Kreditkarte, das ist ihnen dann doch zu heiß. Aber dann steht man da, wie ich in Saint Louis (Senegal) vor zehn Jahren, einfach mal mit nichts. Sehr, sehr unangenehm. Aber dennoch kein Vergleich zu Szenario Nummer vier, das sich meistens an den Flughäfen oder Grenzübergängen ereignet, wo es um das Schmuggeln außer Landes geht und wo kein Schmiergeld mehr weiterhilft, weil es dort um das Aufgreifen für die Statistiken geht. Spätestens dann sind wir mitten in Lucy’s Alptraum angekommen. Näheres dazu dann in Teil 2 dieser Serie.

STEFAN HAAG ist Fotograf und Buchautor. Seine Fachgebiete sind Schamanismus und Drogenkultur. Er reist um die ganze Welt, stets auf der Suche nach neuen ethnobotanischen Geheimnissen. Haag lebt im Schwäbischen und ist freier Autor für diverse Hanfzeitschriften, z.B. das grow!-Magazin.


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Die Psychedelisierung der Werden die Hipster zu Hippies  – oder die Hippies zu Hipstern? TEXT

Ü

Rob erdo Rav al

ber dem schleppenden Pochen der Bassline schwebt die verklärte Melodie einer Sitar. Eine meditative Frauenstimme ermuntert zum bewussten Ein- und Ausatmen. Rechts wippt eine mächtige Dreadlock-Mähne, darunter flattern gestreifte Haremshosen über dem Stampfen der nackten Füße. Nebenan das entrückte Lächeln einer jungen Dame, deren Gesicht mit an Amazonas-Indianer erinnernden Farblinien bemalt ist, passend dazu trägt sie ein buntes Shipibo-Armband. Wenn wir hier auf einer Goa-Party wären, könnte man wohl von Normalbetrieb sprechen. Sind wir aber nicht. Nein, wir befinden uns im aufwändig gestalteten Freiluftbereich des Sisyphos, das zumindest unter selbsterklärten «Nicht-Touristen» derzeit zu den angesagtesten Clubs im trendigen Berlin zählt. Die bunte Meute, die hier feiert, widerspiegelt einerseits jenen trashig-ironischen Altkleider-Look, für den die Metropole seit Jahren bekannt ist; andererseits kann man hier immer mehr Zeitgenossen beobachten, deren farbenfrohe Optik eher an Psytrance oder das Neo-Hippietum erin-

nert. Und, wie eingangs erwähnt: Auch auf musikalischer Ebene sind die Genregrenzen mit psychedelischer Geste verwischt worden. Da wir uns gerade im Medium der Sprache bewegen: Genau daran schieden sich bis vor nicht allzu langer Zeit die Geister, insbesondere am Begriff «Trance» und dem davon abgeleiteten Adjektiv «trancig». Das wurde im Techno-Kontext bisher nämlich vor allem abwertend verwendet, im Sinne von kitschig, schmalzig oder übertrieben melodiös. Heute hört man das Wort auch aus dem Mund von Produzenten, die nie einen Fuß in die Goa-Szene gesetzt haben. Ähnlich verhält es sich mit den Begriffen «deep» und «psyche­ delisch»: Während sie im Goa- und PsytranceBereich zum Standardvokabular gehören, sind sie im Sprachkontext von Tech House, Techno, Deep House & Co. erst seit Kurzem zu finden. Trancig, psychedelisch, deep: Was ist damit eigentlich gemeint? Diese Frage führt uns zur Musik selbst. Gleichzeitig ist sie extrem knifflig, verlangt sie doch nichts weniger als eine Definition

Es ist kein Zufall, dass die meisten Ethno-Sounds dem rituell-spirituellen Kontext entlehnt sind.


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elektronischen Musik

Grenzgänger zwischen Techno und Trance: Sebastian Mullaert und das Duo von GreenLake Project.  Foto: PD

dessen, was psychedelische Musik ist. Obwohl dies letzten Endes sicherlich im Ohr des Hörers liegt, wagen wir hier dennoch den Versuch einer Definition oder zumindest die Definition einiger charakteristischer Elemente. Eine auffällige Entwicklung der letzten Jahre ist die zunehmende Verbreitung von sogenannten Ethno-Einflüssen. Besonders stark ausgeprägt sind sie im derzeit äußerst beliebten Downtempo-Genre, dessen schleppende, geradlinige Beats deutlich weniger als 120 Beats pro Minute verzeichnen. Aus diesem Grund ist auch schon mal von «Schnechno» (sprich: Schneck-no) die Rede. Gemeint sind mit diesen Ethno-Einflüssen traditionelle Instrumente und Gesänge aus dem nicht-europäischen Kulturkreis. Sitar-Klänge aus Indien, der obertonreiche Klang balinesischer Gongs, persische Saiteninstrumente und verträumter orientalischer Gesang, das Rascheln und Rattern von Tabakblättern und Rasseln aus Südamerika: Derartige Rhythmen und Melodien nehmen den Hörer mit auf eine Reise – nicht nur geographisch und um die Welt, sondern auch und vor allem in den inneren Kosmos. Es ist

kein Zufall, dass die meisten dieser Ethno-Sounds dem rituell-spirituellen Kontext entlehnt sind. Denn hier geht es um die Verbindung mit einer Realität, die sich außerhalb der Alltagswirklichkeit manifestiert –  wie auf den Partys. Außerdem ist es auf den Tanzflächen der Clubs und Festivals sehr melodiös geworden. Oft sind hintergründige, sich über Minuten aufbauende und verändernde Arrangements von teilweise überraschend tiefgründiger Musikalität zu hören. Während der repetitive Rhythmus auf den Körper zielt, kitzeln diese Melodien den Geist des Tänzers, regen zum Abheben und Träumen an: eine Kom­ bination, die lange Zeit als typisch für das Progressive-­Trance-Segment galt. Heute gilt sie als Grundformel des aktuell ebenfalls sehr beliebten Melodic-Techno-Genres. Und dann sind da noch die in den Titeln verwendeten Sprachsamples. Die spielen oft auf psychedelische Zustände an, seien sie nun sub­ stanz-induziert oder nicht – ebenfalls ein Merkmal, das bis vor kurzem typisch für den Psytrance-­ Bereich war. }


7 8   P S YC H E D E L I S I E RU N G

Techno oder Trance? Angesichts der stilistischen Vielfalt

Rhythmus als Hypnose-Instrument

Herrhausen & Treindl

fällt es schwer, Techno oder Trance

und Melodie zur subtilen Kursbestim-

scher Müßiggang und Zeitlupen-Eks-

als Genre zu definieren. Und jetzt

mung nutzt.

tase. Zwischen den schleppenden

mischen sie sich auch noch! Hier ein

Out Of Sorts: Wer vor 10, 15

Beats von Herrhausen & Treindl

paar Anspieltipps für wunderbare

Jahren Progressive Trance gehört hat,

entwickelt sich eine geradezu

psychedelische Grenzgänge.

wird sich an Antix und Fiord erinnern.

magische Zugkraft. Ein formi-

Schon damals bewiesen die beiden

dabel-tranciges Beispiel für

Neuseeländer ein Händchen für

zeitgenössischen Schnechno.

den Sets auf der Boom 2016 spielte

stromlinienförmigen Tiefgang. Nun

Sebastian Mullaert

der Australier Curandero-Gesänge

sind sie unter dem Namen Out Of

alter Hase aus der Progressive-­

und den Rapper Snoop Dogg. Muss

Sorts zurück – und veröffentlichen

Trance-Ecke. Als eine Hälfte von Son

man sich erstmal trauen.

bezeichnenderweise auf renommier-

Love Over Entropy Melodiös-­

Kite und später Minilogue gehörte der

ten Tech-Labels wie zum Beispiel

Schwede zu den Pionieren der Szene.

vertrippter Sound vom Feinsten.

Kompakt und Katermukke.

Green Lake Project

Heute sind die unglaublich hypnoti-

Desaturate: Melodiöser

schen, sich fortwährend modulieren-

dem Umfeld des 3000°-Künstler­

Progressive House, der manchmal an

den Live- und DJ-Sets von Sebastian

kollektivs stammende Duo steht für

den goldenen Progressive-Sound der

Mullaert auf Techno-Parties

geradlinig-technoiden Groove, der

frühen 2000er erinnert.

und -Festivals weltweit beliebt.

Uone

Im Verlauf seines mitreißen-

Das aus

Die zunehmende Psychedelisierung der elektronischen Musiklandschaft widerspiegelt sich auch in der optischen Erscheinung der Szene. Dreadlocks, Haremshosen und bunte Gesichts­ bemalung tragen zwar nicht unbedingt dazu bei, an der berühmt-berüchtigten Tür des Berghain vorbeizukommen. In vielen anderen durchaus angesagten Techno-­ Tempeln und besonders auf den OpenAir-­Festivals dieses Sommers gelten sie aber als vollkommen salonfähig, ja geradezu schick. Ein farbenfrohes Beispiel ist das erfolgreiche Modelabel Chapati, das unter anderem ein Ladengeschäft in der Alexa Mall am Berliner Alexanderplatz betreibt. Der kulturkritische Beobachter fragt sich: Haben die Hipster nun das Hippietum für sich entdeckt? Oder sind die Hippies zu Hipstern geworden? Unter hedonistischen Gesichtspunkten ist die Psychedelisierung der elektronischen Musiklandschaft als durchweg positiv zu beurteilen. Denn sie bedeutet zweifelsohne gesteigerten

Euphori-

Noch ein

Genuss und Wohlgefühl für Körper, Geist und Seele. Aber manifestiert sich damit wirklich eine psychedelische Revolution, also ein Umdenken? Beispiele wie eine bewusste Auseinandersetzung mit Ernährung oder der Einsatz geistig-körperlicher Übungen wie Yoga und Meditation sprechen dafür, erfreuen sie sich im Umfeld der Szene doch tatsächlich zunehmender Beliebtheit. Das gleiche gilt jedoch auch für Konsumkultur und For tschrit tsglaub en: Neuer ist besser ist mehr – dieses Leitsymptom der Krankheit, die unsere Gesellschaft und mit ihr den Planeten befallen hat, ist leider auch in der sogenannten alternativen Szene zu beobachten. Bunte Klamotten hin, trancige Tanzmusik her – wer das tiefgreifende Potenzial der psychedelischen Erfahrung nicht im Alltag anwendet, läuft Gefahr, nicht Teil einer psychedelischen Revolution, sondern einer psychedelischen Inflation zu werden.

Es geht um die Verbindung mit einer Realität, die sich außerhalb der Alltagswirklichkeit manifestiert..

lucys-magazin.com/autoren/raval


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Begegnung mit der blauen Raupe, gezeichnet von Benjamin Lacombe in einem Neudruck aus dem Jahr 2016 (Jacoby & Stuart Verlag, Berlin). Fßr Lacombe ist der Pilz, auf dem die Raupe sitzt, ganz selbstverständlich ein Fliegenpilz.


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«TRINK MICH»

Lewis Carroll und die magischen Fläschchen, Kuchen und Pilze von «Alice im Wunderland» TEXT

Wo l f g a n g B a u e r

Die eine Seite des Pilzes macht dich größer, die andere Seite macht dich kleiner. Guter Rat von einer Raupe

A

lice im Wunderland, das Meisterwerk des Mathematikers und Logikers Charles Lutwidge Dodgson (1832 –1898), besser bekannt unter seinem Künstlernamen Lewis Carroll, hat Romantiker und Surrealisten gleichermaßen fasziniert. Die Romantiker verklärten und verehrten in Alice das «unschuldige Kind», neugierig, unverfälscht, unberechenbar; die Surrealisten sahen in Carroll einen künstlerischen Ahnen, der das Unheimliche hinter dem Offensichtlichen und das Unerwartete, das im Gewöhnlichen aufscheint, darzustellen vermochte. Psychoanalytiker untersuchen mit forscher Lust noch immer den Hintersinn und die Vieldeutigkeit des Werks und seinen heillos verqueren Verfasser. Königin Victoria las Carrolls Werke ebenso gern wie der Schriftsteller Oscar Wilde oder der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Das Buch ist, vielfach übersetzt, in Millionenauflagen in der ganzen Welt erschienen. Bis heute werden ständig neue Auflagen gedruckt. Stellenweise, wenn die kleine Alice etwas trinkt oder isst und sich danach verwandelt, hat das Geschehen den Charakter eines Zaubermärchens. Wie kam es dazu, dass Lewis Carroll Stimulanzien mit psychoaktiven Eigenschaften in die Reise durch das Wunderland eingebaut hat? War das Zufall oder Absicht? Lebenshintergründe Carroll galt bei seinen Zeitgenossen als Prototyp des eingefleischten Junggesellen. Im Verhalten äußerst pedantisch, hatte er sich eine eiserne

Der Autor Lewis Carroll (1863).  Foto: Oscar Gustave Rejlander,

Selbstdisziplin auferlegt. Wollte er zum Beispiel ein Päckchen packen, zeichnete er vorher ein präzises Diagramm, aus dem zu ersehen war, wo genau die Knoten der Schnur angebracht werden mussten. Carroll war Zeit seines Lebens Stotterer. Das machte ihm das Unterrichten seiner Studenten oder das Abhalten von Predigten zur Qual. Er war Linkshänder und wurde zum Schreiben mit der rechten Hand gezwungen. Auf dem rechten Ohr war er taub, litt unter Migräne und chronischer Schlaflosigkeit. Seine Schlaflosigkeit mochte darauf beruhen, dass er die Furcht hegte, im Schlaf die Kontrolle über sich zu verlieren. Zeitweilig fühlte er sich neben sich stehend und sich selbst fremd, verbunden mit der Angst, «den Kopf zu verlieren»(nicht ohne Grund lässt er die Herzkönigin in Alice ständig rufen «Kopf ab, Kopf ab!») Des Nachts quälten ihn }


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«unheilige Gedanken» und raubten ihm den Schlaf noch mehr. Wenn er sich unter Menschen aufhalten musste, befürchtete er, sich mit einer Krankheit anzustecken. Im Umgang mit Menschen war er ohnehin extrem schüchtern. Dass er kein Gedächtnis für Gesichter besaß, machte ihm soziale Kontakte umso schwerer. Und obwohl er viele Menschen fotografierte, entzog er sich, wenn jemand ein Bild von ihm machen wollte. Er hasste die Öffentlichkeit und floh aus einer Gaststätte, wenn er den Eindruck hatte, dass die anderen Gäste ihn als den berühmten Autor von Alice im Wunderland erkannt hatten. Besonders verhasst waren ihm Autogrammjäger. Es bereitete ihm Vergnügen, solche Anfragen boshaft auf einer Schreibmaschine zu beantworten, oder er bat Freunde, für ihn zurückzuschreiben und in ihrer Schrift für ihn zu unterschreiben. Briefe, die an »Lewis Carroll, Christ Church College, Oxford» adressiert waren, ließ er entweder mit dem Vermerk «unbekannt» zurückgehen oder schickte sie an das Amt für unzustellbare Briefe. Am wohlsten fühlte er sich in seiner Wohnung im College oder in seinem Atelier auf dem Dach. Zeit seines Lebens führte er eine ausgedehnte Korrespondenz. Wie einem Verzeichnis zu entnehmen ist, schrieb er 98 721 Briefe, darunter auch Briefe mit Verbesserungsvorschlägen an öffentliche Institutionen wie Bahn und Post. Flucht ins Zauberland Bis ins hohe Alter wirkte er jungenhaft. In seinem Auftreten fand man ihn verlegen wie ein peinlich berührtes junges Mädchen oder manieriert wie eine alte Jungfer. Er spürte nie in sich das Vertrauen, als Mann geboren zu sein, und es fiel ihm schwer, sich auch so zu benehmen. Jungen und ihr burschikoses Verhalten waren ihm zuwider. Die Welt der Erwachsenen erlebte er als einen brutalen Ort. Als Schüler in der berühmten Public School in Rugby, als Student in Oxford und dort später als Dozent litt er unter den vielen seltsamen und oft absurden Regeln, die ihm aufgezwungen wurden. Am liebsten wäre er wieder ein kleines Kind gewesen, dem alles noch neu und schön erschien, ein Kind, für das Sexualität, Sünde, Leid, Verfall und Tod nichts anderes waren als bloße Namen – das

Alice Pleasance Liddell, von Carroll 1858 als Bettlermädchen fotografiert.

geht aus seinen Selbstzeugnissen deutlich hervor. Nur allzu gern flüchtete er sich in das Zauber- und Wunderland des Nonsens. Der Anglist Christian Enzensberger bringt in seinem Nachwort zur Alice-Ausgabe des Insel Verlags Carrolls Art zu schreiben auf den Punkt: «So leiht sich, aus dem Umkreis der Gesellschaft, der Widersinn das Gewand der Logik, die Gewaltherrschaft der Regeln den Schein der Legitimität, die Katastrophe den Anstrich des Spaßigen.» In seiner Kindheit, der glücklichsten Zeit seines Lebens, war er der Spielführer für seine Geschwister. «Kinder», bekannte er einmal, «stellen drei Viertel meines Lebens dar.» In der Gegenwart kleiner Mädchen verlor er jede Schüchternheit und hörte auf zu stottern. Schon nach kurzer Zeit eroberte er ihre Herzen und avancierte zum beliebten und geliebten Spielgefährten. Liebend gern fotografierte er seine Kind-Freundinnen (child-­friends) in allen möglichen Verkleidungen


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und Posen, als Chinesin, als Bettlerin, als von einem Drachen verfolgte Unschuld, als entführte Braut, in Badekleidung oder nur von einem Tuch umhüllt. Am liebsten fotografierte er seine Modelle, «so wie die Natur sie schuf», nackt und unbekleidet. An eine Mutter, deren Tochter er aufnehmen wollte, schrieb er: «Ich möchte gern wissen, was das Minimum an Kleidung für die Aufnahme ist. Ich hoffe auf jeden Fall, dass eine Badehose genügt, obwohl ich meinerseits es vorziehen würde, sie

Carroll war vertraut mit Gespenstern, Banshees, Goblins, Trollen, Elfen und Poltergeistern. wegzulassen.» Alice Pleasance Liddell, seine Muse, die ihm unter seinen kleinen Freundinnen die liebste war, berichtet davon, dass Carroll sie mit in seine Dunkelkammer mitnahm, wo sie mit großen Augen die Entwicklung der Fotografien verfolgte. Als Lewis Carroll 1856 zu fotografieren begann, war die Erfindung der Fotografie erst zwanzig Jahre alt. Er gilt bei Fachleuten als einer der besten Fotografen der viktorianischen Zeit. Vierzig Sekunden lang mussten die Modelle vollkommen stillhalten und durften nicht einmal mit den Wimpern zucken, damit die Aufnahme gelang. Das gelang den kleinen Mädchen besser als den

Alice wird im Haus des weißen Kaninchens so groß, dass die Räume ihr zu eng werden.

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Erwachsenen, die er porträtierte. Als sich Prinz Leopold, ein Sohn von Königin Viktoria, von ihm aufnehmen ließ, waren die Bilder unbrauchbar – Leopold hatte gewackelt! 1862 erzählte er Alice, Lorina und Edith, den drei Mädchen des Dekans Henry George Liddell, während einer Ruderpartie auf der Themse die Geschichte von Alices Abenteuern unter der Erde (underground). Zu jener Zeit interessierte sich Carroll sehr für okkulte Phänomene. Eine Zeitlang war er sogar begeistertes Mitglied in einer Gesellschaft zur Erforschung paranormaler Erscheinungen. Carroll war, wie man seinem Gedicht Phantasmagoria entnehmen kann, gut vertraut mit Gespenstern, Banshees, Goblins, Trollen, Elfen und Poltergeistern. Ein geschwätziger und zu Streichen aufgelegter Geist gewährte ihm eine Einführung in das Reich der Bewohner der Anderswelt. Carroll wollte deshalb seine Geschichte zuerst Alice in Elfland nennen, entschied sich schließlich aber für Alice in Wonderland. Verwandlungen über Verwandlungen Genau siebenmal erlebt Alice, «das erste Hippie-­ Blumenmädchen» (Sergius Golowin), bei ihrer Reise durch das Wunderland, dass sie größer oder kleiner wird, nachdem sie etwas gegessen oder getrunken hat. Zuerst handelt es sich um ein geheimnisvolles Fläschchen, das ein Papierschild trägt, auf dem «Trink mich» geschrieben steht, dann findet Alice ein weiteres Wunderfläschchen (magic bottle). Eine erneute Verwandlung erlebt Alice durch den Verzehr eines magischen Kuchens, und schließlich sind es Stücke von einem Zauberpilz, die es ihr ermöglichen, sich beliebig zu vergrößern oder zu verkleinern, um sich in der verwirrenden Welt des Wunderlandes besser zurechtzufinden. Viel spricht dafür, dass dem höchst belesenen Carroll ein Buch des Botanikers und Mykologen Mordecai Cubitt Cooke in die Hände gefallen war. Es trug den Titel The Seven Sisters of Sleep. A Popular History of the Seven Prevailing Narcotics of the World und erschien 1860 in London im Verlag James Blackwood. Mary English, die Biografin von Mordecai Cubitt Cooke, schreibt dazu: «Die Königin des Schlafes hat sieben Schwestern. Alle sind neidisch auf ihren Thron. Sie instruiert deshalb ihren Minister des Traumes, den Schwestern Macht über die wachen Stunden der Menschen zu geben, um ihnen wunderbare Träume, Illusionen und Ekstasen zu schen}


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Zeitgenössische Darstellung von Krötenstühlen in der populären Zeitschrift Science Gossip

ken. Die Schwestern übernehmen verschiedene Teile der Welt. Morphina (Opium) wird der Tatarei und Mongolei zugestanden, Virginia (Tabak) besitzt vier Fünftel der Erde. Ganja (Rauschhanf) übernimmt den Nil, den Ganges, den Indus und den Niger. Siraboa (Betelnuss) hat Macht über Malaysia und die benachbarten Länder. Erythroxylina (Koka) bekommt Bolivien und Peru. Zwei weniger favorisierte, weniger erfolgreiche Schwestern, die darunter leiden, dass ihre anderen Schwestern so viel Glück haben, isolieren sich vom Rest der Welt und eilten in ein freiwilliges Exil. Datura flieht in die nördlichen Anden. Die bleiche und zwergenhafte Amanita verabschiedet sich von den sonnigen Landstrichen mit ihren dahinfließenden Wolken, sucht und findet ein Heim und ein Refugium, ein Königreich und einen Hof in den gefrorenen Weiten von Sibirien.» Fehleinschätzungen von Größe und Entfernung sind durchaus gewöhnliche Erscheinungen für die Konsumenten des Fliegenpilzes wie auch für die Konsumenten von Cannabis: Ein Strohhalm, der auf der Straße liegt, scheint ein beträchtliches Hindernis zu sein. Um darüber zu kommen, macht der Pilzesser einen gewaltigen Satz, mit dem er ein Bierfass oder den heruntergefallenen großen Ast einer Eiche überspringen könnte. Sergius Golowin, der Erforscher von Feenkräutern und Hexenpflanzen, erzählte mir einmal, dass er nach dem Genuss seiner ersten Haschischpfeife seine Begleiter fragte, warum sie denn in so einem unglaublich großen und ungemütlichen Saal säßen,

Alice trifft auf eine Raupe, die auf einem Pilz sitzt und aus einer langen Pfeife Haschisch raucht (Zeichnung von Lewis Carroll im Manuskript von 1864)

der sich fast bis zum Horizont ausdehne. Die Freunde antworteten ihm, seine (Trug-)Wahrnehmung zeige, dass das Dope gut wirke. Sie könnten ihn aber beruhigen, sie säßen in einer ganz kleinen und engen Kneipe beieinander. Cooke bringt in seinem Buch einen Bericht über einen jungen Mann, der nach dem Konsum von Marihuana glaubte, er wachse in einem solchen Ausmaß, dass der Raum, in dem er sich befand, zu klein für ihn war. Es schien ihm notwendig zu sein, die Decke anzuheben. Genau in eine solche Situation lässt Carroll die kleine Alice hin-

Die kleine Alice wird immer größer, stößt schließlich an die Decke und droht, aus dem Haus herauszuwachsen. eingeraten, wenn sie im Haus des weißen Kaninchens immer größer wird, schließlich an die Decke stößt und aus dem Haus herauszuwachsen droht. Cooke benutzte das 1855 erschienene und ebenfalls sehr populäre «Musterbuch naturwissenschaftlicher Unterhaltung und Belehrung» von J.F. Johnston, The Chemistry of Common Life (1881 unter dem Titel Chemie des täglichen Lebens ins Deutsche übersetzt) als eine seiner Quellen. Johns­ ton bot dem Leser eine ausführliche Abhandlung über Genuss- und Erregungsmittel wie Kaffee, Tee, Schokolade, Bier und Wein, aber auch über die betäubenden Genussmittel, darunter den indischen Hanf, sowie über die «scharfen, betäubenden» Pflanzen wie den sibirischen Fliegenpilz. In Bezug auf die makroskopischen Eigenschaften des Fliegenpilzes steht in beiden Büchern das Gleiche zu lesen.


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Wahrscheinlich kannte Carroll auch Cookes Carroll nahm die wohltätige Wirkung der 1861 in London erschienenen Pilzführer A Plain and Tinktur nicht nur auf der körperlichen Ebene durch Easy Guide to British Fungi with descriptions of the eine verbesserte Schlafqualität, weniger Kopfesculent and poisonous species («Ein klarer und schmerz- und Migräneattacken wahr, sondern auch einfacher Führer zu britischen Pilzen mit Beschrei- psychisch durch geringere Ängste und eine gehobungen der essbaren und giftigen Arten»), in dem bene Stimmung. Von nun an begleitete den genialiCooke ebenfalls über spezielle psychoaktive Eigen- schen Verfasser von Nonsens-Literatur in der Gestalt schaften des Fliegenpilzes berichtete. Sowohl in von Schwester Cannabis eine gewiefte Assistentin, den Büchern von Cooke wie auch in dem Buch von die ihm dabei half, den Un- und Tiefsinn seiner Johnston konnte Carroll AbbildunSchriften noch zu potenzieren. gen des Fliegenpilzes finden. (Der Marihuana war in Oxford zur Vielleser Carroll las übrigens auch Zeit von Lewis Carroll bei den Studie Werke des englischen «Opiudenten in Mode gekommen. Es messers» Thomas de Quincey.) wurde sowohl in langen Pfeifen wie Carroll vertiefte sich gern in auch in Wasserpfeifen als rekreative Publikationen zur Naturkunde. Hier Droge geraucht. Carroll rauchte könnte er Bilder entdeckt haben, zweimal in seinem Leben Maridie Kröten zeigen, wie sie auf Pilzen huana, einmal in Berlin und einmal sitzen (das deutsche Wort für in Gießen. Wie es dazu kam und mit gefährliche Pilze, Krötenstuhl, hat wem, darüber findet sich nichts in im Englischen sein Äquivalent im seinen Tagebuchaufzeichnungen. Wort «toadstool».) Da er fürchAuch über die Wirkungen des tete, die kleine Alice mit einer Kröte Rauschhanfs in Bezug auf ein verAlice findet das Verwandlungen auf dem Pilz zu sehr zu erschreändertes Zeitgefühl konnte sich bewirkende Wunderfläschchen. cken, ersetzte er sie durch eine Carroll in Cookes Buch informieren. Zeichnung von John Teniniel, 1865 freundlicher wirkende Raupe. Cooke berichtet, dass KonsumenEs ist wenig wahrscheinlich, dass Carroll die ten glaubten, Stunden für einen kurzen Weg zu Wirkungen von Schwester Amanita aus eigener brauchen, oder den Eindruck hatten, eine Minute Erfahrung kannte. Wohl aber ließ er sich von Schwes- dauere eine Ewigkeit. Vielleicht hat Carroll nach ter Cannabis verwöhnen. Es muss dem damals dem Konsum seiner Medizin auch erlebt, was er die 24-Jährigen Carroll wie ein Wunder erschienen sein, Teilnehmer der verrückten Teegesellschaft erleben als ihm Dr. Charwick, der Hausarzt des Colleges, lässt: das Gefühl nämlich, dass gar keine Zeit mehr «zur Verbesserung des allgemeinen Befindens» 1855 existiert, dass sie stillsteht, so dass es immer fünf den Indian Soothing Syrup der Gebrüder Smith ver- Uhr ist und Zeit für den Tee. Und die Zeit hat der ordnete. Dieser Sirup bestand aus einer 12-prozenti- Märzhase, wie er Alice gesteht, totgeschlagen. gen Cannabistinktur sowie aus Kräutern und Honig. Dreimal täglich nahm Carroll einen Teelöffel davon Geschrieben zum 60. Geburtstag des Ethnobotanikers Christian Rätsch zu sich. Bis zu seinem Tod verbrauchte er wöchentlucys-magazin.com/autoren/bauer lich ein Fläschchen mit 350 Millilitern.

Literatur Behr, Hans-Georg: Von Hanf ist die Rede, Reinbek 1985 • Carroll, Lewis: Alice’s Adventures Under Ground. A facsimile of the 1864 manuscript, New York 1965 (mit den Zeichnungen von Lewis Carroll) • Carroll, Lewis: Briefe an kleine Mädchen, Frankfurt /Main 1966 (mit einem Nachwort von Klaus Reichert «Der geheime Verführer») • Carroll, Lewis: Alice im Wunderland, Frankfurt am Main 1984 (mit den Zeichnungen von John Tenniel und einem Nachwort von Christian Enzensberger «Der Aufruhr der Regeln») • Carroll, Lewis: Alice im Wunderland, Jacoby & Stuart Verlag Berlin 2016 (mit dem Vorwort und den Zeichnungen des französischen Illustrators Benjamin Lacombe) • Cooke, Mordecai Cubitt: The Seven Sisters of Sleep, Popular History of the Seven Prevailing Narcotics of the World. London 1860. Reprint: Lincoln, Massachusetts 1989 • English, Mary P.: Mordecai Cubitt Cooke - Victorian Naturalist, Mycologist, Teacher and Eccentric, Bristol 1987 • Gray, Donald J. (Hrsg.): Lewis Carroll –  Alice in Wonderland: Authoritative Texts, Backgrounds, Essays in Criticism, New York 1971 • Green, Roger Lancelot (Hrsg.): The Diaries of Lewis Carroll, 2 volumes, London 1953 • Johnston, James F.W.: Chemie des täglichen Lebens, Stuttgart 1887. Für Anregungen danke ich herman de vries (Eschenau) und Ömer Olgunsoy (Oxford).


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Fliegenpilz trifft

Ayahuasca TEXT

E

Nana Nauwald

ndlich in Sibirien! Genug über Fliegenpilzrituale sibirischer Schamanen gelesen – und lange genug danach gesehnt! Es begann vor fünf Jahren in Irkutsk, als ich im 13. Stock eines Wohnhauses ein Trance-Seminar hielt. Noch vor dem Seminar sprachen mich zwei junge Männer an und berichteten mir stolz, dass sie zwei Wochen in Cuzco gewesen seien und dort bei einer Schamanin Ayahuasca getrunken hätten. Ich blickte aus dem Fenster hinaus auf den mächtigen Fluss Irkut, der hier in den von schamanischen Mythen umwobenen Fluss Angara fließt, und atmete tief durch. Ich war so dicht am Herzen des traditionsreichen Schamanismus Sibiriens, und nun begegnete mir hier als erstes Ayahuasca. Auf meine Nachfrage hin entpuppte sich die Ayahuasca gebende «Schamanin» als eine junge Frau aus

Großbritannien. «Habt ihr denn schon Rituale hier bei euch mit einheimischen Schamaninnen/Schamanen gemacht?» war meine nächste Frage. Ein wortloses Kopfschütteln war die Antwort. Es sind schwierige Zeiten für Menschen im «neuen» Russland, die aufgrund ihrer Geschichte mit verunsicherten Schritten spirituelle Wege betreten, die abseits der strengen Kirche liegen. Die Verunsicherung bezieht sich nicht nur auf den Verlust der gesellschaftlichen Werte, sondern auch auf alle Wege, die zu betreten in der Sowjetzeit verboten war. Schamanismus gehörte auch dazu. Sibirien – ein «Kontinent», in dem ungefähr dreißig unterschiedliche indigene Völker mit eigenen Sprachen leben, die während der Sowjetzeit verboten waren. Die Burjat-Schamanin, bei der ich seit vier Jahren in der Region Chita/Ulan-Ude traditionelle


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Schamanische Werkzeuge: der Fliegenpilz (Amanita muscaria) und die Ayahuasca-Liane (Banisteriopsis caapi). Fotos: Markus Berger, zvg

Rituale erfahren darf, sagte mir: «Ich bin berufene Schamanin in der Linie der Burjat-Schamanen. Als ich nach schwierigen Lebensumständen begann, mich dem Schamanismus meiner Ahnenlinie zu öffnen, sprachen die Geister im Ritual Burjat, das ich nicht verstand und wieder lernen musste. Heute arbeite ich im Winter mit Ritualen in Moskau, nun sprechen die Geister auch manchmal Russisch.» Ihren Beruf als Psychiaterin in einer Klinik in Chita hat sie mittlerweile aufgegeben. Alles, was sich den spirituell Suchenden vor allem in den Städten Russlands neu eröffnet, haben wir im Westen schon seit der Hippiezeit erfahren, durchlaufen, abgehakt ... Und nun Ayahuasca. So

Wer noch nicht in Peru war, ist für den «spirituellen Markt» nicht mehr interessant. ist es seit einigen Jahren: Wer in Moskau Therapeutin oder Psychologin ist und noch nicht in Peru war, noch nicht «getrunken» hat, ist für den «spirituellen Markt» nicht mehr interessant. Seit einigen Jahren bedrängte mich meine Moskauer Freundin, eine Psychologin, dass ich sie mit nach Peru nehme solle. «Ich habe bei uns im Fernsehen Berichte über Schamaninnen in Sibirien

gesehen, die dort wieder mehr und mehr öffentlich wirken. Bist du denn schon in diesem Teil deines Landes gewesen?» fragte ich sie. Sie schüttelte betreten den Kopf. «Solange du nicht mit mir in Sibirien warst, kannst du nicht mit mir nach Peru fahren», war meine durchaus listige Antwort. Inzwischen war sie mit mir in der Familie des traditionell arbeitenden alten Shipibo-Schamanen, bei dem ich seit 14 Jahren zu Gast bin. Nun ist ihre Arbeit als Psychologin in Moskau wieder «mehr wert»: Sie war in Peru, sie hat Ayahuasca getrunken! Der Ayahuasca-Hype und die Folgen Vor einiger Zeit hielt ich in der Akademie der russischen Wissenschaften einen Vortrag über die schamanische Tradition des Volkes der Shipibo in Peru. Die rasanten Veränderungen in diesem Volk durch den Ayahuasca-Tourismus ließ ich dabei nicht unerwähnt. Empört sprach mich nach meinem Vortrag eine junge Frau an: Sie sei vier Wochen in Peru gewesen, in einem der von mir erwähnten Zentren bei Iquitos, und sie habe über zwanzigmal Ayahuasca getrunken. Der Schamane habe ihr ein icaro zum Heilen gegeben, nur für sie. Nun ist sie Schamanin, singt in Moskau diesen Heilgesang und gibt ihren Klienten Ayahuasca. Ausgerechnet dieser «berühmte Schamane» hat sich in den letzten Jahren mehrfach in Ayahuasca-Ritualen an Frauen sexuell vergangen. Nun reist dieser Mann }


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BurjatSchamanin. Foto: Nana Nauwald

seit zwei Jahren nach Moskau und gibt in Therapeuten- und Psychologenkreisen Ayahuasca. In Bezug auf den Kontakt mit schamanischen Bewusstseinswelten scheint Sibirien noch weiter entfernt von Moskau zu sein als Peru. Die Sehnsucht nach dem Kontakt zu den Welten des Bewusstseins, zum Erspüren «wahren Wissens», ist so alt wie unsere Menschheitsgeschichte. Weltweit waren und sind es Pflanzen und Pilze, die uns Menschen Bewusstseins-Türen geöffnet haben.

Gibt es auch eine spirituell-­psychonautische Globalisierung?

Menschen und Pflanzen lernen? Gibt es auch eine spirituell-psychonautische Globalisierung? Und warum eigentlich nicht? Vielleicht weil die heutige Welt einen bewussteren, respektvolleren Umgang mit «anderen Kulturen» erfordert. Ein Schamane am Rio Pachitea konfrontierte mich mit seiner Sicht auf den Ayahuasca-Hype: «Erst habt ihr uns das Land genommen, die Bodenschätze und Wälder geraubt, unsere Kulturen zerschlagen. Nun nehmt ihr uns auch noch die kläglichen Reste unserer geistigen Welt – und tauscht sie gegen den allen Geist übertrumpfenden Wert ein: Geld, Geld, Geld! Eure Gier vertreibt die Geister und schwächt den Geist der Pflanzen.».

Ayahuasca, die Liane der Seele, ermöglicht diese heilsame Verbindung zur Unendlichkeit des eigenen Geistes, zu den sichtbaren und nicht sichtbaren Kräften und Bewusstseinsräumen. Dabei geht es, wie Albert Hofmann so treffend sagte, um das «Schauen», nicht um das «Sehen»: «Durch Schauen erweitert sich unser Bewusstsein vom Wunder der Schöpfung und unserer Geschöpflichkeit.» Die Mehrzahl der indigenen Völker Südamerikas nutzt die Kraft unterschiedlicher entheogener Pflanzen zum «Schauen». Vielfältig beschenken uns auch in unseren europäischen Kulturen Pflanzen und Pilze mit ihrem Wissen. Menschen sind gewandert, Pflanzen sind gewandert im Laufe der Erdgeschichte. Warum sollten wir nicht – der Bewegung des Lebens folgend – von «anderen» Vorbereitung zum Kochen der Ayahuasca.  Foto: Nana Nauwald


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Ja, das Ayahuasca-Geld hat tiefe Schnitte in die Gemeinschaften geschlagen. Staunend beobachtete ich, wie mit Lianen vollgepackte Lastwagen am Dorf vorbeidonnerten. «Woher holt ihr die Ayahuasca?» fragte ich. «Aus dem Bergdschungel.» «Und warum holt ihr so viel?» «Hier bei uns im Flussdschungel haben wir alle Pflanzen verbraucht», war die trockene Antwort. «In den Dörfern hier braut fast jeder jetzt Ayahuasca und bringt es nach Lima. In Lima ist Ayahuasca jetzt sehr modern. Wir verschicken auch Ayahuasca, sogar nach Mexiko, die sind dort ganz wild danach.»

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die andere Linie ist damit sehr zurückhaltend. Sie sagen: «Wir müssen selbst wieder zu unseren schamanischen Wurzeln finden, wir machen noch viele

Mein mitgebrachter Fliegenpilz-Wodka wurde mit anerkennendem Grunzen geleert.

Fehler im Umgang mit den Geistern. Ohne die Hilfe unserer mongolischen Schamanen-Verwandten würden wir es nicht schaffen, wir müssen noch viel Fliegenpilz-Spurensuche lernen.» Ich verdanke der Lehrerin Ayahuasca tiefe EinsichMeine Fragen nach dem Gebrauch von Flieten und heilsame Stärkungen. Sie macht mir auch genpilzen wurden bislang immer mit etwas verleMut, nach 18 Jahren der Erfahrung in Amazonien zu genem Kopfschütteln beantwortet. Doch mein sagen: Mit Respekt und Dankbarkeit gegenüber mitgebrachter Fliegenpilz-Wodka wurde mit anerden schamanisch geprägkennendem Grunzen ten Ethnien, von denen wir geleert. Die in Schokolade lernen können, wird es Zeit, eingehüllten kleinen brauaufzuhören, deren Rituale nen Pilzfreunde, die ich im und geistige Bezüge zu imiletzten Sommer einigen tieren. Schamaninnen und Scha«Du bist von einem manen schenkte, liegen bei anderen Geist», sagte vor ihnen hingegen immer einigen Jahren der alte noch im Kühlschrank ... Schamane im Shipibo-Dorf, Beeindrucken konnte als ich anfing, die Icaros ich sie auch mit einem auf Shipibo zu singen. «Du Foto: Vor meinem Atelier musst in deinem Geist Solarpilze und echter Fliegenpilz.  Foto: Nana Nauwald stehen vier Solar-Fliegenarbeiten, in deiner Sprache pilze. Zwischen zweien der singen.» Ich war dankbar Solar-Pilze wuchs ein echter für diesen «Bewusstseins-­ Rüffel» und wendete Fliegenpilz. Wahrscheinlich hat dort jemand einige meine Aufmerksamkeit der sibirisch-schamani- Tropfen Ayahuasca fallen lassen – und den Fliegenschen Fliegenpilz-Spurensuche zu: ein Stückchen pilzgeist als Antwort hervorgerufen. roter Pilzhaut auf meine Zunge gesetzt, mich selbst Mich beeindrucken tief und mit spürbarer in Trance getrommelt – und schon lag das Flugti- Wirkung in meinem Geist und Körper die Trancecket nach Irkutsk vor mir. zustände, in die Schamaninnen durch Klang und So bin ich in den letzten fünf Jahren immer Rhythmus verfallen: die wilden Bewegungen und tiefer in die wiedererwachenden Schamanenwel- Sprünge, die veränderte Stimme, ihre Antworten ten in Burjatien eingetaucht. Vieles dort ist mir in Trance auf meine Fragen. sehr vertraut, vor allem die Rituale mit Feuer und Und noch eine Notiz aus der sibirischen Wasser und Trommelklang. Auch habe ich schon Schamaninnen-Welt: Die Burjat-Schamanin gab ein Reinigungsritual überlebt, bei dem ich dreimal mir für mein Wort-Buch ein langes Interview. Ich an weiß glühenden Steinen lecken musste ... bat sie, mir zu sagen, was ich ihr als GegengeLeider ist der «Geld-Blitz» auch in die zuvor schenk geben könnte. «Ich hätte gerne, dass du geschlossene Vereinigung der burjatischen Scha- für mich ein Fliegenpilzritual machst», war ihre maninnen und Schamanen gefahren und hat sie Antwort.  gespalten. Die eine Schamanen-Linie lädt möglichst viele Besucher aus westlichen Ländern ein – lucys-magazin.com/autoren/nauwald


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«Eigentlich ist nur das Kraut legal» Der Schweizer Apotheker und CannabismedizinProduzent Manfred Fankhauser im Gespräch

I N T E RV I E W

Markus Berger

Seit wann behandelst du Patienten mit Cannabis? Manfred Fankhauser: Ich behandle seit knapp zehn Jahren Patienten mit Cannabispräparaten. 2008 habe ich angefangen, und zwar zuerst nur mit Dronabinol, also mit synthetischem THC. In der Schweiz war das damals so, dass sämtliche Canna­ bispräparate natürlichen Ursprungs – also aus der Hanfpflanze – verboten waren. Also habe ich, wie es in Deutschland der Fall war und ist, Dronabinol aus anderen Grundstoffen verwendet, nämlich aus den Schalen von Zitrusfrüchten und aus bestimmten Moosen. Aus diesen Pflanzenteilen ist es nämlich möglich, ein vollsynthetisches THC im Labor herzustellen. Damit war der Wirkstoff in der Schweiz legal, weil er in dieser Form nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt. Das war eine juristische Spitzfindigkeit. Am Anfang lief es noch eher schleppend, weil man uns nur fünf Patienten zugebilligt hatte, mit denen wir die Cannabinoidtherapie beginnen durften. Als dann aber der sechste Patient Dronabinol wollte, habe ich mich bei den Behörden erkundigt, ob man diesem nun die Therapie verweigern kann. Als man darauf keine Antwort fand, wurde die Beschränkung aufgehoben, und es kamen mehr Patienten zu uns, die von THC gesundheitlich profitieren.

MANFRED FANKHAUSER wurde 1963 in Trub im Emmental geboren. Er besuchte das Gymnasium in Bern und studierte anschließend Pharmazie. Seit 1990 führt er zusammen mit seiner Frau, die Drogistin ist, in Langnau im Emmental seine eigene Apotheke. Fankhauser ist in der Schweiz zurzeit der einzige Apotheker, der Cannabispräparate mit einer Bewilligung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) legal herstellen und abgeben darf.

Am 1.   Juli 2011 wurde in der Schweiz das Betäubungsmittelgesetz geändert. Zunächst legte man einen Grenzwert fest, das heißt, Cannabis mit mehr als einem Prozent THC ist ein Betäubungsmittel und verboten, Cannabis mit bis zu einem Prozent THC legal. Diesen Grenzwert gab es vorher nicht. Interessanterweise war der Anbau von Rauschhanf vor dieser Gesetzesänderung in der Schweiz eigentlich nicht verboten, sondern nur die Ernte von solchen Pflanzen. Deshalb war es auch nicht rechtens, dass die Polizei bis dahin im Garten angebaute Cannabispflanzen ausriss und konfiszierte. Also war die rechtliche Lage ähnlich wie in Österreich, wo Hanf angebaut werden darf, solange er nicht in die Blüte geht.


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Manfred Fankhauser führt in seiner Apotheke Dronabinol, Cannabis- beziehungsweise THC-Öl, Cannabis-Tinktur und CBD-Öl. Foto: SRF

Ja, genau, bei uns ging es sogar weiter. Die Pflanzen durften schon auch im eigenen Garten blühen, nur eben nicht abgeerntet werden. Irgendwann aber habt ihr in eurer Apotheke begonnen, selbst Hanf anzubauen und daraus Medikamente herzustellen. Genau, dafür haben wir uns mit einem Hanfbauern und einen Chemiker zusammengetan und nach der Gesetzesänderung einen Antrag für den Hanf­ anbau gestellt, diesen bewilligt bekommen und ein Jahr später die erste eigene Ernte eingefahren. Und daraus haben wir dann eine medizinische Tinktur und ein Öl hergestellt. Diese beiden Präparate gibt es neben dem Dronabinol bis heute bei uns. Insgesamt haben wir also Dronabinol, Cannabisbeziehungsweise THC-Öl, Cannabis-Tinktur und CBD-Öl im Angebot.

Für die Herstellung aus Pflanzenmaterial verwenden wir eigene Sorten, die aus 20 Jahre alten Mutterpflanzen gewonnen worden sind. Dafür arbeiten wir mit echten Profis im Hanfanbausektor zusammen. Unsere Pflanzen sind aber

Wir haben gedacht, dass CBD ein Thema werden kann. nicht mit dem Marihuana zu vergleichen, das von Hanfrauchern verwendet wird, sondern enthalten gerade mal drei Prozent THC und sechs Prozent CBD. Wir haben damals schon gedacht, dass CBD ein Thema werden kann, und deshalb fahren wir mit unseren Pflanzen wirklich gut. }


9 2   M A N F R E D FA N K H AU S E R

Fankhauser: «Wir haben in den vergangenen fast 10 Jahren um die 3500 Patienten behandelt.» Foto: SRF

Du warst der erste Apotheker in der Schweiz, der Cannabis-Medizin selber herstellen und abgeben durfte  –  gibt es inzwischen auch andere? Wir haben zwar keinen Exklusivanspruch darauf, weshalb es zwischendurch auch andere gab, die das getan haben. Zurzeit sind wir wieder die einzigen. Es hat eine Firma gegeben, die zusammen mit einer Versandapotheke Dronabinol und später

Zurzeit haben wir 60 bis 70 Anfragen pro Tag, das ist schon eine große Herausforderung. ein Cannabisöl angeboten hat. Dieses Unternehmen hat aber zurzeit keine Bewilligung für die Abgabe von Cannabismedizin. Insgesamt schützen all die damit in Zusammenhang stehenden Auflagen und Gesetze schon ein wenig vor Konkurrenz, wenn man das so sagen kann. Damit sind wir im Moment wieder die einzigen, die Cannabispräparate herstellen und abgeben dürfen. Das Ganze wird aber allmählich schon sehr viel. Zurzeit haben wir 60 bis 70 Anfragen pro Tag, das ist schon eine große Herausforderung. Deshalb sind wir momentan daran, den Cannabis­ Bereich auszulagern, und werden ab diesem

Herbst unsere Cannabis-Abteilung in eigene Räumlichkeiten verlagern. Einzig die Produktion der Präparate findet, auch aus rechtlichen Gründen, nach wie vor in der Apotheke statt. Aus unserer Cannabisproduktion und -therapie ist damit ein eigenes kleines Geschäft geworden. Allerdings schwebt damit auch eine Art Damoklesschwert über uns. Wenn wir, aus welchen Gründen auch immer, zukünftig die Bewilligung für die Cannabismedizin nicht mehr bekommen, haben wir ein wirtschaftliches Problem. Immerhin haben wir jetzt eigens Räume gemietet, Personal angestellt und so weiter. Von daher können wir in dieser Hinsicht nicht ganz gelassen sein. Erklär uns doch kurz, wie die Zusammen­ arbeit mit den Ärzten aussieht. Es ist ja für deutsche Verhältnisse zum Beispiel ungewöhnlich, dass der Apotheker die Betreuung der Patienten übernimmt. Welche Rolle spielt bei euch der Hausarzt? Verschreibt er nur das Präparat? Der Hausarzt ist derjenige, der für den Patienten den Antrag beim BAG stellt. Dann verordnet er auf einem Betäubungsmittelrezept das Medikament, das wir dann ausliefern. Auch die Dosierung legen wir oftmals zusammen mit dem Arzt fest und beraten den Patienten, wie es weitergeht und welche Medikamente sich eventuell mit den Hanfpräparaten nicht vertragen etc. Die Ärzte sind da zurzeit meist noch nicht so gut informiert, weil Cannabis ja bisher kein konventionelles, zugelassenes Arzneimittel ist, und sind froh über unser Spezialwissen. Allerdings nimmt das Wissen der Mediziner nach und nach zu, das merkt man. Welche Krankheiten und Leiden werden mit deinen Cannabiserzeugnissen behandelt? Wir haben in den vergangenen fast 10 Jahren um die 3500 Patienten behandelt. Das sind hauptsächlich Patienten, etwa drei Viertel, die mit unterschiedlichen Schmerzerkrankungen zu tun haben, häufig auch im Zusammenspiel mit Spastiken. MS-Patienten, Menschen mit Lähmungen oder Neuralgien, Migräne, Unfallopfer und so weiter. Personen mit solchen Diagnosen bekommen die Cannabistherapie in der Regel vom BAG auch ohne große Probleme bewilligt.


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Was müssen Patienten tun, um in den Genuss einer deiner Therapien zu gelangen? Sie müssen zum Arzt gehen und diesen auf die Möglichkeit einer Cannabistherapie ansprechen. Der Arzt stellt dann den genannten Antrag beim BAG, und wenn der bewilligt wird, kommen wir ins Spiel. Die Hürde ist schon der Arzt. Er muss einwilligen, den Patienten mit Hanfmedizin behandeln zu lassen. Ein besonderer limitierender Faktor sind aber auch die Kosten. Die Krankenkassen sind nicht verpflichtet, das zu bezahlen, und häufig müssen die Patienten die Therapie dann selbst tragen. Dabei belaufen sich die Kosten typischerweise auf 400 bis 600 Franken pro Monat. Das ist ja für Schweizer Verhältnisse noch moderat, oder? Das muss man differenziert sehen. Es handelt sich häufig um Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind oder zumindest nicht mehr voll arbeiten können. Für den Normalverdiener sind die Kosten noch eher zu tragen, aber wenn man nicht mehr arbeiten kann, scheitert der Versuch, an eine Cannabistherapie zu kommen, häufig am Geld. Bei Palliativ­ patienten, also Menschen, die in absehbarer Zeit sterben werden, ist klar, dass wir nicht warten können, bis die Kostenübernahme gesichert ist. Das ist für uns natürlich ein gewisses finanzielles Risiko, aber das kann man nicht anders regeln. Da müssen wir dann helfen, keine Frage. Stichwort Cannabidiol-Hype in der Schweiz: Was hälst du davon, dass CBD-Cannabis­ produkte in der Schweiz legal sind? Nun, auch das ist durchaus differenziert zu betrachten. Denn eigentlich ist in der Schweiz nur das als Tabak­ersatz deklarierte Kraut legal, also Cannabis mit THC-Werten von höchstens einem Prozent, sowie ein entsprechendes ätherisches Öl. Alle anderen Produkte sind im Grunde nicht verkehrsfähig und damit nicht erlaubt. Und dann kommen wir wieder ins Spiel, denn CBD als verschreibungsfähiges Arzneimittel ist schweizweit seit dem 1. März 2017 eigentlich nicht mehr erlaubt. Da wir aber seit mehreren Jahren auch Erfahrungen mit dieser Substanz haben, wurde uns eine Ausnahmegenehmigung erteilt, das heißt, wir sind

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wieder die einzigen im Land, die solche verschreibungspflichtigen CBD-Präparate herstellen und abgeben dürfen. Das heißt, dass jeder Patient aus

Cannabis kann so vielen Menschen helfen, ihre Leiden und Symptome zu lindern oder gar zu heilen. der Schweiz, der CBD als legales Medikament haben möchte, bei uns landet. Wenn man nun betrachtet, dass auch die Hanfläden CBD-Öle und -Kapseln anbieten, muss man feststellen, dass dies eigentlich gemäß Gesetz nicht legal ist, weil diese Produkte entweder dem Heilmittelgesetz unterstehen oder dann eine Zulassung brauchen, zum Beispiel als Nahrungsergänzungsmittel. Die Behörden wissen um diesen Missstand; nur haben sie anderes zu tun, als sich auch darum noch zu kümmern. Dein Statement für legales Medizinalcannabis? Der Zugang für Patienten muss so einfach wie möglich gehalten werden, das ist meine klare Grundhaltung. Ich finde aber, dass diese dann auch eine kompetente Fachberatung und schlussendlich qualitativ gute, standardisierte Präparate benötigen. Man kann einem schwer kranken Menschen nicht zumuten, seine Medikation selbst herzustellen. Ich würde mir wünschen, dass Cannabispräparate weiterhin auf Rezept (von mir aus weiterhin auch als Betäubungsmittel) erhältlich sein sollten, allerdings ohne all den Mehraufwand, das heißt, die Bewilligungsplicht sollte aufgehoben werden. Der Weg, der jetzt gegangen werden muss, um an die Arzneimittel zu gelangen, ist einfach zu kompliziert. Dabei kann Cannabis so vielen Menschen auf beeindruckende Weise helfen, ihre Leiden und Symptome zu lindern oder gar zu heilen. Und solche Menschen sollten deutlich leichter an die Mittel kommen können. BUCHTIPP Manfred Fankhauser: Haschisch als Medikament – Zur Bedeutung von Cannabis in der westlichen Medizin. Schweizerische Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie 2003, ISBN: 978-3-95207-589-0 Webseite von Manfred Fankhausers Apotheke: www.panakeia.ch


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Lucy‘s Rausch Nr.6

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Franjo Grotenhermen

Foto: zvg

«Übertriebene Heilsversprechen» Der deutsche Cannabismedizin-Experte und Arzt richtet in seinem neuen Buch Cannabis gegen Krebs einen offenen Brief an Rick Simpson.

Der Kanadier Rick Simpson hat eigenen Angaben zufolge mit einem selbst hergestellten Cannabisöl seine Hautkrebserkrankung besiegt. In der Folge animierte er andere Patienten, dies ebenfalls an sich selbst zu erproben. Damit wurde der Ingenieur, der über keine medizinische Ausbildung verfügt, nicht nur Verfasser diverser Publikationen zum Thema, sondern auch weltweit bekannt. Das Problem: Simpson empfiehlt unter anderem, auf die konventionellen Methoden der Schulmedizin gänzlich zu verzichten. Das ist für viele Krebspatienten definitiv kein guter Ratschlag, sondern kann sie das Leben kosten.

Lieber Rick Simpson,

S

ie sind vermutlich die bekannteste Persönlichkeit, wenn es um die medizinische Verwendung von Cannabis bei Krebserkrankungen geht. Viele verzweifelte Menschen, die an Krebs und anderen schweren Erkrankungen leiden, vertrauen Ihnen und setzen große Hoffnungen in Ihre Ratschläge. Ihnen ist die damit verbundene Verantwortung bewusst, wenn Sie in Ihrem Buch schreiben: «Ich finde, dass jeder, mich eingeschlossen, der in eine Position öffentlichen Vertrauens gesetzt wird, damit einverstanden sein sollte, dass seine Arbeit, da sie das Interesse der Bevölkerung vertritt, sehr genau beobachtet wird» (Seite 170 der deutschen Ausgabe). Dieser Verantwortung werden Sie nach meiner Auffassung aber nicht in dem notwendigen Maße gerecht, und ich hoffe, dass Sie das in der Zukunft besser machen können. Ich teile Ihre Sichtweise, wenn Sie sagen: «Wie ich es schon mehrmals erklärt habe, gilt

unsere Beobachtung und unsere heilige Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Menschheit überlebt und gedeiht. Ärzte werden ihrem Hippokratischen Eid wirklich folgen und Regierungen setzen sich für das Wohl der Menschheit ein. Das ist der einzige Weg, der Sinn macht, und wenn wir das ignorieren, wird die menschliche Spezies nur untergehen» (Seite 169). Auf Seite 217 heißt es: «Meine Mission ist es jetzt, jedem die Wahrheit zur Verfügung zu stellen, denn zusammen können wir etwas ändern.» Ich stelle aber fest, dass Sie viele wichtige Fakten nicht zur Kenntnis nehmen – zum Schaden der Menschen. Sie gestehen ein, dass Sie «in Wahrheit ja kein Arzt» sind und «auch nicht die not­ wendige Qualifikation dazu« haben (Seite 104), nehmen sich jedoch die Freiheit zu übertriebenen Heilsversprechen, die keiner sachlichen Überprüfung standhalten können, heraus. Ich will meine notwendigerweise leider sehr harte Kritik an sechs Beispielen verdeutlichen. }


9 6   « Ü B E RT R I E B E N E H E I L S V E R S P R E C H E N »

1. Unwissen Sie schreiben: «Decarboxylierung tritt auf, wenn die Moleküle innerhalb des Öls durch den Einfluss von Wärme in die Delta-9-Position rotiert wurden, damit sie arzneilich aktiver werden» (Seite 62). Richtig ist jedoch: Bereits vor der Decarboxylierung handelt es sich um Delta-9-THC. Es findet durch die Decarboxylierung keine Veränderung der Delta-9-Position der entsprechenden Doppelbindung im Molekül statt. Decarboxylierung bedeutet eine Abspaltung von Kohlendioxid, sodass aus der in der Pflanze überwiegend vorkommenden Delta-9-THC-Carbonsäure das phenolische Delta-9-THC entsteht, das für die meisten therapeutischen Wirkungen des Delta-9-THC verantwortlich ist. Auf Ihrer Webseite konnte ich lesen, dass Sie zum Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln ermuntern, weil die darin enthaltenen Proteine ebenfalls krebshemmende Eigenschaften hätten. Es sind aber nicht die Proteine, sondern sekundäre Pflanzenstoffe, wie die Flavonoide, die solche Eigenschaften besitzen können.

2. Irrglaube Sie schreiben: «Ich glaube, es ist für den Patienten sehr förderlich, wenn er das Öl so nah am Tumor oder der zu behandelnden Region platziert, wie nur irgend möglich. Wenn man also Probleme im Bauchbereich hat, helfen daher Zäpfchen wahrscheinlich am besten, doch wenn Sie so etwas wie Speiseröhrenkrebs haben, würde ich es über den Mund einnehmen» (Seite 80). Richtig ist: Auch bei Krebserkrankungen im Bauchraum erreichen die Cannabinoide den Krebs über den Blutkreislauf. Einige grundlegende medizinische Dinge sollte man wissen, um sich nicht auf den Glauben verlassen zu müssen, denn es könnte sich um einen Irrglauben handeln.

3.  Verwechslung von Menge und Konzentration Sie schreiben: «Allein der Menge nach ist es schon ausgeschlossen, dass die Hanftinktur in der Wirksamkeit dem puren Öl gleichkommt. Ein Patient könnte natürlich seine Dosis mit Alkohol gemischt einnehmen, aber wozu wäre das gut?» (Seite 82). Richtig ist, dass ein verdünntes Cannabisöl mit einem THC-Gehalt von 5 Prozent bei der innerlichen Anwendung genauso starke pharmakologi-

sche Wirkungen entfaltet wie ein Cannabisextrakt oder Cannabisöl mit einem THC-Gehalt von 50 Prozent. Denn es kommt bei der Wirkung nicht auf die Konzentration an. Entscheidend ist die absolute Menge. Ein Milliliter eines 50-prozentigen Cannabisextrakts enthält so viel THC wie 10 ml eines 5-prozentigen Cannabisextrakts, nämlich exakt 500 mg THC. Nur bei der äußerlichen Anwendung spielt die Konzentration eine Rolle.

4.  Unzureichende Datenbasis Sie schreiben: «Durchschnittlich ist einer von 10 dazu bereit, der Menschheit offen mitzuteilen, was sie geheilt hat. Doch die Mehrheit der Patienten tendiert dazu, darüber mehr oder weniger zu schweigen … Wenn sich aber die meisten nicht äußern, wird meine Aufgabe sehr viel schwerer und viele werden weiterhin sterben wegen denjenigen, die sich weigern, über das, was sie wissen, offen zu diskutieren» (Seite 90). «Seit 2003 habe ich ungefähr 5000 Menschen, die an allen möglichen Krankheiten litten, das Öl besorgt. Viele dieser Patienten hatten medizinische Probleme, die Aufmerksamkeit erforderten, doch wurden sie schnell unter Kontrolle gebracht oder geheilt mit der Einnahme des Öls» (Seite 98). Sie schreiben selbst, dass Sie nur von etwa jedem Zehnten der von Ihnen behandelten Patienten eine Rückmeldung bekommen haben, wie es ihnen mit der Therapie ergangen ist, und Sie beklagen, dass sich die meisten nicht melden. Trotzdem behaupten Sie unverdrossen, dass alle Patienten mit Krebserkrankungen, auch die, von denen Sie keine Rückmeldung bekommen haben, durch die Verwendung von Cannabisöl geheilt wurden. Völlig absurd wird Ihr Umgang mit Ihren begrenzten Daten, wenn man sich der Tatsache bewusst ist, dass es, je nach Klassifizierung, zwischen 100 und 1000 Krebsarten gibt.

5. Fixierung auf THC Sie schreiben: «Zur Behandlung schwerwiegender Krankheiten empfehle ich stets hochwertige Ex­ trakte für die Anwendung. Ein hochwertiges Öl sollte zu 80 bis 90 Prozent aus THC bestehen, um einen sehr beruhigenden und doch euphorisierenden Effekt zu erzielen, wenn es eingenommen wird. Je höher die Qualität des Öls, desto ausgeprägter wird die Heilwirkung sein» (Seite 40).


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Richtig ist jedoch: Neben THC weisen auch andere Cannabinoide krebshemmende Eigenschaften auf, darunter vor allem CBD (Cannabidiol). Es gibt Hinweise, dass bei einigen Tumorerkrankungen CBD sogar von größerer Bedeutung sein könnte als THC. Zudem gibt es deutliche Hinweise, dass zumindest bei einigen Krebserkrankungen eine Kombination aus THC und CBD eine stärkere Wirkung entfalten könnte als THC allein. Dies ist unter anderem auch von erheblicher Bedeutung, wenn THC nicht ausreichend gut vertragen

Es geht um das Wohl der Menschen, die sich an uns wenden. wird und hohe Dosen nicht erzielt werden können, sodass zumindest ein Versuch mit hohen CBD-Dosen unternommen werden kann. Sie haben Ihre Theorie vor 15 Jahren entwickelt, als CBD noch nicht im Fokus stand. Unsere Kenntnisse zur Wirksamkeit von Cannabis und Cannabinoiden bei Krebs sind jedoch vorläufiger Natur, und wir müssen immer wieder neue Daten berücksichtigen, um unsere Patienten auf der Höhe der Zeit beraten und behandeln zu können.

6.   Warnung vor wirksamen Therapien Sie schreiben: «Unglücklicherweise sind sehr viele Leute, die zu mir kommen, schwer geschädigt durch die Chemo- und Strahlentherapie etc. Die Zerstörungen, die solche Behandlungen anrichten, sind dauerhaft, und die Leute, die diese sogenannten Behandlungen erleiden mussten, sind am schwersten zu heilen. Aber verzweifeln Sie nicht, denn selbst bei so schweren Schäden hat das Öl immer noch eine Erfolgsrate von 70 bis 80 Prozent» (Seite 77). Nun komme ich zu einem sehr ernsten Punkt. Sie raten allen Krebspatienten von einer Standardtherapie ab, weil Chemotherapie und Strahlentherapie Schaden anrichten. Stattdessen könnten alle Patienten durch Ihr Cannabisöl geheilt werden. Wir kennen die Heilungsrate durch Ihr Cannabisöl nicht, und Sie können sie ebenfalls nicht kennen, weil Sie zu wenige Rückmeldungen Ihrer Klienten haben. Wir kennen aber die Heilungsraten von Standardtherapien. Von 500  000 Menschen in

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Deutschland, die jährlich an Krebs erkranken, werden gegenwärtig 220 000 geheilt. Das sind 44 Prozent. Im Jahr 1980 starben noch zwei Drittel aller Krebspatienten in Deutschland an dieser Diagnose. Wenn nun die Heilungschancen mit Standardtherapien kontinuierlich zunehmen und die Heilungschancen für eine Therapie mit Cannabis unbekannt sind, wie viele Patienten sind unnötig gestorben, weil sie Ihrem Rat gefolgt sind? Und wie viele Patienten, die hätten geheilt werden können, wenn sie eine Standardtherapie mit einer Cannabistherapie kombiniert hätten, hätten überleben können, wenn sie nicht allein auf Can­ nabis gesetzt hätten? Dass Sie viele Dinge falsch darstellen, weil Sie die chemischen, physiologischen und medizinischen Dinge nicht verstehen, mache ich Ihnen nicht zum Vorwurf. Man muss diese Dinge auch nicht alle verstehen. Dieses letzte Thema, in dem es um Leben und Tod geht, ist aber so schwerwiegend, dass Ihnen der Vorwurf gemacht werden muss, dass Sie Ihrer Verantwortung und damit Ihrem eigenen Anspruch bisher nicht gerecht werden. Es geht um das Wohl der Menschen, die sich an uns wenden. Diese haben ein Anrecht auf die bestmöglichen und aktuellsten Informationen und die bestmöglichen Ratschläge. Es reicht bei medizinischen Behandlungen, insbesondere von schweren Erkrankungen, nicht aus, nur das Gute und Richtige tun zu wollen und vehement eine Überzeugung vorzutragen. Ich bin davon überzeugt, dass sich Ihr Ansehen bei Ihren Unterstützern vergrößern würde, wenn Sie die Größe besäßen, Ihre Ratschläge zu überprüfen und zu aktualisieren. Ich bin davon überzeugt, dass Cannabis und Cannabinoide einen Wert in der Krebstherapie besitzen. Lassen Sie uns sorgfältig und gewissenhaft mit diesem Potenzial umgehen! Mit freundlichen Grüßen Franjo Grotenhermen Der offene Brief Franjo Grotenhermens findet sich im neuen Buch des Autors: Cannabis gegen Krebs: Der Stand der Wissenschaft und praktische Folgerungen für die Therapie,. Nachtschatten Verlag 2017, ISBN: 978-3-03788-516-1




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BEWUSSTSEINSTRAINING

Wandel im Kopf Mit Bewusstseinserweiterung gegen die Angst TEXT

Thomas Marthaler

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ie Angst geht um in den Weiten der Welt, und es ist Zeit, sich ihr zu stellen. Natürlich, Angst ist an und für sich etwas Gutes; oft hat sie sogar eine lebenswichtige Funktion. Sie bewahrt uns davor, uns leichtfertig ins Unglück zu stürzen, und hat so schon manche Tragödie verhindert. Doch sie kann auch zerstörerische Formen annehmen. So wurde Angst schon immer missbraucht, um Menschen gefügig zu machen, um Nachrichten zu verkaufen und um Meinungen und Bedürfnisse zu formen. Durch die heutige Vernetzung der Menschen nimmt diese Entwicklung ungeahnte Ausmaße an. Die Angst ist mittlerweile so allgegenwärtig, dass sie sich in eine diffuse Grundstimmung gewandelt hat, welche die ganze Welt zu durchdringen scheint. Ein toxischer Mix aus einer Tasse medial erzeugter Unsicherheit, etwas Furcht vor den Herausforderungen der Zukunft und eine satte Prise Terror des Todes, täglich frisch serviert im vertrauten Newsfeed. Diese Ängste sind es, die Menschen dazu bringen, narzisstische Tyrannen in hohe Ämter zu wählen. Diese Ängste sind es auch, die unser Denken und Fühlen verwirren und uns davon abhalten, positive Entwicklungen anzugehen. Diese Ängste sind es, die uns den Mut nehmen, uns den Herausforderungen der Welt zu stellen – und genau deshalb ist es so wichtig, sie überwinden zu lernen. Ängste lösen lernen Die Angst ist ein Schatten, verstohlen und scheu. Gerne versteckt sie sich hinter anderen Gefühlen wie Wut und Trauer. Sie entsteht in den Bereichen unseres Selbst, die wir noch nicht mit Erkenntnis und Bewusstsein zu erfüllen vermögen. Daher gehen die Bewusstseinserweiterung und die Auflösung von Ängsten oft eine symbiotische, fast schon organische Verbindung ein. Psychedelika konfrontieren uns oft mit verdrängten Erfahrungen, unbeantworteten Fragen und anderen tiefen Quellen

der Angst. Wenn wir diesen Erfahrungen den nötigen Respekt entgegenbringen, können sie uns ermöglichen, die dunklen Flecken in uns zu betrachten, uns ihrer bewusst zu werden und uns so von ihren negativen Einflüssen zu befreien. Erfahrungen der Ich-Auflösung konfrontieren uns gar mit unserer größten und mächtigsten Angst, der Angst vor dem Tod und dem ungewissen Danach. Empathogene wie MDMA ermöglichen es uns im richtigen Setting durch ihre angstlösenden Qualitäten, selbst schwerste Traumata aufzuarbeiten. Bewusstseinstechniken rund um die Zustände der Achtsamkeit, der Trance und des Träumens können ebenfalls angstlösend wirken: Durch das

Eine Angst wird erst dann zur Schwäche, wenn wir uns nicht um sie kümmern. Öffnen der Wahrnehmung nach außen und nach innen können Ängste klarer betrachtet und ergründet werden, was es uns schlussendlich leichter macht, sie loszulassen. Dies alles sind mächtige Mittel, um das Bewusstsein weiterzuentwickeln und Ängste lösen zu lernen; Mittel, deren profes­ sionelle und sichere Nutzung teilweise durch eine unzeitgemäße Gesetzgebung erschwert wird, die sich glücklicherweise jedoch in einem positiven Wandel befindet. Um dem negativen Einfluss der allumfassenden Angst auf unsere Gesellschaft etwas entgegenzusetzen, braucht es aber zum Glück viel weniger: Ein bisschen Mut und das Bewusstsein, dass auch das Größte stets im Kleinsten seinen Anfang nimmt, können bereits viel bewirken. Ein guter Anfang ist es, den Mut zu haben, sich eine wahrhaft eigene Meinung zu bilden; bereit zu sein, die eigenen Ansichten stetig zu erweitern und sie bei


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foto: 123Rf

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Bedarf auch wieder zu revidieren. Menschen neigen dazu, alles glauben zu wollen, was ihre Glaubenssätze unterstützt, und alles zu verneinen, was nicht zu ihren Glaubenssätzen passt. Das kann heutzutage durch die Algorithmen der sozialen Netzwerke und Suchmaschinen allerdings sehr schnell zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität führen. Nur wer sich nicht davor fürchtet, seine Glaubenssätze immer wieder zu hinterfragen, ermöglicht sich, seine Wahrnehmung des Seins laufend auszudehnen und zu verfeinern. Ein bisschen Mut Das Aussprechen der eigenen Ängste kann ebenfalls positive Entwicklungen ermöglichen. Eine Angst wird erst dann zur Schwäche, wenn wir uns nicht um sie kümmern. Deshalb ist es auch wichtig und richtig, unsere Ängste zu äußern, solange wir

uns nicht hinter ihnen verstecken. So ist zum Beispiel einem Freund, dessen anfänglich positive und bereichernde psychonautische Reise sich langsam, aber sicher in einen Trip ins dunkle Tal der gegrillten Synapsen verwandelt, besser geholfen, wenn er auch hört: «Ich habe Angst um dich.» Ängste lassen sich auch von außen beleuchten. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn sie bereits in Wut umschlagen und so für den Träger kaum mehr zugänglich sind. Ein Mitarbeiter, dessen Wut auf «die Anderen» sich stetig mehr verdichtet und der sich doch nur wünscht, es wäre alles wieder so wie «damals», wird seine Meinung kaum ändern, wenn man ihm sagt, er sei ein Idiot. Doch die ernst gemeinte, von einem grundlegenden zwischenmenschlichen Respekt erfüllte Nachfrage: «Was ist es eigentlich genau, das du fürchtest?» kann ein Einstieg zu einem Gespräch sein, das einen ersten, zaghaften Perspektivenwechsel ermöglicht. Die wichtigste Angst allerdings, der es sich tagtäglich zu stellen gilt, ist die Angst davor, nichts bewirken zu können, machtlos zu sein gegenüber der Welt. Auch der junge Holländer Boyan Slat ließ sich nicht einschüchtern, nachdem ihm auf einem Tauchgang in den Ferien bewusst geworden war, wie schlimm es um die Verschmutzung der Weltmeere steht. Er startete kurzerhand das «Ocean Clean­up»-Projekt, das bereits 2018 damit beginnen wird, den «Great Pacific Garbage Patch» abzutragen. Natürlich ist dies erst ein Anfang. Aber es ist ein wichtiger und inspirierender Beitrag, der nur zustande kam, weil ein Mensch den Mut hatte, eine Aufgabe anzugehen, egal wie unlösbar sie erscheinen mochte. Die Angst geht um in den Weiten der Welt, und es ist Zeit, sich ihr zu stellen. Und alles, was es dazu braucht, ist ein bisschen Mut und das Bewusstsein, dass auch das Größte stets im Kleinsten seinen Anfang nimmt.  lucys-magazin.com/autoren/marthaler


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GESCHICHTE In dieser Rubrik werfen wir einen Blick zurück auf die Geschichte der multidisziplinären Forschung auf dem Gebiet der Bewusstseins­ veränderung und der psychoaktiven Substanzen.

In jeder Lucy‘s-Ausgabe rufen wir einen bedeutenden psychonautischen Experten in Erinnerung und würdigen ihn, indem wir auszugsweise einen grundlegenden Text nachdrucken.

Der Bewusstseinsforscher und die Delfine Erinnerung an John C. Lilly TEXT

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Susanne G. Seiler

ohn Cunningham Lilly, 1915 in Minneapolis in eine deutsch-irische Chemiedynastie hineingeboren, ist nicht nur als Erfinder des Samadhi-­Tanks bekannt geworden, zu dem Paddy Chayefsky den Kultfilm Altered States drehte, sondern auch für seine Forschungs­arbeit mit Delfinen, über die 2014 bei der BBC ein neuer Dokumentarfilm erschien, The Girl Who Talked to Dolphins (bbc.co.uk/ programmes /b046w2n8). Sein bekanntestes Buch handelt jedoch vom menschlichen Bewusstsein, denn auch Psychiater und Bewusstseinsforscher war dieser Ausnahmewissen-

schaftler, der 2001 verstorben ist. Viele erinnern sich an sein Buch Das Zentrum des Zyklons, wo sie erste Denkanstöße in Richtung Erkenntnis fanden. John, der mehr wie ein Schamane als ein Wissenschaftler lehrte und ein Meister der paradoxen Intervention war, wollte in seinen letzten Jahren lieber eine Frau sein und kleidete sich entsprechend. Sein Freund Timothy Leary sagte über ihn: «Wenn ich an John denke, fällt mir auf, wie langweilig wir alle geworden sind!»   –  Doch nun zu den Delfinen ... Susanne G. Seiler lebt in Zürich. Sie ist Mitarbeiterin der GaiaMedia-Stiftung und ehemalige Redakteurin des Sphinx-Magazins.

Margaret Howe Lovatt, eine Mitarbeiterin von Lilly, «unterhält» sich mit einem Delfin.  Foto: Aus der BBC4-Doku The Girl Who Talked to Dolphins


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John C. Lilly  Foto: Curtis

Angefangen habe ich 1933 im California Institute of Technology, wo meine Hauptgebiete Biologie und Physik waren. Als ich mit dem Cal Tech fertig war, studierte ich Medizin und spezialisierte mich auf medizinische Physik und Biophysik. 1942 erhielt ich meinen Doktortitel. Gleichzeitig ließ ich mich acht Jahre lang zum Psycho­ analytiker ausbilden, bei Robert Waelder, einem W iener Schüler Sigmund Freuds, der auch Professor für Physik war. Später, am National Institute of Mental Health, wo ich in zweifacher Kapazität  – einmal am Neurologischen Institut und zum anderen als Oberarzt am National Institute of Mental Health (NIMH) arbeitete, wollte ich Untersuchungen über das menschliche Hirn unternehmen und fand dazu einen Tank, der sich in einem schallisolierten Raum in einem abgelegenen Gebäude des NIMH-­ Komplexes befand und von Forschern der Marine installiert worden war, um den Metabolismus der Taucher zu messen. Ich setzte seine Temperatur bei 93  °  F (34,5 °C) fest, der Oberflächentemperatur der Haut, und verwendete Helme und Atemschnorchel, um an der Wasseroberfläche treiben und um Beobachtungen machen zu können.

Ein Jahr später, 1955, begann meine Arbeit mit Delfinen, als wir im Dienst des NIMH in Florida das Gehirn eines Delfins untersuchten und zuerst einmal feststellen mussten, dass Delfine unter Narkose sterben, wenn man sie nicht künstlich beatmet. Ich begann, mich auch für ihr Kommunikationssystem zu interessieren.

Wir merken, dass sich die Delfine sehr bemühen, uns eine Botschaft zu übermitteln. 1958 sagte ich mich von meinen Verpflichtungen gegenüber dem NIMH los und richtete in Miami und auf den Jungferninseln Delfin-Labors ein. Die neurologische Arbeit mit den Tieren fand in Miami statt, die Kommunikationsarbeit auf den Jungferninseln. 1968 kam ich zum Schluss, dass unsere Arbeit nicht die richtige Methode war, uns den Delfinen zu nähern. Ich hatte eine tiefe Wandlung durchgemacht, die mich dazu geführt hatte, ihnen mit ganz anderen Augen gegenüberzutreten. Ich }


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GESCHICHTE

Foto: Lara von Däniken

hatte das Gefühl, dass es sich nicht um Versuchs­ tiere handelte, sondern um eine sehr fremde, außergewöhnliche Art von Menschen auf der anderen Seite einer Schranke, einer Kommunikations-Barriere, die wir zu durchbrechen suchten. In der Vergangenheit hatte ich geglaubt, dass die wissenschaftliche Warte der totalen Objektivität, des wertfreien Beobachtens, das Alpha und Omega des Lebens sei. Ich glaube heute nicht mehr, dass eine solch leidenschaftslose, unberührte Sicht der Ökologie je funktionieren wird. Ein Wissenschaftler, der keine soziale Verantwortung übernimmt, jenes Feedback aller Mitglieder seiner Art, trägt keine Verantwortung dafür, über eine beschränkte, eigennützige Rolle hinaus ein Mensch zu sein. Ich habe zusammen mit meiner Frau eine Stiftung gegründet, deren Vorsitzende sie ist, die Human   /  Dolphin Foundation. Wir merken, dass sich die Delfine sehr bemühen, uns eine Botschaft zu übermitteln und ich möchte den Rest meines Lebens dazu verwenden, diese Botschaft in einer Sprache auszudrücken, die wir alle verstehen. Nun sind wir Menschen gewohnt, außerhalb des Wassers zu kommunizieren, Delfine aber verständigen sich unter Wasser. Also müssen wir einen Kompromiss schließen. Auch müssen wir unsere Sprache so modifizieren, dass wir sie unter

Wasser übermitteln können, wie auch mit sehr viel höheren Frequenzen, denn die Frequenz der Delfine ist zehnmal so hoch wie unsere. Sie können unsere Stimme hören, doch konzentrieren sie sich auf die Obertöne. So klingen ihre Antworten sehr eigenartig. In den 60er Jahren versuchten wir, ihnen luftgetragene Töne zu entlocken. In unserem Film The Emerging Love between Man and Dolphin sieht man, wie eine unserer Mitarbeiterinnen dem Delfin Peter auf den Jungferninseln Englisch beibringt und welche Schwierigkeiten dies Peter bereitet, denn es ist überhaupt nicht die gewohnte Art des Delfins, so zu sprechen wie wir. Wir wissen jedoch, dass sie dies schon seit mindestens 2000 Jahren tun, denn Aristoteles berichtet, dass die Stimme des Delfins in der Luft wie die des Menschen sei – was bedeutet, dass man Delfine in seichtem Wasser hielt und wahrscheinlich Frühgriechisch mit ihnen sprach – bei dem sie Vokale und Vokalkombinationen, aber keine Konsonanten aussprechen können. Wir entdeckten jedoch, dass sie dessen sehr wohl fähig sind, nur auf viel höheren Frequenzen, als wir sie hören können. Wir selbst produzieren Geräusche, die wir nicht hören können, ein Delfin aber schon. Wir sind dieser Sprache in den letzten Jahren nachgegangen und haben mit einer simulierten Computersprache


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gearbeitet, die wir «Janus» genannt haben, nach dem zweiköpfigen Gott der Antike. Ein Kopf ist für uns Menschen, der andere für Delfine. Unsere neueste Entwicklung ist der «Digitalker», der das-

Die großhirnigen Delfine akzeptieren uns und nähern sich uns sogar im offenen Meer. selbe System verwendet, um die Frequenz der menschlichen Stimme hinauf- und die der Delfine herunterzusetzen. Man spricht in ein Mikrofon, der Digitalker wandelt dieses Analog-Signal in digitale Impulse, transponiert diese und gibt sie über den Digital-Analog-Wandler unter die Wasseroberfläche ab. Auf diese Art können wir mit den Delfinen kommunizieren und ihre Antworten aufnehmen, obwohl sie eine schlimme Aussprache haben. Sie lernen Worte und Sätze, die sie nachsprechen, und mit der Zeit hoffen wir, von ihnen zu erfahren, was sie bewegt und was sie über unsere sanfte Kultur wissen. Die Delfine, mit denen wir arbeiten – die großen Tümmler –, besitzen ein größeres Gehirn als wir Menschen. Es gibt auch Arten mit kleineren Gehirnen, für unsere Zwecke sind sie jedoch weniger interessant. Sie sind viel nervöser und unausgeglichener. Die großhirnigen Delfine akzeptieren uns und nähern sich uns sogar im offenen Meer. Es gibt mehrere Orte auf der Welt, wo Delfine an Land schwimmen, um sich im seichten Wasser mit Menschen zu treffen. Die erstaunliche Sache dabei ist ihr völliger Mangel an Feindseligkeit und aggressivem Verhalten. Wir haben herausgefunden, dass ein Delfin, wenn man ihm Schmerzen zufügt, seine Aggression unterbindet und sich nicht wehrt. Dies ist ein erlerntes Verhalten. Sehr junge Delfine versuchen manchmal, einen Menschen anzugreifen. Doch hauen ihm die älteren gleich mit der Flosse über den Kopf. Danach greifen sie nie wieder an, das ist eine Prägung.

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Dabei könnten sie unglaublich gefährlich sein. Die Delfine, mit denen wir arbeiten, sind 3,5 bis 4 Meter lang und wiegen bis zu 250 Kilogramm. Wenn wir sie fangen, sind sie ca. 2 Meter lang. Das Tier und auch sein Gehirn wachsen während ihres ganzen Lebens, und der älteste Delfin, von dem wir wissen, war zwischen 60 und 70 Jahre alt. Der älteste Mörderwal war sogar etwa 80- bis 90-jährig, und Pottwale werden über 100 Jahre. Die Alten wussten sehr viel über diese Tiere. Aristoteles sprach nicht nur von der Stimme der Delfine, er wusste auch, dass sie Säuger sind, die unter Wasser gebären und Muttermilch trinken, und dass sie an der Luft atmen. Er gibt ausführliche Beschreibungen von ihnen in seiner Historia naturalis. Sie waren im ganzen Mittelmeerraum bekannt, ebenso bei den eingeborenen Völkern der Südsee, Australiens und im südostasiatischen Raum. Die Aborigines kennen Delfin-Träume, in denen Delfine ihnen die Zukunft prophezeien und Ratschläge erteilen. Diese Art zu träumen unterliegt einem speziellen Ritual, um mit Delfinen Kontakt aufzunehmen. Die totale gegenseitige Abhängigkeit der Delfine untereinander hat mit ihrer Physiologie zu tun. Da sie willentlich atmen, sind sie im Falle einer Ohnmacht völlig auf ihre Artgenossen angewiesen, die sie an die Oberfläche tragen, wecken und zum Atmen anhalten. Es ist, als müssten wir zur Decke aufsteigen, um atmen zu können. Ein feindseliger Delfin kann also nicht überleben, denn die anderen würden ihm nicht helfen. Ihr Überleben scheint von einem sehr strengen Auslese-­ Mechanismus abzuhängen, und die Feindschafts-Gene, die tötenden Gene, sind völlig aus ihrem Organismus verschwunden. Ihr Gehirn ist bereits seit 15 Millionen Jahren so groß wie das unsere, nur dass wir unsere jetzige Gehirngröße erst vor 0,3 Millionen Jahren erreichten. Also würde ich mich gerne mit ihnen unter­ halten, vielleicht kennen sie ein paar Geschichten über uns.» Aufzeichnung und Bearbeitung von Susanne G. Seiler Der Artikel erschien erstmals im Sphinx-Magazin, Ausgabe 27, August 1984, Seiten 34–35. Mit freundlicher Genehmigung.


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BRÜCKEN BAUEN Ein Rückblick auf Psychedelic Science und Breaking Convention TEXT

Helena Aicher, Andrea Casanova

PSYCHEDELIC SCIENCE

19.–24. April 2017 in Oakland, CA, USA Über 3000 Menschen trafen sich im Marriott City Center in Oakland, Kalifornien, zur bisher größten Konferenz über Psychedelika. Neben ihrer Größe zeichnete sie sich durch eine enorme Vielfalt aus, die psychedelischen Erfahrungen ebenso wie den zugehörigen Untersuchungsmethoden inhärent zu sein scheint. Eine solche Diversität fordert dazu heraus, verschiedene Perspektiven zu integrieren. Die Konferenzbesucher konnten sich mit wissenschaftlichen Themen wie Neurowissenschaften, Psychologie, Medizin, Anthropologie, Philosophie und Biologie auseinandersetzen oder in die psychedelische Kultur und Kunst eintauchen. Das akademische Programm wurde durch Workshops bereichert – besonders eindrücklich war ein zweitägiger Workshop zum Holotropen Atmen mit Stanislav Grof. Auf dem öffentlichen Marktplatz mit Kunstausstellungen, Psymposia Stage und Poster Sessions verweilte man zum Teetrinken und Schlendern, zu Performances und Musik. Auch gab es Raum für ein Community-Forum und Filmvorstellungen. Im Außenbereich des Konferenzzentrums wurden die nach neuem kalifornischen Gesetz geltenden Freiheiten des Cannabisgenusses ausgekostet. Das machte es pikanterweise möglich, eine von Vanja Palmers angeleitete Meditation im 21. Stockwerk mit schwindelerregendem Blick über die San Francisco Bay in leicht verändertem Bewusstseinszustand mitzuerleben. Abends traf man sich

dann beim Sunset Cruise, zum „Psychedelic Comedy Banquet“ in schickem Ambiente oder tanzte zu elektronischen Klängen auf einer offiziellen oder inoffiziellen Konferenz-Party. In den thematisch getrennten Vortrags­ blöcken Clinical, Plant, Interdisciplinary und Plenary Panel präsentierten Wissenschaftler neueste Forschungsergebnisse: David Nichols lüftete einige Geheimnisse über LSD und Franz Vollenweider führte in gewagtem Tempo durch neuropsychologische Mechanismen, die dem Ich-Erleben zugrunde liegen. Ben Sessa gab Einblicke in die substanzunterstützte Therapie. Selen Atasoy präsentierte virtuos das Klangvisualisierungsverfahren Cymatics in einer für Laien verständlichen Sprache, und Milan Scheid­ egger stellte Forschungsergebnisse der Psilocybin-Studie im Meditationssetting in einem holistischen Rahmen dar. Mit MAPS als Konferenz-Organisator kamen auch die Studien zur MDMA-unterstützten Psychotherapie bei PTBS nicht zu kurz (Rick Doblin, Michael Mithoefer). Weitere Referenten waren Amanda Fielding, David Nutt, Jordi Riba, Martin Fortier, Torsten Passie, Dennis McKenna, Rainer Krähenmann, Mendel Kaelen, Gabor Maté und viele mehr. http://psychedelicscience.org

Die Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS) mit Sitz in Santa Cruz/Kalifornien wurde 1986 von Rick Doblin ins Leben gerufen und setzt sich dafür ein, die therapeutisch nutzbaren Psychedelika zurück in die Forschung und in den klinischen Alltag zu holen. www.maps.org


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Gruppenbild der Teilnehmer der Breaking Convention.  Foto: PD

BREAKING CONVENTION

30. Juni – 2. Juli 2017 in London, UK

Zwei Monate später fand auf dem Gelände der Universität Greenwich die Breaking Convention statt. In ihrer Diversität und Interdisziplinarität glich sie der Psychedelic Science; der Universitätscampus mit seinem Charme wirkte jedoch einladender. Aufgrund der zeitlichen Nähe zur Psychedelic Science waren einige bekannte Forscher nicht dabei. Wissenschaftler, Praktiker, Studenten und andere Interessierte aus aller Welt trafen sich hier. Der Grundton der psychedelischen Kultur und Szene war stärker spürbar als in Oakland und die Vernetzung der wachsenden Gemeinschaft stand offenbar im Vordergrund. Dennoch hatte das Vortragsprogramm einiges zu bieten: Robin Carhart-Harris beispielsweise gelang die Balance zwischen nüchternen Daten und deren Einbettung in einen größeren Rahmen, und Leor Roseman stellte anschaulich dar, weshalb akademische Forschung die Auseinandersetzung mit mystischen Erfahrungen enthalten kann. Einige Referenten stellten eigene Projekte oder Hypothesen vor, wie beispielsweise Rupert Sheldrake, der seine originelle und umstrittene Theorie der morphischen Resonanz erläuterte. Weitere Highlights – einige akademisch fundiert, andere eher visionär – waren die Referate von David Nichols, Dennis McKenna, Bill Richards, Rick Doblin, Daniel Perkins und Chris Timmermann, um nur einige zu nennen. http://www.breakingconvention.co.uk

Nach den beiden Konferenzen bleiben einige Fragen offen. Sind die psychedelische Kultur und ihre Szene trennbar vom Phänomen der psychedelischen Erfahrung? Ist diese Kultur Teil des Phänomens, das untersucht werden kann, dem Thema inhärent? Oder entsteht sie aus dem Phänomen heraus? Was bedeutet die Kritik an der Wissenschaft, sie untersuche Phänomene mit Methoden, die den Phänomenen nicht gerecht würden, für die akademische Forschung? Hatte Ein-

Ist die psychedelische Renaissance nur ein Hype, eine im Rausch halluzinierte Utopie? stein recht mit seiner Aussage, dass man Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen könne, durch die sie entstanden seien? Um es in Bill Richards’ Worten zu sagen: «There is a bigger framework needed» – wir brauchen ein größeres Bezugssystem. Die Frage bleibt, ob der Brückenschlag auch über die Grenzen der Forschungsgruppen, Tribes und PartySzenen hinaus gelingt. Ist die Vision einer durch Psychedelika positiv veränderten Gesellschaft, die «psychedelische Renaissance» – wie sie gerne genannt wird – eine reale Entwicklung oder bleibt sie ein Hype, eine im Rausch halluzinierte Utopie? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Die meisten Vorträge beider Konferenzen sind auf Youtube zu finden. Helena Aicher studiert Psychologie, Andrea Casanova Medizin, beide an der Universität Zürich.


Fachfrau mit Scharfblick

und Herzblut.

' If I am the father of LSD, then Stanislav Grof is the godfather, who brought my wonderchild trough difficults times...' Albert Hofmann

Lektorat • Textredaktion • Korrektur Grafik • Bildredaktion • Layout Erkenne Dich selbst auf Deiner Atemreise

http://about.me/ninaseiler

Holotropes Atmen mit Klaus John Certified Holotropic Breathwork Practitioner www.klaus-john.de


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LITERATUR ZU DEN ARTIKELN

Ahuakulla Markus Berger

Alles über psychoaktive Kakteen Nachtschatten Verlag 2013 ISBN 978-3-03788-265-8

Entheogene Gruppenrituale Ralph Metzner

Handbuch für nachhaltige Erfahrungen mit Entheogenen

John C. Lilly Der dyadische Zyklon Sphinx 1983 ISBN 978-3-85914-206-0

Solothurn: Nacht-

Der Scientist

Kajuyali Tsamani

schatten Verlag 2017

Sphinx 1984

Ayahuasca – Yagé

ISBN 978-3-03788-384-6

ISBN 978-3-85914-413-2

Nachtschatten Verlag 2003 ISBN: 978-3-907080-88-7

Ketamin

Nana Nauwald

Schamanische Rituale der Wahrnehmung Aarau: AT Verlag 2011

Simulationen von Gott

ISBN 978-3-03800-545-2

Sphinx 1986

Stephen J. Hyde

Ketamine for Depression Xlibris 2015 ISBN 978-1-50350-954-2

ISBN 978-3-85914-214-5

MDMA in der Psychotherapie Richard Louis Miller

Kit Kelly

The Little Book of Ketamine Ronin Publishing 1999 ISBN 978-0-91417-197-3

Thomas Metzinger

Bewusstsein: Beiträge aus der Gegenwarts­ philosophie mentis 2005 ISBN 978-3-89785-600-4

Hanf

Psychedelic Medicine: The Healing Powers of LSD, MDMA, Psilocybin, and Ayahuasca

CBD Ein Cannabinoid mit Potenzial Nachtschatten Verlag 2017 ISBN 978-3-03788-537-6

ISBN 978-3-85914-221-3

Das Zentrum des Zyklons

Park Street Press 2017

Fischer Verlag 1988

ISBN 978-1-62055-697-9

ISBN 978-3-59621-768-7

Friederike Meckel Fischer

Therapie mit Substanz Nachtschatten Verlag 2016 ISBN 978-3-03788-398-3

Drogen auf Reisen Franjo Grotenhermen

Das tiefe Selbst Sphinx 1988

Martin Lutterjohann

Drogen in Reiseländern Reise Know-How 2003 ISBN 978-3-83171-174-1

Programmierung und Metaprogrammierung des menschlichen Biocomputers Phänomen Verlag 2010 ISBN: 978-3-93332-168-8


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Lucy’s Rausch Nr. 6

Lucy’s Rausch Nr. 6 Oktober 2017 Lucy‘s Rausch erscheint zweimal jährlich. Nächste Ausgabe: Frühling 2018 Herausgeber Roger Liggenstorfer Nachtschatten Verlag AG Kronengasse 11 CH-4500 Solothurn Fon: +41 32 621 89 49 info@nachtschatten.ch www.nachtschatten.ch www.lucys-magazin.com Chefredaktion Markus Berger markus@lucys-magazin.com Redaktion Roger Liggenstorfer roger@lucys-magazin.com Mitarbeiter dieser Ausgabe Helena Aicher, Wolfgang Bauer, Christoph Benner, Mirko Berger, Andrea Casanova, Maurice Clermont, Hans Cousto, Franjo Grotenhermen, Stefan Haag, Kevin Johann, Michael Knodt, Thomas Marthaler, Claudia Müller-Ebeling, Linus Naumann, Nana Nauwald, Roberdo Raval, Giorgio Samorini, Susanne G. Seiler, Steve Stoned, TiKe, Kajuyali Tsamani

Layout / Bild- und Textredaktion Nina Seiler nina@lucys-magazin.com Umschlaggestaltung Sven Sannwald sven@nachtschatten.ch Anzeigen werbung@lucys-magazin.com Administration Barbara Blankart barbara@lucys-magazin.com Abo-Verwaltung Lukas Emmenegger lukas@lucys-magazin.com Botschafter-Administration Jutta Berger jutta@lucys-magazin.com Bankverbindungen Schweiz Regiobank Solothurn Konto-Nr.: 443.213.16.114 IBAN CH2008785044321316108 BIC RSOSCH22 Deutschland Postbank Hamburg Konto-Nr. 969 792 202 IBAN: DE35 2001 0020 0969 7922 02 BIC: PBNKDEFF Vermerk: Lucys Rausch

Druck Gedruckt auf Circlematt (135 g/m²) 100% Recyclingpapier bei Druckerei & Verlag Steinmeier, Deiningen. Printed in Germany Vertriebe Pressevertrieb (Kioske, Supermärkte, Bahnhof- & Flughafenbuchhandlungen): IPS Pressevertrieb GmbH 53334 Meckenheim www. ips-pressevertrieb.de Buchhandel Schweiz AVA Verlagsauslieferung, Affoltern a.A. Head- & Hanfshops Schweiz Nachtschatten Versand versand@nachtschatten.ch Buchhandel, Head- & Hanfshops Deutschland LKG, Rötha/Leipzig nadja.bellstedt@lkg-service.de Vertreterin Ines Schäfer service@verlagsvertretung-schaefer.de Buchhandel, Head- & Hanfshops Österreich Dr. Franz Hain Auslieferungen, Wien michaela.puchberger@hain.at Namentlich gekennzeichnete Texte geben nicht unbedingt die Meinung von Redaktion und Herausgeber wieder.

Bitte beachten Sie unsere «Charta für eine Kultur des Rausches» auf lucys-magazin.com/charta Beachten Sie auch die Inserate unserer Werbepartner und gleichzeitig das geltende Recht Ihres Landes. Der Verlag ruft weder zu illegalem Drogenkonsum auf, noch beabsichtigt er, diesen zu fördern.

VERKAUFSSTELLEN Lucy‘s Rausch ist im Kiosk-, Presse- und Buchhandel sowie in folgenden Head- & Growshops erhältlich (Stand 5/17):

SCHWEIZ  BASEL  Sibannac GmbH, Güterstr. 138 (im Hinterhof), 4053 Basel, www.visionofhemp.ch BERN   KALISHA, Rathausgasse 47, 3011 Bern, www.kalisha.ch • Secret Nature, Kramgasse 68, 3011 Bern, www.secret-nature.ch SOLOTHURN  Babacool, Löwengasse 4, 4502 Solothurn, www.babacool.ch • Nachtschatten Shop, Kronengasse 11, 4500 Solothurn, www.nachtschatten.ch ST. GALLEN  BREAKshop, Gaiserwaldstr. 16a, 9015 St. Gallen, www.breakshop.ch

THUN  Secret Nature, Obere Hauptgasse 11, 3600 Thun, www.secret-nature.ch WINTERTHUR  DELTA GROW AG, St. Gallerstr. 119, 8404 Winterthur, www.delta-grow.ch • TAMAR Trade, Technikumstr. 38, 8400 Winterthur, www.rastaman.ch ZÜRICH  Bio Top Center GmbH, Konrad­str. 28, 8005 Zürich, www.biotop-zuerich.ch • Grünhaus AG, Herostr. 7, 8048 Zürich, www.gruenhaus-ag.ch DEUTSCHLAND ALFTER  Mojamba, Pelzstr. 30, 53347 Alfter, www.mojamba.de ALTENMEDINGEN  Kudra NaturBewusstSein, Im Dorfe 1B, 29575 Altenmedingen-Bohndorf, www.kudra.net

AMBERG  Coffeeshop, Georgenstr. 45, 92224 Amberg, www.coffee-shop-amberg.de BERLIN  Buchladen Schwarze Risse, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin • Kaya Foundation, Schliemannstr. 26, 10437 Berlin, www.kayagrow.de • Klaus der Gärtner, Straßmannstr. 1, 10249 Berlin, www.klausdergärtner.de • Sensatonics, Teilestr. 11-16, T.0, 12099 Berlin, www.sensatonics.de • Verdampftnochmal, Karl-Kunger-Str. 28, 12435 Berlin, www.verdampftnochmal.de • Zabriskie, Manteuffelstr. 73, 10999 Berlin, www.zabriskie.de BRUCHSAL  Planet Blunt, Bannweideweg 4, 76646 Bruchsal, www.planet-blunt.de


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JA

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Nr. 7

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VORSCHAU

Frühling 2018 Sonderheft Albert Hofmann, LSD und die psychedelische Forschung Entdeckung, Geschichte und Bedeutung des LSD

Stimmen zur LSD-Erfahrung Prominente Zeitgenossen über Acid und verändertes Bewusstsein

Im Zeichen der Säure: Blotter Art und visionäre Kunst LSD-inspirierte Werke aus Kunst, Literatur und Musik

LSD in Medizin und Therapie

Fotos: Lucy‘s Archiv

Heilung und Wohlbefinden durch Lysergsäure-Diethylamid

Ausgabe 7, das Lucy‘s-Special zum 75. Jahrestag der Entdeckung der Psychoaktivität des LSD, erscheint pünktlich zum Bicycle Day am 19. April 2018. Mit zahlreichen Beiträgen einflussreicher Forscher und unerschrockener Psychonauten zum Thema. ... DÜSSELDORF  White Rabbit, Dorotheenstr. 82, 40235 Düsseldorf, www.headshop-white-rabbit.de EHINGEN  Chénevis + Gesundheitsprodukte, Hauptstr. 49, 89584 Ehingen, Donau FRANKFURT/M.  Mr. Nice-Growshop, Große Seestr. 36, 60486 Frankfurt, www.mr-nice-shop.com HAMBURG  Zaubertrank, Mexikoring 11a, 22297 Hamburg, www.zaubertrank-hamburg.de MAINZ  Der Hänfling, Gärtnergasse 5, 55116 Mainz, www.derhaenfling.de MALSCH  Kalidat Grow- & Headshop, Am Bahnhof 6, 69254 Malsch, www.kalidat.de MANNHEIM  New Asia Headshop, F1, 10 (Nähe Paradeplatz), 68159 Mannheim, www.new-asia-headshop.de

MARBURG  Sirius Buchhandlung, Barfüßerstr. 13, 35037 Marburg, www.thefinalembrace.de NEU-ANSPACH  Shambala, Ostpreussenstr. 27, 61267 Neu-Anspach, www.shambhala-shop.de REUTLINGEN  HanfHaus Reutlingen, Weingärtnerstr. 27, 72764 Reutlingen, www.hanfhaus-reutlingen.de ROSSDORF  Syntropia, Industriestr. 20, 64380 Roßdorf, www.syntropia.de, www.rauschkunde.net STIEFENHOFEN  Artemisia - Allgäuer Kräutergarten, Hopfen 29, 88167 Stiefenhofen, www.artemisia.de ULM  Hanf-Lager Ulm, Zinglerstraße 1, 89073 Ulm, www.hanflager.de

ÖSTERREICH SALZBURG  Cosmic 5 KG, Schallmoser Hauptstraße 29, 5020 Salzburg, cosmic5.at WIEN  Hanf & Hanf, Lasallestraße 13, 1020 Wien, www.hanf-hanf.at

Aktualisierte Liste unter www.lucys-magazin/verkaufsstellen In Deutschland findet man Lucy‘s Rausch über mykiosk.com.


Alles über DMT Das umfassende Standardwerk zum Thema erscheint im September 2017. Katalog

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Schadet Rausch der Gesellschaft? Warum unterbinden die Regierungen der meisten Länder den Gebrauch psychoaktiver Substanzen? Wie kam es zu den Verboten, und wie hat man sie begründet? Trotz punktueller Fortschritte ist die Drogenpolitik restriktiv geblieben, und man debattiert emotional und wenig sachlich über das Thema. Selbst denjenigen, die unter der Repression leiden, fehlt oft das Hintergrundwissen, um eine abweichende Position schlüssig vertreten zu können. Nur mit überprüfbaren Fakten und Kenntnisse der Zusammenhänge kann man www.substanz.info politisch überzeugen.www.nachtschatten.ch

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Warum ein Umdenken dringend erforderlich ist

gegründeten Arbeitsgruppe Substanz, die sich für den selbstbestimmten Gebrauch psychoaktiver Substanzen und für ein Umdenken in der Anti-Drogenpolitik einsetzt, betreut er die wissenschaftliche Redaktion. www.substanz.info

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Jahre Nachtschatten Verlag Symposium, 4. – 7. September 2014, Solothurn (CH)

Lucy’s Null-Nummer

4

Die Offenbarungen des HR Giger • Der zweifelhafte Weg in die schöne neue Welt • Der Psychonaut: Das Portrait von Albert Hofmann • Absinthe: Die Legende aus dem Valde-Travers • Legal Highs: Die erlaubten Gefahren

HR Giger – Das grosse Interview Absinthe – Besuch im Val-de-Travers Legal Highs – Falsche Perspektiven El Pepe – oder die Verbesserung der Welt

Mit folgenden Autoren

Albert Hofmann – Ein Gespräch mit dem LSD-Entdecker

Stanislav Grof, Ralph Metzner, Wolf-Dieter Storl, Christian Rätsch, Claudia Müller-Ebeling, Markus Berger, Alexander Ochse, Wolfgang Bauer, Jochen Gartz Arno Adelaars, Mathias Bröckers, Patrizia Ochsner, Hans Cousto, Tina Loosli Daniel Trachsel, Wolfgang Sterneck, Samuel Widmer, Claudia Möckel, Klaus John Theo Pütz, Mike MoD, Matthias Diesch Zu den spannenden Themen Nachtschattengewächse, Schamanische Kraftpflanzen Hanf, Pilze, LSD, Ayahuasca, Kakteen, Drogenmischkonsum, Partyfood Psycholytische Therapie, Holotropes Atmen, Alchemistische Divination Diverse Künstler

Vorträge, Seminare, Workshops Rahmenprogramm Podiumsgespräche Kino, Ausstellungen Specials, Party

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HR Giger, Luke Brown, Fred Weidmann, Gerhard Seyfried Steve Stoned, Nana Nauwald, Akasha Project

21.02.14 10:05

Ralph Metzner: Die Kröte und der Jaguar • Timothy Leary • Cannabis als Medizin • Nana Nauwald • Gerhard Seyfried • Adi Dittrich • Neuer Psilo­ cybin-Pilz • Drug Checking = Safer Use • Holotropes Atmen • Peyote-Weg • Progressive Psytrance

Ralph Metzners Welten des Bewusstseins • Ethnobotanik: DMT und 5-MeO-DMT • Cannabiskonzentrate und Dabbing-­ Kultur • Steve Stoned • Christian Rätsch • Ketamin auf dem Dancefloor • Hanscarl Leuner

Ralph Metzner DMT und 5-MeO-DMT Cannabis als Medizin/Dabbing Steve Stoned im Gespräch Auf dem Peyote-Weg

ISBN 978-3-03788-401-0 112 Seiten, Format 20 x26,5 cm € 14.80 / Fr. 18.50

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ISBN 978-3-03788-402-7 112 Seiten, Format 20 x 26,5 cm € 14.80 / Fr. 18.50

Lucy’s Nummer 4

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

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Jeremy Narby Francis Huxley: Schamanismus HR Giger – Das&grosse Interview Michael Knodt: Cannabis-Landrassen – Besuch im Val-de-Travers Absinthe Terence McKenna: Psychedelik und Maschinen – Falsche Perspektiven Legal Highs Schamanische Snuffs: Rapé der Welt Verbesserung El Pepe – oder die Mathias Bröckers: DieGespräch Opium-Moderne – Ein mit Albert Hofmann Torsten Passie: Harry C. Kane & Meskalin dem LSD-Entdecker

Nr.5 / Frühjahr 2017

H A N F + K U N S T + PA R T Y + E T H N O B O TA N I K

ISBN 978-3-03788-403-7 112 Seiten, Format 20 x 26,5 cm € 14.80 / Fr. 18.50

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

LSD-Analoga und Verwandte • Die Kunst des herman de vries • Das Lied der Schmetterlinge • Albert Hofmann und Psychedelika vor dem Übergang • Safer Use III • Ethnobotanischer Pflanzenbau: Mohngewächse • Psilocybin-Pilze Europas • Cannabispolitik

Nr. 5 / Frühjahr 2017 CHF 1 8.50 / € (D) 14.80 / € (A) 15.30

Lucy’s Nummer 3

Ayahuasca • Luke Browns Kunst • Transformational Festivals • Barnim Schultze und das Akasha Project • Sasha Shulgin • Schadensminderung beim Feiern • Ethnobotanischer Pflanzen­anbau: Windengewächse • Automatik-Cannabis • Reinkarnation

Lucy’s Nummer 2

Lucy’s Nummer 1

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

ISBN 978-3-03788-404-1 112 Seiten, Format 20 x 26,5 cm € 14.80 / Fr. 18.50

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Lucy’s Nummer 5

Geschichte des Schamanismus • Rapé – Schamanische Snuffs • Torsten Passie über Harry C. Kane • Die Opium-Moderne • Cannabis: alte Landrassen • Traumpflanzen • Frank Tempel • Meskalinforschung • Boom-Festival 2016

ISBN 978-3-03788-405-8 112 Seiten, Format 20 x 26,5 cm € 14.80 / Fr. 18.50

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Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur gazin f ür psychoaktiv

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10.– 10.– EUR / EUR 12.50 / 12.50 / CHF / CHF r 20152014

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Metzner Ralph tseins Interview grosse Bewuss ravers des – Das Welten im Val-de-T iven Interview dizin HR Giger Stoned inoid-Me e – Besuch Steve CannabPerspekt der Welt Absinth is und – Falsche Pflanzen Highs DMT in rung Cousto Cannab Legal die VerbesseZ Hans 5-MeOh mit und– oder A bis Gespräc DMT von – Ein El Pepe ecking n Hofman Amendt Drugch Albert ing decker Günter Hirndop dem LSD-Ent

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Nr. 6 / Herbst 2017 CHF 1 8.50 / € (D) 14.80 / € (A) 15.30

H A N F   +   K U N S T   +  PA R T Y  +   E T H N O B O TA N I K

Nr.6 / Herbst 2017

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Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

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DAS WELTWEITE CANNABIS-VERZEICHNIS SEIT 2008

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Ketamin: bei Depressionen HR Giger –Einsatz Das grosse Interview Stefan Haag: Drogen auf Reisen Absinthe – Besuch im Val-de-Travers MDMA-Psychotherapie: Hoffnung trotz Trauma Legal Highs – Falsche Perspektiven John C. Lilly: Delfinforschung El Pepe – oder die Verbesserung der Welt Praxis:Hofmann Entheogene Gruppenrituale Albert – Ein Gespräch mit Cannabis: Marihuana dem LSD-Entdecker oder Hanf?


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