Lucys Rausch Nr. 13

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Nr. 13 April 2022 Fr. 18.50 | € (D) 14,80 | € (A) 15,30

HANF

Das Magazin für psychoaktive Kultur

ETHNOBOTANIK

KULTUR

WISSENSCHAFT

Forum für veränderte Bewusstseinszustände Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Cannabisanbau für Ambitionierte Wege in die Drogenmündigkeit Kontrollierte Heroinvergabe

Nr. 13 | April 2022

GESELLSCHAFT

Psychedelische Renaissance: Die vierte Welle


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«Niemand weiß, wie weit wir in der Psychiatrie und in unserem Verständnis des menschlichen Bewusstseins gekommen wären, wenn wir die psychedelischen Drogen weiterhin in dem Tempo erforscht hätten, in dem sie zwischen 1950 und 1966 entwickelt wurden.»

Ben Sessa: The Psychedelic Renaissance, Seite 204


Filip Záruba: Guardian of the God Molecule (Ausschnitt)

2 Lucys Rausch Nr. 11


3

Visionäre Renaissance: Filip Záruba Seite 42


Montasge: ninotchka.ch; Fotos: iStock, Jeremy Bsihop/Unsplash

4 Lucys Rausch Nr. 11


5

Psychedelische Renaissance: Die vierte Welle Seite 59


Foto: Sensi Seeds

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Lucys Rausch Nr. 11


7

Sensi-Seeds-Gründer Ben Dronkers im Gespräch Seite 36


Foto: Pixabay

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Lucys Rausch Nr. 11


9

Ethnobotanik: Das Habichtskraut Seite 110


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Lucys Rausch Nr. 13

INHALT 13

CANNABIS

Editorial Markus Berger

21

Von Höhlenbewohnern und psychedelischem Imperialismus

36

Sensi-Seeds-Gründer Ben Dronkers im Gespräch

Klartext von Roger Liggenstorfer

27

«Bewusstsein ist der Hauptantrieb für alles, was ich tue»

Die Kunst der Psychonautik Coustos Psychedelikatessen

KULTUR 42

Visionäre Renaissance 2.0

85

Filip Zarubas digitale Kunst

Beleuchtung und Begasung

Claudia Müller-Ebeling

48

Cannabisanbau für Ambitionierte Chuck Lore

Silvia Dreyer Claudia Müller-Ebeling

92

Psilocybin-Zen Der lange Weg zur Abstraktion Olaf Ozeanus

ETHNOBOTANIK 110

Legale psychoaktive Pflanzen: Habichtskraut Wie ein Ethnobotaniker arbeitet Markus Berger


11

INHALT WISSENSCHAFT 22

71

Integrativer Umgang mit Drogen

Psychedelic Science News

Jörg-Simon Schmid

Linus Naumann

28

Jugendliche zwischen Paranoia und Spiritualität

Mystischer Eifer und Placebo-Effekt Allheilmittel und die psychedelische Renaissance Rick Strassman

52

Drogen auf Reisen Teil 6: Die Eidechse Stefan Haag

58

Die vierte Welle

Psychedelische Renaissance in der Wissenschaft

105

Adrian Norz

Heroin und heroingestützte Behandlung Torsten Passie

99

Speisen der Götter vs. Mind Control Anmerkungen zur psychedelischen Renaissance Mathias Bröckers

RUBRIKEN 15 Lucys Mix 19 Lucys Agenda 81 Lucys Mediathek Bücher 116 Eleusis kompakt 118 Impressum


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EDITORIAL Foto:Elfriede Liebenow

von Markus Berger

Markus Berger ist Drogenforscher, Autor zahlreicher Bücher und Chefredakteur von Lucys Rausch.

Die psychedelische Renaissance: Der Gegenpol zum Irrsinn

W

ährend das pandemische Geschehen unsere Welt seit zwei Jahren fest im Griff hat und das menschliche Ego sich wiederholt und ohne zu ermüden in Kriegstreibereien ergeht, beginnt die psychedelische Bewegung wieder richtig aufzublühen. Die psychedelische Renaissance steht den Entwicklungen der globalen Gesellschaften diametral entgegen. Sie markiert im Angesicht der Destruktivität auf diesem Planeten den anderen Pol der Relativität. Daher hat sie das Potenzial, zu einer neuen Bewusstwerdung beizutragen, denn in der Psychonautik geht es um viel mehr als um die hedonistische Nutzung psychotroper Substanzen. Aus der psychedelischen Reflektion kann die Einsicht erwachsen, dass alle Trennung, alle Grenzen und alle materiellen Errungenschaften letzten Endes illusorisch sind – und eine solche Einsicht würde die Menschheit gerade jetzt dringend benötigen. In dieser Ausgabe haben wir daher das Revival der psychedelischen Kultur zum Hauptthema auserkoren. Der Artikel des US-amerikanischen Kollegen Rick Strassman wird sicherlich so manchen seiner Fans verwundern, weil er doch insgesamt recht kritische Töne zur psychedelischen Renaissance anschlägt. Nun war allerdings klar, dass sich, wenn eines Tages die psychotropen Substanzen den Fängen der Pharmakratie entrissen und damit wieder salonfähig werden, Auswüchse der kapitalistischen Gesellschaften sogenannter zivilisierter Länder sich manifestieren werden – unter anderem der Ausverkauf unseres geliebten Themas, mit dem manche profit­orientierte Unternehmen liebäugeln. Auch das geschieht nämlich

zurzeit – und nicht alle Protagonisten der psychedelischen Bewegung sind darüber erfreut. Rick Strassman auf keinen Fall. Insgesamt besteht die psychedelische Bewegung jedoch immer noch zu einem großen Teil aus engagierten und lebensbejahenden Psychonauten – ob alte Hasen oder Newbies –, denen es um die gelebte Erfahrung und ein neues Bewusstsein geht. Die Praxis mit solch machtvollen Pharmaka ist allerdings potenziell mit Risiken behaftet. Denn entheogene Mittel sind viel mehr als ein bloßer Freizeitspaß für den Feierabend – und für Unbedarfte und Einsteiger schon gar kein harmloser. Psychonaut*innen tun also gut daran, solide Kompetenzen im Umgang mit psychedelischen Molekülen und Zuständen zu entwickeln, damit der Gebrauch auch ein sinnvoller sein und das Erfahrene ins Leben integriert werden kann. Deshalb brauchen wir eine Art neues Eleusis, ein modernes Ritual, das sowohl rekreativ und spirituell orientierte Nutzer wie auch Patienten, die von den therapeutischen Vorzügen entsprechender Drogen profitieren können, in den nebenwirkungsarmen Umgang mit Psychedelika, Entaktogenen und anderen psychotropen Mitteln einführt und einen sicheren Rahmen bietet. Dazu hat unser Autor Mathias Bröckers einen höchst interessanten Beitrag verfasst. Ich wünsche erhellende Momente der Inspiration sowohl in geistiger wie in gesellschaftlicher Hinsicht. Was wir jetzt vermehrt brauchen, ist gegenseitiges Verständnis, Toleranz, Offenheit und Solidarität – alles Eckpfeiler, für welche die psychedelische Bewegung von Anfang an gestanden hat.

Das psychedelische Revival kann zu einer neuen Bewusstwerdung beitragen.


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Lucys Rausch Nr. 13

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MIX

Deutschland legalisiert Cannabis! Cannabis soll in Deutschland für Erwachsene legalisiert werden. Das plant die Ampelkoalition der neuen Regierung aus SPD, den Grünen und der FDP. Der Koalitionsvertrag vom November 2021 hält fest: «Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein». Mit einer Gesetzesänderung werde «die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet», steht in dem Papier. Nach einer vierjährigen Testphase will man dann die Folgen der neuen Gesetzgebung analysieren. Wie die Legalisierung konkret umgesetzt werden soll, beispielsweise beim Eigenanbau, ist noch unklar. Und bis es wirklich so weit ist, könnten noch Monate vergehen. Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) soll zwar noch innerhalb der aktuellen Legislaturperiode angepasst werden, doch auch dies könnte bis 2024 dauern. Wie wird man also angesichts der bevorstehenden Legalisierung mit Konsumenten umgehen? Wenn klar ist, dass Nutzer*innen psychotroper Hanfprodukte bald nicht mehr kriminalisiert werden, werden sie bis dahin dennoch von der Staatsgewalt behelligt? Aktivisten wie die Mitstreiter der Organisation LEAP (Law Enforcement against Prohibition) – so deren Erster Vorsitzender Hubert Wimber (ehemaliger Polizeipräsident Münster) und der bekannte

Jugendrichter Andreas Müller (Amtsgericht Bernau, siehe Interview auf Seite 16) sind der Ansicht, dass die Konsument*innen schon jetzt in Ruhe gelassen werden sollen. In einer Resolution fordern sie: «Was sofort passieren muss, ist eine umgehende Entkriminalisierung der Millionen von Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten, und zwar durch eine gesetzliche Klarstellung. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte sind oftmals gegen ihren Willen gezwungen, das alte Recht so lange anzuwenden, solange es gilt. Tagtäglich und auch heute noch! Hierdurch entstehen enorme Kosten, die sinnvoller und effektiver in Präventionsprojekte investiert werden können. Es wäre absurd, wenn die nächsten zwei Jahre in Berlin die Einzelheiten einer Legalisierung und eines lizenzierten Abgabemodells diskutiert werden, aber tagtäglich weiter Konsumenten verfolgt und verurteilt werden» (siehe lucys-magazin.com). Kritische Stimmen kommen aus den Reihen der konservativen Union (CDU / CSU). So ist der innenpolitische Sprecher der CDU, Alexander Throm, der Meinung, dass die Lockerung der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften die Staatsgewalt eben nicht entlasten werde. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht in der Legalisierung nicht den Königsweg. Ihr Bundesvorsitzender Oliver Malchow glaubt, dass die Liberalisierung sich nicht relevant auf den Schwarzmarkthandel auswirken werde. Alle Updates und Neuigkeiten zur Entwicklung in dieser Sache gibt es auf www.lucys-magazin.com

Burkhard Blienert ist neuer Bundesdrogenbeauftragter Seit dem 12. Januar 2022 ist der neue Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen im Amt: SPD-Mann Burkhard Blienert setzt sich seit Langem für eine Veränderung der restriktiven Drogen­ politik Deutschlands ein. Blienert ist der erste Bundesdrogenbeauftragte, der nicht aus den konservativen Unionsparteien stammt. Die bisherigen Amtsinhaber, wie Marlene Mortler und zuletzt Daniela Ludwig,

hatten von Anfang an deutlich gemacht, dass mit ihnen die Frage nach einer Legalisierung von Cannabis gar nicht erst diskutiert werden müsse. Sie fuhren von Anfang an die altbackene HardlinerSchiene, nach der der Hanf eine gefährliche Einstiegsdroge, hingegen der Alkohol gesellschaftlich integriert sei. Mit Burkhard Blienert weht ein neuer, ein frischerer Wind in den Reihen der Bundesregierung, der sich nun endlich in Richtung einer

vernünftigen und wissenschaftlich haltbaren Drogenpolitik bewegt. So ist Blienert u.a. Mitglied des Vereins LEAP und engagiert sich für die flächendeckende Etablierung von Cannabis als Medizin. Lucys- und Nachtschatten-­ Autor Franjo Grotenhermen schrieb dazu am 11. Januar 2022 auf seiner Facebook-Seite: «Blienert ist seit vielen Jahren ein engagierter Mann, sowohl zum Thema Cannabis als Medizin als auch für eine rationale Drogenpolitik. Einen besseren hätte die SPD nicht finden können.» www.drogenbeauftragter.de


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MIX Auch Drug Checking in Deutschland wird möglich Ein weiteres drogenpolitisches Vorhaben, das sich die Ampelkoalition auf die Fahnen geschrieben hat, besteht darin, entsprechende Drug-Checking-Maßnahmen in Deutschland zu etablieren. Mit Drug Checking, auch Pill Testing genannt, können psychotrope Substanzen auf ihren Wirkstoffgehalt wie auch auf schädliche Streck- und Verschnittstoffe getestet werden. Das ermöglicht endlich einen echten Verbraucherschutz. Dies betrifft nicht nur Cannabisprodukte, sondern auch alle anderen Substanzen, die der willkürlichen Verbotspolitik unterstehen. Die neue Regierung will sich darüber hinaus strenger für Werbeverbote für Tabakprodukte, alko-

«Die Szene sollte jetzt erst einmal glücklich sein» Richter Andreas Müller* über die aktuelle Entwicklung Lucys Rausch: Andreas Müller, du setzt dich schon lange öffentlich für die Legalisierung von Cannabis ein. Wie geht es dir nach der Ankündigung der Bundesregierung, das BtMG entsprechend anzupassen? Andreas Müller: Natürlich betrachte ich das Ganze als persönlichen Erfolg, wenn ich mich erinnere, wie ich vor 20 Jahren noch angefeindet wurde. Als großen Sieg kann man das aber noch nicht sehen. Als Sieg sehe ich es, wenn ein vernünftiges Gesetz verabschiedet wird. Als Sieg sehe ich es auch, wenn in den nächsten Monaten die Konsumenten endlich entkriminalisiert werden. Ist Burkhard Blienert als Bundesdrogenbeauftragter der richtige Mann? Auf jeden Fall! Ein wunderbarer Mitstreiter, er hat die SPD auf Kurs gebracht und ist auch Mitglied der LEAP Deutschland [siehe Box, die Red.]. Ich freue mich, dass endlich mal jemand mit Sachverstand auf diesen Posten kommt. Wird Cannabis in Deutschland wirklich legal so wie Tabak und Alkohol? Das ist nur eine Frage der Zeit. Es kommt darauf an, ob die Ampelkoalition sich bewährt oder ob sie wieder zerbricht. Außerdem müssen wir sehen, wie schnell das alles umgesetzt wird und wieviel Gegenwehr zu erwarten ist, beispielsweise von der Union. Obwohl ich nicht glaube, dass deren Vertreter sich im Bundesrat gegen die Änderungen wehren werden. Sonst verlieren CDU und CSU auch noch den Rest ihrer jüngeren Anhänger*innen.

Bild: ninotchka.ch

Gibt es neben der Entkriminalisierung der Konsumenten einen weiteren besonders wichtigen Aspekt? Ganz wichtig ist vor allem, dass der Eigenanbau legalisiert wird, insbesondere für Patient*innen, damit diese nicht mehr von den Krankenversicherungen abhängig sind und

holische Getränke und Cannabis einsetzen, um vor allem jüngere Personen nicht zum Konsum von psychoaktiven Stoffen zu animieren.

* Andreas Müller (Jahrgang 1961) ist Jugendrichter am Amtsgericht in Bernau bei Berlin und gilt als «härtester Jugendrichter Deutschlands». Müller setzt sich seit 20 Jahren für eine Veränderung der deutschen Cannabisverbotspolitik ein. Er ist Vorstandsmitglied der deutschen Sektion des Vereins LEAP (siehe Box) und Autor des Buches Kiffen und Kriminalität (Herder Verlag).

Drug Checking ermöglicht das Testen von psychotropen Substanzen auf Wirkstoff­ gehalt und Streckstoffe.

LEAP (Law Enforcement Against Prohibition, dt.: Strafverfolgende gegen die Prohibition) ist ein gemeinnütziger Verein aus den USA, der mittlerweile weltweit agiert. Die Organisation, die sich gegen die unmenschliche Drogenprohibition einsetzt, wurde 2002 gegründet und betreibt eine Außenstelle in Deutschland. www.leap-deutschland.de erst vors Sozialgericht ziehen müssen, um ihr Recht zu erstreiten. Hältst du es für möglich, dass Cannabis in der Apotheke verkauft wird? Ich denke, dass man das Cannabis nicht über Apotheken abgeben wird, sondern über Fachgeschäfte. Apotheken werden in der Regel von Kranken frequentiert. In einem Fachgeschäft hingegen erwerben gesunde Menschen ihr bevorzugtes Produkt. Schon das Gesetz zu Cannabis als Medizin wird nicht zufriedenstellend umgesetzt; was dürfen wir bei der Legalisierung als Genussmittel erwarten? Die Gesellschaft wird sich daran gewöhnen, dass es Geschäfte gibt, in denen man Can­ nabis kaufen kann. Das muss jetzt durch den Bundestag durchgekämpft werden, und dann wird das normal sein. Das ist ähnlich wie mit der Bewegung der Homosexuellen. Da gab es auch zunächst heftige gesellschaftliche Widerstände; heute ist das alles normal. Könnten das EU-Recht oder die Single Convention on Narcotic Drugs Probleme bereiten? Meines Erachtens nein. Es haben sich schon diverse Länder gegen die Single Convention von 1961 ausgesprochen, das kann also auch die Bundesrepublik Deutschland tun. Notfalls kann man auch einen internationalen Vertrag brechen. Ich sehe in der Cannabis-Szene viele Ängste vor Schwierigkeiten in der Umsetzung der Legalisierung. Die Szene sollte jetzt erst einmal glücklich sein. Denn zum allerersten Mal in der Geschichte gibt es eine Regierung in Deutschland, die klipp und klar sagt: Wir wollen legalisieren. Viele erkennen nicht, dass in der Gesellschaft – und auch bei der Polizei, bei Staatsanwälten und Richtern – ein Umdenken stattfindet. (mb)


Lucys Rausch Nr. 13

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MIX

USA: Psychedelika-Legalisierung schreitet voran Im Zuge der psychedelischen Renaissance haben diverse Bundesstaaten und Städte in den USA neue gesetzliche Regelungen für diverse Psychedelika und Entaktogene erlassen, die den therapeutischen und spirituellen sowie rekreativen Umgang mit den Substanzen für erwachsene Einwohner je nach Gegend ab dem Alter von 18 oder 21 Jahren entkriminalisieren. Hauptargument dabei ist, dass diese Stoffe mehr Heil- als Suchtmittel sind. Die Moleküle, um die es im Einzelnen geht, sind jedoch nicht vollständig legalisiert worden; auf Bundes­ebene gelten Psilocybin, Meskalin, DMT und Derivate, LSD und MDMA nach wie vor als verbotene Schedule-I-Substanzen. Hier ein Überblick über die bisherige Entwicklung:

Colorado Seit 2019 ist in Denver der Besitz von geringen Mengen natürlicher Psychedelika entkriminalisiert. Somit haben die Naturstoffe die niedrigste Priorität innerhalb der Strafverfolgung. Kalifornien Oakland und Santa Cruz haben den Besitz geringer Mengen psychedelischer Substanzen (Psilocybin-Pilze, Meskalinkakteen, Iboga und Ayahuasca) entkriminalisiert und verzichten auf eine Strafverfolgung. Massachusetts In den Städten Cambridge und

Somerville sowie Northampton und Easthampton wurden 2021 psychedelische Pflanzen und Pilze entkriminalisiert. Sie dürfen von Erwachsenen besessen und konsumiert werden. Michigan Die Stadt Ann Arbor und der Bezirk Washtenaw County sowie Detroit haben 2020 und 2021 ebenfalls den Erwerb, Konsum, Anbau und Transport privater Eigenbedarfsmengen von psychedelischen Pflanzen und Pilzen durch erwachsene Einwohner auf die niedrigste Prioritätsstufe der Strafverfolgung gesenkt. Oregon Mit der Measure 110 (Drug Addiction Treatment and Recovery Act) wurde im November 2020 der Besitz geringer Mengen psychoaktiver Substanzen für den persönlichen Bedarf auf das Level einer Ordnungswidrigkeit herabgesetzt. Washington, D.C. In der US-amerikanischen Hauptstadt wurden 2020 der Konsum und Besitz sowie Transport und auch der Anbau natürlicher Psychedelika (Pflanzen und Pilze) entkriminalisiert. Washington State Im Bundesstaat Washington wurde 2021 der Besitz geringer Mengen bislang illegalisierter Drogen auf eine Ordnungswidrigkeit beschränkt. Die Städte Seattle und Port Townsend haben 2021 den Besitz von Eigenbedarfsmengen natürlicher Psychedelika entkriminalisiert.


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Malta legalisiert Cannabis

MIX

DOKUMENTARFILM

Reise in das Bewusstsein

Das maltesische Parlament stimmte am 14. Dezember 2021 mit 36 zu 27 Stimmen für eine Legalisierung des Erwerbs, Besitzes und Anbaus von Cannabis. Auch Präsident George Vella (Partit Laburista; Malta Labour Party) unterzeichnete vier Tage später den Gesetzesentwurf. Damit ist Malta das erste EULand, in dem Cannabis für Erwachsene legalisiert wird. Die Gesetzesänderung sieht vor, dass alle Bürger*innen ab 18 Jahren bis zu 50 Gramm

Mit Aware – Reise in das Bewusstsein ist im Frühjahr 2021 ein neuer preisgekrönter Dokumentarfilm auf DVD erschienen. Der Film folgt sechs internationalen Forschern, die sich dem Mysterium des Bewusstseins aus radikal unterschiedlichen Perspektiven nähern. Der Film beginnt als Wissenschaftsdoku, geht aber über das Erklärbare hinaus und versucht, Schlüsselfragen der Menschheit zu beantworten: Was ist Bewusstsein? Ist es in allen Lebewesen vorhanden?

Malta macht es vor.

Der deutschlandweit bekannte «Führerscheinpapst» und Nachtschatten-Autor Theo Pütz aus Berlin ist am 27. Dezember 2021 gestorben. Theo Pütz, geboren 1968, war durch und durch drogenpolitischer Aktivist, so z.B. Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Drogenpolitik der Grünen sowie Mitglied und ab 2009 auch Vorsitzender des Vereins für Drogenpolitik (VfD). Besonders bekannt war Theo Pütz als

Warum sind wir prädisponiert für mystische Erfahrungen und was passiert eigentlich, wenn wir sterben?

Ein Dokumentarfilm von Frauke Sandig und Eric Black, 102 Minuten, Deutschland/USA 2020. Mit deutschen, englischen, italienischen, spanischen und französischen Untertiteln. Website: www.aware-film.com. Der Trailer und weitere Infos finden sich auf www.lucys-magazin.com

R.I.P. Theo Pütz 1968–2021 Foto: zvg

Cannabis zuhause aufbewahren und bis zu 7 Gramm mit sich führen dürfen. Der Anbau von bis zu vier Pflanzen pro Person für den Eigenbedarf wird erlaubt. Der Handel mit Cannabisprodukten bleibt weiterhin illegal. Konsument*innen dürfen sich künftig in gemeinnützigen Clubs organisieren,, um dort Marihuana sowie Samen zum Anbau erwerben zu können. Pro Club sollen nicht mehr als 500 Mitglieder aufgenommen werden. Auch Delikte im Zusammenhang mit dem Besitz von Cannabis werden aus den amtlichen Registern gelöscht Wer sich in der Öffentlichkeit beim Hanfkonsum erwischen lässt, muss allerdings auch nach der Legalisierung mit einer Buße von 235 Euro rechnen. Der Cannabisgebrauch in Gegenwart von Kindern soll mit Strafen zwischen 300 und 500 Euro belegt werden.

Experte für Rechtsfragen in Bezug auf Drogen und Straßenverkehr. Er galt als einer der besten MPU-Berater in Deutschland. Zahlreichen Betroffenen konnte Theo kompetent weiterhelfen. Im Nachtschatten Verlag veröffentlichte Theo Pütz das Standardwerk Cannabis und Führerschein, das sich mit der Problematik des Cannabiskonsums in Verbindung mit der Fahrerlaubnis auseinandersetzt. Ruhe in Frieden, lieber Theo, wir werden Dich nicht vergessen!

www.drogenmpu.de

R.I.P. Martin Rediker 1958–2022 Martin Rediker war Gründungsmitglied des GrüneHilfe-­Netzwerks und seit Jahren Schatzmeister des Vereins. Seit 1994 setzte er sich für eine normalisierte nonprohibitive Cannabisund Drogenpolitik ein und beriet kostenlos Cannabiskonsumenten, die wegen ihrer Hanfaffinität gesellschaftliche Schwierigkeiten hatten. Seine Kollegen von der Grünen Hilfe schreiben in ihrem Nachruf: «Seine

ausgleichende und gerechte Art war ein starkes Band innerhalb unseres Vereines. Immer war Martin bemüht, die unterschiedlichen Seiten zu hören und zu verstehen. In seiner eigenen Art war Martin immer ein Ansprechpartner für Menschen innerhalb und außerhalb der Grünen Hilfe. So werden wir Martin in Erinnerung behalten, nachdem er den Kampf gegen eine schwere Erkrankung verloren hat.»


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MIX Hanfblütenbier aus der Schweiz

30 Jahre Sensatonics – 30 Jahre Pflanzenkraft SHOP-JUBILÄUM

Ein Bier aus Hanfblüten, Gerstenmalz, Hopfen und frischem Bergwasser – das ist Lawinenbräu aus Oberägeri (CH). Das Bier wurde Anfang der 2000er erstmals hergestellt, damals noch mit THC-haltigen Hanfblüten. Sspäter durfte Hanf mit THC-nicht mehr in der Weiterverarbeitung zum Bier genutzt werden. Heute wird Lawinenbräu mit hochwertigem CBD-Cannabis produziert und kommt im Geschmack dem ursprünglichen Bier sehr nahe. www.lawinenbraeu.ch

Die Kraft der Pflanzen wird seit heute 13 verschiedene gibt, z.B. Menschengedenken genutzt, um zu Moonwalk und Aphrodite. Sie vereinen heilen und Wohlgefühl zu erzeugen. Die die Kraft der Kräuterkunde europäiBerliner Firma Sensatonics, seit scher Breiten mit der ethnoboJahr und Tag Partner des tanischen Vielfalt des asiaNachtschatten Verlags, tischen und erforscht seit 1992 amerikanischen das traditionelle Raums. Ein Pflanzenwissen Schwerpunkt liegt Die Sensatonics-Gründer Ralf Güthe und Jörg Happe. weltweit und erhält hierbei auf der damit einen reichen amazonischen PflanzenErfahrungsschatz auf diesem welt mit ihrem Reichtum an Gebiet. Im Programm finden sich unter vitalisierenden Baumrinden. Zum 30. anderem eine eigene edle Räucher­linie, Jahrestag wird es im Sensatonics-Shop exklusive Rapé-Sorten aus Südamerika, eine Extraseite mit Jubiläumsangeboten Pflanzenöle und die kultigen geben. Happy Birthday, Sensatonics! Sensatonics-­Kräutertonics, von denen es www.sensatonics.de

AGENDA 6. Mai

20. bis 22. Mai

Forum der Schweizer Psychedelik-Landschaft Event Forum Bern, 13 bis 18 Uhr www.alps.foundation

Dienstälteste deutsch­sprachige Hanfmesse. BernExpo, Bern www.cannatrade.ch

ALPS Forum

CannaTrade

9. und 10. Juli

HamCan 11. Mai

Psych Symposium London 2022 Unlocking the Potential of Psychedelic Healthcare. The National Gallery, London www.psychsymposium.com

Hamburgs 1.internationale Cannabis­konferenz & Expo. Hochwasserbassin Hammerbrook, Hamburg www.hamcan.de

10. und 11. September

CB Expo 2022 Cannabis Business Expo and Conference StageOne Event & Convention Hall. Zürich www.cb-net.ch 22. bis 24. September

ICPR 2022 Interdisciplinary Conference on Psychedelic Research Philharmonie, Haarlem. www.icpr-conference.com

17. bis 19. Juni

Cannabis normal 14. Mai

Psychonauten II Gruppenausstellung zu Ehren von Stanislav Grof. Eröffnung. Museum H.R. Giger, Gruyères.

Konferenz/Tagung des DHV, Alte Münze, Berlin www.cannabisnormal.de

7. bis 9. Oktober

Cultiva Hanfexpo Marx-Halle Wien www.cultiva.at

15. bis 17. Juli

Mary Jane Berlin Arena Berlin www.maryjane-berlin.com 26. bis 28. August

CannaFair 23. bis 26. Mai

Ethnopharmacological Search for Psychoactive Drugs Internationales Symposium, London. Livestream. www.espd55.com

Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf www.cannafair.nrw

80 Jahre LSD: Das Symposium Im April 2023 wird in Basel ein Symposium anlässlich des 80. Jahrestags der Entdeckung der Psychoaktivität des LSD stattfinden. Der Kongress wird vom Nachtschatten Verlag und Lucys Rausch in Kooperation mit der Schweizer Ärztegesellschaft für psycholytische Therapie (SÄPT) und der GaiaMedia-Stiftung durchgeführt, die den Verein Psychedelic Events gegründet haben. Updates zum Programm und Ticketing gibt es auf der Website des Events: www.bicycleday.ch

20. und 21. Oktober

Cannabinoid Conference 2022 Konferenz der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (IACM). Congress Center Basel. www.cannabis-med.org

Updates unter lucys-magazin.com

The Psychedelic Salon Schweiz Monatlicher, englisch­ sprachiger Treffpunkt für Psychonauten in Zürich (Basel und Bern in Planung). Infos: susanne@gaiamedia.org


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HINWEIS: Enthält keine illegalen Substanzen


Lucys Rausch Nr. 13

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KLARTEXT Fo to : Chr i s He i d r i c h

von Roger Liggenstorfer

Roger Liggenstorfer ist Leiter des Nachtschatten Verlags und Herausgeber von Lucys Rausch.

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Von Höhlenbewohnern und psychedelischem Imperialismus

ie allererste Veränderung des Bewusstseins – und damit die früheste psychedelische Welle – fand wohl in einer Höhle statt: Da saß Fred Feuerstein, der aus lauter Langeweile am flackernden Feuer zwei Knochen gegeneinander zu schlagen begann – und ein Stroboskop-Effekt wie in einer neuzeitlichen Disco katapultierte ihn in einen tranceähnlichen veränderten Bewusstseinszustand. Und vielleicht gab es als Beilage zum erlegten Mammut psilocybinhaltige Pilze – das perfekte Setting für ein psychedelisches Erlebnis. Jahrtausende später, in der griechischen Antike, gab es eine weitere Welle: Philosophen und einfache Bürger*innen erlebten im Geheimkult der Eleusinischen Mysterien mit psychoaktiven Substanzen transformierende veränderte Bewusstseinszustände. Die nächste intensive Welle begann in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts, als beinahe zeitgleich zur Atombombe (Hiroshima, im äußeren Raum) die Bewusstseinsbombe (LSD, im inneren Raum) gezündet wurde. Beeinflusst von psyche­ delischen Erfahrungen demonstrierten rund 20 Jahre später die Hippies – langhaarige Nachfahren Fred Feuersteins – gegen den Krieg, für Frauenrechte und eine gerechtere, ökologischere Welt. Es war eine Ära des spirituellen Erwachens. Veränderte Bewusstseinszustände und psychoaktive Substanzen haben schon immer die äußere Welt geprägt und beeinflusst. Ohne psychoaktive Substanzen wäre die Welt heute eine ganz andere. Doch haben sie uns wirklich zu mehr Bewusstsein und damit zu einem harmonischen Umgang mit uns und unserer Umwelt verholfen? Würden wir dann nicht aufhören, Kriege zu führen, uns die Welt «untertan» zu machen und unseren Planeten derart auszubeuten?

Wenn ich die aktuelle Entwicklung rund um die Psychedelika betrachte, mischt sich das Gefühl der Hoffnung mit einer gewissen Skepsis. All die psychedelischen Geschäftemacher erinnern an den amerikanischen Hanfimperialismus und die Totalvermarktung dieser potenten Pflanze, wie ich es in meiner Kolumne in Lucys Rausch Nr. 11 beschrieben habe. Genau die gleiche Entwicklung sehen wir aktuell bei den Psychedelika: Börsennotierte Unternehmen buhlen um Patente und wetteifern um den effizientesten medizinischen Einsatz. Sie interessieren sich nur wenig für das traditionelle Wissen. Und ein rekreativer Gebrauch gilt sogar als Gefahr für den Einsatz als Medizin. Dabei kann jede Substanz als Genuss- oder Heilmittel, aber auch als Suchtmittel dienen. Den richtigen Umgang damit gilt es zu erlernen. Leider verwechseln einige die Bewusstseins-Erweiterung mit der Ego-Erweiterung – oder die Substanzen dienen nur der Erweiterung des eigenen Bankkontos. Doch wo kein Bewusstsein vorhanden ist, kann sich leider auch nichts erweitern. Psychedelika sind potente Mittel zur Bewusstseins­ veränderung und Werkzeuge zur ganzheitlichen Heilung. Das zeigen uns eigene Erfahrungen und jahrelange Forschungen. Indigene Völker und Schamanen wissen das schon lange – wir könnten von ihnen viel lernen. Stattdessen werden sakrale Substanzen und deren traditionelle Anwendungen zwecks Gewinnmaximierung normiert und reguliert. Zur Bewusstseinserweiterung waren diese potenten Mittel nicht erlaubt und wurden kriminalisiert. Aber zur Leistungssteigerung werden sie nun wieder gesellschaftsfähig. Aldous Huxleys Zukunftsroman Schöne neue Welt von 1932 lässt grüßen.

Wo kein Bewusstsein vorhanden ist, kann sich leider auch nichts erweitern.


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PSYCHEDELIC SCIENCE NEWS Molekularbiologe Linus Naumann berichtet über die neuesten Erkenntnisse und aktuellen Fragestellungen aus der weltweiten wissenschaftlichen Erforschung psychedelischer Substanzen und Organismen.

Alkohol verstärkt die Risiken des MDMA-Konsums besondere die Rolle des Alkohols fiel den Wissenschaftlern bei ihrer Untersuchung auf, denn dieser verstärkt auf vielfältige Art und Weise die bereits bestehenden Risiken des MDMA-Konsums. So trägt Alkohol nicht nur unmittelbar zum Flüssigkeitsverlust und zur Belastung des Herz-Kreislaufsystems bei, sondern agiert zudem als Katalysator für gedankenloses und riskantes Verhalten, wie etwa die unbedachte Einnahme weiterer Dosierungen und noch geringere Flüssigkeitsaufnahme. Zudem reduziert Alkohol die Fähigkeit des Körpers zur Temperaturregulation, was in Kombination mit den anderen Risikofaktoren besonders gefährlich werden kann. Die Autoren belegen die Problematik des Mischkonsums von Alkohol und MDMA mit verschiedenen Tierund Menschenversuchen, die zeigten, dass diese Kombination sowohl in Menschen als auch in Ratten zu einem höheren Anstieg der Körpertemperatur führte als reiner MDMA-Konsum. Dieser Effekt war besonders ausgeprägt bei Versuchen an Ratten bei warmen Umgebungstemperaturen von über 30 °C, bei denen es zu einer sehr starken Zunahme an Todesfällen unter den Ratten kam. Die Autoren schließen aus ihrer Metastudie, dass MDMA-Konsumenten idealerweise auf Alkohol verzichten und stattdessen ausreichend Wasser oder Säfte trinken sollten. Zudem können Tanzpausen und das vorübergehende Aufsuchen kühlerer Räume oder Außenanlagen das Risiko für MDMA-Notfälle nochmals weiter vermindern. Foto: Pixnio

Es ist eine der weitverbreitetsten Rauschsubstanzen auf Partys und Festivals: 3,4-Methylendioxy-N-Methyl­ amphetamin, kurz MDMA. Der klassische Hauptwirkstoff von Ecstasy-Tabletten gilt in der Wissenschaft bei verantwortungsvoller Anwendung, das heißt in moderaten Dosierungen und mit einigen Wochen Pause zwischen zwei Einnahmen, als vergleichsweise ungefährlich. Dennoch treten immer wieder vereinzelt Notfälle mit Krankenhausaufenthalten bis hin zu Todesfällen nach dem Konsum von MDMA auf. Ein genaues Verständnis dafür, weshalb der Konsum in einigen Fällen so drastisch endet, kann entscheidend dazu beitragen, diese in Zukunft zu verhindern. Aus diesem Grund fasste nun eine Forschergruppe an der Universität von Amsterdam in den Niederlanden klinische Fallberichte und Studien zu Notfällen bei MDMA-Konsum in der Fachzeitschrift Neurotoxicity Research zusammen. Dabei zeigte sich deutlich, dass lebensbedrohliche Probleme in den meisten Fällen durch eine Mischung aus der Substanzwirkung und dem Verhalten der Konsumenten entstanden. Die größte Gefahr für Konsumenten war dabei die innere Überhitzung (Hyperthermie und Hyperpyrexie) sowie der Verlust lebensnotwendigen Natriums durch exzessives Schwitzen (Hyponatriämie). Bei genauerer Betrachtung zeigten sich unter den Notfällen häufig wiederkehrende Gemeinsamkeiten. Als größte Risikofaktoren identifizierten die Forscher mehrfache Dosierungen innerhalb eines Abends («Booster-Dosierungen»), stundenlanges, intensives Tanzen in heißen Umgebungen wie in Clubs oder auf Partys sowie reduzierte Flüssigkeitsaufnahme und der Mischkonsum mit Alkohol. Ins-

Alkohol reduziert die Fähigkeit des Körpers zur Temperatur­ regulation.

Quelle: van Amsterdam, J., Brunt, T.M., Pierce, M. et al. Hard Boiled: Alcohol Use as a Risk Factor for MDMA-Induced Hyperthermia: a Systematic Review. Neurotox Res (2021). https://doi.org/10.1007/ s12640-021-00416-z


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Für viele Menschen ist die Einnahme von psychedelischen Substanzen begleitet von intensiven und sogar lebensverändernden Erfahrungen. Berichte in Büchern, Zeitschriften und dem Internet sind voll von Erzählungen, in denen bereits eine einzelne oder wenige psychedelische Schlüsselerfahrungen zu weitreichenden Änderungen in der Lebensperspektive und der eigenen Persönlichkeit führen. Allerdings muss man bei derartigen Berichten immer beachten, dass diese nicht unvoreingenommen das wahre Spektrum von psychedelischen Erfahrungen widerspiegeln. So berichten Menschen mit besonders positiven Erfahrungen häufiger öffentlich darüber als Menschen mit unspektakulären oder sogar negativen Erfahrungen. Deshalb gilt auch der wahre Einfluss psychedelischer Erfahrungen auf die Persönlichkeit aus wissenschaftlicher Sicht noch als ungeklärt. Dabei haben erste Untersuchungen mit Psilocybin, LSD und Ayahuasca in den letzten Jahren tatsächlich statistisch signifikante Veränderungen, vor allem in dem Persönlichkeitsmerkmal «Offenheit für neue Erfahrungen», unter den Probanden feststellen können. Das Problem: Die Teilnehmerzahlen in diesen Studien waren typischerweise sehr gering, und manche Studien konnten sogar nicht einmal einen eindeutigen Zusammenhang zwischen psychedelischer Erfahrung und Persönlichkeitsmerkmalen feststellen. Wissenschaftler aus São Paulo (Brasilien) und Barcelona (Spanien) veröffentlichten dazu gleich zwei neue Studien. In beiden Experimenten untersuchten sie den Einfluss von Ayahuasca-Erfahrungen auf die Persönlichkeit der Teilnehmer. Insgesamt fanden sie hierfür jeweils 15 Teilnehmer*innen, die bereit waren, ohne spezielle spirituelle Vor- oder Nachbereitungen, wie etwa Meditationskurse oder Integrationstreffen, Aya­ huasca zu sich zu nehmen. Während die Probanden der einen Studie einmalig entweder Ayahuasca oder ein Placebo zu sich nahmen, bekamen die der zweiten Studie entweder nur Ayahuasca oder Ayahuasca

Foto: Pixabay

Psychedelika verändern nicht automatisch die Persönlichkeit

und das Cannabinoid Cannabidiol (CBD) verabreicht. Veränderungen in der Persönlichkeit der Teilnehmer wurden sowohl vor der psyche­delischen Erfahrung als auch 21 Tage danach mit Hilfe von standardisierten Fragebögen ermittelt. Die Ergebnisse spiegeln die unklare Situation der bereits vorhandenen Studiendaten wider. Während in der ersten Studie keinerlei statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen psychedelischer Erfahrung und Änderungen in Persönlichkeitsmerkmalen gefunden wurden, zeigte sich in der zweiten Studie zumindest eine Erhöhung des Persönlichkeitsmerkmals «Offenheit für neue Erfahrungen». Die Autoren der Studie sehen darin ein weiteres Beispiel für die hohe Komplexität psychedelischer Zustände und ihrer langfristigen Wirkung auf den Menschen. So fanden andere Studien bereits Hinweise darauf, dass vor allem die Qualität der psychedelischen Erfahrung, insbesondere das ­ Erleben einer «mystischen Erfahrung», darüber entscheidet, ob sie zu längerfristigen Persönlich­k eits­ä nderungen führt bezie­ hungsweise zur Heilung von Depressionen, Traumata und Sucht. Mystische Erfahrungen sind jedoch nicht nur von der reinen Einnahme einer psychedelischen Sub­stanz, sondern auch von der inneren Einstellung und Vorbereitung (Set) und dem direkten Umfeld (Setting) abhängig.

Der Einfluss psychedelischer Erfahrungen auf die Persönlichkeit bleibt unklar.

Quelle: Mendes Rocha J, Rossi GN, Osório FL, Bouso Saiz JC, Silveira GO, Yonamine M, Crevelin EJ, Queiroz ME, Cecílio Hallak JE, Dos Santos RG. Effects of Ayahuasca on Personality: Results of Two Randomized, Placebo-Controlled Trials in Healthy Volunteers. Front Psychiatry. 2021 Aug 6;12:688439. doi: 10.3389/fpsyt.2021.688439. PMID: 34421675; PMCID: PMC8377499.


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PSYCHEDELIC SCIENCE NEWS

Bis zu 5 Prozent aller Menschen weltweit erleiden in ihrem Leben ein Trauma, von dem sie sich seelisch nicht mehr vollständig erholen. Wenn nach einem schweren Schock, etwa durch einen Unfall, Gewalt oder Lebensgefahr, über Jahre Ängste und Panikattacken erhalten bleiben, spricht man von einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Da diese Krankheit viele weitere Folgen, wie etwa Depressionen und sogar Suizid, nach sich ziehen kann, ist eine gute Behandlung für die Betroffenen essenziell. Die heute etablierten Therapieoptionen sind jedoch sehr eingeschränkt: Lediglich Gesprächstherapien und einige wenige Antidepressiva sind offiziell als Hilfestellung zugelassen. Da viele PTBS-Patienten dadurch jedoch keine ausreichende Besserung erfahren, öffnet sich seit einigen Jahren die Wissenschaft für neuartige Therapieoptionen. Besonders im Fokus ist hier die MDMA-gestützte Psychotherapie. Diese Kombination aus klassischer Gesprächstherapie und der betreuten Einnahme von MDMA zeigte bereits mehrfach in kleineren und mittelgroßen Studien vielversprechende Ergebnisse. Als Vorbereitung auf eine groß angelegte klinische Studie wurde nun versucht, diese Heilungserfolge durch andere Therapeuten und in anderen Kliniken reproduzieren zu lassen. In insgesamt 12 amerikanischen und zwei kanadischen Städten wurden mehr als drei Dutzend Psychotherapeuten speziell fortgebildet, um insgesamt 37 Patienten (15 männlich, 22 weiblich) mit schweren PTBS zu behandeln. Das Therapiekonzept bestand dabei aus drei Vorbereitungstreffen, in denen die Probanden über die Zielsetzung und die erwartete MDMA-Wirkung aufgeklärt wurden, sowie drei MDMA-Erfahrungen mit jeweils drei Wochen Abstand und mehreren abschließenden Gesprächsstunden. Je nach Körpergewicht nahmen die Teilnehmer dabei zwischen 80 mg und 120 mg initialer Dosis und 40 bis 62,5 mg Booster-Dosis, etwa eineinhalb Stunden nach der ersten Dosis, ein. Während der MDMA-Wirkung sollten sie gezielt versuchen, sich bei geschlossenen Augen mit ihren Traumata

Foto: Pixabay

Neue MDMA-Studie bestätigt Nutzen bei ­posttraumatischer Belastungsstörung

und ihrer Erkrankung auseinanderzusetzen. In den Tagen nach jeder MDMA-Erfahrung gab es zusätzlich ein Integra­tionsgespräch, um die aufgetauchten, oft schwierigen Inhalte und das Erlebte noch einmal nüchtern einzuordnen. Die Ergebnisse der Studie waren äußerst positiv: Insgesamt 34 Patienten (92 %) zeigten deutliche Verbesserungen ihrer Symptome. Während etwa vor Beginn der Studie im Schnitt Trauma-Stärken mit 45 von 50 möglichen Punkten ermittelt wurden, reduzierten sie sich auf 13,5 Punkte beim Abschluss der Studie. Auch die Häufigkeit von Suizidgedanken verringerte sich deutlich von 51 % vor der Studie auf 13,5 % danach. Als Nebenwirkungen der MDMA-Einnahme wurden hauptsächlich Kopfschmerzen (68 %), Muskelverspannungen (49 %), Schlafstörungen (35 %) und auch ein kurzfristig erhöhtes Vorkommen an Suizidgedanken berichtet. Abschließend bewerten die Autoren die Studie als großen Erfolg, der die Reproduzierbarkeit der MDMA-gestützten Psychotherapie mit neu trainiertem Personal aufzeigt. Als Nächstes sollen groß angelegte Studien mit möglichst vielen Teilnehmern im Rahmen einer klinischen Phase-3-Studie folgen – einer der letzten Schritte vor einer möglichen Zulassung als staatlich anerkannte Therapieform.

92 Prozent der Patienten zeigten deutliche Verbesserungen.

Quelle: Wang JB, Lin J, Bedrosian L, et al. Scaling Up: Multisite Open-Label Clinical Trials of MDMA-Assisted Therapy for Severe Posttraumatic Stress Disorder. Journal of Humanistic Psychology. June 2021. doi:10.1177/00221678211023663


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Psilocybin-gestützte Psychotherapie hilft ­Krebspatienten bei Umgang mit Krankheit Die Konfrontation mit lebensbedrohlichen Krankheiten wie Krebs ist eine schwere Herausforderung und Bürde für alle Betroffenen. Insbesondere wenn keine realistische Chance auf Heilung mehr besteht, bedeutet eine solche Diagnose oft einen Verlust an Lebensmut und steigert die Gefahr von Depressionen und suizidalen Gedanken. Die Palliativmedizin unterstützt diese Patienten nach dem bekannten Motto: «Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben». Einige Mediziner sehen hier die Möglichkeit, auch mit psychedelischen Substanzen, wie etwa Psilocybin oder LSD, helfen zu können. Ein Team US-amerikanischer Wissenschaftler hat deshalb eine Studie gestartet, in der krebskranken Patienten die Teilnahme an einer psilocybingestützten Psychotherapie er­möglicht wurde. Dazu fanden sie insgesamt 11 Probanden (sieben Frauen, vier Männer), die sich bereiterklärten, eine mittelstarke psychedelische Erfahrung mit Psilocybin zu erleben und standardisierte Fragen zu ihrer emotionalen Gesundheit zu beantworten. Nach ausführlicher Aufklärung über die möglichen Wirkungen des Psilocybins gingen die Freiwilligen zunächst in drei klassische Gesprächstherapiestunden. In einer ersten Substanzsitzung nahmen sie anschließend unter Betreuung entweder Psilocybin (0,3 mg/kg) oder das aktive Placebo Niacin ein. Während der Sitzung waren sie angewiesen, möglichst mit geschlossenen Augen ruhig zu liegen, bei Wunsch Musik zu hören und in ihr Inneres zu schauen. Zwei Wochen nach dieser ersten Sitzung bekamen sie in einer zweiten

Substanzsitzung den jeweils anderen Stoff, um einen Wirksamkeitsvergleich zu ermöglichen. Abgeschlossen wurde die psychedelische Psychotherapie über drei weitere Gesprächssitzungen, in denen das Erlebte mit den Therapeuten besprochen wurde. Die Teilnahme an der Studie zahlte sich für die Teilnehmer aus. Während die Einnahme des Placebos keine signifikante Verbesserung der Lebensqualität hervorbrachte, zeigte sich nach der Psilocybin-Einnahme eine starke Verringerung der Suizidgedanken und der Gefühle von Hoffnungslosigkeit und Bedeutungslosigkeit. Diese Effekte zeigten sich unmittelbar nach dem Abklingen der Wirkung und konnten in einer Langzeitbefragung auch noch nach viereinhalb Jahren an den noch lebenden Teilnehmer*innen nachgewiesen werden. Diese Studie reiht sich ein in eine länger werdende Liste an modernen Untersuchungen, welche die psychedelische Psychotherapie als Hilfe bei existenziellen Ängsten und in der Palliativmedizin als wirksam einstufen. Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl mit geringer Diversität (mehrheitlich weiße, mittelständische Frauen um die 60 Jahre) sind die Autoren vorsichtig bei der Generalisierung der Ergebnisse und hoffen auf weitere Forschungen dazu in der Zukunft.

Es zeigte sich eine starke ­Verringerung der Suizid­ gedanken und der Gefühle von Hoffnungslosigkeit und Bedeutungslosigkeit.

Quelle: Stephen Ross, Gabrielle Agin-Liebes, Sharon Lo, Richard J. Zeifman, Leila Ghazal, Julia Benville, Silvia Franco Corso, Christian Bjerre Real, Jeffrey Guss, Anthony Bossis und Sarah E. Mennenga. «Acute and Sustained Reductions in Loss of Meaning and Suicidal Ideation Following Psilocybin-Assisted Psychotherapy for Psychiatric and Existential Distress in Life-Threatening Cancer». ACS Pharmacol. Transl. Sci. 2021, 4, 2, 553–562. https://doi.org/10.1021/acsptsci.1c00020


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Foto: Thomas Rojahn

PSYCHEDELIKATESSEN von Hans Cousto Hans Cousto ist Sachbuchautor, Musikwissenschaftler und Mitbegründer von Eve&Rave Berlin.

Die Kunst der Psychonautik

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ie Psychonautik ist das Erforschen der eigenen Psyche und des Unterbewusstseins, meist mit Hilfe von bewusstseinserweiternden Techniken wie Meditation oder Gebrauch psychotrop wirkender Substanzen in einem geeigneten Rahmen. Der Begriff Psychonautik wird in der Szene der Bewusstseinsforscher, die den Einsatz psychoaktiver Substanzen im Rahmen ihrer Studien für legitim halten und praktizieren, verwendet und findet immer mehr Zuspruch. Die Kunst der Psychonautik wird zumeist in ritualisierter Form durch erfahrene Psychonautiker an noch unerfahrene Interessierte weitergegeben. Die erste psyche­­delische Reise eines Psychonautikers hat oft den Charakter einer zeremoniellen Einweihung in zuvor nicht erahnte Dimensionen des Bewusstseins. Die durch transzendente, ekstatische und mystische Erfahrungen ausgelösten Wahrnehmungs- und Bewusstseinswandlungen, die durch eine Erweiterung der Wahrnehmung und des Bewusstseinszustandes gekennzeichnet sind, haben nicht selten prägenden Charakter für die Persönlichkeitsentfaltung. Der Gebrauch psychotrop wirkender Substanzen findet meist gemeinschaftlich in speziellen Kulturräumen wie zum Beispiel auf Festivals statt und die praktizierenden Psychonauten betrachten dies als festen Bestandteil ihrer Lebenskultur respektive ihres Kulturerbes. Die Kunst der Psychonautik wie auch die dazugehörigen Einweihungsriten werden bis heute in verschiedenen Szenen von einer Generation an die nächste weitergegeben. Die Riten werden von Gemeinschaften und Gruppen in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, ihrer Interaktion mit der Natur und ihrer Geschichte fortwährend neu ge-

schaffen und vermitteln den teilnehmenden Menschen ein Gefühl von Identität und Kontinuität. Auf diese Weise tragen unterschiedliche Riten für den Substanzgebrauch im Bereich der Psychonautik zur Förderung des Respekts vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität bei. Die Riten der Psychonautik sind ein immaterielles Kulturerbe. Die Lebensfähigkeit dieser Riten kann nur gewährleistet werden, wenn es für die Zelebrierung dieser Riten geschützte Räume gibt. Diese Gewährleistung ist heute bei weitem nicht überall gegeben, da in den meisten Staaten dieser Welt der Umgang mit psychotrop wirkenden Substanzen strafrechtlich verfolgt wird und Orte, wo diese Riten zelebriert werden, oft von der Polizei heimgesucht werden. Die Ursache hierfür ist, dass die Naturwissenschaft, insbesondere die Medizin, lange Zeit bewusstseinserweiternde Erfahrungen nur als rein subjektive Erfahrungen einstufte. Bis vor kurzer Zeit – mit wenigen Ausnahmen – waren sie einer anerkannten wissenschaftlichen Untersuchung nicht zugänglich, und über ihren Erlebniswert hinaus hatten sie für Schulmediziner bisher selten Bedeutung. Dass viele Mediziner die Ansicht vertraten, dass bewusstseinserweiterte Zustände als krankhaft zu betrachten seien, führte zur gesellschaftlichen Ächtung der psychonautischen Praktiken. In der jüngeren Vergangenheit fand jedoch ein Umdenken in fortschrittlichen Kreisen der Mediziner*innen statt. Immer mehr Ärzt*innen und Psychiater*innen beginnen die Werte der Psychonautik für das Wohlbefinden der Menschen zu erkennen. Psychonautik ist keine Krankheit, sondern eine für viele Menschen beglückende Kultur.

Psychonautische Riten vermitteln ein Gefühl von Identität und Kontinuität.


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Allheilmittel und die psychedelische Renaissance

Mystischer Eifer und Placebo-Effekt TEXT

P

Rick Strassman

sychedelische Drogen erleben eine Renaissance – oder besser gesagt eine Wiederauferstehung. Diese Drogen, zu denen LSD, DMT, Psilocybin und Meskalin gehören, wurden mindestens zwei Jahrzehnte lang als Wunderkinder der Psychiatrie betrachtet, beginnend Mitte der 1940er Jahre mit LSD. Die Entdeckung dieser Substanz leitete eine Ära der beispiellosen Erforschung und Anwendung der psychedelischen Wirkungen von LSD und anderen Psychedelika ein. Doch ebenso schnell beendete der USamerikanische und später der internationale Krieg gegen Drogen die therapeutischen und wissenschaftlichen Aktivitäten mit diesen Stoffen. In einem Papier von Forschern des US National Institute of Mental Health (NIMH) wurde sogar gefordert, die Erforschung einer Substanz, DMT, «anständig zu begraben». Die Wirkungen, die LSD in erstaunlich niedrigen Dosierungen induziert, und die Beziehung von LSD zu Serotonin – dem neu entdeckten ersten Neurotransmitter – waren Auslöser für die Entstehung eines neuen medizinischen Fachgebiets: der Psychopharmakologie, also der Lehre darüber, wie Sub­ stanzen den Geist beeinflussen. Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können. Der Zweite Weltkrieg neigte sich dem Ende zu, und die Psychiatrie benötigte, um der geplagten Bevölkerung zu helfen, weitere therapeutische Optionen neben der Freudschen Psychoanalyse, die zudem zeitaufwändig, teuer und von zweifelhafter Wirksamkeit war. Nun schien es, dass psychedelische Drogen die gleiche oder sogar eine bessere Wirkung auf eine Vielzahl

von psychischen Erkrankungen haben könnten, und auch die grundlegenden Mechanismen des Bewusstseins konnten besser verstanden werden. Während der ersten Welle des psychedelischen Enthusiasmus waren Wissenschaftler und Therapeuten meist gezwungen, innerhalb relativ enger Grenzen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu arbeiten. Wissenschaftliche Artikel und Bücher, Workshops und Konferenzen fanden außerhalb dieser Grenzen kaum Beachtung, und es gab nur wenige Artikel und Bücher, die für Laien geschrieben wurden. Allmählich gelangten die Psychedelika jedoch vom Labor auf die Straße, und der unbeaufsichtigte Freizeitkonsum nahm rasch zu – und damit auch die Aufmerksamkeit der Medien und der Regierung. Wie ich noch erläutern werde, verstärken Psychedelika mehr oder weniger die eigenen Glaubenssätze und Überzeugungen; im Grunde haben sie gar keine eigenen Eigenschaften, weder nützliche noch schädliche, weder fortschrittliche noch konservative. Letztlich wurden unzufriedene Jugendliche noch unzufriedener, die Hell’s Angels noch gewalttätiger, und Menschen mit einem introvertierten Charakter zogen sich in religiöse – meist östliche – meditative Selbstversunkenheit zurück. Mit zunehmender Verbreitung des Konsums nahmen psychiatrische Komplikationen bei psychisch Kranken weithin zu, und in den Medien erschienen alarmierende Berichte (die später widerlegt wurden) über Hirn- und Chromosomenschäden und Geburtsfehler. Es waren jedoch in erster Linie die sozialen

Im Grunde haben Psychedelika gar keine eigenen Eigenschaften.


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Unruhen, mit denen Psychedelika in den 1960er Jahren in Verbindung gebracht wurden – insbesondere die Opposition gegen den Vietnamkrieg –, die dazu führten, dass Psychedelika kriminalisiert wurden und aus der etablierten akademischen Forschung verschwanden. Nichtsdestotrotz wurde die Tierforschung kontinuierlich fortgesetzt und trug zu bedeutenden Fortschritten in der Psychopharmakologie bei, beispielsweise bei den SSRI-Antidepressiva und der nächsten Generation von Antipsychotika. Das erste Aufflackern der psychedelischen Renaissance konnte in den späten 1980er Jahren beobachtet werden, als die deutschen Forscher Leo Hermle und Kollegen eine Arbeit veröffentlichten, in der sie die Wirkung von Meskalin auf gesunde menschliche Probanden beschrieben. Bald darauf begannen unsere US-amerikanischen Arbeiten mit DMT. Diese Projekte erregten jedoch nie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, und die weitere Forschung in den USA kam nur langsam voran,

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nachdem die unsere beendet war: Psilocybin gegen Zwangsstörungen, Ibogain gegen Abhängigkeitsstörungen und MDMA-Gehirnuntersuchungen an gesunden Freiwilligen. Diese Studien basierten auf traditionellen biologischen und psychologischen Grundlagen. Sie stellten keine Behauptungen in den Raum, die nicht durch die Daten gestützt werden konnten, und – was noch wichtiger ist – sie waren nicht von missionarischem Eifer getrieben. Mit der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen einer Gruppe von Psychologen der Johns Hopkins University nahm das Tempo zu. Die Wissenschaftler behaupteten, Psilocybin könne eine «mystische Erfahrung» hervorrufen – eine der seltensten, erhabensten und begehrtesten Erfahrungen, die die Menschheit kennt. Außerdem könnten solche Erfahrungen sowohl denjenigen zugutekommen, die an psychischen Störungen leiden – Depressionen, Sucht und Verzweiflung am Lebensende –, als auch denjenigen, die einfach nur ihre Gesundheit verbessern }


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wollen – durch Meditation, Kreativität oder die Gestaltung wünschenswerter Persönlichkeitsmerkmale. Ein weiterer Wendepunkt, der bei der Wiederauferstehung der Psychedelika in der breiten Öffentlichkeit eine Rolle gespielt hat, war die Veröffentlichung der sehr lesenswerten, fesselnden Abhandlung über Psychedelika von Michael Pollan – einem populärwissenschaftlichen Autor ohne klinischen oder wissenschaftlichen Hintergrund. Pollans How to Change Your Mind, eine Beinahe-Hagiographie der Hopkins-Gruppe, trug ebenso dazu bei, das Interesse der Öffentlichkeit an den neuesten Heilmitteln der Heilmittel oder Wunderdroge? Foto: Adobe Stock Psychiatrie zu wecken, wie auch das Versprechen der Psychedelika, Gesundheit, Spiritualität und «Wellness» zu fördern, Wirksamkeit zeigte. Und schließlich lokalen Regierungen geführt, die eine breite Palette hat der hohe Tribut, den die Pandemie für die psy- von Psychedelika der Liste I aufgrund ihres «therachische Gesundheit gefordert hat, einen enormen peutischen Potenzials» und des geringen Risikos Bedarf an wirksameren Therapieoptionen für emo- «herausfordernder Wirkungen» entkriminalisieren. tionale Notlagen und Psychopathologie geschaffen. Und schließlich fließen angesichts der Tatsache, dass Ansonsten seriöse Forscher begannen, Psychede- übereifrige Forscher die Wirkungen dieser Wunderlika als «Entheogene» zu bezeichnen – also als Sub­ drogen als sicher und wirksam darstellen, enorme stanzen, die das «Göttliche im Inneren erzeugen» – Geldbeträge in die Kommerzialisierung von Psycheund trugen so zur Verherrlichung der potenziellen delika. Die kombinierte Wirkung dieser intellektuell nicht fundierten und Vorteile von Psychedelika bei. Neben der Anprei­klinisch rücksichtslosen Be­sung der allheilmittelwegungen wird wahrähnlichen Wirkungen scheinlich zu einer weiteder mystischen Erfahren Welle von «psychedelirung haben die Hopkinsschen Opfern» führen, wie Psychologen auch die potenziellen Risiken dieser sie in den 1960er und frühen 1970er Jahren zu verDrogen heruntergespielt. Sie taten dies, indem sie zeichnen waren. das gesamte Spektrum negativer Auswirkungen – von Jetzt, da der Geist aus der Flasche ist, erhebt eine kurzfristigen Ängsten während einer Drogensitzung Vielzahl von Interessengruppen Anspruch auf diese bis hin zu chronischen, unaufhörlichen Psychosen faszinierenden, aber mächtigen und unberechenbanach unkontrolliertem Drogenkonsum – als «heraus- ren Drogen. Besonders beunruhigend ist das, was ich fordernd» bezeichneten. Dies steht im Gegensatz zur als die «psychedelische Religion des mystischen traditionellen klinischen Terminologie, Bewusstseins» bezeichne. Der Grundladie von «unerwünschten Wirkungen» gentext dieser Bewegung ist das Buch spricht. Die von diesen Forschern entSacred Knowledge: Psychedelics and Religious wickelte klinisch-spirituelle FachspraExperiences (deutsch: «Heilige Erkenntche übertreibt die potenziellen Vorteile nis: Der psychedelische Weg zu Offenbaund minimiert die potenziellen Risirung und Heilung») von William A. ken, was sie zu dem Vorschlag veranRichards, dem leitenden Psychotheralasst hat, Psychedelika (in diesem Fall peuten an der Johns Hopkins. Richards, der sich seit Langem für die Seelsorge Psilocybin) von der Liste I in die Liste IV interessiert, machte seine erste psycheder kontrollierten Substanzen zu steldelische Erfahrung als Doktorand in len. Dies würde die Verschreibung die- William A. Richards. Foto: zvg Deutschland unter der Leitung von ser Drogen durch ein breites Spektrum Hanscarl Leuner, einem Psychiater, der unqualifizierter und ungeschulter medizinischer Fachkräfte erheblich erleichtern. Diese in Göttingen viel über psycholytische Therapie Ideen haben auch zu einem Laissez-faire-Ansatz der geforscht hatte. Richards war schon damals

Enorme Beträge fließen in die Kommerzialisierung von Psychedelika.


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Die Autoren beschreiben den Suizid als «nicht begeistert von dem Konzept einer universellen Religion, die auf einer universellen spirituellen Erfah- mit Psilocybin in Zusammenhang zu bringen». Der rung beruht. Dabei handelt es sich um die mystische Suizid steht jedoch eindeutig im Zusammenhang Einheitserfahrung, bei der sich das Selbstgefühl auf- mit dem Modell, das das Erreichen eines bestimmten Bewusstseinszulöst und mit einer inhaltsstands unter Ausschluss losen, nonverbalen, von anderer zum Ziel hat. Ehrfurcht erfüllten Ekstase Da dieses Ziel nicht verschmilzt. Weder Zeit erreicht wurde, beging noch Raum existieren, und der demoralisierte und gleichzeitig ist dieser entmutigte Patient Zustand von Bedeutung Selbstmord. Das Fehlen und Sinn durchdrungen. jeglicher Diskussion Richards’ frühe Drogenerfahrungen festigten diesen Glauben, denn er hatte über diesen Fall in der Literatur erweckt den genau diese Art von Drogenerfahrung. Nachdem er Anschein, als ob die Hopkins-Forscher und ihre in den 1960er Jahren seinen Doktortitel in Pädagogik Gefolgsleute ihn einfach unter den Tisch fallen lassen wollten. (nicht in Psychologie) erworben hatte, Historisch gesehen war es genau dieschloss er sich dem Forschungsproser Eifer, der zum Ende der Springjekt über psychedelische Drogen Grove-Studien führte, bei denen im Spring Grove State Hospital Richards’ Glaube an die wunderan, das mit der Universität von samen Kräfte der mystischen Maryland verbunden war. Erfahrung immer mehr an EinZunächst wurden diese fluss gewann. Diese Projekte bedeutsamen Erfahrungen erbrachten vielversprechende als «Peak» oder «psychedevorläufige Ergebnisse, die auf lisch» bezeichnet. Die Versuden Nutzen von LSD und andechung, in religiöses Vokabular ren Psychedelika bei der Behandund Begeisterung überzugehen, lung von Substanz- und Alkoholführte jedoch dazu, dass der Foto: iStock missbrauch und Verzweiflung am Begriff «mystisch» allmählich die Lebensende hinwiesen. Vorherrschaft erlangte. Nach einem Besuch von Mitarbeitern des NIMH, Wir alle sollten mit einer psychedelischen Droge die Erfahrung machen können, die wir wollen (oder bei dem über die weitere Finanzierung der Studien brauchen) – sei es eine spirituelle oder eine andere –, entschieden werden sollte, lehnte die Behörde eine frei von Werturteilen, die auf willkürlichen und reli- Verlängerung des Geldflusses ab. Einem verstorbegiös motivierten Wertehierarchien beruhen. Die nen ehemaligen Kollegen zufolge, der Mitglied des potenziell tödlichen Folgen, die sich aus der Festle- Teams gewesen war, lag dies daran, dass das Forgung eines bestimmten Ziels für die Behandlung mit schungsteam «religiös geworden war». Überzeugt psychedelischen Drogen ergeben, werden auf tragi- von der Wirksamkeit der mystischen Erfahrung, die sche Weise durch den Suizid eines Teilnehmers der durch Psychedelika hervorgerufen wird, waren sie Hopkins-Studie über Psilocybin bei terminal nicht mehr daran interessiert zu untersuchen, ob erkrankten Patienten von vor einigen Jahren veran- andere Mechanismen die Wirkung von Psychedelika schaulicht, bei der die Betonung der mystischen ebenso gut erklären können. Die Untersuchung anderer Mechanismen könnte nämlich Aufschluss Erfahrung das Ziel der Behandlung war. Dieser Patient erhielt eine sehr geringe, nicht darüber geben, wie diese Drogen am besten eingepsychoaktive Dosis Psilocybin als «Kontrolldosis». Er setzt werden können. Stattdessen suchte die Hopkins-Gruppe einfach hatte keine mystische Erfahrung und beging weniger als zwei Wochen später Selbstmord. Dieser Fall nach einer immer größeren Bandbreite von Zustänerscheint im letzten Abschnitt des nur online ver- den, bei denen sie glaubte, dass die mystische Erfahfügbaren Zusatzmaterials zu der veröffentlichten rung einen Nutzen bringen würde. Auf diese Weise findet keine wissenschaftliche Forschung statt, } Arbeit.

Wir alle sollten mit einer psychedelischen Droge die Erfahrung machen können, die wir wollen – frei von Werturteilen.


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Sakrament einer Religion?

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Foto: Adobe Stock

solche Tendenzen erwartet man dann eher von religiösen oder quasi-religiösen Bewegungen. In diesem Fall handelt es sich um die «psychedelische Religion des mystischen Bewusstseins». Glaube daran, und du wirst geheilt werden. Dies zeigt sich auch an der jüngsten Welle von kommerziellen psychedelischen Startups. Viele, wenn nicht alle Gründer, Geschäftsführer und Investoren sind Psychedelik-Enthusiasten – Menschen, die ihre eigenen intensiven und bedeutungsvollen Erfahrungen mit psychedelischen Drogen gemacht haben. Sie wissen, dass Psychedelika wirken, wollen diesen Segen verbreiten und wenn möglich gleichzeitig Geld verdienen. Das wichtigste In­ s­ trument, mit dem diese Sichtweise auf Psychedelika und allgemein auf Religion in der Wissenschaft propagiert wird, ist die von Richards und seiner Gruppe entwickelte Bewertungsskala, der Mystical Experience Questionnaire (MEQ). Diese Bewertungsskala ist in der Forschungswelt allgegenwärtig. In meiner Arbeit mit der

psychedelischen Gemeinschaft – sowohl im akademischen als auch im kommerziellen Bereich – ist der MEQ eines der Standardinstrumente, die zur Bewertung der Beziehung zwischen subjektiver Erfahrung und Ergebnis verwendet werden. Und so funktioniert es: Man durchläuft stundenlange Vorbereitungssitzungen mit einem Team von Therapeuten, die an die nahezu magische Heilkraft der mystischen Erfahrung glauben und einen ermutigen, ebenfalls daran zu glauben. Während der eigentlichen Drogensitzung machen sie einem Vorschläge, wie man diesen Zustand mit seinem veränderten Bewusstsein erreichen könnte. Nachdem die Wirkung der Droge abgeklungen ist, beantwortet man den MEQ, der die eigene mystische Erfahrung als «unvollständig» oder «vollständig» einstuft. Der MEQ misst sicherlich etwas, und die Ergebnisse korrelieren statistisch mit dem Nutzen unter einer Vielzahl von Bedingungen und Umständen. Denken wir jedoch an das Sprichwort: «Es gibt Lügen, es gibt verdammte Lügen, und es gibt Statistiken». Korrelation ist nicht gleichbedeutend mit Kausalität. Ein Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der Ratingskala und den Resultaten bedeutet nicht, dass die von den Forschern und Probanden gesuchten Erfahrungen, die mit dem Fragebogen gemessen werden, die Ursache für diese Ergebnisse sind. Es kann andere Erklärungen geben, von denen viele auf Erwartungshaltungen und Bestätigungsfehler der Forscher hindeuten; das heißt, sowohl die Forscher als auch die Probanden finden das, wonach sie suchen, weil das Experiment so konzipiert und durchgeführt wurde. Zum Beispiel verabreichte Euphrosyne Gouzoulis-­ Mayfrank in den 2000er Jahren normalen Freiwilligen DMT unter Anwendung des «psychotomimetischen» Modells. Diese Theorie besagt, dass Psychedelika eine temporäre Modellpsychose induzieren, eine Nachahmung eines natürlich vorkommenden psychopathologischen Zustands. Sie teilte ihren Probanden mit, dass DMT Symptome hervorrufen kann, die denen einer Psychose ähneln, und legte ihnen Bewertungsskalen zur Messung schizophrener Symptome vor. Es überrascht nicht, dass die Werte auf den Schizophrenie-Skalen als Reaktion auf DMT erwartungsgemäß anstiegen.

Die «psychedelische Religion des mystischen Bewusstseins»: Glaube daran, und du wirst geheilt werden.


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In einem therapeutischen Umfeld behandelten Abram Hoffer und Humphry Osmond in Saskatoon, Kanada, in den 1960er Jahren Alkoholismus mit LSD und nutzten dabei ein Modell, das dem der mystischen Erfahrung diametral entgegengesetzt ist. Sie waren der Ansicht, dass LSD in diesem Fall als probates Mittel wirken konnte, weil es einen unangenehmen Zustand hervorriefe, der dem des Delirium tremens ähnlich sei. Delirien sind außerordentlich unangenehm; viele Alkoholiker hören auf zu trinken, nachdem sie eines durchlebt haben. Die kanadischen Forscher glaubten, dass die Delirium-tremens-ähnlichen Effekte von LSD bei der Behandlung von Alkoholismus nützlich sein könnten. Und das taten sie auch. Es wird nicht angenommen, dass LSD ein Delirium tremens oder DMT Schizophrenie verursacht; die Forscher gehen vielmehr davon aus, dass die Drogen einen Zustand herbeiführen, der mit diesen psychiatrischen Syndromen vergleichbar ist. Auch wenn Probanden, die eine dieser Erfahrungen machen – eine mystische, psychotische oder Delirium-tremens-ähnliche –, davon profitieren können, sind diese Effekte möglicherweise auf die Wirksamkeit der Mimikry zurückzuführen. Die beobachteten Effekte bedeuten jedoch nicht, dass die Erfahrungen dieselben sind (DMT-Psychose, LSD-Delirien, Psilocybin-induzierte mystische Erfahrung). Diese Überlegungen werfen das Thema des Placeboeffekts auf, der meines Erachtens für das Verständnis der Wirkung von Psychedelika von grundlegender Bedeutung ist. Die Liste der Erkrankungen, bei denen Psychedelika hilfreich zu sein scheinen, nimmt kein Ende. Die akademische Forschung zeigt positive Auswirkungen auf Depressionen, Zwangsstörungen, Drogenabhängigkeit und Probleme am Lebensende. Darüber hinaus steigern sie das Wohlbefinden: Sie verbessern die meditativen Fähigkeiten, die Wertschätzung von Musik und Natur sowie das Engagement von Geistlichen in ihren Ämtern. Sogar die Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern verbessern sich! Eine solche Bandbreite ähnelt dem Wirkungsspektrum eines Allheilmittels. Und ein Allheilmittel beruht auf Suggestion und dem Placebo-Effekt. Die positiven Wirkungen, die wir bei Psychedelika beobachten, können zwar auf die wundersame Heilkraft einer mystischen, psychotischen oder deliranten

Erfahrung hinweisen, sie können aber auch ganz allgemein die Placebo-Wirkung von Psychedelika darstellen. Placebos gehören trotz aller Abwertung zu den mächtigsten Instrumenten der Medizin, da sie messbare objektive Hinweise auf eine Wirkung liefern. Unter anderem lassen sich Schmerzlinderung, Entzündungshemmung und antidepressive Wirkungen biologisch nachweisen. Placebos verändern objektiv die Funktion von Geist, Gehirn und Körper. Überraschenderweise wurden Psychedelika bisher noch nicht direkt auf placeboverstärkende Wirkungen getestet. Die jahrzehntelange Forschung zeigt jedoch, dass Psychedelika die hypnotische Suggestibilität erhöhen, das heißt, die geistigen und körperlichen Funktionen werden durch Suggestion in einem veränderten Bewusstseinszustand verändert. In diesem alterierten Zustand wird den Versuchspersonen gesagt, dass sich diese Funktionen verändern werden. Die Suggestibilität spielt also eine Rolle bei der Placebo-Reaktion. Und Psychedelika erhöhen die Suggestibilität. Probanden, die eine mystische Erfahrung suchen und sich darauf vorbereiten, werden im MEQ hohe Werte erreichen, diejenigen, die sich auf einen psychotomimetischen Zustand vorbereiten, werden einen solchen haben, und diejenigen, die delirienartige Zustände erwarten, werden das Gefühl haben, dass sie am Boden sind. Es sind also nicht die spezifischen inhärenten Eigenschaften der Psychedelika, die einen Nutzen erzeugen, etwas, das in ihre Pharmakologie eingebaut ist. Vielmehr ist es ihre Fähigkeit, bereits vorhandene mehr oder weniger bewusste Gedanken und Überzeugungen überzeugend und real zu machen – diese Überzeugungen und Erfahrungen «realer als real», unbestreitbar und sicher zu machen. Wenn ein bestimmter Zustand als heilsam angesehen und dann erreicht wird – und dies durch eine entsprechende Bewertungsskala bestätigt wird –, kann dieser Zustand meiner Meinung nach eine unspezifische Placebo-Reaktion auslösen. Jeder Zustand, der das Gefühl vermittelt, realer als real zu sein, kann auf die Aktivierung der Placebo-Reaktion hinweisen – die angeborenen Heilungsmechanismen des Geist-Gehirn-Komplexes. Diese unspezifischen Wirkungen werden anschließend in die gewünschte Richtung kanalisiert. Diese Richtung wird durch }

Ein Allheilmittel beruht auf Suggestion und dem Placebo-Effekt.


3 4 RICK STRASSMAN

die Erwartungen vorgegeben, die bei der Einnahme der Droge geweckt wurden, beispielsweise antidepressive Effekte, meditative Wirkung usw. Die eigentliche Brücke zwischen der Erfahrung und dem gewünschten Ergebnis ist jedoch unbewusst, wie es bei Placebos im Allgemeinen der Fall ist. Treten wir einen Schritt zurück und überlegen, ob ein subjektiver Effekt für den Nutzen psychedelischer Drogen notwendig ist – ein Thema, das hitzig diskutiert wird. Jüngste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass der zeitliche Verlauf der antidepressiven Reaktion auf Ketamin und Psilocybin Veränderungen der Neurogenese, bei der Stammzellen zu neuen Neuronen werden, und der Neuroplastizität, bei der die Verbindungen zwischen den Neuronen komplexer werden, entspricht. Wissenschaftler haben Wirkstoffe mit solchen neurologischen Eigenschaften entwickelt, die bei niederen Tieren nicht psychoaktiv wirken. Wenn diese neuen Verbindungen beim Menschen ebenfalls wirksam sind, könnten sie über Neuroplastizität und Neurogenese dieselben Gehirnschaltkreise aktivieren, die die Placebo-Reaktion vermitteln, und somit die Notwendigkeit einer besonderen subjektiven Wirkung umgehen. Es wäre keine Erfahrung erforderlich, sondern lediglich eine unbewusste Aktivierung der angeborenen Heilungsmechanismen des Gehirn-Geist-Komplexes. Wir hätten also «nicht-psychedelische Psychedelika». Eine solche Klasse von Präparaten wäre für die große Mehrheit der psychisch und/oder physisch kranken Menschen, die sich nicht auf einen starken Trip mit all seinen Risiken einlassen wollen, besonders attraktiv. Spezialisierte Therapeuten, Kliniken und potenziell lästige behördliche Auflagen wären nicht mehr erforderlich. Wenn diese Mittel wirksam sind, werden sie die Behandlungsmöglichkeiten erheblich vereinfachen. Wir wissen noch nicht, wie Psychedelika wirken. Obwohl sie für «Gläubige» attraktiv sind, können wir nicht sagen, dass ein bestimmter Bewusstseinszustand für ihre positiven Wirkungen verantwortlich ist, weder innerhalb noch außerhalb der Wissenschaft. Diejenigen, die Psychedelika wegen ihrer subjektiven Wirkung einnehmen wollen, werden dies

auch weiterhin tun, selbst wenn nicht-psychoaktive Substanzen ebenfalls hilfreich sind. Gleichzeitig besteht die Gefahr, in einen Fundamentalismus abzugleiten, der zu diktieren versucht, was als überlegene oder minderwertige Form jeglicher – insbesondere spiritueller/ religiöser – Erfahrung gilt. Dieser Fundamentalismus ist im Spiel, wenn der Vergleich religiöse Anschauungen verunglimpft, die andere Arten von Erfahrungen und Überzeugungen wertschätzen. Die Gefahr ist besonders groß, wenn sie durch beeindruckende Statistiken untermauert wird, die jedoch weder einen Kausalzusammenhang zwischen einem Zustand und einem gewünschten Ergebnis noch die Überlegenheit eines bestimmten Zustands im Vergleich zu einem anderen belegen.

Die Wirkung wird durch die Erwartungen vorgegeben, die bei der Einnahme der Droge geweckt wurden.

Rick Strassman Psychedelischer Forscher aus den USA. Studium an der Universität Stanford und am Albert Einstein College of Medicine der Universität Yeshiva. Rick Strassman lehrte und forschte zehn Jahre als Professor an der Universität New Mexico. Nach über zwanzig Jahren genehmigte und finanzierte die US-Regierung ihm als erstem Wissenschaftler klinische Forschungen mit psychedelischen Substanzen; bekannt sind seine bahnbrechenden DMT-Studien am Menschen. Heute betreibt er eine psychiatrische Praxis in Taos, New Mexico, und ist außerordentlicher Professor für klinische Psychiatrie an der Universität New Mexico. www.rickstrassman.com

DMT – Das Molekül des Bewusstseins US-amerikanisches Standardwerk über DMT und Rick Strassmans DMT-Studie am Menschen in den 90er Jahren. Das Buch erschien im Jahr 2000. Die deutsche Übersetzung ist im Schweizer AT Verlag erschienen.

DMT and the Soul of Prophecy Die Visionen der hebräischen Propheten – wie Hesekiel, Moses, Adam und Daniel – sind den Visionen der Probanden in Rick Strassmans DMT-Studien auffallend ähnlich. In diesem Buch widmet der Autor sich u.a. der Frage, ob DMT die Visionen induziert haben könnte. Inner Traditions, 2014.


Weed of Wonder Ein einzigartiges visuelles Kompendium zur Cannabis-Geschichte NEU

Die Sammlung des Hash Marihuana & Hemp Museum umfasst über 9000 Artefakte, die

von seinem Gründer Ben Dronkers in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen wurden. Sie veranschaulichen die jahrtausendealte Beziehung zwischen Mensch und Cannabis im Laufe der Jahrtausende.

Über 300 hochwertige Farbfotos und informative Texte führen durch die Höhen und Tiefen der Cannabis-Geschichte bis in die Gegenwart – von medizinischen Durchbrüchen bis zum Zusammenbruch der Prohibition, vom Industriehanf bis zum Freizeitkonsum. Cannabiskenner, neugierige Einsteiger, Aficionados der Gegenkultur und Hanfhistoriker

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werden dieses Buch genießen. Das Buch ist zudem in zwei Farbvarianten erhältlich. ISBN 978-3-03788-482-9 grün ISBN 978-3-03788-483-6 lila 288 Seiten, Format 25 x 25 cm, Hardcover, Englisch

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Lucys Rausch Nr. 13

«Bewusstsein ist der Hauptantrieb für alles, was ich tue» Ben Dronkers, der Gründer von Sensi Seeds, HempFlax und der Hash Marihuana & Hemp Museen, im Gespräch

B

en Dronkers, Jahrgang 1949, dürfte Cannabis-affinen Personen durchaus ein Begriff sein. Der niederländische Cannasseur ist nicht nur einer der international bekanntesten Geschäftsleute in der Hanfbranche, er hat als Aktivist in dieser Sparte auch dazu beigetragen, das öffentliche Bild der Cannabispflanze in positiver Weise zu prägen. Lucys Rausch sprach mit ihm über seine Liebe zum Hanf, über sein weltbekanntes Saatgutunternehmen Sensi Seeds und über Cannabis im Allgemeinen.

Wann und wie bist du der Cannabispflanze zum ersten Mal begegnet? Ben Dronkers: Das ist schon sehr lange her. Ich war gerade 17 geworden und war auf der Maasbrug in Rotterdam mit einem anderen Kerl, der ein Stück Haschisch dabei hatte. Ich hatte vorher noch nie

Beim ersten Mal ist man sich nicht wirklich bewusst, dass man high ist. etwas davon gehört. Der Typ drehte sich einen Joint und teilte ihn mit mir. Ich spürte durchaus was, wusste aber gleichzeitig nicht so recht, worauf ich achten sollte. Ich verstand jedenfalls nicht, was der ganze Wirbel darum sollte, denn ich fühlte mich vollkommen wohl. Ich war ein bisschen high, aber es war nicht so, als ob ich plötzlich betrunken geworden wäre, was ich ursprünglich erwartet hatte. Der erste Rausch war eine schöne Erfahrung, aber ich wusste nicht, was ich erwarten sollte. Erst beim zweiten oder dritten Mal kann man wirklich verstehen, was genau mit einem passiert. Beim ersten Mal ist man sich nicht wirklich bewusst, dass

man high ist. Das ist etwas, das man oft bei Leuten beobachten kann, die zum ersten Mal Cannabis konsumieren. Sie sind stoned, aber sie merken es nicht wirklich. In meinem Fall hing ich einfach auf der Brücke herum und fühlte mich sehr glücklich, dort zu sein! Es war großartig!

Wie kam es dann, dass du dich plötzlich für die Pflanze interessiert hast? Nun, eigentlich begann es schon viel früher. Als ich aufwuchs, war meine Mutter immer mit Pflanzen beschäftigt, und sie hat sich so gut um sie gekümmert, dass sie ständig blühten. Durch sie habe ich diese Liebe zu Pflanzen entwickelt. Man wird wirklich in den gesamten Wachstumsprozess einbezogen. Später entwickelte ich ein Interesse an der Züchtung, an der Kreuzung von Pflanzen, um spezifische Eigenschaften zu entwickeln, die zu den Klassikern führten, die für mich auch in den kommenden Jahrzehnten noch relevant und sehr wichtig sind.

Was hat dich dann dazu gebracht, dein Leben der Cannabispflanze zu widmen? Am Anfang habe ich mich nicht mit den Samen beschäftigt. Damals war der Cannabisanbau noch nicht so ausgeprägt wie in anderen Teilen der Welt, zum Beispiel in Jamaika, Afrika und den USA. Damals experimentierten wir mit den ersten Indoor-Anbautechniken, indem wir Kühlröhren in Form eines Tipis verwendeten, um zu versuchen, ein paar Knospen zu ziehen. Das Gras war nicht gut, aber es funktionierte. Dann begann ich, Samen aus verschiedenen Ländern mitzubringen. Für den Anfang aus Pakistan. Da fingen wir an, gute Ergebnisse zu erzielen. Und das war wirklich gutes Gras! Das war der große Wendepunkt. }


Lucys Rausch Nr. 13

Ben Dronkers im Hash Marihuana & Hemp Museum Amsterdam. Foto: zvg

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BEN DRONKERS

Ben Dronkers circa 1970 in Afghanistan. Foto: zvg

Ging es dann für euch los? Wie wurde das erste richtige niederländische Gras aufgenommen? In den ersten zwei bis drei Jahren, in denen ich Cannabis in Gewächshäusern anbaute, wollte das Gras niemand kaufen. Die Leute haben es nicht verstanden. Sogar in Amsterdam … Bis ich zu den Coffeeshops The Happy Family und Prix d'Ami in Amsterdam ging und sie dazu brachte, etwas von dem Gras in einer Papiertüte zu nehmen, mit den Worten: Ich will keine Bezahlung, wenn es nicht gut ist, aber wenn es euch gefällt, dann schon. Und als ich schließlich zum Prix d'Ami zurückkehrte, um zu fragen, was sie davon hielten, antwortete der Bud Tender: Der Vorrat ist schon lange weg! Die Leute kommen immer wieder und wollen mehr davon! Die US-amerikanischen Touristen wussten natürlich, was es war, das ich da anbot, aber die Holländer hatten bis dahin nur braunes thailändisches und afrikanisches Gras gesehen, das in Blöcke gepresst und getrocknet wurde. Als sie dann grüne Knospen sahen, wussten sie nicht, was sie damit anfangen sollten. Sie nannten es sogar Spinat. Bis sie schließlich bemerkten, wie schnell dieses neuartige Weed ausverkauft war. Von da an ging es Schlag auf Schlag. Sehr schnell wussten die Leute, wie gut das Gras war, und sie wurden so stoned, dass sie buchstäblich vom Hocker fielen!

Was hielten die Behörden von deiner neu entdeckten Leidenschaft? Nun … ich wurde ein paar Mal verhaftet. Viele Male sogar. Aber damals war das keine so große Sache. Selbst wenn man mit 10 bis 20 Kilo erwischt wurde, kam man nach zwei bis drei Tagen wieder frei. Aber da ich so oft verhaftet wurde, hatte ich auch die Zeit, die Texte des Opiumgesetzes zu studieren, um nach einem Weg zu suchen, nicht ins Gefängnis zu kommen. Dabei fand ich heraus, dass Cannabissamen von dem Verbot ausgenommen waren. In der Tat war die gesamte Cannabispflanze mit Ausnahme der Samen verboten. Daraufhin konsultierte ich einen sehr teuren Anwalt, um diese Henne- und Ei-Geschichte zu besprechen: Der Verkauf von Samen ist

Lucys Rausch Nr. 13

zwar legal, wie aber kann man sie produzieren, wenn man die Pflanze rein rechtlich gar nicht anbauen darf? Ich war der Ansicht, dass, wenn Samen legal sind, auch der Anbau von Cannabispflanzen für Samen legal sein müsse. Der Anwalt stimmte mir zu, und dies führte zu dem entscheidenden Moment, in dem ich die offizielle Erlaubnis erhielt, Cannabis für die Produktion von Samen anzubauen. Daraufhin erklärte ich bei der Polizei und den zuständigen landwirtschaftlichen Institutionen, dass ich Cannabissamen produzieren würde, und niemand konnte mir etwas entgegensetzen. Dies war die Gesetzeslücke, die es mir ermöglichte, mehr als zehn Jahre lang Cannabissamen zu produzieren und aufzubewahren, ohne dass jemand davon wusste. Ich konnte natürlich kein Gras anbauen, aber wir wissen ja, wie das läuft …

Auf diesem Weg kam es also dazu, dass du dein Leben der Cannabispflanze gewidmet hast. Es kann bei Cannabis recht schnell gehen, dass man sich in die Pflanze verliebt. Man geht wirklich eine Bindung mit diesem Gewächs ein. Es ist eine bestimmte Ebene des Bewusstseins. Früher habe ich einige sehr harte Zeiten durchgemacht. Es war meine Verbindung zur Pflanze, die mir geholfen hat, diese Phasen zu überstehen. Die Pflanze selbst half mir aus dieser dunklen Zeit heraus. Und an diesem Punkt beschloss ich, mich der Pflanze zu widmen und Cannabis zu züchten, so viel ich konnte. Der

Wenn ich die Felder mit den Hanfsämlingen zu Beginn des Jahres besuche, wird mir ganz warm ums Herz. Anbau der Pflanze führte uns zu unzähligen Entdeckungen: über ihre Geschichte, darüber, was sie den Menschen in den vergangenen Jahrhunderten gebracht hat, und über ihr unglaubliches Potenzial für die Zukunft. Diese Ebene des Bewusstseins, die ich über meine Beschäftigung mit der Cannabispflanze erreichen konnte, war und ist der Hauptantrieb für alles, was ich getan habe und weiterhin tue. Das ist ein wichtiger Teil auch der Entstehung des Hash Marihuana & Hemp Museums.

Und so entstand auch nach und nach das, was wir heute Cannabis-Szene oder Cannabis-Bewegung nennen. So ist es. Dabei haben wir damals sozusagen bei Null angefangen und fast täglich etwas Neues entdeckt.


Lucys Rausch Nr. 12

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Als das Internet aufkam, weitete sich dieser Entdeckungsprozess noch mehr aus, und er setzte sich fort, als ich begann, Gleichgesinnte aus der ganzen Welt zu treffen und viele Freunde zu gewinnen, zu viele, um sie hier zu nennen. Sie alle aufzuzählen, würde mehrere Seiten füllen! Ich glaube wirklich, dass mit dieser unglaublichen Pflanze ein gemeinsames Bewusstsein verbunden ist. Wenn ich zu HempFlax in Groningen fahre und die Felder mit den Hanfsämlingen zu Beginn des Jahres besuche, wird mir ganz warm ums Herz. Hektarweise wachsende Setzlinge zu sehen, erfüllt mich und die Vision, die ich von meiner Verbindung zu dieser Pflanze hatte. Auch heute noch setzen wir diese Vision um und tun unser Bestes, um so viele Samen wie möglich zu pflanzen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne!

Eben gerade haben wir schon kurz über die Hanfmu­ seen gesprochen, die du initiiert und aufgebaut hast. Warum hast du das erste Museum eröffnet, das sich dem Cannabis widmet? Cannabis und Amsterdam (und die Niederlande) sind untrennbar miteinander verbunden. In der Vergangenheit war dies vor allem auf den Hanf zurückzuführen, der als Rohstoff für die Herstellung von Segeln und Tauen in der Schifffahrt verwendet wurde. Dank dieser kleinen Pflanze – aus Russland importiert, aber auch von Bauern in Südholland in Kenneptuynen entwickelt – segelte unser kleines Land im «Goldenen Zeitalter» um die Welt. Im 17. Jahrhundert waren die Niederlande die wohlhabendste Nation der Welt. Es ist unglaublich, dass die Rolle des Hanfs in den meisten Geschichtsbüchern nicht erwähnt wird! Um dies zu ändern, arbeitet das Museum jetzt auch mit einer Hanfmühle nördlich von Amsterdam zusammen, in der die Besucher erleben können, wie die rohen Hanffasern früher für die florierende Segelmacherei verarbeitet wurden.

Die Amsterdamer Coffeeshops haben es allerdings zu internationaler Bekanntheit gebracht. In der Tat. Heutzutage haben die Niederlande natürlich einen internationalen Ruf, was den Freizeitkonsum von Cannabis und Haschisch angeht. Ich selbst war direkt an der Entstehung der niederländischen Toleranzpolitik beteiligt, indem ich die politischen Entscheidungsträger ständig herausforderte und durch kreatives Unternehmertum die Absurdität eines Verbots weicher Drogen in der Praxis aufzeigte. Auch wenn es lange her ist, dass die Niederlande eine Vorreiterrolle in Bezug auf die Einstellung zu Marihuana hatten, so waren sie doch einmal Vorreiter. Ich bin nach wie vor sehr stolz darauf, dass wir seit }

Ben Dronkers im Hash Marihuana & Hemp Museum Barcelona.

Foto: zvg


40 PSILOCYBIN-ZEN BEN DRONKERS

der Künstler Hanföl verwendet, um einigen Jahren den ehemaligen niedie Farbe zu verdicken. Viele derländischen Ministerpräsidenten Gemälde aus dieser Zeit wurden auf Dries van Agt, der in den 70er Jahren Hanftuch oder Leinwand (engl. candie niederländische Toleranzpolitik vas) gemalt, ein Wort, das sich von umsetzte, bei den Cannabis Culture cannefas (Cannabis) ableitet. KurzAwards begrüßen können. Diese um, dieses eine Gemälde veranPreise werden vom Museum an Einschaulicht die vielen Verwendungszelpersonen und Organisationen möglichkeiten der Pflanze. Und es verliehen, die sich für die Akzeptanz Gemälde aus dem Jahr 1660 von David ist ein wunderschönes Kunstwerk. von Cannabis in all seinen Formen Teniers dem Jüngeren (Ausschnitt) eingesetzt haben. Menschen wie Jack Herer, Hans Georg Behr, Wieso ist es für Hanffreunde Richard Branson, Frits Bolkestein, Ed Rosenthal und lohnend, eines der Museen zu besuchen? Henk de Vries haben den Preis bereits erhalten. Ein Besuch in Amsterdam oder Barcelona ist unvollständig ohne einen Besuch in unseren Museen. Eure Leser werden überrascht sein von der Vielseitigkeit Das klingt nach einer großen Leidenschaft. Es gibt keine Pflanze, die so vielseitig ist, eine so des Cannabis, einer Pflanze, die wie keine andere die wunderbare Geschichte hat und so viel Potenzial für Geschichte der Menschheit widerspiegelt und die die Zukunft. Ich habe mein ganzes Leben lang mit ein enormes Potenzial für eine bessere Zukunft hat. Cannabis zu tun gehabt und die Pflanze überrascht Auch und gerade in diesen Zeiten. mich immer wieder. Es gibt viele Missverständnisse, ungenaue Informationen und sogar unverhohlene Ihr habt kürzlich den Prachtband «Weed of Wonder» Lügen. Schreckliche Propaganda gegen eine Pflanze! herausgebracht, der zahlreiche Exponate der Museen Durch die Geschichten hinter den einzigartigen abbildet. Worauf darf sich der Leser bei dem Buch freuen? Objekten in unserer Sammlung können sich die Die Aufgabe des Museums besteht darin, die Menschen ihre eigene Meinung bilden. Geschichte von Cannabis und Hanf zu bewahren, seine vielfältigen Möglichkeiten aufzuzeigen und ein Quell der Information und Inspiration für kommende Was ist für dich das außergewöhnlichste Objekt in Generationen zu sein. Unser neues Buch soll den deiner Sammlung? Da gibt es so viel. Viele Dinge haben eine persönliche Leser*innen in aller Welt genau das vermitteln. Bedeutung für mich, wie all die Bücher, die von Cannabis­experten und neugierige Newbies werden berühmten Autoren und Freunden wie Jack Herer, Ed gleichermaßen entdecken, warum die Cannabis­ Rosenthal, Robert Clarke und vielen anderen signiert geschichte auch ihre Geschichte ist. Sie werden sich sind. Auf meinen vielen Reisen durch die ganze Welt, an diesem Coffeetable-Buch erfreuen, das Hunderte auf der Suche nach den besten Cannabissamen, habe von hochwertigen Farbfotografien von Objekten aus ich alle Arten von Pfeifen gekauft. Die größte und meiner Privatsammlung enthält, begleitet von einem attraktivste ist eine gigantische, schwere bleierne lebendigen und informativen Text, der durch die Pfeife aus Westafrika. Sie ist in Barcelona ausgestellt Höhen und Tiefen der Cannabisgeschichte bis zum und funktioniert immer noch perfekt, das weiß ich heutigen Tag führt. Ich hoffe, dass die Lektüre dieses aus erster Hand (lacht). Mein absoluter Favorit ist Buches die Menschen dazu inspiriert, das Wissen jedoch das Gemälde aus dem Jahr 1660 von David über und die Liebe zu dem Wunderkraut zu teilen Teniers dem Jüngeren, einem Zeitgenossen von Rem- und zu verbreiten. brandt. Es ist in Barcelona ausgestellt. Es zeigt Menschen, die um einen kleinen Tisch herum sitzen und gemeinsam Cannabis rauchen, was in den Niederlanden zu dieser Zeit eine ziemlich übliche Beschäftigung war. Interessant ist, dass die Protagonisten Klei- Hash-, Marihuana- & Hemp-Museum Amsterdam/ dung aus Hanf tragen und auf dem Tisch Papier liegt, Barcelona (Hrsg.) das damals ebenfalls aus Hanf hergestellt wurde. In Weed of Wonder der Nische an der Wand dahinter befindet sich eine 288 Seiten, über 300 Fotos, englische Ausgabe kleine Flasche mit Hanföl, das damals als Brennstoff ISBN 978-3-03788-482-9 grün für Lampen verwendet wurde. Möglicherweise hat ISBN 978-3-03788-483-6 lila


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Visionäre Renaissance 2.0 Filip Zárubas digitale Kunst INTERVIEW

Claudia Müller-Ebeling

F ilip Záruba, 1977 in der ehemaligen Tschecho­slowakei geboren, realisiert seine Visionen als digitaler Künstler im Nordosten von Tschechien. Im Interview enthüllt er uns den digitalen Quantensprung einer neuen Renaissance. Voilà – Einblicke ins Homeoffice einer Generation zukünftiger 3D-Künstler*innen. Claudia Müller-Ebeling: Welche künstlerische Ausbildung liegt deinem aktuellen Werk zugrunde? Filip Záruba: Als Kind besuchte ich acht Jahre lang eine musisch orientierte Schule, wo ich Flöte und die bildnerischen Techniken des Malens und Bildhauens erlernte. Ich mochte es sehr, Bilder zu malen. Im Gymnasium aber faszinierten mich besonders Graffiti und 3D-Computeranimationen. Doch diese Techniken wurden an keiner Kunstakademie gelehrt. Daher entschloss ich mich zum Filmkunst-Studium an einer Filmhochschule. Dies ist in diesem Sinne keine Universität, sondern eine Mischung aus Gymnasium und Universität, die in Tschechien «höhere Berufsschule» genannt wird. Es dauert zwei Jahre bis zum Abschluss. Das war für mich sehr hilfreich, denn dort lernte ich, wie man eine Szene komponieren und korrekte Lichter setzen kann, die der Realität entsprechen – was mir für 3D-Grafik sehr nützlich war. Konkrete Techniken habe ich mir selbst beigebracht. Obwohl ich keinen Abschluss habe, habe ich später Vorlesungen über 3D-Grafik und Animation an der Multimedia-Abteilung der Technischen Universität Brünn und der Universität Ostrava gehalten. Und anschließend gründete ich

mit Freunden ein professionelles 3D-Animations-Studio. Mit achtzehn realisierte ich dann erste Animationen fürs Fernsehen.

Welche Themen interessieren dich speziell in deinem Kunstschaffen? Derzeit vor allem die visionäre Kunst und auch fotorealistische Arbeiten mit ökologischen Botschaften und zu aktuellen Themen. Bislang entstanden Hunderte abstrakte Werke und viele, die von Science-Fiction oder Cyberpunk inspiriert sind.

Mein größter Held und wichtigstes Vorbild ist Leonardo da Vinci.

Hast du spezielle Vorbilder oder Helden im Bereich der Kunst aus der Vergan­ genheit und in der Gegenwart?

Mein größter Held und wichtigstes Vorbild ist unzweifelhaft Leonardo da Vinci. Seine Kunst und umfassende Neugier, sein tiefes Wissen und seine vielfältigen künstlerischen Techniken verehre ich sehr. Zudem inspirieren mich viele zeitgenössische Künstler: Alex Grey, Android Jones, Robert Venosa, Roman Villagrana, Carey Thompson, Justin Totemical, Banksy, George Atherton, Fabian Jimenez, Krystle Marie Smith, Amanda Sage, Peter Westerman, Olivia Curry, Andrew Gonzalez, Luke Brown, Joshua Levin, Salvador Dalí, Victor Vasarely, Frantisek Drtikol, Frantisek Kupka – um nur einige zu nennen. }


Guardian of the God Molecule

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Wenn es um Künstler aus meinem Land geht, bewundere ich Alfons Mucha, Frantisek Kupka und vor allem Frantisek Drtikol sehr. Drtikol war nicht nur ein großartiger Fotograf und Maler, sondern auch ein inspirierender spiritueller Lehrer, dem es gelang, in einen Zustand des Nirwana zu kommen. Dies hatte großen Einfluss auf seine Kunstwerke.

Welche Materialien und Techniken setzt du meist ein? Ich bin ein digitaler Künstler, daher nutze ich meist die 3D-Software Lightwave 3D. Damit erstelle ich zuerst digitale Skulpturen, um 3D-Modelle zu erschaffen, mit denen ich arbeiten möchte. Dann folgt die zweite Phase, in der ich die virtuelle 3D-Ka-

Legendäre Auktionshäuser wie Christie’s und Sotheby’s verkaufen neuerdings überaus erfolgreich NFTs. mera positioniere, die Szene definiere, 3D-Modelle arrangiere, Oberflächen und Strukturen für alle Objekte auswähle und dann mit virtuellen 3D-Lichtern 'male'. Dieses 'Bild' speichere ich schließlich in separaten Schichten ab, damit ich mehr Kontrolle über das Ergebnis habe. Dann folgt der letzte Schritt: die Postproduktion und abschließende Verfeinerung aller Schichten mit Hilfe von Adobe After Effects. Mein Werk Guardian of the God Molecule von 2021 besteht zum Beispiel aus 35 verschiedenen Schichten! Jedem Detail kann ich den letzten Schliff geben. Ich kann Farben, Sättigung und Transparenz ändern, neue Elemente hinzufügen und retuschieren, damit das Endergebnis schließlich gedruckt werden kann, wofür verschiedene Materialien in Frage kommen: Leinwand, Glas, Metall, Holz etc. Oder ich kann es zur 3D-Animation nutzen, Musik unterlegen und es als Videokunst publizieren. Dabei stellte sich allerdings das Problem, dass digitale Kunstwerke nicht die Kriterien eines Originals erfüllen – denn es sind lediglich Drucke oder Kopien. Doch das hat sich neuerdings geändert – dank der revolutionären NFT-Technik, mit deren Hilfe ich nun Eins-zu-Eins-Originale kreieren und zu angemessenen Preisen verkaufen kann. Als NFT wird es auf der Blockchain des Ethereum-Netzwerkes gespeichert und seine Besitzer*in kann problemlos nachweisen, dass er oder sie autorisierter Eigentümer des Kunstwerkes ist. Ich kann es also verkaufen und prozentuale Anteile aller Verkäufe

Macrodose

beanspruchen. Das NFT kann weder verändert noch gelöscht werden, da es auf Blockchain sicher gespeichert ist. Legendäre Auktionshäuser wie Christie’s und Sotheby’s verkaufen neuerdings überaus erfolgreich NFTs. Das ist natürlich großartig – und revolutionär für digitale Künstler*innen wie mich. Aber auch viele Künstler*innen im herkömmlichen Sinne, wie etwa Alex Grey und Damien Hirst, nutzen diese Technologie. Noch sind nicht viele Menschen damit vertraut, aber ich denke, sie wird die Zukunft der Kunstwelt maßgeblich verändern. Ich scheue mich nicht, dies als neue Renaissance [2.0] zu bezeichnen.


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Was sind NFT und Ethereum? NFT steht für «non-fungible token». So ist zum Beispiel der Euro «fungibel». Wenn du mir einen Euro gibst und ich dir einen Euro zurückgebe, hat sich nichts geändert, wir haben beide immer noch einen Euro. Die Münzen sind fungibel, sie repräsentieren dasselbe und haben denselben Wert. Nicht fungibel bedeutet, dass jeder Jeton einzigartig ist, er hat einen eigenen Inhalt und Wert. Man kann sie nicht wie Euros tauschen. NFT wurde erstmals 2015 im Ethereum-Netzwerk eingeführt, der Boom kam aber erst in den letzten Jahren. Inzwischen bieten auch viele

andere Blockchains wie Solana, Tezos, Cardano, Flare oder Polygon die NFT-Funktionalität an. NFT können alles repräsentieren: Kunst, Fotos, Videos, Musik, Vermögenswerte in Spielen, Abonnements für Dienstleistungen und vieles mehr. Die beiden bisher höchsten NFT-Verkäufe sind die Sammlung Lost Poets von Pak für 70 Millionen US-Dollar und Everydays: the First 5000 Days des Künstlers Mike Winkelmann alias Beeple für 69,3 Millionen US-Dollar. Es gibt viele Marktplätze, auf denen man NFT kaufen oder verkaufen kann. Die besten kuratierten Plattformen sind SuperRare, Nifty Gateway und }


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Madre Ayahuasca

MakersPlace. Ich verkaufe auf MakersPlace und Foundation. Das NFT-Verkaufsvolumen stieg im dritten Quartal 2021 auf 10,7 Milliarden US-Dollar und hat sich damit im Vergleich zum Vorquartal mehr als verachtfacht, wie aus den Daten des Marktforschungsunternehmens DappRadar hervorgeht, da die Begeisterung für Kryptowährungen neue Höchststände erreicht hat. Ethereum ist dezentrale Datenbank, Plattform und Weltcomputer zugleich. Jeder kann darauf zugreifen, jeder kann Daten wie NFT auf der Blockchain speichern. Sie ist völlig offen und transparent.

Niemand besitzt Ethereum, und daher kann es auch niemand kontrollieren, verändern oder stoppen. Aber niemand kann später etwas in der NFT löschen oder verändern. Sie wird permanent geschrieben und auf Tausenden von Computern gleichzeitig gespeichert. Wenn ich also eine NFT erstelle und sie mit meinem eigenen kryptografischen privaten Schlüssel signiere, kann jeder sehen, dass ich es bin, der das Kunstwerk erstellt hat. Später kann ich diese NFT an einen Sammler verkaufen, und der Sammler kann beweisen, dass er/sie der einzige Besitzer des

Kunstwerks ist. In der realen Welt kann jeder ein Bild der Mona Lisa haben (ausgedruckt oder auf einem Computer gespeichert), aber nur der Louvre ist Eigentümer des Originals. Derselbe Mechanismus ist nun in der digitalen Welt dank der NFT-Technologie möglich. Der ganze Sinn von Ethereum ist, dass es dezentralisiert ist. Niemand besitzt es und daher kann es auch niemand kontrollieren, verändern oder stoppen. Dies wird durch die Verwendung kryptographischer Beweise erreicht.

Treffen Begriffe wie Gemälde oder Bild, Malerei, Graphik, Zeichnung dann noch immer zu – oder ziehst du andere Bezeichnungen vor? In der Tat sind Malerei oder Gemälde nicht mehr adäquat, weil ja keine malerische oder zeichnerische Technik mehr involviert ist. Ich ziehe daher Kunstwerk oder piece of art vor [wofür es kein Äquivalent im Deutschen gibt, denn Kunststück ist etwas gänzlich anderes].

Den Bildern deiner Website-Galerie hast du ausführli­ che Informationen beigefügt. Auf welchem Wissens­ fundus beziehungsweise auf welchen Quellen basieren deine Texte, beispielsweise der zum aztekischen Gott Quetzalcoatl als Info zu deinem Werk Guardian of the God Molecule? Welche Bücher, Autor*innen oder Hinweise von Expert*innen hast du dafür konsultiert?


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gut aussehen lassen, was sollte ich hinzufügen oder entfernen? Und dann kommt plötzlich der Fluss und ich mache einfach weiter und beende es.

Auf deiner Webseite nennst du psychoaktive Substan­ zen, die deine Arbeit inspiriert haben – wie etwa das kristallisierte Sekret der Kröte Bufo alvarius oder 5-MeO-DMT. Darf ich diese Inspirationsquellen nennen – und falls ja, wie wichtig sind sie für dein künstlerisches Schaffen? Ja, natürlich, das ist kein Geheimnis! Psychedelika sind für mich essenziell, und ich gebe mir große Mühe, die Menschen über ihre Vorteile und ihren sicheren Gebrauch aufzuklären. Ich bin Gründungsmitglied des Vereins Asaya, dessen Ziel es ist, transpersonale Psychologie, Schamanismus, Mystik, neue

Die ergiebigste Inspirations­ quelle ist für mich Ayahuasca. Es beschert mir immer eine Flut visionärer Ideen.

Tigrehuasca

Ich besitze viele Bücher und Filme zur Mythologie und Geschichte, die dabei für mich hilfreich waren. Aber ich nutze auch Wikipedia und andere Online-Quellen, um sicherzustellen, dass meine Infos korrekt sind.

Hast du detaillierte Bilder vor Augen, bevor du beginnst, oder vertraust du dich einfach dem kreativen Fluss an? Ja, meist steht mir alles konkret vor Augen, bevor ich ein neues Kunstwerk beginne. Doch manchmal stellen sich im Verlauf des Prozesses auch neue Ideen ein – und dann folge ich einfach dem Fluss der Inspirationen. Es gibt jedoch Tage, an denen ich nur eine einfache Idee im Kopf habe und nicht das komplette Kunstwerk. An diesen Tagen wende ich genau das Gegenteil an. Ich erstelle eine sehr grobe Skizze, die ziemlich schlecht aussieht. Dann schaue ich sie mir an und versuche zu überlegen, warum sie schlecht aussieht, was fehlt ihr, wie könnte ich sie

Paradigmen in der Wissenschaft und psychedelische Forschung zu fördern. Asaya organisiert Veranstaltungen, Konferenzen, Workshops, veröffentlicht Bücher und produziert Filme über Psychedelika. Die ergiebigste Quelle für meine kreative Inspiration ist Ayahuasca. Es beschert mir immer eine Flut visionärer Ideen, wenn ich das Gebräu trinke, und gelegentlich stellt sich sogar die endgültige Version vor meinem inneren Auge ein. Dann muss ich nichts mehr ändern oder hinzufügen, sondern kann mit meinen digitalen Tools einfach das verwirklichen, was ich visionär in meiner Erinnerung abgespeichert habe. Natürlich ist das stets eine Herausforderung, und ich kann nicht immer punktgenau reproduzieren, was mir vor Augen schwebt. Ich kann mich immer nur wieder darum bemühen und dabei stets neu lernen ... Zudem kommt mir etwas zugute, was ich schon als Kind kannte: Synästhesie, wobei ein Sinn gleichzeitig andere Sinne stimuliert. So sehe ich beispielsweise Töne und fühle sie dann auch in meinem Kopf. Das ist natürlich auch ohne Psychedelika sehr inspirierend. Ich brauche also nur gute Musik zu hören, und sogleich entfalten sich wunderbar farbige abstrakte Muster in meinem Gehirn. Und das nutze ich natürlich auch für meine Kunst. Filip Záruba: filipzaruba.com Claudia Müller-Ebeling: claudia-mueller-ebeling.de


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Silvia Dreyer: Ohne Titel TEXT

I

Claudia Müller-Ebeling

m abstrakten Bild ohne Titel dringt Licht durch Dunkelheit. Ein blau-grün gefiederter Flügelschlag fördert überraschend gelbgleißende Gefilde zutage, die sich als Vibrationen des Lebens mit weißen Reflexen und blütenzarten Mauve-Tönen nach rechts bewegen. Die feine weiße Wellenlinie links über der Bildmitte suggeriert eine magisch rasante Bewegung, weil sie impulsiven Parallelschwüngen zustrebt, die wie Tang von einer Strömung erfasst werden und die schwangere Wölbung pflanzlich und tierisch erahnter Lebensformen präzise umgrenzen. Diese zugleich zarte und präzise Welle mündet in einer Schleife und treibt eine Wurzel nach unten. Sie lenkt und verankert unseren Blick im Bannkreis parallel blauer Pinselschwünge, die oberhalb als Flügel anmuten und unterhalb wie Schwanzfedern wirken. Im unteren Bilddrittel gründen die ‚Schwanzfedern‘ in blaustrudelnden wässrigen Sphären. Oben durchschneidet der hingehauchte Flügel vage amorphe Dunkelheit, die ringsum alles umgibt und sich links oben in Finsternis verdichtet.

Silvia Dreyer (Jg. 1966) studierte Kunst und Germanistik in Greifswald und widmet sich seit Kurzem ihrer Kunst. Die freischaffende Künstlerin lässt Pinsel und Farben frei fließen, gespannt auf das, was spontan geschieht und anschließende Verdeutlichung suggeriert. Sie verzichtet generell auf Titel, um individuelle Entdeckungsreisen und Inspirationen – wie meine oben beschriebene – zu ermöglichen. Eine Intention, die sie mit vielen KünstlerInnen der Moderne verbindet. Ihre Kunst öffnet Räume für vielfältige Interpretationen und persönliche Intuitionen, die gleichermaßen möglich, wahr und wirklich sind. Ein wunderbar befreiendes künstlerisches Credo in unserer global vernetzten Welt, in der dogmatische Meinungen zunehmend eindimensionale Deutungshoheit beanspruchen und ‚AbweichlerInnen‘ ausgrenzen. Ihre dezidiert klare und von Willensstärke zeugende Pinselführung fasziniert und begeistert mich. Wahrlich ermutigend in verwirrenden Zeiten.

Dreyers Kunst öffnet Räume für vielfältige Inter­ pretationen und persönliche Intuitionen.

Weitere Bilder siehe: www.silviadreyer.de www.claudia-mueller-ebeling.de


Lucys Rausch Nr. 13

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5 2 DR DR OG O EGN E NAU AU F FR ERIESIESN EN

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DROGEN AUF REISEN TEIL 7: DIE EIDECHSE

Guatemala TEXT

Stefan Haag

LAGO DE ATITLÁN, GUATEMALA. «In drei Stunden ist's zu schaffen», ermutigte mich Juan, der freundliche Busfahrer, als ich an einem kühlen Novembermorgen den zum Bersten vollen Bus von Guatemala City nach Panajachel, dem einzigen per Straße erreichbaren Ort an Guatemalas Naturschönheit, dem Lago Atitlan, bestieg. Und während ich mich mit meinem Gepäck in den Fußraum vor mir hineinzwängte, klopfte mir der Chauffeur aufmunternd auf die Schulter: «Sofern alles gut geht, Gringo!». Diese Anmerkung hättest du dir irgendwie sparen können, Amigo. Denn ich weiß ganz genau um Guatemalas traurige Berühmtheit, was spektakuläre Bus-Unfälle und -Überfälle betrifft – sie hat dem Land sogar einen Eintrag im «Guiness Buch der Rekorde» beschert. Und ich wusste auch, dass besonders diese Busroute betroffen war, weil sie erstens durch Rebellengebiete führt, sich zweitens meist betuchte Ausländer an Bord befinden und last but not least der Straßenzustand im Hochland Guatemalas nur noch vom

technischen Zustand der darauf verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittel unterboten wird. Ich versuchte zu verdrängen, was alles schiefgehen könnte, und überraschte den offenbar immer grinsenden Maya-Nachfahren am Steuer mit meiner spanischen Lieblingsfloskel: «La Esperanza es la sal da vida», was «die Hoffnung ist das Salz des Lebens» bedeutet und hier in fast jeder Situation Sympathie und Zustimmung findet. Ist ja auch was dran. Juanito war auf jeden Fall höchst erfreut, das von einem Gringo zu hören, und nickte anerkennend. Dann bekreuzigte er sich dreimal und küsste eines der vielen Heiligenbilder, mit denen er – nebst einem guten Dutzend Kruzifixe – sein rudimentäres 50er-Jahre-Cockpit in einen Altar verwandelt hatte. Dann rief er salbungsvoll und voller Inbrunst: «Dios es nuestro luz!», Gott ist unser Licht, und startete den alten Nachkriegs-Diesel. Respekt! Hier hatte die Inquisition aber mal funktioniert. Die Strecke von Guatemala City zum Atitlán-See ist spektakulär. Sie führt in engen, teilweise schwin­ delerregenden Serpentinen durch mit Dschungel


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und Kaffeeplantagen überzogene Vulkanlandschaften, gelegentlich unterbrochen von kleinen indigenen Dörfern und häufig verziert mit Kreuzen am Straßenrand. Ich wollte gar nicht so genau wissen, warum die da stehen. Aber keine Frage, hier hat Gott ganze Arbeit geleistet. Was für ein schönes Land! Glücksgefühle durchströmten mein Gemüt, während die grob 50-köpfige Restbelegung des Busses in stoischer Ruhe vor sich hin döste. Plötzlich unterbrach eine Vollbremsung das allgemeine Chillen. Polizeikontrolle. Unangenehm. Für die einen weniger, für die anderen mehr. lch hatte etwas Gras und ein, zwei Restnasen Koks in einer Zigarettenschachtel in der Hosentasche. Damit sollte man sich in Guatemala besser nicht erwischen lassen, und ich versteckte es sicherheitshalber unter dem Sitz vor mir, wo ein betagtes Mütterlein mit zwei Enkelkindern und einem Hühnerstall kauerte. Unnötige Aktion. Die Bullen interessierten sich nicht für die Passagiere; sie interessierten sich eigentlich für überhaupt nichts, außer den Geldschein, der ihnen unser bis eben noch so fröhlicher Pilot aus welchem Grund auch immer zustecken musste.

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Mit einem lauten Fluch über die Mutter des korrupten Polizisten, der einem echten Christenmenschen wie unserem Busfahrer eigentlich gar nicht über die Lippen hätte kommen sollen, setzte er unsere Fahrt fort, die keine zehn Minuten später von der längst erwarteten ersten technischen Panne, einem lapidaren Plattfuß, erneut unterbrochen wurde. Juanitos Laune wurde dadurch nicht besser. Seine Flüche dafür umso derber. Da hat er was zu beichten am Sonntag! Reifenwechsel im nun auch noch einsetzenden Tropenregen. Zwar keine einfache Sache bei so einer alten Kiste, aber für unseren angepissten Fahrer Business as usual. Ein paar Passagiere scharten sich jedenfalls gute Ratschläge erteilend um ihn, während er unentwegt weiter fluchte und das Radkreuz keuchend schwang. Ich nutzte unterdessen die allgemeine Aufregung, um wieder in den Besitz meiner versteckten Vorräte zu gelangen und mir einen kleinen unverhofften Rauch im Tropenregen zu gönnen. Juans anvisierte drei Stunden waren inzwischen vorbei, und wir hatten gerade die Hälfte der 130-Kilometer-Strecke bewältigt. Es sollten dank zwei }


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DR O G E N AU F R E I S E N

weiteren uniformierten Wegelagerer-Checks insgesamt deren sechs werden, bis wir endlich in den Busbahnhof Panajachels einbogen. Juanitos Anspannung war verflogen: «Gracias a Dios!» Alles wieder gut gegangen. Lago Atitlán – See des ewigen Frühlings. Schon die Mayas verehrten diesen bezaubernden Ort, wo sich gleich drei Vulkane im strahlenden Dunkelblau des riesigen Atitlán spiegeln. Kein Wunder, dass ich nicht der erste Ausländer bin, der sich hierher verirrt hat, wo sich entsprechend der Schönheit der ­Gegend eine bestens ausgestattete Rucksackreisenden-Industrie etabliert hat. Und das bedeutet, grob und leicht überspitzt gesagt, billige Unterkünfte, internationales Junkfood und mit Sicherheit gleichgesinnte Leute. Denn wo die Rucksäcke unterwegs sind, sind auch die Drogen nicht weit. Hauptdroge in Guatemala ist allerdings ganz legal der allgegenwärtige Kaffee, dicht gefolgt vom Alkohol – das Feuerwasser erlaubt ihnen ja ihr lieber Gott. Bei den illegalen Drogen steht an erster Stelle das Kokain. Kolumbien ist nah, Guatemala ein wichtiges Transitland gen USA und der Stoff entsprechend billig. Zehn Dollar das Gramm. Ungestreckt natürlich, denn wer streckt, riskiert sein Leben. Die Ober- und Mittelschicht sind verrückt nach Koks, und die Armen in den Slums sind es auch. Die einen in die Nase, die anderen in die Lunge. Und dann kommt mal lange nichts, und dann finden sich schließlich auch ein paar einheimische Kiffer, vor allem unter den schwarzen Guatemalteken, die sich gewöhnlich als «Rastas» betrachten oder durch ihr Äußeres wenigstens den Anschein erwecken wollen. Denn Rasta kommt gut an in der Traveller-Szene. Und das nicht nur bei alleinreisenden liebesbedürftigen Exemplaren der Damenwelt, sondern eben auch, wenn es um die ersten Drogen-Connections irgendwo in der Fremde geht. Es

gilt die einfache Regel: Rastaman kann helfen! Mir half er jedenfalls unzählige Male aus der Klemme. Daher einmal einen Dank an dieser Stelle an alle Rastamänner dieser Welt. Allerdings: Da Rastaman meistens völlig klamm ist und – machen wir uns nichts vor – Weiße per se auch nicht sonderlich mag, bescheißt er einen allerdings auch gerne mal. Und das geht ganz besonders einfach bei schnellen Drogengeschäften auf der Straße. Auch da tappt man immer mal wieder in die Falle. Böser, böser Rastaman! In Guatemala allerdings eher nicht, da sind auch die auf Touristen spezialisierten Rastas eher anständig, wie ich sogleich feststellen durfte. Denn noch im Busbahnhof Panajachels wurde ich von einem im mäßig gelungenen Jamaika-Dialekt angesprochen: «Hola, Mister! How da morning? You need hotel, restaurant, tourist guide?» Standardprogramm, gefolgt von meiner Standardantwort: «Nö. Ich suche was zu rauchen!» Immer gleich klare Verhältnisse schaffen! Das kam auch wie immer gut an: «Smoking good, man!» Er konnte oder wollte mir allerdings nicht hier an Ort und Stelle helfen, weil zu gefährlich, aber Edmondo, so stellte er sich schließlich vor, habe da einen «good friend in San Pedro», den solle ich besuchen. Dann drückte er mir einen Werbezettel in die Hand, auf dem in einem halben Dutzend Sprachen «Willkommen im El Lagarto Loco» und darunter die schlichte Adresse «San Pedro La Laguna» stand. San Pedro La Laguna liegt auf der gegenüberliegenden Seeseite und war von vornherein schon als mein Ziel angedacht. Ich musste nur einen kurzen Blick ins Internet werfen, dann wusste ich schon, wo ich hinwollte, und Edmondos heißer Tipp kam mir gerade recht. El Lagarto Loco. Ha! Die verrückte Eidechse. Was für ein geiler Name! Gefiel mir unbesehen. Ein Rastaman, ein Wort, ein See, ein Boot – und


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pünktlich zum Sonnenuntergang erreichte ich San Pedro la Laguna, am Fuße des majestätisch emporragenden gleichnamigen Vulkans. San Pedros Hauptzweck, das ist nicht zu übersehen, ist der Anbau und Verkauf von Kaffee, und zwar, wie in Lateinamerika üblich, die Arabica-Sorte. Der berühmte «Hochlandkaffee». Für jemanden wie mich, der Espresso liebt, die beste Sorte – die am Atitlán-See inzwischen sogar «kontrolliert und fair und unter biologischen Bedingungen» angebaut wird, was in erster Linie den Verzicht auf Sklaven, Pestizide und Kunstdünger bedeutet. Der fruchtbare vulkanische Boden kommt ihnen da sicher entgegen, der ist Nährstoff pur für jede Pflanze. Auch Höhenlage (1500 Meter) und das Klima (feucht und trotzdem niedere Luftfeuchtigkeit) haben einen positiven Einfluss auf gesundes und üppiges Wachstum der Kaffeesträucher. Das ist offenbar die optimale Umgebung für diese Pflanze, und so braucht sie eben auch keine Gifte aus dem Hause Bayer, um prächtig zu gedeihen. Und was die vermeintlichen Sklavenbedingungen in den Plantagen anbetrifft: Der Kaffee-Anbau erfolgt hier, auch das ist in Lateinamerika inzwischen vielerorts Usus, in sogenannten Cooperativas, in der alle Bauern der Region gemeinsame Sache

El Lagarto Loco. Die verrückte Eidechse. Was für ein geiler Name! Gefiel mir unbesehen. machen. Reich wird davon keiner, aber genug zu essen, ein bescheidenes Häuschen mit TV und einem Moped davor hat jede Kaffeebauernfamilie. Schnell merkt man, das sind alles liebe und brave Menschen, die fleißig ihrer Arbeit nachgehen und deren Kinder noch gerne die Schule besuchen. Inzwischen war es dunkel geworden, und eine frische Brise wehte vom Atitlán herauf. Kleine Pause vor dem Dorfladen und Smaltalk mit dem netten Verkäufer. Die Straße hatte sich inzwischen prall gefüllt und das ganze Dorf schien nun unterwegs zu sein. Aber nicht – wie ich zuerst annahm –, um sich zum in Lateinamerika üblichen Freitagabend-Besäufnis in der eh nicht vorhandenen Dorfkneipe einzufinden. Nein. Freitag ist der Tag des Herrn, und der tritt in Guatemala in unzähligen Formen und Religionsgemeinschaften auf. Und Punkt acht Uhr war San

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Pedros Dorfstraße wie leergefegt, und aus jedem zweiten der vielleicht hundert Häuser San Pedros drang nun huldvolle Musik und religiöser Gesang. Neben der katholischen und evangelischen Kirche, die sich schon seit Jahrhunderten um das Wohlergehen der indigenen Seelen sorgen, buhlen auch beschwörende Zeugen Jehovas, versteckte Mormonen, singende Bethel-Christen, Anglikaner und bestimmt noch ein halbes Dutzend weiterer Glaubensgemeinschaften um die Gunst der Menschen hier, denen nebst ihrem Fleiß offensichtlich auch ein tiefer Wunsch nach Religiosität innewohnt. Im Grunde egal, wer da was predigt. Ich musste schmunzeln und an meinen Busfahrer denken: Gott ist halt ihr Licht. Wohl dem, der das von sich sagen kann. Endlich das «Lagarto loco», wie es mit geschwungenen Buchstaben auf dem weißen Kalkputz des kleinen Hauses am Seeufer geschrieben stand. Die sanfte Brise des Abends hatte sich in einen handfesten Sturm verwandelt und durch das kleine Fenster an der Hausfront drang Jimmy Cliffs «Many Rivers to Cross». Ich klopfte an die massive eisenbeschlagene Holztür und ein hageres Gesicht streckte sich mir durch das Fenster entgegen. Mein erster Gedanke: «Marty Feldman als Igor in Tanz der Vampire». Mein zweiter: «Wow! Die Eidechse!» Und – wow! – sie trug auch noch meinen Namen: Estéban. Er begrüßte mich freundlich und gewährte mir Einlass in seinen Tempel. Ich ahnte, dass hier anderen Göttern gehuldigt werden sollte. Andächtig betrat ich die heilige Halle, die vor allem durch ihre architektonische Bescheidenheit und rauchgeschwängerte Luft bestach, und ließ mir von Estéban, der einzigen anwesenden Person, das einzige zur Verfügung stehende Zimmer zuweisen. Keine Frage, Estéban war eine Eidechse. Das Gesicht, der Blick und wie er um die Ecke huschte, alles erinnerte tatsächlich an ein Reptil, und dass er nicht nur etwas «loco» war ... nun ja, auch das sollte sich dann recht schnell herausstellen. Verrückt vor allem nach und von und durch Kokain. Ich habe auf all meinen Reisen wahrlich genug Kokainisten erlebt und war selber dem Stoff lange genug viel zu sehr ergeben, aber die Eidechse Estéban toppte (fast) alle und alles. Okay, es wurde klar, woauf das hier herauslaufen würde, und ich fügte mich nicht wirklich schweren Herzens meinem Schicksal, welches seine Ouvertüre landestypisch mit einer «Negro y Blanco», also }


Fotos: iStock, Adobe Stock

einem kleinen Kaffee und einer fetten Line auf dem Tresen nahm. Und was soll ich sagen? Selten so ein feines Koks geschnupft wie dieses. Selbst in Kolumbien nicht. Estéban war Profi und überaus großzügig, und Estéban war, wie ich langsam zu ahnen begann, schwul und einsam und hoffte offenbar, in dem alleinreisenden Herrn mittleren Alters einen Gleichgesinnten gefunden zu haben. Ist nicht der Fall, aber ich merkte es an seinem Blick, der zuvorkommenden Art, der Art wie er lachte ... Man(n) spürt es einfach. Die verrückte Eidechse ist eigentlich eine schwule. Deshalb das komische Grinsen vom Kaffee­ mann, als ich nach dem Weg hierher fragte, deshalb vielleicht auch keine Gäste in der eigentlich geräumigen Bar. Homosexuelle werden nämlich bei den guten Christenmenschen hier zutiefst verachtet und oft übelst gemobbt und auch Drogenkonsument *innen genießen übrigens einen denkbar schlechten Ruf. Estéban war beides und daher einsam, und gleich gepolte Ausländer waren seine einzigen Freunde und wahrscheinlich auch Bettgenossen. Was soll’s? Macht mir nichts. Ich kenne genug Schwule und mag die meisten davon. Solange er mir keine K.O.-Tropfen … Tat er nicht. Er versuchte es mit seinem peruanischen Kokain. Und als er nasal keine Fortschritte erkennen konnte, zog er seine Wasserpfeife zu Rate, die er mit Asche und kleinen beigen Steinchen füllte: Kokain-Base.

Nachdem er sich gierig einen tiefen Zug in die Lungen gepresst hatte, reichte er mir die Pfeife. Dann klingelte es in den Ohren, und es folgte ein Blackout für fünf Minuten. Da hätte er zugreifen können. Tat er aber nicht, denn eigentlich war Estéban das, was fast alle Eidechsen und Schwule übrigens auch sind: völlig

Wir rauchten im Zehn-Minuten-­ Takt. Estéban war der Hohe­ priester, und nur er bereitete die Pfeife zu. harmlos. Aber Scheiße, die Pfeife hatte es mir angetan (und es sollten im Übrigen viele Jahre verstreichen, bis ich mich davon endgültig fernhalten konnte). Allerdings änderte sie sehr zu Estébans Enttäuschung nichts an meinen sexuellen Neigungen. Lo siento, Kollege, tut mir leid. Wir rauchten im Zehn-Minuten-Takt. Estéban war der Hohepriester, und nur er bereitete die Pfeife zu. Die Steine wurden größer und größer und die Eidechse mit jeder neuen Dosis geiler. Er wollte mich ficken. Ganz klar. Er sprach es nicht aus, stattdessen berichtete er mir von seinen amerikanischen Amigos, die ihn öfters «besuchten» und offenbar aufgeschlossener waren und mit denen er wohl auch einschlägige Geschäfte betrieb. Denn mit der Vermietung eines Zehn-Dollar-Zimmers und einer leeren Bar kommt man nicht weit. Auch in Guatemala nicht. Zehn Dollar Tageseinnahmen? Das verraucht Estéban in einer Stunde – wenn er allein ist. Mit mir ging es noch deutlich schneller, was die Eidechse aber nicht kümmerte. Er hatte wohl genug davon. Wie offenbar auch von seiner Kleidung, die er irgendwann abzulegen begann, um mir stolz seine mächtige Koks-Latte zu präsentieren.


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Hola die Waldfee! Wie ist denn der drauf? Darauf schnell der nächste Rauch. Und nun nahm die Szene geradezu kafkaeske Züge an, denn plötzlich stand da nicht ein nackter notgeiler, deutlich unterernährter Guatemalteke mit steifem Gemächt, nein, Estéban verwandelte sich in einen nackten Leguan mit braun glänzenden Leguan-Schuppen, während die Zunge Witterung aufnehmend hin und her schnellte. Und erst diese Augen! Diese Hallu war zu echt und zu grotesk, und als mich die Eidechse aufforderte, nun doch ebenfalls meine Kleidung abzulegen, beschloss ich, besser den geordneten Rückzug anzutreten. Ist halt nicht mein Ding mit einem Typen, auch nach 15 bis 20 Pfeifen nicht. Estébans Enttäuschung war nicht zu übersehen, wähnte er sich doch schon kurz vor dem Ziel, und seine schmierige Freundlichkeit war augenblicklich gänzlich verschwunden. Jetzt war er nur noch ein wechselwarmes Reptil mit kaltem Blick, das mein 50-Dollar-Kompensationsangebot für verbrauchtes Kokain meinerseits und entgangene Freuden seinerseits überheblich ablehnte. Ich gab sie ihm trotzdem, während er sich den nächsten Stein auf die Asche legte und mir danach

cannabis

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die Pfeife demonstrativ nicht mehr weiterreichte. Und ich hätte sie auch nicht genommen. Typisch Crack. Scheiß-Gift. Erst war alles so nett und irgendwie magisch, und jetzt herrscht nur noch die pure Antipathie. Scheiße! Unter Kiffern geht es einfach relaxter zu. Womit wir beim nächsten Problem angekommen wären, denn vor lauter Kokaingier hatte ich natürlich ganz vergessen, etwas zum Kiffen zu organisieren, mitunter eines der besten Mittel überhaupt, dem Kokswahn zu entrinnen. Das ist in Guatemala auch schon unter deutlich weniger prekären Umständen nicht immer ganz einfach, aber um Mitternacht in San Pedro de Laguna einfach ausgeschlossen. Es sei denn, man fragt die beleidigte Eidechse, die noch immer unbekleidet an ihrer Pfeife klebte und mich keines Blickes mehr würdigte. Das tat ich nicht, sondern schloss mich paranoid in meinem Zimmer ein. Scheiße. Irgendwie alles aus dem Ruder gelaufen. Hätte ich ihn halt rangelassen ... lucys-magazin.com/autoren/Haag/


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Die vierte Welle Psychedelische Renaissance in der Wissenschaft Über die Geschichte psychedelischer Drogen – und wie sie in der Psychologie eingesetzt werden könnten TEXT

D

Adrian Norz

rogen waren immer schon Teil der menschlichen Kultur. Manche sagen sogar, dass die menschliche Kultur nur aufgrund von Drogen entstanden ist. Laut der «Stoned Ape Theory» ist der Zuwachs an Hirnmasse bei Menschen gegenüber Menschenaffen ein Resultat der kumulativen Neurogenese über Generationen hinweg, die durch natürlich vorkommende psychedelische Substanzen (Psilocybin, DMT usw.) ausgelöst wurde. Der Evolutionsbiologe und Autor Josef Reichholf propagiert in seinem Buch Warum die Menschen sesshaft ­wurden, dass das Errichten einer Brauerei, in der man gemeinsam Feste und Rituale unter Alkohol­einfluss feierte, die erste sesshafte Ansiedlung von Menschen gewesen sei und damit die neolithische Revolution eingeleitet habe. Auch wenn diese beiden Theorien weit hergeholt wirken, könnte doch ein Fünkchen Wahrheit in ihnen stecken. Ein handfesterer Beweis für den Drogenkonsum früher Menschen ist beispielsweise einer der ältesten Funde von Drogenparaphernalia, bestehend aus Pfeifen und den Samen der Anadenanthera-Pflanze (eines DMT-haltigen Hülsenfrüchtlers), die in den Pfeifen geraucht wurden. Der Fund wurde auf 2130 v.Chr. datiert (Torres C. 1995). Wohin man auf der Welt auch blickt, es ist schwer, eine Kultur zu finden, in der gar keine Drogen konsumiert werden. In einem Online-Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt Josef Reichholf: «Schamanen benutzten sie selbst zum Erreichen ekstatischer Zustände, und bei besonderen Anlässen gönnten sie davon der Gemeinschaft. In

Die hier vorgestellten Studienergebnisse repräsentieren nur einen Bruchteil der Forschung, die in den letzten Jahren stattgefunden hat. Dieser Artikel soll lediglich einen Vorgeschmack darauf geben, wie man in Zukunft psychische Krankheiten behandeln könnte, wenn man psychedelische Drogen nüchtern und evidenzbasiert betrachtet. Die Heilungschancen, wie sie im Folgenden beschrieben werden, beziehen sich ausschließlich auf Psychotherapie in Verbindung mit psychedelischen Substanzen. Die Einnahme von Psychedelika ohne Vor- und Nachbereitung mit qualifizierten Therapeuten birgt ein hohes Risiko der Symptomverschlimmerung. Von einer Selbsttherapie mit Psychedelika ist daher strengstens abzuraten!

der Kältesteppe des Eiszeitlandes behalf man sich mit Pilzdrogen, weiter südlich gedeihen Hanf und Hopfen, in noch wärmeren Regionen Beeren und natürlich Weintrauben. Im Osten beginnt mit dem Mohn die «Opiumzone», am Rand des Indischen Ozeans wachsen Betelnuss und Khat, in Mittelamerika der Peyote-Kaktus und in Südamerika der KokaStrauch.» Während es zahllose Studien über Alkohol- und Tabak-Konsum und deren Auswirkungen gibt, war es jahrzehntelang still rund um psychedelische Drogen. Psychedelika wurden durch internationale Verträge aufgrund nationaler Interessen, vor allem wegen des Kriegs gegen Drogen in den USA, weltweit illegalisiert. Damit wurde auch die Erforschung von LSD (und ähnlich interessanten Substanzen wie Psilocybin, MDMA und Ketamin) in den Untergrund verdrängt. Der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn scheint seither in diesem Bereich zu stagnieren, obwohl LSD in den ersten Jahren nach seiner }


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Entdeckung als ein Wundermittel für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychologie betrachtet wurde. Um die Diskrepanz zwischen Lobpreisung in der Wissenschaft und Panikreaktion in der Politik zu erklären, müssen wir den Weg zu unserem aktuellen Wissen über psychedelische Drogen etwas genauer betrachten. Ethnobotaniker, Autor und Drogenforscher Markus Berger hat in einem Beitrag in seiner YouTube-Serie Drug Education Agency das Wissen der westlichen Kultur über Psychedelika in vier Wellen gegliedert:

Die erste Welle

Schamanischer und religiöser Gebrauch Zur Veranschaulichung des schamanischen Gebrauchs im Folgenden einige Beispiele:  Der Peyote-Kaktus, dessen Hauptwirkstoff das Meskalin ist, wird schon seit 5700 Jahren von den Ureinwohnern Mexikos für Rituale verwendet (El-Seedi et al. 2005).

 Als eleusinische Mysterien wird eine Reihe von Initiations- und Weiheriten im antiken Griechenland bezeichnet, die einige Jahrhunderte lang zelebriert wurden. Dort reichte man ein Getränk, dem vermut-

Das Wissen über die Kultur der Drogen blieb für die Industrienationen verschlossen. lich psychedelische Drogen zugesetzt waren (Mutterkorn wäre eine naheliegende Möglichkeit, es erzeugt Räusche ähnlich dem LSA, Lysergsäureamid) (Ott 1996).  Teonanacatl ist die aztekische Bezeichnung für Psilocybe mexicana (Magic Mushrooms), wörtlich übersetzt heißt es «Fleisch der Götter», was den rituellen Gebrauch der Pilze sofort erkennen lässt. Während diese Pilze in Süd- und Mittelamerika bevorzugt


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genutzt werden, verwendet man in Europa den Fliegenpilz, der laut der nordischen Mythologie einen direkten Bezug zu Odin/Wotan hat: Der Gott der Ekstase und der Erkenntnis reitet zur Wintersonnenwende zur Jagd aus. Dort, wo das Gemisch aus rotem Blut und weißem Geifer seines Pferdes auf die Erde tropft, sprießen neun Monate später, zur Zeit der Tagundnachtgleiche, Fliegenpilze (Amanita muscaria) aus dem Boden. Verzehrt man diese Pilze, kann man direkt mit Odin/Wotan in Kontakt treten.  Im Amazonasgebiet wird von Schamanen ein Getränk namens Ayahuasca («Liane der Seele») aus der Liane Banisteriopsis caapi zubereitet, welches dann von den Ritualteilnehmern getrunken wird. Die genaue Zusammensetzung von Ayahuasca ist je nach Rezept unterschiedlich. Die beiden wichtigsten Komponenten sind jedoch meistens dieselben: Dimethyltryptamin (DMT) als Hauptwirkstoff und ein Monoaminooxidasehemmer (MAO-Hemmer),

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der nötig ist, damit sich die Wirkung des DMT bei oraler Einnahme überhaupt entfalten kann. Was all diese schamanischen und religiösen Praktiken eint, ist die strenge Kontrolle der Substanzen durch den Schamanen, Druiden oder Priester: Sie werden nur zu speziellen Anlässen gereicht – um mit Göttern oder der Natur selbst zu kommunizieren, um persönliche Probleme gemeinsam mit dem Seelsorger zu lösen oder Ursachen für eine körperliche oder geistige Krankheit zu klären. Diese Stoffe stellen in vielen Naturreligionen ein Sakrament dar. Das Wissen über die jahrhundertealte Kultur rund um psychedelische Drogen blieb für die Industrienationen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verschlossen. Spanische Kolonialmächte hatten im Auftrag der katholischen Kirche die Verwendung von psychoaktiven Pilzen in Latein- und Mittelamerika mit der Todesstrafe belegt und diese Praktiken damit in die Geheimhaltung und in den Untergrund verbannt. }


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Die zweite Welle Erstes Erwachen

Die Wissenslücke der Europäer wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend geschlossen. Das erste Psychedelikum, das jemals in Reinform isoliert wurde, war Meskalin. Dies gelang 1897 dem deutschen Chemiker Arthur Heffter. 1918 wurde es dann von Ernst Späth synthetisiert, und 1954 schrieb Aldous Huxley in seinem Werk Die Pforten der Wahrnehmung über seine Erfahrungen mit der Substanz. Gut zehn Jahre vor Huxleys Veröffentlichung, 1943, entdeckte Albert Hofmann die Wirkung des LSD. Ab 1949 wurde es vom Hersteller Sandoz unter dem Namen Delysid als Psychotomimetikum an Psychiater verkauft, was eine Forschungswelle auslöste. Passie et al. (2008) schreiben dazu: «Es wurde in den 1950er und 1960er Jahren als experimentelle Droge in der psychiatrischen Forschung zur Erzeugung sogenannter ‹experimenteller Psychosen› durch Veränderung des Neurotransmittersystems und in psychotherapeutischen Verfahren ‹psycholytische› und ‹psychedelische› Therapie) eingesetzt. [...] Die (psycho-)pharmakologische Forschung zu LSD war umfangreich und führte zu fast 10 000 wissenschaftlichen Arbeiten.»

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1957 titelte dann das Magazin Life: «The discovery of mushrooms that cause strange visions», «Die Entdeckung von Pilzen, die seltsame Visionen hervorrufen». Im Artikel «Seeking the Magic Mush­ room» («Auf der Suche nach dem Zauberpilz») ging es um die Curandera Maria Sabina (Curandera = mexikanisch für Schamanin, Priesterin, Heilerin) und um die Pilze, die sie verwendete, um Rituale im Einklang mit dem katholischen Glauben durchzuführen. Sie hatte die Techniken und Gesänge von ihrem Vater und Großvater erlernt; die Pilze bezeichnete sie als «Heilige». Der Artikel löste einen Hype aus. Durch diese und ähnliche Berichte über Naturdrogen bei anderen Ethnien sowie erste Zeitungsberichte über die aktuelle Forschung mit LSD erfuhren die Menschen im Westen erstmals von dieser «neuen» Art Drogen. Bis dahin waren LSD und Meskalin fast ausschließlich in kleinen Forscherkreisen bekannt. Dieses neue Wissen in der Bevölkerung und die unbedachten Handlungen einzelner Forscher (siehe nächster Abschnitt) führten schon bald dazu, dass das LSD aus dem sicheren Umfeld der Laboratorien in die Hände von Laien geriet. }


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Die dritte Welle

Ankunft in der westlichen Gesellschaft und Verbot Der wohl bekannteste Forscher, der in diesem neuen Bereich der Psychologie Pionierarbeit leistete, war Timothy Leary.   Als hochangesehener Mitarbeiter und Dozent für Psychologie in Harvard (1959–1963) kam er dort zuerst in Kontakt mit Psilocybin, später auch mit LSD, und begann mit den Substanzen zu forschen. Allerdings entsprachen seine Forschungsmethoden nicht den wissenschaftlichen Standards, da Forschende und Probanden die Substanzen gemeinsam einnahmen und der wissenschaftliche Output im Vergleich zur Häufigkeit der «Experimente» sehr gering erschien. Seinen zweifelhaften Ruhm erwarb sich Timothy Leary erst nach seiner Harvard-Zeit – als Anführer und Ikone der Hippie-Bewegung. Er hatte sich durch die mächtige Wirkung dieser Substanzen dazu hinreißen lassen, die wissenschaftliche Methodik zu vernachlässigen und negative Erlebnisse von Probanden zu unterschlagen. Er verteilte LSD an jeden, der sich dafür interessierte, und sein Fokus verschob sich immer mehr in Richtung Gesellschaftswandel. Wenn also davon die Rede ist, dass das LSD aus dem Labor entwichen sei, so ist das nur die halbe Wahrheit. Es wurde vielmehr von verschiedenen Personen (allen voran Timothy Leary) bewusst in großen Mengen verteilt und im ganzen Land verbreitet. Dies geschah ohne den nötigen Respekt und die notwendige Vorsicht, die man solch mächtigen Substanzen entgegenbringen sollte. Learys Aufruf, LSD zu nehmen und aus der Gesellschaft auszubrechen («Turn on, tune in, drop out»), machte ihn in den Augen des damaligen US-Präsidenten, Richard Nixon, in der Zeit des Vietnamkrieges zum «gefährlichsten Mann in Amerika». LSD-Konsum als politisches Statement gegen die Kriegsdoktrin der USA: Diese Gegenkultur galt es in Nixons Augen zu bekämpfen. Im Juni 1971 rief er den «War on Drugs» aus, der bis heute auf der ganzen Welt erbarmungslos geführt wird. Nixons Chefberater, John Ehrlichman, gab später in einem Interview zu: «Wollen Sie wissen, worum es hier wirklich ging? Die Nixon-Kampagne von 1968 und das Weiße Haus von Nixon hatten zwei Feinde: die linke Antikriegsbewegung und die Schwarzen. Sie verstehen, was ich damit sagen will. Wir wussten, dass wir es nicht illegal machen konnten, entweder gegen

den Krieg oder schwarz zu sein, aber indem wir die Öffentlichkeit dazu brachten, die Hippies mit Marihuana und die Schwarzen mit Heroin in Verbindung zu bringen, und dann beides stark kriminalisierten, konnten wir diese Gemeinschaften zerschlagen. Wir konnten ihre Anführer verhaften, ihre Häuser durch-

Die Erforschung der Psychedelika endete so schnell, wie sie begonnen hatte. suchen, ihre Treffen auflösen und sie Abend für Abend in den Abendnachrichten verunglimpfen. Wussten wir, dass wir bei den Drogen gelogen haben? Natürlich wussten wir das.» Mit dem War on Drugs wurde Albert Hofmanns «Wunderkind» LSD schlagartig zum Sorgenkind, auch in der Wissenschaft. Leary war zum Hippie geworden und wurde aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft ausgestoßen; offizielle Forschung mit Psychedelika war nicht mehr erlaubt, die Substanzen waren von da an verpönt. So endete die Erforschung psychedelischer Drogen genauso schnell, wie sie begonnen hatte. Für eine detaillierte Historie zum Werdegang und zur Rolle der Psychedelika in Gesellschaft und Wissenschaft ist Michael Pollans Buch How to change your mind (2018) wärmstens zu empfehlen. }


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Die vierte Welle:

Renaissance in der Wissenschaft Was hat sich in den Jahrzehnten seither getan? Bis in die 1990er Jahre geschah nicht viel. Michael Pollan fasst die Situation folgendermaßen zusammen: «Dann geschah etwas Unerwartetes und Aufschlussreiches. In den 1990er Jahren, für die meisten von uns unbemerkt, beschloss eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern, Psychotherapeuten und sogenannten Psychonauten, in der Überzeugung, dass der Wissenschaft und der Kultur etwas Wertvolles verloren gegangen war, es zurückzuholen. Heute, nach mehreren Jahrzehnten der Verdrängung und Vernachlässigung, erleben Psychedelika eine Renaissance. Eine neue Generation von Wissenschaftlern, viele davon inspiriert durch ihre eigenen Erfahrungen mit diesen Substanzen, erprobt deren Potenzial zur Heilung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angstzuständen, Traumata und Suchtverhalten. Andere Wissenschaftler verwenden Psychedelika in Verbindung mit neuen bildgebenden Verfahren, um die Verbindungen zwischen Gehirn und Geist zu erforschen, in der Hoffnung, einige der Geheimnisse des Unterbewusstseins zu entschlüsseln.» (Pollan 2018) Heute ist das Interesse an Psychedelika in den Forschungslaboren und an Universitäten weltweit offenbar wieder aufgeflammt. Es finden mehrtägige internationale Kongresse und Symposien statt (z.B. die Interdisciplinary Conference on Psychedelics Research 2020 und die INSIGHT Konferenz 2021). Tausende von Teilnehmern setzen sich in Workshops und an Vorträgen mit dem Thema auseinander. Durchsucht man die Datenbanken des Bibliotheks- und Archiv­wesens der Universität Wien nach wissenschaftlichen Artikeln mit

Zur Forschungswelle hat wohl unter anderem die Verbreitung des Internets beigetragen. den Begriffen LSD, DMT, Ayahuasca, Meskalin oder Psilocybin im Titel, so werden circa 18 000 Treffer angezeigt, wobei etwa 13 000 davon ab dem Jahr 2000 veröffentlicht wurden. Es scheint also tatsächlich so zu sein, dass wir uns in einer neuen Forschungswelle zu Psychedelika befinden. Zu dieser Forschungswelle hat wohl unter anderem die Verbreitung des Internets beigetragen. Im

digitalen Raum können sich User anonym und ohne Angst vor Strafverfolgung über ihre Erfahrungen mit verschiedenen Substanzen offen austauschen. Diese frei zugänglichen Erfahrungsberichte bieten den Forschenden einen Ausgangspunkt für ihre Untersuchungen. Wissenschaftler nutzen außerdem den Zugang über das Internet, um an anonyme Testpersonen zu gelangen, die (illegalerweise) schon Erfahrungen mit Psychedelika haben und bereit sind, Fragebögen auszufüllen und an Tests teilzunehmen. Für den Einsatz in der Psychologie geben moderne Studien klare Hinweise auf eine hohe Effektivität von Psychedelika im Kampf gegen posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), Depressionen, Ängste und Sucht. Vor allem die Kombination aus einigen Einheiten etablierter Gesprächstherapie und einigen wenigen Therapiesitzungen mit Sub­ stanzunterstützung scheint besonders effektiv zu sein. Diese Kombination wird als Psychedelic Assisted Psychotherapy (PAP) bezeichnet. Nachfolgend werden einige ausgewählte Studienergebnisse vorgestellt.

Posttraumatische Belastungsstörung Eine Wegbereiterin für dieses wiederentdeckte Forschungsgebiet ist die Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS), die sich schon seit 1986 für eine Forschungserlaubnis mit MDMA («Ecstasy») und anderen Drogen einsetzt und damit auch erfolgreich ist. 2004 erhielt die Organisation die Erlaubnis, eine Studie im kleinen Rahmen durchzuführen. Das Forschungsteam untersuchte, ob die Verabreichung von MDMA die Effektivität von Psychotherapie bei Patienten mit chronischer, behandlungs­ resistenter PTBS verbessern könnte. Darin bekamen Probanden, nach mehreren Vorbereitungssitzungen, in zwei oder drei The­ rapiesitzungen MDMA verabreicht, gefolgt von je drei


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bis vier Nachbereitungssitzungen. Die Ergebnisse waren bahnbrechend: 54 Prozent der Probanden konnten kurz nach den MDMA-Sitzungen nicht mehr mit PTBS diagnostiziert werden. In der Kontrollgruppe, die dieselbe Therapie ohne MDMA erhielten, betrug die Remissionsrate lediglich 22 Prozent (Mithoefer et al. 2019). In einer Nachfolgeuntersuchung ein Jahr später stieg die Remissionsrate in der MDMA-Gruppe sogar noch auf 68 Prozent an. Die bisher veröffentlichten Studien haben leider eine ernstzunehmende Schwäche, und zwar den geringen Stichprobenumfang von nur circa 100 Teilnehmern. Allerdings bewegten diese Ergebnisse die US Food and Drug Administration (FDA) dazu, MDMA den sogenannten breakthrough status zu verleihen und die aktuell laufenden Phase-3-Versuche von MAPS zuzulassen: Diese untersuchen die Effektivität der MDMA-Therapie an einer Stichprobe von etwa 230 Personen mit schwerer PTBS. Derzeit nimmt man an, dass die Studie 2022 abgeschlossen wird. Geht man weiter davon aus, dass die bisherigen Ergebnisse bestätigt werden, wird die FDA höchstwahrscheinlich MDMA in den kommenden Jahren (frühestens 2023) in den USA als Standard­therapie zulassen. Der Gründer von MAPS, Rick Doblin, hat im April 2019 in einem TED-Talk die bisherige Arbeit seiner Organisation sehr treffend zusammengefasst. In dem Vortrag geht er auf den Behandlungsablauf ein und stellt zwei Fallbeispiele vor (Link siehe Fußnoten).

Depressionen Für die Behandlung therapieresistenter Depressionen gibt es zumindest zwei psychedelische Zugänge: zum einen PAP mit Psilocybin, zum anderen PAP mit Ketamin bzw. Esketamin. Letzteres darf in den USA bereits legal als Antidepressivum in Form von Nasenspray eingesetzt werden. Die Behandlung von Depressionen mit herkömmlichen Antidepressiva (SSRIs, MAO-Hemmer, Trizyklika usw.) bringt einige Probleme mit sich: Als Erstes ist die relativ geringe Wirksamkeit zu nennen, denn in letzter Zeit häufen sich die Hinweise, dass die bisher verwendeten Antidepressiva bei weitem nicht so effektiv sind wie ursprünglich gedacht (Pigott et al. 2010). Zweitens müssen Antidepressiva bei den meisten Patienten über Wochen und Monate täglich angewendet werden, bevor eine Linderung der Symptome eintritt. Drittens sind noch die massiven Nebenwirkungen zu nennen, welche die ohnehin schon geringe Lebensqualität depressiver Menschen noch weiter verschlechtern können. PAP scheint all diese Probleme auf einmal lösen

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zu können. In einer Studie konnte die Forschungsgruppe rund um Roland R. Griffiths zeigen, dass mit einer einzelnen (!) Psilocybin-unterstützten Psychotherapieeinheit bei 65 Prozent der Patienten eine Remission erreicht werden konnte. Die Erhebung der Depressionssymptome fand 5 Wochen nach der

Eine einzelne Dosis LSD kann den Alkoholkonsum stärker senken als tägliche Medikamente. Behandlung statt. Diese Ergebnisse blieben auch bei einer Nachfolgeuntersuchung 6 Monate später stabil (Griffiths et al. 2016). (Es-)Ketamin scheint im Gegensatz keine so lang­andauernden Effekte zu erzielen wie Psilocybin (1 bis 2 Dosierungen pro Woche nötig), jedoch wurde ein schnellerer Wirkungseintritt beobachtet. Erste Reduktionen von Depressionssymptomen sind bereits zwei Stunden nach intranasaler Einnahme zu verzeichnen; dies könnte in Zukunft eine attraktive Möglichkeit der Akutbehandlung von suizidgefährdeten Personen darstellen. Bahr et al. (2019) fanden außerdem eine positive Korrelation zwischen Symptomreduktion und Höhe der Dosierung.

Sucht Bereits in den 60er Jahren wurde in mehreren Studien die Effektivität von LSD-Therapie zur Behandlung von Alkoholismus überprüft. Die Untersuchungen fanden damals wenig Beachtung, da die Effekte der einzelnen Studien aufgrund der geringen Stichprobengröße nicht signifikant ausfielen und auch die Effektgröße geringer war als erhofft. Krebs und Johansen (2012) untersuchten die Daten der einzelnen Studien in einer Metaanalyse und konnten feststellen, dass eine einzelne Dosis LSD den Alkoholkonsum stärker senkt als täglich einzunehmende Standardmedikamente. In einer Studie zur Abstinenz von bereits entgifteten Heroinabhängigen konnte die Forschungsgruppe von Krupitsky et al. (2007) zeigen, dass in der Gruppe, die PAP mit Ketamin erhielt, die Abstinenzrate nach einem Jahr noch bei 50 Prozent lag. Im Vergleich zur Kontrollgruppe (herkömmliche Psychotherapie) mit einer Abstinenzrate von lediglich 22 Prozent stellt das eine Verdoppelung der Effektivität dar. Neben LSD wurden auch schon Psilocybin/Psilocin, Dipropyltryptamin (DPT), DMT (in Ayahuasca) }


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und Meskalin erfolgreich zur Behandlung von Opioid-, Nikotin-, und Alkoholsüchtigen eingesetzt. In ihrem Übersichtsartikel gehen Bogenschutz und Johnson (2015) auf fünf wichtige Eigenschaften von klassischen Psychedelika als Anti-Sucht-Medikamente ein: 1. Sie sind selbst nicht suchterzeugend und machen nicht abhängig. 2. Ausführliche klinische Studien haben die Sicherheit der Substanzen bestätigt. 3. Sie verfügen über molekulare Zielstrukturen, die auf eine suchthemmende Wirkung hindeuten. 4.   Sie führen zu psychologischen Effekten wie intensiver Selbstreflexion und manchmal auch zu mystischen/spirituellen Gipfelerfahrungen, die oft mit einer echten Genesung von der Sucht verbunden sind. 5. Sie können auch nach dem Abklingen der direkten Substanzwirkung langanhaltende Änderungen des Verhaltens und der Persönlichkeit bewirken.

Die Theorie hinter den Studienergebnissen In vielen der hier vorgestellten Studien wurden Menschen behandelt und untersucht, die schon sehr lange, teilweise Jahrzehnte, unter ihren psychischen Erkrankungen leiden. Die Schulmedizin und herkömmliche Psychotherapie scheinen keine passenden Behandlungen anbieten zu können. Wie ist es also möglich, dass genau diese behandlungsresistenten Personen mit nur einigen wenigen Einheiten PAP plötzlich Linderung erfahren? Die führenden Psychedelika-Forscher gehen davon aus, dass diese Krankheiten mit einer Gruppe an Hirnstrukturen zu tun haben, die gemeinsam das sogenannte Default Mode Network (DMN) bilden. Das DMN ist jene Hirnstruktur, in die sich unsere Aufmerksamkeit zurückzieht, wenn wir nicht konkret mit einer weltlichen Aufgabe beschäftigt sind. Wenn das DMN aktiv wird, drehen sich unsere Gedanken um uns selbst (internal gerichtete Aufmerksamkeit). Zum einen werden vergangene Erlebnisse evaluiert, in der Erinnerung erneut durchgespielt und man überlegt, ob es bessere Alternativen gegeben hätte oder ob man sich anders hätte verhalten können. Zum anderen denkt man über zukünftige Ereignisse und Situationen nach, erkundet gedanklich mögliche Ausgänge und sieht eventuelle Schwierigkeiten voraus. Im DMN entstehen auch die Selbstzuschreibungen, die wir im Lauf unseres Lebens entwickeln. Zum Beispiel sind das Überzeugungen darüber, was

man gut kann und was nicht oder welche Charaktereigenschaften man besitzt. Kurz gesagt ist das DMN der Thronsaal unseres Egos, also des Sammelsuriums an Erinnerungen, Überzeugungen und Gedanken, von denen wir glauben, dass sie uns von anderen Menschen unterscheiden und uns einzigartig machen – das «Ich». Es gibt auch noch weitere Hirn-Netzwerke, die quasi als Gegenspieler (oder auch «Antagonisten») fungieren und niemals gleichzeitig mit dem DMN aktiv sind. Diese Gegenspieler werden aktiv, wenn wir unsere Aufmerksamkeit nach außen (auf externale Reize/Aufgaben) richten; sie sind mit den unmittelbar in der Gegenwart zu lösenden Aufgaben und Herausforderungen beschäftigt. Bei Personen mit Depressionen und Angststörungen scheint das Verhältnis der Aktivierung des DMN und seinen Antagonisten gestört zu sein: Das DMN weigert sich, die Kontrolle abzugeben und sich zugunsten seiner Gegenspieler zu deaktivieren. Als Folge denken die Personen vermehrt über sich selbst und ihr Leben nach, meist in negativer Sichtweise. Sie können sich deshalb nur schwer auf die Bewältigung ihres Alltags konzentrieren. Depressionen zeichnen sich durch nicht verschwinden wollende, immer wiederkehrende Gedankengänge aus, die durch ein hyperaktives DMN ausgelöst werden. In der Psychologie nennt man dieses Phänomen Rumination. Die meisten Menschen kennen das Phänomen eines hyperaktiven DMN wahrscheinlich von der Situation nach dem Zubettgehen, wenn die «Stimme im Kopf» einfach nicht still sein will und man noch lange seinen Sorgen nachhängt, anstatt friedlich einzuschlafen. Genau da setzen die klassischen Psyche­

Psychedelika-Erfahrungen ermöglichen es, festgefahrene Gedankenmuster dauerhaft zu verändern. delika an: Sie regulieren die Aktivität des DMN nach unten – bei ausreichend hoher Dosierung sogar so stark, dass es zu einem sogenannten Ego-Tod (auch Ich-Auflösung) kommt, einem Zustand, in dem die Person kein Konzept von sich selbst, Individualität, Zeit, Vergangenheit oder Zukunft hat. Es wird im Thronsaal des Egos gleichsam das Licht ausgeknipst. Die Person ist nicht mehr sie selbst, sie hat kein Ich mehr. Die Erfahrung des Ego-Tods wird oft als «mystische Erfahrung» bezeichnet. Die Menschen fühlen sich, als würden sie direkt mit einer höheren


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Macht («Gott») kommunizieren oder mit dem Universum verschmelzen. Wenn es kein Ich mehr gibt, kann man auch nicht mehr zwischen sich selbst und der Umwelt unterscheiden. Man sieht sich als Bestandteil eines großen Ganzen, alles scheint eins zu sein. In Therapie wird die Dosierung zwar selten so hoch angesetzt, dass ein vollständiger Ego-Tod eintritt, aber auch schon in kleineren Dosierungen ist eine Aufweichung der sonst so rigiden (negativen) Selbstüberzeugungen feststellbar. Durch diese Erfahrungen erhält man die einzigartige Möglichkeit, festgefahrene Gedankenmuster dauerhaft zu verändern: Die Forscherin Mendel Kaelen hat unser Gehirn mit einem verschneiten Hügel verglichen (Pollan 2018), auf dem unsere Gedanken Schlitten fahren. Je öfter wir dieselben Gedanken haben, desto tiefer wird die Spur, die diese Gedanken im Schnee hinterlassen. Irgendwann werden diese Spuren dann so tief, dass eine andere Route gar nicht mehr möglich ist und wir immer am selben Punkt ankommen. Die Einnahme von psychedelischen Drogen stellt in diesem Vergleich einen kräftigen Schneesturm dar, der diese eingefahrenen Spuren und Gedankenmuster mit frischem Schnee überdeckt und verschwinden lässt, sodass neue Routen plötzlich wieder möglich sind. Zumeist sind diese Neubewertungen höchst relevant für die Probleme der Patienten und stellen sogenannte Aha-Erlebnisse, Eingebungen, Erleuchtungen oder göttliche Weisungen dar. Sie werden für gewöhnlich als Wahrheit akzeptiert, nicht weiter hinterfragt und bleiben auch nach Abklingen der Rauschwirkung erhalten. Diese neuen Überzeugungen sind das Fundament, auf dem die Patienten eine

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neue Lebenseinstellung aufbauen können. Allein die Erfahrung, dass ein anderer Betrachtungswinkel möglich ist, gibt den Patienten oft die Möglichkeit, ohne weitere Psychedelika-Einnahme an ihren Problemen zu arbeiten, mit Unterstützung ihrer Therapeut*innen oder sogar selbständig. Diese Eingebungen können von außen betrachtet sehr banal und offensichtlich wirken, spielen aber in der psychedelischen Psychotherapie eine wichtige Schlüsselrolle für die Genesung der Patienten, da sie die Qualität einer unverrückbaren und nicht hinterfragbaren Wahrheit besitzen. Aufgrund der festgefahrenen negativen Gedankenmuster, in denen die Patienten zumeist gefangen sind, haben positive Gedanken oder Betrachtungsweisen normalerweise keine Chance, sich durchzusetzen. Beispielsweise könnte ein Krebspatient, der aufgrund seiner terminalen Diagnose depressiv geworden ist, realisieren, dass er ja noch einige Monate zu leben hat und dass er diese Zeit, gemeinsam mit Familie und Freunden, noch sinnvoll gestalten und nutzen kann, anstatt sich auf den kommenden Tod zu konzentrieren.

Fazit Tatsächlich erlebt die Psychedelika-Forschung offenbar eine Renaissance. Bisher ist die Forschung hauptsächlich im kleinen Rahmen durchgeführt worden, aber die Ergebnisse sind replizierbar, konsistent und scheinen besser zu wirken als die bisherigen Standardtherapien. Sollten sich die Ergebnisse dieser Untersuchungen auch in größeren Studien bestätigen, wäre es möglich, dass Psychedelika in Zukunft (neben herkömmlicher Therapie und etablierten Psychopharmaka) zu einem weiteren }


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wichtigen Werkzeug für Psychiater*innen, Psychotherapeut*innen und Psycholog*innen werden. Es sind noch viele Fragen offen, die nur durch weitere Experimente beantwortet werden können. Um das zu ermöglichen, bedarf es der staatlichen Förderung entsprechender Forschung, die bisher zum größten Teil privat oder durch Spenden finanziert wurde. Die Klassifizierung von Psychedelika als «Schedule I Substance» in den internationalen Substanzkontrollverträgen ist nicht mehr zeitgerecht und entspricht nicht mehr dem heutigen Forschungsstand. Dass es für Psychedelika keinen medizinischen Nutzen geben soll, konnten die bisherigen Studien bereits widerlegen. Auch die mangelnde Sicherheit der Substanzen unter medizinischer Supervision scheint eine War-on-Drugs-Mär zu sein: «Bis 1965 wurden mehr als 2000 Arbeiten veröffentlicht, in denen positive Ergebnisse für mehr als 40 000 Patienten beschrieben wurden, die psychedelische Drogen mit wenigen Nebenwirkungen und einem hohen Maß an Sicherheit eingenommen hatten» (Masters & Houston 1970, zitiert nach Sessa 2005). Mehr und mehr Menschen erkennen mittlerweile, dass Psychedelika keine Teufelsdrogen sind, wie dies von den USA jahrzehntelang propagiert wurde. Im Zuge des internationalen Trends zur Legalisierung von Cannabis beginnt nun langsam

Literatur

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auch die Kriminalisierung von Psychedelika zu ­bröckeln. Forschungsgruppen haben ein neues Interesse an dem Thema gefunden. Aktivistengruppen, wie beispielsweise das International Drug Policy Consortium (IDPC), vernetzen sich dank sozialer Medien international und üben beständigen Druck aus. Jährlich steigt die Zahl der Ayahuasca-Tourist*innen aus westlichen Gesellschaften, die an schamanischen Ritualen im Regenwald Südamerikas teilnehmen. In den USA haben seit 2019 sieben Städte (Denver, Oakland, Santa Cruz, Washington DC, Somerville und Cambridge) sowie der gesamte Bundesstaat Oregon Psilocybin entkriminalisiert, und im März 2019 wurde das erste Psychedelikum (Esketamin) zur Behandlung von Depressionen in den USA von der FDA zugelassen. Um von einem Paradigmenwechsel in der Psychologie zu sprechen, ist es zwar noch zu früh, aber das Interesse scheint auf jeden Fall geweckt worden zu sein. Der politische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Umbruch in diesem Gebiet ist aber bereits in vollem Gange, und so ist es hoffentlich nur eine Frage der Zeit, bis diese Substanzen auf wissenschaftlicher Grundlage zum Nutzen der Gesellschaft eingesetzt werden können. lucys-magazin.com/autoren/Norz

diethylamide (LSD) for alcoholism: meta-analysis of randomized controlled trials. Journal of Psychopharmacology, 26(7), 994–1002. https://doi.or­ g/10.1177/0269881112439253 Krupitsky, E. M., Burakov, A. M., Dunaevsky, I. V., Romanova, T. N., Slavina, T. Y., & Grinenko, A. Y.(2007). Single Versus Repeated Sessions of Ketamine-Assisted Psychotherapy for People with Heroin Dependence, Journal of psychoactive drugs, 39(1), 13-19. https://doi.org/10.1080/02791072.20 07.10399860  Mithoefer, M.C., Feduccia, A.A., Jerome, L., Mithoefer, A., Wagner, M., Walsh, Z. … Doblin, R. (2019) MDMA-assisted psychotherapy for treatment of PTSD: study design and rationale for phase 3 trials based on pooled analysis of six phase 2 randomized controlled trials. Psychopharmacology, 236, 2735-2745. https://doi.org/10.1007/s00213-019-05249-5 Ott, J. (1996) Pharmacotheon. Entheogenic drugs, their plant sources and history(2nd ed.). Natural Products Co., ISBN 0-9614234-9-8 Sessa, B. (2005) Can psychedelics have a role in psychiatry once again? British Journal of Psychiatry, 186, 457-458. https://doi.org/10.1192/bjp.186.6.457 Passie, T., Halpern, J. H., Stichtenoth, D.O., Emrich, H. M., & Hintzen, A.(2008) The pharmacology of lysergic acid diethylamide: a review. CNS neuroscience & therapeutics. 14(4), 295–314, https://doi.org/10.1111/j.1755-5949.2008.00059.x. Pigott, H. E., Leventhal, A. M., Alter, G. S., & Boren J. J. (2010) Efficacy and Effectiveness of Antidepressants: Current Status of Research. Psychotherapy and Psychosomatics, 79, 267-279. https://doi.org/10.1159/000318293 Pollan, M. (2018). How to change your mind: What the new science of psychedelics teaches us about consciousness, dying, addiction, depression, and transcendence. Penguin Press Torres, M. C. (1995). Archaeological evidence for the antiquity of psychoactive plant use in the central Andes. Annali dei Musei Civici-Rovereto, 11, 291-326.


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Lucys X X X Rausch Nr. 13

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Integrativer Umgang mit Drogen

Jugendliche zwischen Paranoia und Spiritualität TEXT

ntegrativer Substanzgebrauch ist ein noch recht neues Forschungsgebiet innerhalb der Gesundheitspsychologie. Dabei geht es um die Frage, wie psychoaktive Substanzen so in das Leben integriert werden können, dass sie einen möglichst positiven Effekt auf die biopsycho­ soziale Entwicklung haben. Im Vordergrund steht daher nicht die Frage: Wie entstehen Sucht und Abhängigkeit, sondern: Wie entsteht keine Sucht und Abhängigkeit? Dieser Ansatz sollte eigentlich einleuchtend klingen. Nach wie vor ist es aber so, dass ein Großteil der Drogenforschung immer noch als Wissenschaft gilt, die von den durch Substanzen ausgelösten Schäden handelt. Hintergrund ist der seit vielen Jahrzehnten geführte War on Drugs, ein Krieg, der größtenteils aus wirtschaftlichen und politischen Motiven entstanden ist und bereits «Dutzende von Millionen»1 unschuldiger Leben zerstört und Hunderte Milliar-

den Dollar gekostet hat. Mit teilweise drakonischen Strafverfolgungsmaßnahmen und Desinforma­ tionskampagnen wurde nahezu weltweit ein Klima der Angst und Unwissenheit geschaffen. Vor allem Jugendliche trauen sich häufig nicht, offen darüber zu sprechen, dass sie illegale psychoaktive Substanzen (PAS) konsumieren, da sie Stigmatisierung und Kriminalisierung befürchten. So ist bis heute wenig darüber bekannt, wie Jugendliche und junge Erwachsene selbst ihre Erfahrungen mit Substanzen wahrnehmen und bewerten, welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen, was ihnen hilft, das alles zu integrieren und welchen Sinn sie schließlich für sich und ihr Leben daraus ziehen. Mit dem Fokus auf diesen Fragen untersuchte die bereits 2002 gestartete RISA Langzeitstudie2 das Tabuthema Substanzkonsum bei Jugendlichen über einen Zeitraum von circa zehn Jahren aus einer }

Substanzkonsum bei Jugendlichen ist ein Tabuthema.

Foto: Olena Yakobchuk | Dreamstime

I

Jö r g - S i m o n S c h m i d


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JUGENDLICHE

salutogenetischen (gesundheitsorientierten) Perspektive. Die Dissertation «Integrativer Umgang mit Drogen», auf der dieser Beitrag basiert, hatte insbesondere ein Ziel: herauszufinden, welche Erlebnisse – im Positiven wie im Negativen! – die stärksten Spuren in der Biografie heranwachsender Menschen hinterlassen. Was kann am Ende des Untersuchungszeitraums als integriert betrachtet werden und was nicht? Und was bedeutet überhaupt Integration?

Was bedeutet Integration?

Akzeptanz von Konflikten und Unsicherheiten.

Das Wort Integration stammt von dem lateinischen integrare (für ergänzen, [geistig] erneuern) und integer (für Ganzheit, Unversehrtheit) ab. Integration kann daher als Prozess der «Ganzheitsbildung» verstanden werden. Doch wann fühlen wir uns eigentlich «ganz»? Um diese Frage zu beantworten, haben sich vier Ansätze als besonders hilfreich erwiesen: die Theorie von Substanz, Set und Setting3, das Kohärenzgefühl 4, die Konsistenztheorie5 sowie die Akzeptanz- und Commitment-Therapie6 (ACT). Fasst man die Essenz dieser Theorien zusammen (siehe Integrationsmodell7, Abbildung unten), dann entsteht ein Gefühl von Gesundheit und «Ganzheit», dann, wenn wir uns sowohl mit uns selbst als auch mit unserer Umwelt beziehungsweise Mitwelt verbunden fühlen. Genauer formuliert: Wenn Substanz, Set und Setting in einer verstehbaren, kontrollierbaren, sinnvollen (Kohärenzgefühl) und idealerweise konsistenten Weise

Foto: iStock

zusammenspielen (Konsistenztheorie) und der Sub­ stanzkonsum im Einklang mit Entwicklungsaufgaben und Lebenszielen steht. Erst dann kann von Integration im Wortsinn gesprochen werden. Um dies zu erreichen, sind Strategien hilfreich, die eine Akzeptanz bestehender Konflikte und Unsicherheiten ermöglichen, aber auch Strategien, die bei der alltagsnahen Umsetzung positiver Erkenntnisse unterstützen (Akzeptanz und Commitment). Umgekehrt entstehen Krankheiten, wenn individuelle Bedürfnisse und soziokulturelle Anforderungen der Umwelt längerfristig nicht in Einklang gebracht werden können und das Leben weder als verstehbar noch als beeinflussbar und sinnvoll empfunden wird.

Viel Licht, aber auch viel Schatten Diese Ergebnisse klingen vielleicht etwas abstrakt und theoretisch. Daher geht der folgende Abschnitt

INTEGRATIONSMODELL (Schmid 2019) Auslösende Bedingungen

Negative / ambivalente Bewertung

Integrationsanforderungen

1. Hauptwirkungen (Grenzerfahrungen) 2. Körperliche Nebenwirkungen 3. Psychische Nebenwirkungen 4. Auswirkungen von Konsummustern 5. Soziale und soziokulturelle Differenz

Integrationsspannung Ist/Soll-Diskrepanz / Inkonsistenz • Bewusstes Bedürfnis • Unbewusster Vorgang

Bewertung des aktuellen Integrationsniveaus

Integrationsarbeit Substanzbhängig /-unabhängig auf den Ebenen: Kognitiv, emotional, behavioral, körperlich-somatisch, ökonomisch, interpersonell, soziokulturell, spirituell / transpersonal

Unterstützende Bedingungen Ressourcen

1. Persönliche Ressourcen (Familie, Gene etc.) 2. Kompetenzen (Konsumregeln, Sport etc.) 3. Kompetente soziale Netzwerke 4. Konfrontation mit kritischen Lebensereignissen 5. Institutionen des Gesundheitswesens 6. Integrative kulturelle Rahmen (Subkulturen etc.)

• Aufrechterhaltung / Steigerung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit • Personale Transformation und Weiterentwicklung • Befriedigung von Grundbedürfnissen? • Erfolgreiche Bewältigung von Entwicklungsaufgaben • Konsistent mit Identität/Persönlichkeit? Werten? SOC? «Sinn»-Gefühl? Multidimensionale Bewertung des Integrationsniveaus durch: Selbstwahrnehmung des Individuums (unter Einfluss des sozialen Umfelds) Fremdwahrnehmung durch das soziale Umfeld: Mikro-Mesosystem-Ebene: Familie, Geschwister, Peers, Klasse, Lehrer, interpersonell usw. Exosystem-Ebene: Erweiterte Familie, Schule, Medien, Strafverfolgungsinstanzen, Gesundheitssystem usw. Makrosystem-Ebene: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Werte/Normen, Gesetze (BtMG) usw.

Positive Bewertung / Akzeptanz / Commitment


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auf die biographisch bedeutsamsten Phänomene der «Paranoia» und der «Spiritualität» ein, die gewissermaßen die enorme Bandbreite möglicher Erfahrungen repräsentieren. Dabei wird ein Bezug zu den theoretischen Grundlagen des Kohärenzgefühls und der Konsistenztheorie hergestellt und die Lebenswelt der Jugendlichen mit Hilfe von authentischen Zitaten «von innen heraus» veranschaulicht.

Paranoia Im Erleben der interviewten Jugendlichen bilden Verfolgungsängste den am negativsten erlebten Pol des Erfahrungsspektrums mit psychoaktiven Sub­ stanzen. Diese Ängste bezeichnen sie häufig als «Paranoia». Stark vereinfacht gesagt, entsteht diese «Paranoia» aus einer Kombination unerwünschter psychopharmakologischer Nebenwirkungen bestimmter (illegaler) Substanzen und einem gesellschaftlichen Klima, das bei den Jugendlichen Angst vor Stigmatisierung und Kriminalisierung erzeugt. Diese Angst äußert sich in einem konstanten Gefühl von Bedrohung und Misstrauen sowie einem Zwang zur Geheimhaltung. Gerade die Geheimhaltung – gegenüber Familie, Freunden, Schule, Ausbildung, Polizei – erleben viele Jugendliche als große Belastung, vor allem, wenn sie über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden muss. Gängige Strategien der Geheimhaltung sind aktives Täuschen und Belügen des sozialen Umfeldes, aber auch eine erhöhte Selektivität des Freundeskreises, was zu sozialer Isolierung führen kann. Eine Jugendliche schildert dies so: «Also so mit 14, 15, 16, 17, sagen wir mal viereinhalb Jahre, bin ich irgendwie immer mit der Angst rumgerannt,

Aus Polizisten werden «Bullen».

dass es auffliegt, sowohl bei meiner Family als auch bei der Polizei (...), dass es dadurch halt auch meine Zukunft versaut. Das war eigentlich immer so meine größte Angst. Und diese Angst, die hat wirklich echt so meine ganze Pubertät überschattet. Dieses Verbiegen und in Acht nehmen und ... oah. Ja. (…) und das hat zum Schluss halt überhandgenommen, weswegen ich dann zu viel nachgedacht habe und dann halt auch wirklich zur Psychologin musste.»8 (Lisa) Betrachtet man dieses subjektive Bedrohungsempfinden und die damit verbundenen Konflikte der Jugendlichen über mehrere Jahre hinweg, dann erscheint es interessanterweise eher zweitrangig, ob sie Kriminalisierung/Stigmatisierung tatsächlich erfahren oder «nur» als Vorstellung, als bedrohliches Szenario in die Zukunft projizieren. Der gesellschaftliche Umgang mit Drogen wird von allen interviewten Jugendlichen als mehr oder weniger unglaubwürdig und einseitig («ungerecht», «krank», «schizophren», «scheiß System» etc.) wahrgenommen. Eine Akzeptanz fällt ihnen schwer. Vor allem die Stigmatisierung und Kriminalisierung von Konsument*innen und die als «willkürlich» empfundene Unterteilung in legale und illegale Sub­stanzen werden nicht verstanden und – aufgrund der ungleichen Machtverhältnisse zwischen Staat und Jugendlichen – als nicht beeinflussbar bzw. kontrollierbar wahrgenommen. }

Vor allem Stigmatisierung und Kriminalisierung werden nicht verstanden.

«Dieses Verbiegen und in Acht nehmen ...»

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Unter Substanz­einfluss schließt man Freundschaften und überwindet Ängste.

Damit sind die Jugendlichen übrigens nicht allein. Auch aus wissenschaftlicher Perspektive gibt es spätestens seit David Nutts Studien wenig Hinweise auf eine Korrelation zwischen der Gefährlichkeit von Drogen und ihrer Einstufung im Betäubungsmittelgesetz. Auch die (politische) Be­einflussbarkeit des BtMG erscheint äußerst gering vgl. 9 / 10. Diesem Drama gegenüber stehen die eigenen Erfahrungen mit psychoaktiven Substanzen, die oft herausfordernd sein können, insgesamt jedoch als sehr bedeutsam für die persönliche Entwicklung bewertet werden. Unter Substanz­ einfluss schließt man Freundschaften, überwindet Ängste (z.B. vor dem Tanzen) und gewinnt teilweise sogar spirituelle Erkenntnisse. Diese eigene sinnliche Wahrnehmung im Zustand des Rausches wird von der Gesellschaft ins Gegenteil verkehrt. Sie relativiert positive, möglicherweise für die persönliche Identität elementare Erfahrungen und degradiert sie zu kriminellen/asozialen Handlungen, Halluzinationen oder Wahnvorstellungen. Die Jugendlichen beginnen nun entweder an ihrer eigenen Wahrnehmung zu zweifeln (Inkonsistenz/kognitive Dissonanz) oder aber an der Zuverlässigkeit staatlicher Informationen. Die als immer feindlicher empfundene Welt entwickelt sich Stück für Stück zu einer einzigen Verschwörungstheorie: «Warum ist es eigentlich verboten? Ob der Staat uns eigentlich klein halten will?» (Lucya) An dieser Stelle besteht die Gefahr eines Bruchs in der Beziehung zu «Vater Staat» und gesellschaftlichen

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Institutionen, der über eine im Jugendalter normale Distanzierung hinausgeht. Aus den Hütern von Recht und Ordnung, den Freunden und Helfern der Kindheit, werden nun «Feinde», aus Polizisten werden «Bullen». Die Jugendlichen fühlen sich plötzlich als Kriminelle. Eine sehr leidvolle, teilweise sogar traumatische Erfahrung: «Eine Sache, die wirklich furchtbar unangenehm und über die Zeit wohl für alle Personen prägend war, ist einfach das Gefühl, illegal zu sein. Wenn rauskommt, was man macht, womöglich schlimmer bestraft zu werden als jemand, der eben eine Vergewaltigung oder eine schwere Körperverletzung begeht.» (Robert) Wenn sie sich selbst als Kriminelle wahrnehmen, ist es verständlich, dass die Jugendlichen aus Selbstschutz viel Energie – die ihnen dann anderswo fehlt – zur Geheimhaltung ihres Konsums und ihrer Erfahrungen aufwenden. Zu groß ist die Angst vor Stigmatisierung, Schulverweisen, Arbeits- oder Ausbildungsverlust und Führerscheinentzug. Spätestens

Die eigene sinnliche Wahrnehmung im Rauschzustand wird ins Gegenteil verkehrt.

Der Konsum findet oft im Geheimen statt.

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dann beginnen sie sich zu fragen, welche Möglichkeiten der Staat besitzt, ihr kriminelles Verhalten zu entdecken und zu sanktionieren – und diese Möglichkeiten sind äußerst umfassend. Bei Verdacht auf Cannabis-Anbau kann die Polizei beispielsweise auf Satellitenbilder, Hubschrauber, Wärmekameras, Geruchssensoren und neuerdings sogar Drohnen11 zurückgreifen. Über Daten von Mobilfunkbetreibern, sozialen Netzwerken (Facebook/Whatsapp etc.), Adressbüchern, Suchmaschinenprotokollen, Tracking der Aufenthaltsorte, Chats, Fotos usw. lassen sich mit Leichtigkeit umfassende persönliche Profile erstellten und zur Überführung verwenden. Hinzu kommt das Wissen, dass es nahezu unmöglich ist, sich ohne die Gefahr einer Polizeikontrolle – bei der ein Führerscheinverlust droht – in der Öffentlichkeit zu bewegen, da einige illegale Sub­ stanzen (v.a. Cannabis) noch Tage und Wochen nach dem Konsum nachgewiesen werden können12. Der Staat zweifelt bei Nachweis illegaler Substanzen an der generellen Fahreignung der Konsument*innen. Der Führerschein ist daher immer in Gefahr, egal ob man zu Fuß, mit Fahrrad, Auto oder Bahn unterwegs ist13. Bei Verdacht («alternativer Look» etc.) können Polizist*innen mit Bodycams ein «Drogenscreening» (Haut, Haare, Speichel, Blut und Urin) inkl. Fingerabdruck- und DNA-Abgleich anordnen. Dass diese Szenarien sowie eine damit einhergehende «Paranoia» keine ausschließlich drogeninduzierten Halluzinationen sind, veranschaulicht beispielsweise das 2018 novellierte Polizeiaufgabengesetz in Bayern – ein Gesetz, das laut Heribert Prantl, Leiter des Ressorts Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, aufgrund massiv ausgeweiteter Polizeibefugnisse «Angst und Schrecken bringt»14: Im ungünstigsten Fall verbindet sich diese potenziell belastende Situation schließlich mit unerwünschten psychopharmakologischen Nebenwirkungen be­ ­ stimmter Substanzen. Falsch verwendetes Cannabis (Dosis, Sorte und Konsumform)15, exzessiver Alkohol- und Stimulanzienkonsum oder auch unverarbeitete und nicht integrierte Erlebnisse mit Psychedelika – all diese Faktoren können die mentale und emotionale Destabilisierung verstärken. Das bestehende Bedrohungsgefühl verschärft sich, und ein Teufelskreis aus sich gegenseitig verstärkenden

Verbundenheit in der Ekstase: eine spirituelle Erfahrung.

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pharmakologischen Konflikten (Substanz) und sozialen Konflikten (Setting) entsteht. Schlagen Angst und Paranoia vor einem als übermächtig und «unfair/willkürlich» wahrgenommenen Gegner in Wut um, dann lassen sich damit teilweise auch die Hintergründe eskalierender Jugendgewalt wie zuletzt in Stuttgart erklären, wo über 500 Jugendliche ihr «Feindbild» angriffen und randalierten. Laut dem Traumaforscher Peter Levine16 ist Kampf/Angriff – neben Flucht und «Erstarren» – eine der drei natürlichen Reaktionen auf (lebens-) bedrohliche Situationen und könnte als eine Art aktiv-aggressives Ausagieren der Paranoia betrachtet werden.

Spiritualität Den positiven Pol, sozusagen das Antidot zur Paranoia, bilden Erfahrungen mit psychoaktiven Sub­ stanzen, die sich als «spirituell» begreifen lassen. Einer Definition des Spiritualitätsforschers Bucher17 folgend, fallen darunter Erfahrungen, die mit einem ungewöhnlich starken Gefühl von Verbundenheit zu sich selbst, anderen Menschen und/ oder der Natur einhergehen. Interessanterweise beschreibt dieses Gefühl die positivsten, intensivsten und langfristigsten Effekte, die Jugendliche ihren Erfahrungen mit psychoaktiven Substanzen zuschreiben. Besonders hervorgehoben werden positiv veränderte soziale Beziehungen, erweitertes Mitgefühl, Empathie und Menschenkenntnis, verbindende gemeinsame «Momente» bis hin zu ekstatischen Gipfel-Erfahrungen des «Die-ganze-Welt-Liebhabens», des «vollkommenen Glücklichseins» und der gefühlten Einheit «mit allem, was ist». Am Ende der achtjährigen Erhebungsphase beschreiben zwei Jugendliche ihre Erfahrungen rückblickend folgendermaßen: }

Ein Teufelskreis aus pharmakologischen und sozialen Konflikten entsteht.


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JUGENDLICHE

Veränderte Bewusstseinzustände können als Kompass für die persönliche Entwicklung dienen.

«Ja, das sind einfach Momente, die kann einem keiner mehr nehmen. Das sind die schönsten Momente. Wenn man immer wieder mit einem Lächeln im Gesicht zurückblickt.» (Kathrin) «Also diese vollkommene bedingungslose Liebe zu empfinden, das ist wirklich ein Segen. Und ja, diese Offenheit für Menschen, die bewahre ich mir einfach und das ist das, was ich gewonnen habe, so! (…) Oder das Auf-dem-Boden-Liegen; und die Augen zuhaben und das Gefühl, die Schwerkraft förmlich zu spüren und die Erde unter sich, die Verbundenheit mit allen Lebewesen auf der Erde, ein äußerst beglückendes Gefühl!» (Robert) Wie diese Zitate bereits andeuten, sind die zugrundeliegenden Erfahrungen überraschenderweise nicht ausschließlich an die Einnahme von Substanzen gebunden, sondern Teil einer kon­ struktiv/kreativ erarbeiteten und «inte­ g rierten Lebensgeschichte». Im besten Falle überdauern sie als wertvolle Erinnerungen und Einsichten oder schaffen als Vorstellungen des Wünschenswerten – wie eine Art «Kompass»

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– Orientierung bei der Entwicklung eines eigenen ethischen Wertesystems ( Entwicklungsaufgabe). Diese Vorstellungen existieren dabei nicht nur auf einer rein mentalen Ebene, sondern finden beispielsweise in Roberts Fall auch eine praktische Umsetzung in Form einer «Verantwortungsübernahme», die unter anderem eine vegetarische Ernährungsweise zur Folge hat: «Ich habe dadurch so viel gewonnen (...) ja, das Erlebnis einfach, dass Verantwortung zu übernehmen einfach das Wichtigste überhaupt ist, für sich selbst und auch für seine Umwelt. Weil alles eins ist, ja». Zahlreiche Studien15 zeigen, dass Spiritualität bei Jugendlichen mit vermindertem internalisierendem (Melancholie, Essstörungen) und externalisierendem (Gewalt) Problemverhalten, einem vermehrten Glücksempfinden im Alltag und einem verminderten Missbrauch von Drogen einhergeht. Paradoxerweise können Erfahrungen mit Drogen also im Idealfall dazu führen, dass man besser ohne Drogen leben kann.

Erfahrungen mit Drogen können dazu führen, dass man besser ohne Drogen leben kann.


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Wie solch eine «Drogenautonomie» aussehen kann, zeigt die Integrationsstrategie eines Jugendlichen, der schildert, wie er sich in einer Art «intentionalem Flashback» in den erwünschten Bewusstseinszustand (zurück)versetzt – ein Zustand, in dem er sich mit sich selbst und anderen verbunden fühlt. – – – – – –

– – – –

W   ie hoch ist dein Bedürfnis, vielleicht mal wieder so eine Erfahrung [Stimulanzien] zu machen? Ich könnte jederzeit eine Erfahrung machen! Einfach so aus Lust darauf? Nö! Warum nicht? Ist es ... Weil   schon die Erinnerung das dicke Grinsen einfach ins Gesicht bringt, so, es ist ok! Ich habe da kein Craving, wie man das nennt, in der Fachsprache (lacht). U   nd dieses Grinsen kannst du dir auch zum Beispiel abe nds auf einer Party zurückholen? Klar! Z  um Beispiel, wenn ihr unterwegs seid oder ... oder auch so nur für dich? Auch   so! (...) Mir reicht inzwischen eine Tasse Tee als Stimulanz ...

Die wahrscheinlich wichtigste Integrationsstrategie, das wichtigste Commitment, ist die Integrationsorientierung selbst, die folgendermaßen formuliert werden kann: «Ich bin bestrebt, Erfahrungen mit psychoaktiven Substanzen sinnvoll für meine persönliche Gesundheit und Entwicklung zu nutzen.»

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Theoretische Grundlagen des Integrationsmodells Kohärenzgefühl: Aaron Antonovsky vertritt die Annahme, dass Gesundheit entsteht, wenn das (eigene) Leben und die Welt als verstehbar, handhabbar und bedeutsam/sinnvoll aufgefasst werden. Konsistenztheorie: Klaus Grawe versteht Konsistenz als Grundprinzip des psychischen Funktionierens. Nur wenn ein konsistentes – d. h. möglichst widerspruchsfreies oder gar synergetisches – Zusammenspiel individueller Bedürfnisse und soziokultureller Anforderungen gelingt, kann von umfassender Gesundheit gesprochen werden. Substanz, Set und Setting: Norman Zinberg verweist darauf, dass sich die Wirkung einer Substanz aus dem Zusammenspiel von Substanz, Dosis, Individuum (Set) und Umgebung (Setting) ergibt. Ökosystemischer Ansatz: Die ökosystemische Betrachtungsweise nach Bronfenbrenner ermöglicht eine Einordnung des Strukturierungsmerkmals «Setting» in die Ebenen Mikro-, Meso-, Exo- und Makro-Ebene. Akzeptanz- und Commitment-Theorie (ACT): Die ACT gilt als Fortentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie und baut auf Steven Hayes sogenannter Bezugsrahmentheorie (RFT) auf. Akzeptanz wird in diesem Ansatz als Alternative zu Vermeidungsverhalten und Selbsttäuschung gesehen. Gedanken, Emotionen und konfligierende Ereignisse werden wahrgenommen, ohne sie bekämpfen oder verändern zu wollen. Großen Raum nimmt zudem wertorientiertes Handeln im Sinne der «Klärung von Lebenswerten» und Ziele ein, die als «Kompass» oder «Wegweiser» dienen, aus denen dann konkrete Handlungsabsichten («Commitments») abgeleitet werden.

Und die Moral von der Geschichte? Drogen sind aus der Welt nicht wegzudenken. Sie sind neu zu denken. Aufgrund des großen gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Schadens und der Wirkungslosigkeit des War on Drugs («Die schlimmste Nebenwirkung ist die Kriminalisierung»18/19 ist anzunehmen, dass man in Zukunft immer mehr psychoaktive Substanzen entkriminalisieren bzw. regulieren wird. Dieser Trend zeigt sich derzeit besonders deutlich in der weltweit fortschreitenden Neueinstufung von Cannabis als Genussmittel oder Medizin20. Er zeigt sich aber auch in der «psychedelischen Renaissance»21: der Neu- und Wiederentdeckung der Potenziale von Psychedelika und MDMA im Bereich der Traumatherapie, bei Depressionen22, in der Sterbebegleitung und sogar im «Wellnessbereich», wie die (geplante) Einführung von «CBD- und Psilocybin-induced Coffees» in Kalifornien zeigt. Ein historisch einmaliger kultureller Wandel deutet sich an.

Gleichzeitig ist durch die jahrzehntelange Verbotspolitik und die damit verbundene Einschränkung des formellen und informellen Wissensaustauschs eine Art Wissensvakuum in der Bevölkerung entstanden. Selbsternannte YouTube-Gurus verherrlichen die positiven Effekte neuartiger psychoaktiver Substanzen, während Politik, Bildungseinrichtungen und staatliche Medien durch ihre jahrzehntelangen, an Desinformation grenzenden einseitigen Berichterstattungen vor allem bei Jugendlichen stark an Glaubwürdigkeit23 verloren haben. In Zeiten eines immer größer werdenden Misstrauens gegenüber staatlichen Regelungen und Informationen («Fake News», Verschwörungstheorien um Corona, Eskalation der Jugendgewalt in Stuttgart etc.) ist es eine einmalige Chance für die Wissenschaft, diese Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Die Ergebnisse der RISA-Studie wurden bereits bei der Entwicklung von Drogenpräventionsprojekten }


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JUGENDLICHE

eingesetzt. An der Hochschule Merseburg diente das Integrationsmodell als theoretische Grundlage für eine Pilotstudie zum gesundheitsorientierten Cannabisgebrauch unter Cannabis-Medizin-Patient*innen24 / 25. Zur weiteren Erforschung des «Paranoia-Phänomens» wurde eine kulturvergleichende Studie zwischen Kalifornien und Deutschland gestartet26 / 27. Nutzen wir die Chance, mit Jugendlichen und auch mit Erwachsenen in einen Dialog zu treten: über die Risiken von psychoaktiven Substanzen, aber auch über ihre Potenziale. Nur so kann die Glaubwürdigkeit auf längere Sicht wiederhergestellt werden. Begleiten wir sie durch den «Drogen-Sumpf», die tiefen Täler der «Paranoia». Erkennen wir aber auch die lichtdurchfluteten Höhen ihrer Gipfelerlebnisse an. Erarbeiten wir gemeinsam Strategien, wie die erfahrenen Bewusstseinszustände als Kompass für

die persönliche Entwicklung genutzt und auch (zunächst) unerwünschte oder widersprüchliche Erfahrungen akzeptiert und integriert werden können. Bereiten wir gemeinsam den Weg zu einer neuen, an wissenschaftlichen Kriterien orientierten Bewusstseinskultur28, in der man psycho­aktive Substanzen weder verteufelt noch vergöttert und sie im Idealfall sogar zu einer gesunden persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung beitragen können. Wie bei einer Dschungel-Expedition sind präzise Karten hilfreich, um sich auf unbekanntem Terrain zurechtzufinden. Das neu entwickelte Konzept des integrativen Substanzgebrauchs bietet hierfür eine wertvolle, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Orientierungshilfe.

Bereiten wir gemeinsam den Weg zu einer neuen Bewusstseinskultur!

lucys-magazin.com/autoren/Schmid

Fußnoten 1 GCDP (2011): War on drugs. Bericht der Welt­

kommission für Drogenpolitik. Juni 2011. www.globalcommissionondrugs.org/reports/thewar-on-drugs/ 2 RISA = Ritualdynamik beim Gebrauch und Miss­

brauch psychoaktiver Substanzen, DFG Sonderfor­ schungsbereich 619. 3 Zinberg NE (1984): Drug, Set and Setting: The ba­ sis for controlled intoxicant use. Yale University Press. 4 Antonovsky A, Franke A (1997): Salutogenese.

Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tübingen: DGVT-Verl. 5 Grawe K (2000): Psychologische Therapie.

(2., korrigierte Aufl.). Göttingen u.a.: Hogrefe. 6 Hayes SC, Strosahl KD & Wilson KG (1999): Ac­

ceptance and commitment therapy: An experiential approach to behavior change. Guilford Press. 7 Schmid JS (2019): Integrativer Umgang mit Drogen – Jugendliche zwischen Paranoia und Spiritualität. Eine Exploration qualitativer Ergebnisse aus der RISA-Längsschnittstudie. Dissertation. MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg. 8 Sätze und Begriffe in kursiver Schrift und Anfüh­

rungsstrichen sind Originalzitate der Jugendlichen. 9 Nutt D, King LA, Saulsbury W & Blakemore C

(2007): Development of a rational scale to assess the harm of drugs of potential misuse. Lancet 2007; 369: 1047–53. 10 Nutt D, King LA & Phillips LD (2010): Drug harms

in the UK: a multicriteria decision analysis. Lancet 2010; 376: 1558–65. 11 Spiegel (2007): Hanf-Republik Deutschland.

Marihuana made in Germany (vom 03.05.2007).

Autor Jörg Diehl. www.spiegel.de/panorama/justiz/ hanf-republik-deutschland-marihuana-made-in-ger­ many-a-480647.html 12 https://mindzone.info/nachweiszeiten/ 13 www.fuehrerscheinkampagne.de 14 Prantl H (2018): Ein Gesetz, das Angst und Schre­

cken bringt. Prantls Blick. Artikel in der Süddeut­ schen Zeitung. 22. April 2018. www.sueddeutsche. de/politik/prantls-blick-ein-gesetz-das-angst-undschrecken-bringt-1.3955373 15 Barsch G & Schmid J-S (2019): Zum Zusam­

menhang von Cannabiskonsum und dem Risiko für Psychosen aus der Forschungsperspektive des Integrativen Drogengebrauchs: Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung. Zeitschrift Suchtmedizin. Heft 1/2019. 16 Levine P A (2017): Sprache ohne Worte. Wie unser

Körper Trauma verarbeitet und uns in die innere Balance zurückführt. Unter Mitarbeit von Karin Petersen. 8. Auflage. München: Kösel.

22 Mind Foundation 2020: Cutting Edge Research. Psilocybin-assisted Depression Treatment. https:// mind-foundation.org/project/psilocybin-depressi­ on-study/ 23 Hanfverband (2020): YouTuber zerlegen Ludwigs

Drogenpolitik. hanfverband.de/nachrichten/blog/ youtuber-zerlegen-ludwigs-drogenpolitik 24 Barsch G & Schmid J-S (2018): Selbstinitiierte

Behandlung und Selbstmedikation mit Phytocanna­ binoiden – Ergebnisse einer qualitativen Studie unter Cannabis-Medizin-Patienten. Zeitschrift Naturmedi­ zin. Sonderdruck aus Ausgabe 6/2018. 25 Barsch G & Schmid J-S (2019): Zum Zusam­ menhang von Cannabiskonsum und dem Risiko für Psychosen aus der Forschungsperspektive des Integrativen Drogengebrauchs: Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung. Zeitschrift Suchtmedizin. Heft 1/2019.

17 Bucher A (2014): Psychologie der Spiritualität. Handbuch. 2. Aufl. Weinheim u.a.: Beltz Psychologi­ sche Verlags Union.

26 Barsch G, Schmid, JS, Kaplan Ch, Kress J (2020): Selbstinitiierte Behandlung und Selbstmedikation mit Phytocannabinoiden – Ergebnisse einer vergleichen­ den qualitativen Studie unter Cannabis-Patienten in Deutschland und den USA. Noch nicht veröffent­ lichte Studie.

18 Müller A (2015): Kiffen und Kriminalität: Der

27 Kress J, Barsch G, Kaplan Ch, Schmid JS (2018):

19 www.schildower-kreis.de

Integration of Cannabis Use in Everyday Life - Com­ parison between Germany and California. Final Report.

20 Wikipedia (2020): Rechtslage von Cannabis

28 MIND Foundation (2020): «Establishing the

https://de.wikipedia.org/wiki/Rechtslage_von_Cannabis

psychedelic experience as a tool for personal and societal development.» So lautet die Vision der Mind-Foundation (www.mind-foundation.org) und bringt auf den Punkt, worum es bei einer sogenann­ ten «Bewusstseinskultur» (ein von Prof. Thomas Metzinger geprägter Begriff) gehen könnte.

Jugendrichter zieht Bilanz. Verlag Herder.

21 Noakes J (2019) Psychedelic renaissance: could

MDMA help with PTSD, depression and anxiety? https://www.theguardian.com/science/2019/apr/14/ psychedelic-renaissance-could-mdma-help-wi­ th-ptsd-depression-and-anxiety


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Anbau von Cannabis

Festschrift für Stan Grof

Das aufwendig gestaltete Hardcover-Buch von der US-amerikanischen Gartenjournalistin Johanna Silver erläutert anhand ihrer eigenen Praxis, wie man Cannabis im Garten anbaut, um potentes Marihuana herzustellen. Der Fokus des Buches liegt auf dem Anbau im Freiland. Die Autorin beschreibt auch, was man außer Gras aus der Hanfernte gewinnen kann, hat andere Grower befragt, die Hanf unter der Sonne kultivieren, und dokumentiert deren Erfahrungen. Das Buch enthält zudem eine Übersicht zur Geschichte und Chemie der Cannabispflanze.

Anlässlich des 90. Geburtstags von Stanislav Grof am 1. Juli 2021 wurde diese Festschrift in den Vereinigten Staaten herausgegeben, um den Pionier der Psychedelik gebührend zu ehren. Mit Beiträgen von Ralph Metzner, Fritjof Capra, Michael Mithoefer, Richard Tarnas, Charles Grob, Ervin Laszlo und vielen anderen. Im Nachtschatten Verlag ist übrigens 2021 die deutsche Jubiläumsschrift zum 90. Geburtstag von Stan Grof erschienen, die wiederum eigene Beiträge umfasst (siehe Mediathek Ausgabe 12).

Johanna Silver: Gras im Garten – Wie Hanf in den USA unter freiem Himmel angebaut wird, Antje Kunstmann Verlag 2021, ISBN 978-3-95614-435-6

Einsteigerlektüre für Hanffreunde Dieses Taschenbuch ist schön aufgemacht, bietet aber auf seinen 256 Seiten nichts wirklich Neues zum Thema. Es handelt sich um eine geraffte Zusammenfassung des Wissens rund um Cannabis und Co. Wer das Werk in der Hoffnung erwirbt, neue Informationen zu erhalten, wird eher enttäuscht werden, denn Janika Takats (ehemalige Chefredakteurin des Hanf Journals und des Cannabis-Magazins In.Fused) hat hier kein Praktikerbuch, sondern einen reinen Rechercheband vorgelegt. Für alle Einsteiger ins Thema insgesamt eine gute initiale Lektüre. Janika Takats: Das kleine Buch vom Cannabis – Was man darf. Wie es wirkt. Wann es hilft. Heyne Verlag 2021, ISBN 978-3-45360-564-0

Richard Tarnas und Sean M. Kelly (Hg.): Psyche Unbound – Essays in Honor of Stanislav Grof. Synergetic Press 2022, ISBN 978-0-998-27652-6

Geheimnisvolles Räuchermittel Weihrauch ist Räucherwerk, Heilmittel und Psychotropikum. Dieser Softcoverband beschäftigt sich mit der Kulturgeschichte und wissenschaftlichen Erforschung des Weihrauchs (diverse Harze von Boswellia-Arten; Olibanum), dessen medizinischen und rituellen Eigenschaften sowie mit individuellen Erfahrungen mit den aromatischen und pharmakologisch wertvollen Räucherungen. Zahlreiche Rezepte, die leicht nachvollzogen werden können, vervollständigen die Abhandlung. Mit einem Beitrag des Nachtschatten-Autors Wolfgang Bauer. Vera Wagner: Weihrauch – Das Elixier der Heilung: Weihrauch für Körper, Geist und Seele. Synergia Verlag 2018, ISBN 978-3-906-87372-5


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MEDIATHEK Kein Sucht-Lexikon Die Bezeichnung Enzyklopädie trifft es bei diesem 152 Seiten starken Softcover nicht ganz. Eine lexikalische Übersicht über die verschiedenen Begriffe bietet das Buch nicht. Dafür wartet es mit Aufsätzen zu diversen Themengebieten rund um psychoaktive Substanzen und Suchtmittel auf, z.B. mit Texten zu Alkohol, Cannabis, Heroin, LSD und Kokain. Daneben werden unter anderm die Begriffe «Sucht», «Krankheit» und «Droge» beleuchtet; außerdem erhellen Gedanken zur Drogen- und Suchtpolitik sowie zum Krieg gegen Drogen die politischen Hintergründe des Themas. Otto Schmidt und Thomas Müller: Sucht-Enzyklopädie: Addictionary, Pabst Science Publisher 2020, ISBN 978-3-958-53632-6

Abschied vom Abstinenzdogma Opiatabhängige Personen müssen weder krank und asozial noch kriminell und inkompatibel für die Gesellschaft sein, wenn diese sie nicht explizit durch ihre verheerende Drogenpolitik dazu macht. Die heroingestützte Behandlung solcher Patienten gibt Betroffenen Lebensqualität, Selbstachtung und die Möglichkeit zu einer normalen Existenz zurück, ohne dass – wie bisher üblich – eine strikte Abstinenz gefordert werden muss. Die Experten Torsten Passie (siehe auch Seite 106 in diesem Heft) und Oliver Dierssen dokumentieren mit diesem Werk sieben Jahre praktischer Erfahrungen und theoretischer Erkenntnisse eines Pilotprojekts an der Medizinischen

Hochschule Hannover. Torsten Passie arbeitet bis heute in einer Berliner Heroinambulanz. Torsten Passie, Oliver Dierssen: Die Heroingestützte Behandlung Opiatabhängiger: Handbuch für die Praxis (Fachwissen), Psychiatrie Verlag 2013 (3. Auflage), ISBN 978-3-884-14519-7

Das transformative Potenzial von MDMA Inner Traditions legt hier einen englischsprachigen Leitfaden für den sicheren, verantwortungsvollen Gebrauch von MDMA («Ecstasy») zur persönlichen Heilung und sozialen Transformation vor. Der Autor ist Psychotherapeut und hat im Lauf von fünf Jahrzehnten privat wie beruflich mit psychoaktiven Substanzen gearbeitet. MDMA hat ihn dabei mit am meisten beeindruckt. Das 238-seitige Buch widmet sich unter anderem der wichtigen Forschung über MDMA als Medikament zur Behandlung von PTBS, weshalb «Ecstasy»“ auf dem Weg ist, als verschreibungspflichtiges Medikament gesellschaftlich rehabilitiert zu werden. Charles Wininger: Listening to Ecstasy – The Transformative Power of MDMA, Park Street Press, Inner Traditions 2020, ISBN 978-1-644-11116-1

Die Welt des rohen Kakaos Kakao ist mehr als eine Süßigkeit, die stark gezuckert in Form von Tafeln im Supermarkt verfügbar ist. Roher Kakao ist eine ethnobotanische Köstlichkeit mit stimulativen Eigenschaften und eignet sich außerdem als Mittel für erotische

Stunden. Da zurzeit Kakaozeremonien nicht nur in der psychonautischen Bewegung in Mode kommen, hilft dieses schmale Softcoverbüchlein mit seinen 96 Seiten zu verstehen, dass Kakao keinesfalls auf seine Verwendung als industrielle Schokolade reduziert werden darf. Kakao ist Psychotropikum, Heilmittel (er ist u.a. antidepressiv wirksam und wurde von indigenen Ethnien Nordamerikas als Heilmittel für das Herz benutzt) und Aphrodisiakum, wenn er korrekt zubereitet und verwendet wird. Mit vielen Rezepten zur Nutzung von rohem Kakao. Britta Diana Petri, Thorsten Weiss: Roh-Schokolade – Super Food und Aphrodisiakum, Schirner Verlag 2016 (4. Auflage), ISBN 978-3-843-45066-9

Neues Buch vom Meister Mit diesem 342-seitigen Hardcoverbuch legt der US-amerikanische Verlag Synergetic Press in Zusammenarbeit mit dem Verlag Transform Press von Alexander «Sasha» und Ann Shulgin den ersten Band einer dreiteiligen Reihe vor. Das Buch besteht aus transkribierten Vorlesungen, die Shulgin in den 80er Jahren an der San Francisco State University vor Studenten gehalten hatte. Die einzelnen Lektionen erläutern, was Drogen sind, wie sie wirken, wie sie vom Körper verarbeitet werden und wie sie unsere Gesellschaft beeinflussen. Gespickt mit erhellenden Anekdoten und amüsanten Nebenbemerkungen, die ganz das sympathische Wesen des psychonautischen Pioniers dokumentieren. Englischsprachiges Buch. Alexander Shulgin: The Nature of Drugs – History, Pharmacology, and Social Impact, Synergetic Press (Transform Press) 2021, ISBN 978-0-999-54721-2


Lucys Rausch Nr. 13

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MEDIATHEK Wunderkind LSD Nicht nur für Entdecker Albert Hofmann war LSD neben dem Sorgen- auch ein Wunderkind. Sein populäres Buch des Titels «LSD – mein Sorgenkind» hatte ursprünglich «LSD – mein Wunderkind» heißen sollen, wie der Chemiker und Naturphilosoph desöfteren erzählt hatte. Jetzt legt der bekannte Autor Thomas Hatsis ein englisches Werk vor, das eine konszise Kulturhistorie des Psychedelikums präsentiert. Er untersucht die Anfangsphase der psychedelischen Forschung in Europa und Amerika und bietet eine umfassende Geschichte der durch Psychedelika ausgelösten Revolution in den Bereichen Heilung und Bewusstseinserweiterung. Thomas Hatsis: LSD – The Wonder Child: The Golden Age of Psychedelic Research in the 1950s, Park Street Press, Inner Traditions 2020, ISBN 978-1-644-11256-4

Neues Buch zu Ketamin Ketamin wurde 2019 von der Food and Drug Administration für die Behandlung von Depressionen zugelassen und wird derzeit als neues Wundermittel zur Behandlung von Depressionen erforscht und gepriesen. Dieser englischsprachige Band aus der Essential-Knowledge-Reihe des Verlags des Massachusetts Institute of Technology (MIT) beschreibt auf 186 Seiten die Geschichte einer synthetischen psychoaktiven Substanz, die vor fünfzig Jahren erfunden worden war und als Anästhetikum, Schmerzstiller, Kampfmittel, Clubdroge und Psychonautikum verwendet wurde bzw. wird. Die Autorin ist eine

führende Forscherin auf dem Gebiet der Neuropharmakologie und erläutert in dem Band u.a. die wissenschaftliche Historie und die Biologie von Ketamin sowie die klinische Nutzung des Moleküls. Bita Moghaddam: Ketamine, MIT Press 2021, ISBN 978-0-262-54224-1

Essays zur psychedelischen Renaissance Dieses 238-seitige Softcover stellt eine umfassende Anthologie zur psychedelischen Renaissance dar. Die Autoren untersuchen in ihren Beiträgen die Geschichte der Psychedelika, feiern ihre wiedergewonnene Salonfähigkeit und überlegen, wie Befürworter und politische Entscheidungsträger die künftige Integration von Psychedelika in die Gesellschaft gestalten können. Während Psychedelika und psychedelisch unterstützte Therapien ins öffentliche Bewusstsein drängen, stellt sich die Frage, was es bedeutet, eine psychedelische Renaissance zu etablieren, die aus der Vergangenheit lernt und sich auf die Zukunft vorbereitet. Beatriz Caiuby Labate und Clancy Cavnar (Hg.): Psychedelic Justice – Toward a Diverse and Equitable Psychedelic Culture, Synergetic Press 2021, ISBN 978-0-907-79185-0

Psychedelische Renaissance Dieses englischsprachige Softcover vermittelt auf knapp 390 Seiten die wiederzugewinnende Rolle der Psychedelika in Medizin und Therapie wie auch in der Gesellschaft. Das Buch

beleuchtet interdisziplinäre Aspekte der psychedelischen Renaissance, gibt einen Überblick über wichtige Protagonisten der globalen psychedelischen Forschung und erläutert, wieso die Welt gut daran tut, die prohibitionistischen Verteufelungen durch neue, wissenschaftlich untermauerte Akzeptanz zu ersetzen. Ben Sessa: The Psychedelic Renaissance – Reassessing the Role of Psychedelic Drugs in 21st Century Psychiatry and Society, 2. Auflage, Muswell Hill Press 2017, ISBN 978-1-908995-25-4

Betel in Südostasien Betelnuss, Betelbissen, Betelkauer – Angela Raab, Apothekerin und Autorin, legt mit diesem im Selbstverlag herausgegebenen Werk eine konzise Anbhandlung über die Praxis und Geschichte des Betelgenusses vor. Die Betelnuss von der Betelpalme Areca catechu, auch Areca-Frucht genannt, ist fester Bestandteil der südostasiatischen Lebensart und als Genuss- und Rauschmittel in diesem Kulturkreis nicht mehr wegzudenken. Schon Louis Lewin, ein Pionier der frühen Ethnopharmakologie, hatte die Droge und die sich um sie rankenden Traditionen in einem eigenen Werk beschrieben. Die 2. aktualisierte und erweiterte Ausgabe von 2017 umfasst 84 Seiten, von denen allerdings über 30 Seiten aus Leseproben anderer Bücher der Autorin bestehen, z.B. über die Alraune, was ebenfalls höchst interessant ist. Trotz des schmalen Umfangs ist das kleine Hardcover-Werk ein Tipp für alle, die sich mit den Vorzügen und der Historie, aber auch mit den Gefahren und Nebenwirkungen des Betelkauens auseinandersetzen wollen. Angela Fetzner: Die Betelkauer – Droge oder Genussmittel?, Selbstverlag 2017, ISBN 978-3-74486-812-9


Lobby für www.legendproducts.ch

Hanf

Der Deutsche Hanfverband ist im Kontakt mit Abgeordneten aller im Bundestag vertretenen Parteien. Auf öffentlichen Veranstaltungen, parlamentarischen Anhörungen und mit Hintergrundgesprächen werben wir direkt an den Schaltstellen der Macht für die Legalisierung von Cannabis.

hanfverband.de


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Cannabisanbau für Ambitionierte Beleuchtung und Begasung TEXT

Chuck Lore

B

ei der Aufzucht von Cannabispflanzen möchten Züchter*innen meist ein Optimum an Ertrag mit möglichst geringem Aufwand erzielen. Ertragssteigerung ist ein wirtschaftliches Gebot, auch wenn nur kleine Mengen für den Eigenbedarf angebaut werden. Wachsen die Pflanzen im Freiland ist es schwer, den Wuchs zu beeinflussen. Anders ist das bei der Anzucht unter Kunstlicht. Hier haben die Gärtner*innen ein breites Spektrum an Variationen, um das Ernteergebnis zu optimieren. Dieser Artikel richtet sich an Menschen, die im Innenraum Cannabispflanzen anbauen. Er erläutert einige wesentliche Aspekte der Beleuchtung und geht auf die Grundlagen der Begasung ein. Hanf zählt zu den sogenannten Heliophyten (Sonnenpflanzen) und unter diesen zu den sogenannten C3-Pflanzen. Das heißt, dass Hanf sowohl einen hohen Gehalt an Kohlenstoffdioxyd (CO2) als auch viel Licht bevorzugt. Aus diesem Grunde düngen manche Züchter*innen nicht nur das Medium, in dem die Cannabispflanze wurzelt, sondern werten die Atmosphäre durch Zugabe von CO2 zusätzlich auf. Nun stellt sich die Frage, welche Lichtmenge sinnvoll ist und wann begast werden soll.

Die Rolle des Lichts Dazu zuerst ein wenig Biophysik. Das Licht, das auf die Pflanze fällt, also die Photonenstromdichte, wird

in der Biologie meist in µmol/(s·m²) angegeben. Das hat seinen Grund darin, dass sich mit der Angabe in Mol besser rechnen lässt. Für die Photosynthese ist aber nicht das gesamte Spektrum des einfallenden Lichts von Interesse. Dies wurde schon im 19. Jahr-

Weil die gelb-grünen Bestand­ teile des Lichts reflektiert werden, erscheinen uns die Pflanzenblätter grün. hundert vom deutschen Physiologen Theodor Wilhelm Engelmann (1843–1909) nachgewiesen. Dazu zerlegte er das Sonnenlicht mit einem Glasprisma in seine Spektralfarben und leitete es dann auf einen Objektträger mit einer Lösung, die einen Algenstreifen und sauerstoffliebende Bakterien enthielt. Die Bakterien sammelten sich dort, wo der meiste Sauerstoff zu finden war, nämlich vor allem da, wo das rote und blaue Licht den Streifen beschien. Dies sind die Wellenlängen um die 450 Nanometer (Blau) und um die 700 Nanometer (Rot). Darum erscheinen uns die Pflanzenblätter grün, weil die gelb-grünen Bestandteile des Lichts die Photosynthese nur wenig beeinflussen und daher reflektiert werden. Moderne LED-Leuchten verfügen über ein spezifisches Spektrum, das den Vorlieben der Pflanzen }


8 6 C A N NA B I S

entgegenkommt. Spezielle Leuchten strahlen vorzugsweise im roten und blauen Bereich. Dabei haben sie einen photosynthetisch verwertbaren Photonenfluss (PPF) von etwa 1,5 µmol/Ws bzw. 1,5 µmol/J, je nach verwendeter Bauart sogar deutlich mehr. Doch Achtung! Viele Hersteller geben bei den Leistungsangaben den gesamthaft emittierten Photonenfluss an, also nicht nur die Menge des tatsächlich von der Pflanze aufgenommenen Lichts. Bei Angaben über 2 µmol/J ist der Wert beim derzeitigen Stand der Tech-

Einer Lichtsättigung kann man durch Anreicherung der ­Atmosphäre mit CO2 entgegen­ wirken. nik wahrscheinlich inkorrekt beziehungsweise berücksichtigt nicht die von der Cannabispflanze reflektierte Strahlung. Nun ist es so, dass Cannabispflanzen bis zu einer Photonenstromdichte von etwa 450 µmol/(s·m²) das Licht nahezu komplett für die Photosynthese verwerten können. Bei höherer Flussdichte setzt eine Lichtsättigung ein, der man bis zu einem gewissen Punkt durch Anreicherung der Atmosphäre mit CO2 entgegenwirken kann. Bei Normalatmosphäre ist also die Bildung von Pflanzenmasse bis zu der genannten Photonenstromdichte lichtlimitiert und darüber hinaus CO2-limitiert. Engagierten Züchter*innen stellt sich also die Frage, ob sie den Aufwand einer zusätzlichen Begasung auf sich nehmen möchten. Dazu bietet sich als einfachste Lösung an, die Pflanzen mit maximal 450 µmol/(s·m²) Photonenstromdichte zu beleuchten, weil mehr Licht bei Normalatmosphäre nicht mehr gänzlich verwertet wird. Dazu ein Beispiel:

Ein Hersteller bietet eine moderne LED-Leuchte an, die weißes Licht mit einer Farbtemperatur von 3500 Kelvin emittiert. Die photosynthetisch aktive Strahlung im Bereich von 380 bis 800 Nanometer Wellenlänge wird mit 2,53 µmol/Ws angegeben – ein recht hoher Wert, der dem heutigen Stand der Technik entspricht. Allerdings ist – wie oben ausgeführt – ein Teil der abgegebenen Lichtmenge für den Pflanzenwuchs unbedeutend. Die Umrechnung ist nicht einfach und müsste im Labor verifiziert werden, in der Praxis reicht aber eine Näherung aus. Bei weißem Licht zieht man von der angegebenen Strahlung ein Drittel ab, das entspricht grob dem tatsächlich verwertbaren Photonenstrom. Übrigens ist das aufgenommene Spektrum sortenabhängig und ändert sich zudem im Leben einer Hanfpflanze. Ältere Cannabispflanzen nehmen mehr grün-gelbe Anteile auf als junge Pflanzen, darum ändert sich der Wert zugunsten einer weißstrahlenden Leuchte. Das ist zusammen mit den photomorphologischen Effekten der Grund, warum es nicht möglich ist, das definitiv beste Spektrum für den Wuchs zu ermitteln. Die Anforderungen an das Licht sind sehr variabel, und ein optimales Lichtspektrum müsste ständig variiert werden.

Berechnung der Leistung Zurück zur Berechnung der benötigten Leistung der Pflanzlampe. Der verwertbare Photonenstrom beträgt bereinigt rund 1,70 µmol/Ws, das ist ein realistischer Wert, mehr bieten derzeit die wenigsten Pflanzleuchten. Der Pflanzraum hat eine Fläche von 2,5 Quadratmetern, diese soll komplett ausgeleuchtet werden. Um die Gesamtleistung zu erhalten, wird die gewünschte Photonenstromdichte durch die Leistung je Watt der Leuchte geteilt und das Ergebnis mit der Fläche multipliziert. 450μmol m 2s 1,7μmol

*2,5m2

450μmol *2,5m2Ws m2s * 1,7μmol

� 662 W

Ws Pro Quadratmeter Fläche benötigt man also für eine optimale Ausleuchtung bei Normalatmosphäre rund 265 Watt Leistung einer modernen LED-Pflanzleuchte. Dies ist wahrscheinlich mehr, als die meisten Hobbyzüchter einsetzen; typisch sind meist deutlich schwächere Leuchten. Das liegt an dem recht hohen Preis für Spezialleuchten, der derzeit bis zu drei Euro je Watt Leistung betragen kann. Mit LED-Lampen beleuchtete Pflanzen.

Foto: iStock


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Die Spezialleuchten für unser Beispiel würden in bester Qualität das Budget mit fast zweitausend Euro belasten, eine hohe Summe für den gelegentlichen Anbau. Darum versuchen viele, den Wuchs mit anderen Mitteln zu fördern. Aber trotz aller Mühen, trotz der Verwendung von Spezialdünger, Kohlendioxydsäckchen, Booster und anderen angepriesenen Mitteln verbessert sich das Ergebnis nur marginal. Wie denn auch? Pflanzen brauchen Licht, um das CO2 der Luft binden zu können, so und nicht anders funktioniert die Photosynthese. Man kann einzig und allein für eine bessere Aufnahme des Lichts sorgen. Das ist mit bestimmten Formschnitten, die für eine gleichmäßige Ausleuchtung sorgen, möglich. Auch die Verwendung reflektierender Folien hilft, das vorhandene Licht effizienter zu verwerten. Wer sich nun fragt, welche Fläche mit einer vorhandenen Leuchte vorteilhaft ausgeleuchtet werden kann, der stellt die obige Formel nach der Fläche um. Um diese zu errechnen, wird die Gesamtleistung mit der Leistung je Watt der Leuchte multipliziert und das Ergebnis durch die gewünschte Photonenstromdichte dividiert. 1,7μmol Ws 450μmol

*662W

1,7μmol * 662 Wm2s Ws * 450μmol

� 2,5m2

m 2s Weil sich diese Frage öfters stellt, findet sich hier eine Tabelle, in der Richtwerte für moderne LEDLeuchten aufgeführt sind. Es wird eine Photonenstromdichte von 400 µmol/(s·m²) angestrebt, das ist eine wirtschaftliche Bestrahlung, die ertragreiche Ernten sicherstellen wird. Fläche in Quadratmeter

Abmessungen in Meter

50

0,2

0,45 * 0,45

100

0,43

0,65 * 0,65

150

0,64

0,80 * 0,80

200

0,85

0,92 * 0,92

250

1,06

1,00 * 1,00

300

1,28

1,13 * 1,3

400

1,70

1,30 * 1,30

500

2,13

1,46 * 1,46

750

3,19

1,79 * 1,79

1000

4,25

2,06 * 2,06

Leistung in Watt

Profis investieren hohe Summen in die Beleuchtung.

Foto: Shutterstock

Neben der Hauptaufgabe des Lichts, nämlich die Photosynthese aufrechtzuerhalten, erfüllt das verwendete Spektrum noch andere Aufgaben. Diese photomorphologischen Effekte sind nicht zu vernachlässigen, auch wenn der eigentliche Aufbau von Pflanzenmasse davon nicht betroffen ist. Für ein stämmiges Wachstum sind besonders blaulastige Spektren geeignet. Sie sorgen dafür, dass die Pflanze in der vegetativen Phase reichlich an Masse zunimmt. Fehlen am Ende des Lebenszyklus rote Lichtanteile, werden die Blüten eher klein und fluffig. Als Allzweckbeleuchtung dienen daher Leuchtmittel, die ein kaltweißes Licht emittieren. Ihr Licht hat sowohl blaue als auch rote Anteile, störend sind lediglich die gelb/grünen Spektralfarben, die kaum Einfluss auf das Pflanzenwachstum haben. Der große Vorteil dieses Lichts ist die unauffällige Farbe, die bei Speziallampen verräterisch sein kann. Profis verwenden für die vegetative Phase ein blaulastiges Spektrum und für die Blütephase ein rotlastiges. Das Licht dieser Spezialleuchten ist zwar für das Wachstum optimal, aber es ist auffällig und verdächtig. Darum sollten die Pflanzräume bei dieser Beleuchtung möglichst lichtdicht gestaltet werden. Damit ist das Thema der Beleuchtung bei Normalatmosphäre weitgehend abgehandelt. Ein deutlicher Mehrertrag lässt sich nur erzielen, wenn dafür gesorgt wird, dass die Hanfpflanzen deutlich mehr Licht verwerten können als die erwähnten 450 µmol/(s·m²). Dies ist möglich, wenn der Anteil des Kohlenstoffdioxids in der Atmosphäre erhöht wird. Derzeit enthält unsere Atemluft rund 0,04 Prozent, also etwa 400 ppm (parts per million). Wird der }


8 8 C A N NA B I S

Anteil auf zirka 1000 ppm erhöht, kann die Photonenstromdichte verdoppelt werden. Darüber hinaus setzt allerdings unabhängig von dem Gehalt an CO2 eine zunehmende Lichtsättigung ein. Ab 2000 ppm wirkt CO2 sogar toxisch, weil sich die Stomata (die Spaltöffnungen) der Blätter, welche dem Gaswechsel dienen, vermehrt schließen. Für eine sinnvolle Begasung werden also in der Regel eine Gasquelle, ein Gasregler, ein Gerät zur Messung des CO2 -Gehaltes und ein gasdichter Raum

Die Aufzucht in einem regel­ mäßig genutzten Raum kann viel teure Technik sparen. benötigt. Eine Ausnahme ist die Situation, wo wenige Pflanzen im Büro oder im Wohn- und Schlafraum aufgezogen werden. Erwachsene Menschen bewegen pro Tag etwa zwölf Kubikmeter Luft, die sie mit CO2 anreichern. Die ausgeatmete Atemluft enthält stolze vier Prozent CO2, in einem kleinen Raum steigt die Konzentration also rapide an. Auch hier wieder ein Beispiel. Ein zwölf Quadratmeter großer Raum umfasst etwa dreißig Kubikmeter. Setzt man eine Luftwechselrate von einem Raumvolumen pro Stunde an, dann reicht die Anwesenheit eines einzigen Menschen, um die Konzentration an CO2 deutlich über 1000 ppm zu halten. Es vermischt sich ja stündlich der halbe Kubikmeter Atemluft mit der frisch zugeführten Atmosphäre. Also die 29,5 Kubikmeter mit 400 ppm plus einen halben Kubikmeter mit 40 000 ppm, siehe folgende Formel. 29,5m3*400ppm+0,5m3*40 000ppm 29.5m3+0,5m3

� 1060 ppm

Liegt der Raum in einem Passivhaus, dann liegt die Luftwechselrate bei rund einem halben Raumvolumen je Stunde. Der Gehalt an CO2 spielt sich dann bei etwa 1700 ppm ein, das ist schon ein recht hoher Wert. 0,5*29,5m3*400ppm+0,5m3*40 000ppm � 1698 ppm 0,5*29.5m3+0,5m3 Natürlich wird die Konzentration in der Realität etwas geringer sein, weil die Pflanzen der Atmosphäre ja ständig CO2 entziehen. Aber die Dimension stimmt, und die Aufzucht in einem regelmäßig genutzten Raum kann viel teure Technik sparen.

Spezielle Leuchten strahlen vorzugsweise im roten und blauen Bereich. Foto: Adobe Stock

Dennoch kann es von Interesse sein, wie viel CO2 benötigt wird, um eine bestimmte Pflanzenmasse zu gewinnen. Pflanzenmasse besteht vorwiegend aus Cellulose. Diese hat die Summenformel C12H20O10. Es sind also 12 Atome Kohlenstoff mit 20 Atomen Wasserstoff und 10 Atomen Sauerstoff in einem Molekül miteinander verbunden. Um ein Mol (Masse von rund 602 Trilliarden Teilchen einer chemischen Verbindung) dieser Substanz zu erhalten, müssen 12 Mol CO2 (Kohlenstoffdioxid) mit 10 Mol H2O (Wasser) reagieren, dabei werden 12 Mol O2 (Sauerstoff) frei. Soviel zu dem chemischen Hintergrund, die Details der Photosynthese sollen hier nicht interessieren. Für die eigentliche Berechnung muss man nun wissen, dass ein Mol Cellulose 324 Gramm wiegt, ein Mol Wasser 18 Gramm, ein Mol CO2 44 Gramm und ein Mol Sauerstoff 32 Gramm. Die Werte sind ganz leicht gerundet, damit die Berechnung übersichtlich bleibt. Soll also am Ende die Pflanze ein Trockengewicht von genau einem Mol erreichen, müssen dafür 528 Gramm CO2 (12 * 44 Gramm) sowie 180 Gramm H2O (10 * 18 Gramm) aufgewendet werden. Die Differenz von 384 Gramm (12 * 32 Gramm) wird als reiner Sauerstoff (O2) freigesetzt. Bei Raumtemperatur und Normaldruck sind das rund 269 Liter. Zugegeben, die Berechnung über die Stoffmenge Mol ist ein wenig abstrakt und kann vereinfacht


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werden. Die Formel für die Berechnung des benötigten CO2 bzw. H2O lassen sich einfach zusammenfassen. Benötigtes CO2 = 44 * Pflanzenmasse / 27 Benötigtes H2O = 5 * Pflanzenmasse / 9 Wird andersherum gefragt, wie schwer eine Pflanze mit einer bestimmten Menge CO2 und H2O werden kann, hilft folgende Formel. Pflanzenmasse = Bereitstehendes CO2 * 27 / 44 Pflanzenmasse = Bereitstehendes H2O * 9 / 5 Dazu ein Beispiel: Eine Hanfpflanze soll in einem dicht geschlossenen Raum aufgezogen werden, und der Züchter rechnet mit einem Trockengewicht von 500 Gramm. Er möchte eine möglichst genaue Abschätzung des benötigten Kohlenstoffdioxids haben, Wasser führt er nach Bedarf zu. Er rechnet also wie folgt: 44 * 500 Gramm / 27 = 815 Gramm

Das Kilogramm CO2 in Gasflaschen kostet derzeit im Schnitt um die sechs Euro, je nach Qualität auch deutlich mehr. Der Preis für die beliebten Flaschen von Sodastream liegt bei etwa vierzehn Euro je Kilogramm, das ist schon recht beachtlich. Die Aufzucht verteuert sich demnach je nach verwendetem System und Qualität deutlich. Züchter*innen sollten genau überlegen, ob sie diesen Mehraufwand wirklich leisten möchten. Anders sieht die Berechnung aus, wenn das benötigte CO2 durch Verbrennung hergestellt wird. Große Anlagen arbeiten nach diesem Prinzip, was deutlich wirtschaftlicher ist. Allerdings kosten diese Geräte recht viel in der Anschaffung, was sich nur langfristig bei einem professionellen Einsatz rechnet. Abschließend lässt sich sagen, dass sich eine Begasung letztlich nur im professionellen Bereich lohnt. Bei kleinen und mittleren Anlagen reicht das in der Atmosphäre vorhandene CO2 aus, um gute bis sehr gute Ergebnisse zu erzielen. Meist ist bei Hobbyzüchtern die Beleuchtung das große Manko – und hier sollte als Erstes optimiert werden. lucys-magazin.com/autoren/Lore

Eine Begasung lohnt sich letztlich nur im professionellen Bereich.

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Psilocybin-Zen

Der lange Weg zur Abstraktion TEXT

Olaf Ozeanus

V

or 450 Jahren reichten in Deutschland der Besitz eines Topfes und das Murmeln unverständlicher Worte beim Kochen schon aus, um nach einer Denunziation als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden – so steht es in den Annalen meiner Familie, die ihre Wurzeln in Ostdeutschland hat. Schon früh interessierte ich mich daher für die Erforschung von Ritualen und Ritualorten und die dabei verwendeten Hilfsmittel. Nach und nach entstand auf diese Weise eine Sammlung von Objekten, die zunächst auf «Schwarze Kunst» fokussiert war, dann aber nach Mittelamerikareisen durch Pilzsteine und psychedelische Kunstwerke bereichert wurde. Die Sehnsucht der Menschen, ihre Wirklichkeit transzendieren zu wollen, bringt sie nicht selten in Konflikt mit gesetzlichen Verboten und geht mit Kriminalisierung einher. Darunter wird in der Kriminologie ein Prozess verstanden, bei dem Verhaltens­ weisen zu Kriminalität erklärt und die ausübenden

Im Zusammenhang mit psyche­delischen Substanzen entstanden im Laufe der Zeit Skulpturen und Kunstwerke. Personen zu Kriminellen gemacht werden. Wie die Statistiken zeigen, bannen Strafen und der Strafvollzug aber nicht die Wiederholungsgefahr bei sogenannten «Drogendelikten». Zu groß ist der innere Drang der Menschen nach Bewusstseinserweiterung und Transzendenz. Die Rehabilitationsforschung kreist daher schon seit Längerem um die Frage, ob spirituelle Realitäten auch ohne die Einnahme geistbewegender Substanzen erfahren werden können.

Dem Künstler Pablo Cazzone gelingt die Annäherung an den «Heiligen Gral» der Bewusstseins­ erweiterung ohne Substanz­unterstützung mit seinen Psilocybin-Zen-­Skulpturen. Sie vermitteln eine komprimierte Wucht von Istigkeit, halten den inneren Dialog des Schauenden an und erheben ihn in einen meditativen Zwischenbereich.

Pilzsteinforschung Im Zusammenhang mit der Einnahme von psyche­ delischen Substanzen entstanden im Laufe der Zeit Skulpturen und Kunstwerke, die sich sowohl mit den Objekten der stofflichen Herkunft als auch mit den Wirkungen der unterschiedlichen Substanzen auseinandersetzten. Im Kulturgebiet der Hochlandmaya, in Guate­ mala und den angrenzenden Gebieten El Salvadors und Mexikos, fand man Hunderte von Pilzsteinen. Es handelt sich dabei meist um etwa 30 Zentimeter hohe Steinartefakte mit schirmartigem Hut, einem Stiel und einem Sockel, deren Form einem Hutpilz entspricht. Neben tierfigürlichen Gestaltungen am Schaft (Jaguar, Affe, Kröte und andereb.) sind auch menschliche Antlitze und rein abstrakte Skulpturen vertreten. Für die Pilzsteinforschung war es dabei ein Hindernis, dass vermögende Privatsammler*innen oder abgelegene Museen ganze Kollektionen von Pilzsteinen besaßen, die für Recherchen nicht zugänglich waren. Deshalb entging der Forschung zunächst eine erstaunliche Entwicklung, nämlich die im Laufe der Zeit zunehmende Stilisierung der Skulpturen. Wegweisend für frühe Studien zum Thema war meist nur die Beilage aus dem Klassiker von V.P. und R.G. Wasson, Band II, Mushrooms, Russia and History von Stephan F. de Borhegyi, der neben einer graphischen Darstellung von Pilzsteinen auch deren zeitliche Reihenfolge beschrieb.[1]


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Entwicklung von 1000 B.C. bis 900 A.D.

Pilzsteine mit Tiermotiven und menschlichen Antlitzen entstammen dabei der frühen bis späten vorklassischen Periode von 1000 B.C. –200 A.D. und sind also älter als dreifüßige abstrakte Pilzsteine der spätklassischen Periode von 500–900 A.D.[2] Bei der Entwicklung von Pilzsteinen ist in diesem Zusammenhang besonders interessant, dass im Laufe der Jahrhunderte die Stilisierung zunimmt und die Schlichtheit wächst. Beim Betrachten von Pilzsteinen unterschiedlicher Zeitalter würde man intuitiv eher vermuten, dass sich die Entwicklung

umgekehrt vollzog, nämlich vom Einfachen zum Differenzierten, so wie es bei der Ausdifferenzierung von Stilen im Allgemeinen der Fall ist. Diese erstaunliche Tendenz zur Reduktion des Stils auf das Wesentliche ließ denn auch die Frage bei Usern aufkommen, ob die Wirkungsqualität eines abstrakten Pilzsteins während und nach der Pilzerfahrung eine andere sei als die eines ausdifferenzierten Motivsteins. Die gefundenen Steinartefakte werden in historischen Berichten nicht als Bestandteil von Pilzzeremonien erwähnt und fehlen als Ritualrequisiten }


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PSILOCYBIN-ZEN

auf den Altären der noch immer praktizierenden Mazateken in Mexiko. Vielmehr handelt es sich offenbar um «Haushaltsgegenstände», die nur in einem mittelbaren Bezug zur Heilungszeremonie «Velada» standen. Dies berechtigt zu der Frage, ob Pilzsteine dazu dienen sollten, an die gemachte Erfahrung mit Pilzen zu erinnern oder sogar das Gefühl des Erlebten in den Betrachtern wieder wachzurufen, quasi als Gegenstände einer über das Erlebte hinausgehenden «Erinnerungskultur». Die Wirksamkeit ethnomedizinischer Objekte als Sympathiemittel im Rahmen heilpraktischer Therapie bis hin zu Placebo-Effekten wird heute allgemein auch von Schulmedizinern bejaht.[3] Dann wären

In der Nachschau ruft die Skulptur das Gefühl des Erlebten in Erinnerung. derartige Kleinskulpturen geeignet, um sie post-experimentell als nicht-pharmakologische Methode in Bewältigungsprozesse mit einzubeziehen. Auf der Suche nach einem Modell-Pilzstein schuf der Bildhauer M.K. in den 1990er Jahren eine Specksteinskulptur, die nach den stilisierten Vorlagen gearbeitet ist und die abstrahierende Reduktion zu einem einfachen Muster mit hohem Wiedererkennungswert komprimiert (Dreifuß). Berichten zufolge soll diese Modellskulptur nicht nur angenehm während einer Session zu betrachten sein, sondern auch in der Nachschau das Gefühl des Erlebten in Erinnerung rufen. Durch diese Eigenschaft unterscheidet sich das Kunstwerk von anderen Stilrichtungen der psyche­ delischen Kunst, die zwar vermitteln können, was die Kunstschaffenden selber erlebt haben, das Gefühl des Erlebten aber nicht vermitteln können. In diesem Zusammenhang sind sowohl die Acid-Malerei vom Typ «Horror vacui» (lat. «Angst vor der Leere») à la Issac Abrams als auch der Phantastische Realismus nach Ernst Fuchs zu nennen. Solche Arbeiten geben zwar wertvolle Einblicke in das Erleben der Künstler. So faszinierend diese Werke durch ihre plastische Tiefenwirkung und ihre Detailfülle auch sind, bleiben sie doch auf Leinwand gebannte Visionen des Erschaffers, die sich der Betrachter als Erfahrung nicht zu eigen machen kann.

M. Reichmann: «Mushroom Head» Foto: zvg

«Wirksamer Pilzstein» nach M.K., 28 x 17 cm. Foto: zvg

Interessanterweise gilt diese Erkenntnis auch für den kunsthandwerklichen Pilzmystizismus, wie ihn der Holzbildhauer Martin Reichmann gestaltet (www.holzbildhauer-reichmann.de).

Die Kunst von Pablo Cazzone Der Rechtsanwalt Christoph Miczek ersann nach der Großdemonstration «Künstler für den Frieden» in Bochum im Jahr 1982 unter dem Pseudonym Pablo


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P SYC H E D E L I C Z E N M OV E M E N T Unabhängig voneinander, also ohne in einer Künstlergruppe organisiert zu sein, entdeckten Künstler*innen und Psychonaut*innen immer wieder den Zen-Buddhismus als inspirierendes Element ihres Schaffens. Ein roter Faden, der sich quasi als «Schicksalsgarn» durch verschiedene Biographien spinnt. Jochen Gartz, Nestor der psychedelischen Pilzforschung, formulierte es einmal so: «Auch die Einstellung zur eigenen Existenz und dem ewigen Kreislauf aller Dinge kann sich durch eine Experience eigentümlich im buddhistischen oder hinduistischen Kontext wandeln»4. Im Psychedelic-Zen-­Movement (PZM) sind beispielhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit folgende Protagonisten zu nennen:

1960er Jahre Mary Bauer­meister, Mutter der Fluxus-­ Bewegung, entwickelte ihr Werk – vom Zen beeinflusst – von der zweidimensionalen Zeichnung zu drei­ dimensionalen Linsenkästen und Steinkreisen in ihrem Garten in Rösrath (Kultplatz mit Gong).

sich nach einer LSD-Erfahrung und Drop-Out zehn Jahre in das Zen-Kloster Tassajara in Kalifornien. Als Zen-Priester und spiritueller Lehrer7,8 gründete er die Begegnungszentren Haus der Stille in Puregg (Österreich) und Stiftung Felsentor (Schweiz) mit einem Zendo als Meditationsgebäude. Er unterstützt Forschungen im Bereich des Brain-Imaging. Seit 2010 biologischer Landwirt.

1970er Jahre

1990er Jahre

Joan Halifax arbeitete an LSD-Forschungsprojekten zusammen mit ihrem Ehemann Stanislav Grof. Sie gründete und führt das spirituelle Zentrum Ojai Foundation («to honor

2000er Jahre

the power of the circle»6)

1920er Jahre Takahashi Shinkichi, Dichter und Anhänger des Dadaismus in Japan, tritt nach seiner aktiven Dada-Phase einem Zen-Orden bei: «Zieht man die Selbstverleugnung des Buddha in Betracht, kann man sagen, dass alles alles ist» (Takahashi, 19225).

und lebt heute als Äbtissin des Upaya Zen Center in Santa Fe, New Mexico. Sie verfasste Bücher über Achtsamkeit und Dharma-Übertragung von Bernard Glassman und Thich Nhat Hanh.

1970er bis 2000er Jahre Vanja Palmers, Kind einer österreichischen Industriellenfamilie, begab

Cazzone die Stealth-Glyphe, eine heimliche De­ monstrationsmöglichkeit in der Land-Art. Dabei wurden in der Nähe von Militärstandorten durch das Ausbringen von Klatschmohnsaat (Papaver rhoeas) große Umrisse von Friedenstauben in der Landschaft in Szene gesetzt. Anders als Geoglyphen, bei denen durch die Scharrtechnik ein Landschaftsverbrauch und die Einengung auf ein spezielles Motiv stattfindet, sind Stealth-Glyphen durch den geringeren Eingriff in die Natur nachhaltig und erlauben auch einen Themenwechsel am gleichen Standort. Die Blühpflanzen leisten zudem einen Naturschutzbeitrag als Bienen- und Schmetterlingsweiden. Solche Aktionen, die heute auch als «Guerilla Gardening» bezeichnet werden, sind im Kern ein subtiles Mittel politischen Protests und des zivilen Ungehorsams im öffentlichen Raum. Miczek führt seit 1995 eine eigene Anwaltspraxis in Essen als kompetenter Verteidiger zu den Themen

M.K. Bildhauerstudien zu Pilzsteinen vom abstrakten Typus; Schaffung eines Modell-Pilzsteins als post-experimentelles Sympathiemittel.

Pablo Cazzone alias Strafrechts­ anwalt Christoph Miczek gestaltete «Psilo­cybinZen» Objektarrangements und Land-Art, deren Ästhetik – inspiriert durch Zen-Gärten und Fraktale – die Achtsamkeit des Betrachters beleben und zu einer Bewusstseinserweiterung ohne psychedelische Substanzen führen sollen («Das Nichts zwischen allem Sein ist ein Wesen!»).

BtMG, Ermittlungs-, Untersuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen, Straßenverkehrs- und Fahr­ erlaubnisrecht, insbesondere zur Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss. Der Land-Art und der Kunst im Allgemeinen blieb der Anwalt weiter verbunden. In Gesprächen brachten seine Mandant*innen immer wieder die Sehnsucht nach der Möglichkeit einer Bewusstseinserweiterung ohne Substanzen zum Ausdruck. Eine solche Option würde insbesondere die Rehabilitationsphase im Anschluss an die Strafverfolgung begünstigen. Immer wieder äußerten User*innen in Gesprächen, dass sie psychedelische Substanzen gerne in botanischen Gärten und dort, wenn möglich, in Zen-Gärten einnehmen würden, da dieses Setting mit seiner optischen Gestaltungsqualität die Achtsamkeit erhöhe und den Augenblick intensiviere. Da er als Künstler von der Fraktalforschung inspiriert war – die erste Mandelbrotmenge, die er sah, }


96 PSILOCYBIN-ZEN PSILOCYBIN-ZEN

Playground of Paradise: Räuchergefäß in Tibetsilber, gefüllt mit Feinsand und zwei getönten Glasmurmeln; fraktale Bismutstufe mit Anlauffarben, 99 % Bismut, 1 % Oxidantien). Foto: Babette Reck

vereinnahmte seine Aufmerksamkeit total –, kam Cazzone auf die Idee, Arrangements zu entwerfen, die die Wirkungsqualitäten von Fraktalen und Zen miteinander verbinden. Bei den Fraktalstrukturen geht es um die Selbstähnlichkeit von kleineren Ausschnitten innerhalb einer größeren Form. Die Jünger*innen des Zen suchen den höchsten Grad der Harmonie zwischen Mensch und Natur. Zen-Gärten mit ihren Pflanzen und Steinen sollen durch Weglassen und Stilisieren natürlicher als die Natur selber erscheinen. Die wahrgenommene

Erscheinung des Zen-Gartens wandelt sich beim Betrachten meditationsgleich in eine «Panorama-Bewusstheit» um. Im Gegensatz zu den überbordenden Gemälden im Horror-Vacui-Stil herrscht bei den Arrangements des Psilocybin-Zen eine Tendenz zur Reduktion auf das Wesentliche vor. Steine, Kugeln, Sand oder fraktale Elemente werden dabei durch ihre spezielle Anordnung über das Reale hinaus stilisiert. Die für den Hausgebrauch produzierten Skulpturen-­A rrangements des Psilocybin-Zen

Volle Ladung Istigkeit: Drei mexikanische Buntkupfer, Flummi aus getöntem Gummi, zweischichtiger Flusskiesel mit Fraktallinie. Foto: Babette Reck


Lucys Rausch Nr. 13

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«Trinity». Foto: Babette Reck

fokussieren auf das «Hier und Jetzt», wie es die stilisierten Bäume und Pflanzen eines Zen-Gartens tun, indem ein Mix aus verschiedenen Objekten so arrangiert wird, dass die damit verbundene neue Ästhetik die Aufmerksamkeit der Betrachtenden einfängt und ihren inneren Dialog zum Schweigen bringt. Ein gesteigertes Erleben entsteht. Selbst Flashback-ähnliche Erfahrungen werden so ohne Substanz möglich. Zen-Ästhetik in kleinen Inselwelten integriert Kunst in den Alltag als Weg moralischer und spiritueller Erkenntnis im Sinne von Satori, vorübergehender Erleuchtung.

Überblick Die Inspiration ist beim Psilocybin-Zen spürbar. Es fordert die Wahrnehmungsfähigkeit der Betrachter*innen auf eine neue Art und Weise heraus und bindet seine Aufmerksamkeit durch stilisierende

Zen-Ästhetik integriert Kunst als Erkenntnisweg in den Alltag. Abstraktion. Ein Schweigen des inneren Dialoges mit anschließender Katharsis ist die Folge. In der Land-Art wird Psilocybin-Zen überdies in einem größeren Maßstab erfahrbar. Cazzones Psilocybin-Zen ist eine erfrischende Ergänzung zum psychonautischen Lebensstil für das eigene Zuhause. Wenn es uns ernst damit ist, dass der Weg das Ziel ist, dann zählen auch all jene Momente der spirituellen Praxis, in denen eine Bewusstseinserweiterung ohne Substanzunterstützung gelingt. Ein Hoch auf die psychedelischen Momente im Leben! lucys-magazin.com/autoren/ozeanus

Wasson, V.P. & R.G. 1957:Mushrooms, Russia and History, Volume II, Bände I + II, New York Wiedemann, Georg (Hrsg.)/Kowitz, Mathias (2001): Teonanacatl, Eine Annäherung an das Mysterium des mesoamerikanischen Pilzkultes, Batterong, Altenbögge. 3 Deimel, Claus (Hrsg.)/Edenheiser, Iris (Hrsg.); Kallawaya, Heilkunst in den Anden, Sympathetische Mittel oder der Placebo-Effekt, Begleitpublikation zur Sonderausstellung im Grassi Museum für Völkerkunde zu Leipzig vom 03.12.2010 bis zum 08.05.2011, ISBN 978-3-910031-46-3 4 Gartz, Jochen(2001): Verwechslung von Psilocybe cyanescens mit Speisepilzen, Der Tintling 1 (2001), S. 21––23 5 Deutschlandfunk Kultur; 2006, ART’s BIRTHDAY, Beitrag vom 17.01.2006, Dada in Japan 6 The Ojai Foundation – An Eagle`s Eye View, Mission | The Ojai Foundation 7, 8 Lucys Rausch Nr. 6/2017, Brücken bauen – Ein Rückblick auf Psychedelic Science und Breaking Convention, S. 106; Lucys Rausch Nr. 2/2015, Psilocybin und Zen-Meditation, Eine neuartige Studie mit Pilzen in ungewöhnlichem Setting, S. 88 9 Rechtsanwalt Christoph Miczek, Kanzlei Zweigertstraße 15, 45130 Essen, ch.miczek@ra-miczek. 1

2



Lucys Rausch Nr. 13

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Speisen der Götter vs. Mind Control Anmerkungen zur «psychedelischen Renaissance» TEXT

I

Mathias Bröckers

n den letzten Jahren erhielt ich mehrmals Anfragen von Redaktionen: «Sie kennen sich doch mit der Geschichte des LSD aus, was hat es jetzt auf sich mit diesem neuen Trend des Microdosing? Können Sie uns dazu etwas schreiben?» Weil ich mit ganz anderen Themen beschäftigt war, lehnte ich das freundlich ab. Als dann ein Redakteur noch einmal am Telefon nachhakte und fragte, was ich von diesem neuesten Silicon-Valley-Hype denn halten würde, meinte ich spontan: «Ach weißt du, LSD wurde doch nicht erfunden, damit irgendein börsennotierter StartupCEO seine Bilanzpressekonferenzen smarter durchziehen kann. Microdosing sollte erst erlaubt werden, wenn die Konsumenten zuvor eine amtliche Sitzung mit sagen wir 100 Mikrogramm absolviert haben.» Das war ein Scherz, aber mit einem ernst gemeinten, wahren Kern, der auch meiner Haltung gegenüber der gesamten Renaissance der Psychedelika entspricht. Denn so richtig und erfreulich es ist, dass diese heiligen Substanzen nach Jahrzehnten der Dämonisierung und Verfolgung rehabilitiert werden, so wichtig scheint mir dabei die Frage, warum und vor welchem Hintergrund dies ausgerechnet jetzt geschieht – und nicht schon vor 10, 20 oder 30 Jahren.

Die Erkenntnisse über den medizinischen und therapeutischen Nutzen, die seit einiger Zeit regelmäßig auch in den Massenmedien auftauchen und an großen Universitäten gewonnen werden, sind ja nicht wirklich neu, sondern bestätigen das, was die legale Wissenschaft Mitte der 1960er Jahre schon erkannt hatte und was die Forschungen im Untergrund seitdem an Erkenntnissen erbracht haben. Bis zum Verbot von LSD Mitte der 1960er Jahre gab es bereits Tausende von Berichten und Studien von Ärzten, Psychotherapeuten und Bewusstseinsforschern über die Wirkungen und Behandlungserfolge mit dieser neuartigen Sub­stanz. Die CIA erprobte in den 1950er Jahren in ihrem berüchtigten Programm «MK Ultra» mit zahlreichen unverantwortlichen Experimenten den Einsatz von Psychedelika als «Wahrheitsserum», Mittel zur Gehirnwäsche und als Waffe der biochemischen Kriegsführung; dies macht das unlängst erschienene Buch von Stephen Kinzer über ihren obersten Giftmischer Sydney Gottlieb (Poisoner in Chief: Sidney Gottlieb and the CIA Search for Mind Control, 2019; dt: Project Mind Control, Riva Verlag 2020) noch einmal überaus anschaulich und haarsträubend deutlich. Das Wissen um die helfenden und heilenden Einsatzgebiete dieser Substanzen ist also ebenso lange bekannt wie ihr gefährliches und destruktives }

Psychedelika werden nach Jahrzehnten der Verfolgung rehabilitiert. Aber warum ausgerechnet jetzt?


100

SPEISEN DER GÖT TER VS. MIND CONTROL

Soldat auf LSD.

LSD-25 von Sandoz.

Foto: PD

Potenzial. Und so verwundert es auch nicht, dass die Art und Weise, wie sie jetzt bei Therapiesitzungen eingesetzt werden, ziemlich genau dem entspricht, was die Harvard-Pioniere Timothy Leary, Richard Alpert und Ralph Metzner Anfang der 1960er Jahren über Set und Setting erforscht und praktiziert haben. Dass sie ihr Wissen aus dem akademischen Elfenbeinturm auch auf dem Campus und nach dem Harvard-Rausschmiss in aller Welt verbreiteten, wird zwar gern als «unverantwortlich» zitiert und als der eigentliche Anlass für das 1966 erfolgte Verbot von LSD gesehen, doch anders als die späteren Schriften Learys, die er als gefallener Engel der Wissenschaft, politischer Aktivist und Botschafter der Hippies verfasste, belegen die akademischen Schriften aus dieser Zeit, dass die psychedelische Erfahrung für Professor Leary keineswegs ein Partyspaß war, sondern ein mächtiges Werkzeug, das gesamte Wissen und die Wissenschaft über die menschliche Seele auf eine neue Ebene zu bringen. In diesen Arbeiten ist im Prinzip schon alles angelegt, was in den letzten Jahren «wiederentdeckt» wird; damals jedoch führten sie dazu, Leary als «Staatsfeind Nr. 1» (Präsident Richard Nixon) zu deklarieren und diese Wissenschaft zu kriminalisieren. Mittlerweile werden millionenschwere Psychedelika-Hedgefonds an den Börsen gehandelt, Netflix bringt Doku-Serien über die Vorteile halluzinogener Substanzen für persönliches Wachstum und Ge­ sundheit, und die populären Medien über­schlagen

Foto: zvg

sich nahezu im Wochenrhythmus vor Begeisterung: «Magic Mushrooms May Be the Biggest Advance in Treating Depression Since Prozac» («Zauberpilze sind möglicherweise der größte Fortschritt bei der Behandlung von Depressionen seit Prozac»), meldete zum Beispiel Newsweek am 22. September 2021. Die Überschrift macht deutlich, worum es bei dieser «Renaissance» geht: Das meistverkaufte Antidepressivum «Prozac» hat nach 30 Jahren ausgedient, weil es ohnehin nur 60 Prozent der Patienten überhaupt hilft. Und die seit mindestens 5000 Jahren bekannte bewusstseinserweiternde und heilende Wirkung der Pilze wird als großer Fortschritt gepriesen – für die Pharmaindustrie, die sodann mit patentierten Produkten einen milliardenschweren Markt aufrollen kann. Terence McKenna sagte einmal: «Psychedelika sind nicht illegal, weil eine liebevolle Regierung befürchtet, dass man aus dem dritten Stockwerk springen könnte. Psychedelika sind illegal, weil sie Meinungsstrukturen und kulturell festgelegte Modelle des Verhaltens und der Informationsverarbeitung auflösen. Sie eröffnen dir die Möglichkeit, dass alles, was du weißt, falsch ist.» Aber, so die Autorin Caitlin Johnstone, «das ändert sich gerade. Wir sehen jetzt die Unterstützung für den Konsum von Psychedelika durch dieselbe plutokratische Klasse und ihre Konzernmedien, die immer daran arbeiten, den Status quo zu erhalten, auf dem ihre Reiche aufgebaut sind. Was

Netflix bringt Doku-Serien über die Vorteile halluzinogener Substanzen für persönliches Wachstum.


Lucys Rausch Nr. 13

Das Plutonion in Eleusis.

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Foto: Wikimedia

hat sich also geändert? Die Situation hat sich geändert. Die globalen kapitalistischen Institutionen sind sich der Tatsache bewusst, dass sich die westliche Zivilisation in einer Krise der psychischen Gesundheit befindet, die sich nur noch verschlimmern dürfte, da Depressionen, Angststörungen und Drogenmissbrauch seit Jahren an unzähligen Fronten stark zunehmen. Der zunehmend verbreitete Einsatz von Antidepressiva hat in den USA, Australien, Kanada, England und anderen wohlhabenden Ländern nicht zu einem allgemeinen Rückgang der Symptome und der Prävalenz von Stimmungsstörungen geführt. In Amerika werden junge Menschen seit über 80 Jahren immer depressiver und ängstlicher, und niemand weiß, warum.» Einer der Gründe liegt sicher darin, dass die USA ihre jungen Menschen permanent in irrsinnige Kriege schicken, aus denen sie mit post-traumatischen Syndromen nach Hause kommen und medizinische Betreuung benötigen. Das Ausbleiben einer erfolgreichen Behandlung hat mittlerweile mehr

Leben gekostet als die Kämpfe an der «Front»: In 20 Jahren Krieg in Afghanistan und Irak wurden 7000 US-Soldaten getötet, aber 30 000 «Überlebende» sind nach ihrem Einsatz durch Suizid gestorben. Diese schreckliche Bilanz hat dazu geführt, dass «Ecstasy», die jahrzehntelang verfolgte und kriminalisierte Empathie-Droge MDMA, jetzt vom Pentagon favorisiert wird, um die geschädigten Seelen der Veteranen effektiv und preiswert zu reparieren. Zumal wenn, wie bei der Behandlung von Depressiven mit Magic Mushrooms, oft schon ein oder zwei Sitzungen ausreichen, um die Klienten wieder in die Spur zu bringen. Auch dieses «Wunder» ist wahrlich nichts Neues: Der mutterkornhaltige Kykeon, der heilige Trank des Mysteriums von Eleusis, war nichts anderes als eine solche Medizin. Sie hielt die Gemeinde dieses Heiligtums, in der die Fundamente der gesamten abendländischen Kultur geschaffen wurden, in der ganzen griechischsprachigen Welt mehr als 1000 Jahre lang zusammen. Auch in anderen Teilen der Welt haben die }

Die Empathie-Droge MDMA soll jetzt die Seelen der Kriegsveteranen effektiv und preiswert reparieren.


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SPEISEN DER GÖT TER VS. MIND CONTROL

Tempel der Demeter in Eleusis, Gemälde von Joseph Gandy, 1818

Völker für den Blick über den Zaun von Raumzeit und Sterblichkeit auf die Hilfe von Pflanzen, den psychedelischen «Speisen der Götter» zurückgegriffen, die im Zentrum der Kulturen und Religion standen, bis sie von monotheistischen Kulten gewaltsam unterdrückt und durch Rituale mit verdünnten P l a c e b o -­S a k r a m e n t e n ersetzt wurden. Christliche Barbaren zerstörten im 4. Jahrhundert den «heidnischen» Tempel von Eleusis und mit ihm das wichtigste Initiationsritual des antiken Abendlands. Weil es den Initiierten verboten war, über das Erlebte zu sprechen, liegen nur raunende Zeugnisse über die Erfahrungen vor; auch die großen Schriftsteller wie Platon, Aristoteles oder Sophokles hielten sich an das Schweigegebot. Was aber der römische Staatsmann Cicero über die heilsame Einweihung in Eleusis schrieb – «Nicht nur haben wir dort den Grund erhalten, dass wir in Freude leben, sondern auch dazu, dass wir mit besserer Hoffnung sterben» – klingt nicht zufällig wie die moderne Definition eines Antidepressivums. Der «heilige Trank» bescherte eine fundamentale innere Erfahrung des Geists, der Seele, des Göttlichen. Wird das in unserer Zeit, wie Aldous Huxley in seiner Dystopie Schöne neue Welt ausgemalt hat, dazu führen, dass die Menschen «ihre Knechtschaft lieben»? Wenn die psychedelische Renaissance von oben ausgerollt wird, könnten Oligarchen,

Das Geheimnis von Eleusis.

Foto: zvg

Regierungen und «Gesundheits»-Industrie mit rosaroten «All You Need Is Love»-Brillen pharmazeutisch sicher dafür sorgen, dass die Sklaven ihre totalitäre Abhängigkeit lieben lernen. Die Gefahren einer solchen pharmakologischen Ruhigstellung der Massen sollten stets im Auge behalten werden, wenn von einer Renaissance der Psychedelika die Rede ist – und gleichzeitig sollte man sich daran erinnern, dass die CIA-Versuche von «Mind Control» mittels LSD schon damals nach hinten losgingen und in den 60er und 70er Jahren Geister weckten, die alles andere als kontrollierbar waren. Und wie ich unsere alten Freunde, die Pilze, kenne – sie leben schon viel länger auf diesem Planeten und kennen sich mit den Netzwerken der Erde und der Pflanzen weitaus besser aus als Menschen –, werden sie sich auch jetzt nicht auf patentierte, mikrodosierte Häppchen reduzieren lassen. Warum «Magic Mushrooms» sich ihre «Magie» überhaupt leisten und die relativ aufwändige chemische Produktion von Psilocybin unternehmen, obwohl sie Abwehrstoffe gegen Insekten sehr viel einfacher herstellen könnten – auf diese Frage fanden Forscher unlängst eine überraschende Antwort: Sie wollen ihren Fressfeinden nicht einfach den Appetit verderben, sondern deren Bewusstsein ändern. Weil ihre Botenstoffe eng verwandt sind mit den Substanzen unseres Gehirns wie Serotonin,

Die Gefahren einer pharmakologischen Ruhigstellung der Massen sollten stets im Auge behalten werden.


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DER PILZ SPRICHT Jahrmillionen, so lange, bis sie auf eine geeignete Umwelt stoßen. Nur wenige dieser zu neuem Leben erwachten Arten sind mit Geist begabt, nur ich und meine erst jüngst entstandenen Verwandten haben die Fähigkeit zur Hyperkommunikation und die Gedächtniskapazität erreicht, die uns zu führenden Mitgliedern in der Gemein­ schaft galaktischer Intelligenz macht. (...) Mein Myzel-Ge­ flecht hat weder Organe noch Hände, um die Welt zu bewegen; aber höhere Tiere mit manipulativen Fähigkei­ ten können Partner meines Sternenwissens werden und können, wenn sie in gutem Glauben handeln, zusammen mit ihrem demütigen Pilzleh­ rer zu den Millionen Welten zurückkehren, deren Erben alle Bürger unseres Sternenschwarmes sind.»

verändern sie auch das Bewusstsein der Menschen, und sie tun das zuverlässig über den Tellerrand jeder verordneten Gedankenkontrolle und Gehirnwäsche hinaus. Sie können auch dem größten, gierigsten Fressfeind und Artenvernichter des ganzen Planeten – der Gattung Homo – nicht den Appetit daran verderben, die Erde in einen giftigen Backofen zu verwandeln, aber sie können ihm ein Bewusstsein davon verschaffen, was er da eigentlich tut. Und nur mit diesem Wissen – einer wieder hergestellten Verbindung mit dem Geist der Erde und des Kosmos – führt eine Renaissance zu einer echten Wiedergeburt. Dass die Pilze dabei helfen, vom «Fressfeind» zum

«Lebensfreund» zu werden, ist keine Frage, aber um den Wandel zu erreichen, steht jeder und jede Einzelne selbst in der Verantwortung.

Foto: Wikimedia

«Ich bin alt, älter als das Denken in deiner Gattung, und das ist selbst schon fünfzigmal älter als deine Geschichte. Obwohl ich seit urdenklichen Zeiten auf der Erde weile, komme ich von den Sternen. Meine Heimat ist kein Planet, denn viele Welten, verstreut in der leuchtenden Galaxis, haben Lebensbedingungen, die meinen Sporen eine Chance geben. Der Pilz, den du siehst, ist der Teil meines Körpers, der der sexuellen Erregung und dem Licht geweiht ist. Mein wahrer Körper aber ist ein feines Geflecht aus Fasern, die in der Erde wachsen. Solche Geflechte können etliche Morgen Land bedecken und mehr Querverbindungen haben als ein menschliches Gehirn. (...) Durch die Äonen von Zeit und Raum treiben viele sporenbildende Lebensformen, die ihr Leben manchmal eingestellt haben, manchmal für

Terence McKenna: Wahre Halluzinationen (1989)

lucys-magazin.com/autoren/Bröckers

.

ISBN 978-3-03788-537-6

Mathias Bröckers

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Lant pro quis nam facepere sed moluptur audandi cone preperument volor molupta etur, invellu ptatem niasinus amus, tem aute remolup tatium ut exerio debit quis net fugiat hiliberum cum que moditiat am facerovit faccaerum sae duci beatiorestis as dolla nimillu ptatem harum volorion cus apellestrum repudipis dolor aut laut libeatur? Piet ut ea plaut re liquia sum expellupta nonsedio to et iuntionet quo cus veles aut excerro omnihilia diat veniae. Nem inus.

Mathias Bröckers

Die Rückkehr nach Eleusis Nachtschatten Verlag 2021 96 Seiten, Format DIN A6, Broschur ISBN 978-3-03788-476-8


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L u c y s Rausch Lucys R a u s c hNr. Nr. 131 1

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Heroin

und heroingestützte Behandlung TEXT

W

To r s t e n P a s s i e

Foto: Adobe Stock

enige wissen, dass Opium das älteste Psychopharmakon der Menschheit ist. Die Ursprünge des medizinischen Gebrauchs reichen bis in die Jungsteinzeit vor 7000 Jahren. Bei den alten Griechen war die Mohnkapsel das Symbol für den Schlafgott Hypnos und für Morpheus, den Gott des Traumes, aber auch für Thanatos, den Gott des Todes. Antike Ärzte wie Hippokrates sahen es als festen Bestandteil der Medizin. Die frühen Christen sahen Krankheiten dagegen als Strafe Gottes und verboten daher Opium als schmerzstillendes Mittel. Im Mittelalter war Opium Hauptbestandteil der Universalmedizin Theriak. Mit Opium hatte man ein Mittel zur Hand, das sowohl Schmerzen als auch den quälenden Durchfall, der damals viele Krankheiten begleitete, lindern konnte. Viele medizinische Eingriffe wurden durch Opium erträglicher. Seit 1650 wurde Opium in Europa zur Behandlung psychischer Störungen verwendet. Ihm wurden beruhigende, antidepressive und angstlösende Wirkungen zugeschrieben. Depressionen, Schlafstörungen, Psychosen und andere krankhafte Zustände wurden behandelt. Gegner vermuteten eine Schwächung der Selbstheilungskräfte und eine

«Einschläferung» der Patienten. Dennoch wurde die Opiumbehandlung über die nächsten Jahrhunderte breit angewandt – auch weil keine anderen Psychopharmaka verfügbar waren. Studien an alten Akten zeigen, dass die Anwendung ziemlich problemlos war. Im Jahre 1804 isolierte der Apothekergehilfe Friedrich Sertürner den Hauptwirkstoff aus dem Opium, den er Morphin nannte. 1873 wurde Di­acetylmorphin (= Heroin) erstmals synthetisiert. Große Pharmafirmen wie Bayer und Merck untersuchten Heroin und verkauften es weltweit, vor allem zur Behandlung der schweren Lungenkrankheit Tuberkulose. Da Bayer und Merck Heroin nicht als Erste synthetisiert hatten, konnten sie kein Patent für Heroin anmelden. Zahlreiche Arbeiten in der Fachliteratur befassten sich damals mit der Behandlung psychischer Störungen durch Heroin. Der Arzt A. Holtkamp schrieb 1899 von «positiven Erfahrungen bei der Behandlung von Ängsten, Unruhe, Depressivität und Schlafstörungen». Der Psychiater F. Becker teilte 1902 mit, dass bei Patienten mit «seelischem Schmerz» und «schwermütigen Zuständen» eine deutliche Besserung einträte. }


106

HEROIN

Einen «Missbrauch» von Morphin als Droge gab es seit etwa 1900. Heroin kam etwas später hinzu. Es bot den Vorteil, dass es nicht wie Morphin per

Schnell wurde klar, dass die Prohibition das Elend der heroingebrauchenden Menschen noch verschlimmerte. Spritze verabreicht werden musste, sondern sich auch schnupfen ließ. Erst das Schnupfen machte Heroin zu einer verbreiteten Droge. Kaum bekannt ist, dass in den 1920er Jahren in New York und anderen Großstädten der USA Heroin regulär von Ärzten an Heroinabhängige (besser als heroingebrauchende Menschen bezeichnet) verschrieben wurde – mit guten Erfolgen, was Entkriminalisierung und Arbeitsfähigkeit anging. Erst die mehrfache Intervention der Regierung bei der American Medical Association führte dazu, dass die ärztliche Heroinverschreibung – gegen den Willen der Ärzteschaft – verboten und Heroin als «Volksseuche» eingestuft wurde. Nachdem Heroin sich Ende der 1960er Jahre erneut zur «Rauschdroge» entwickelte, reagierte die Gesellschaft mit Prohibition, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Doch schnell wurde klar, dass die Prohibition das Elend der heroingebrauchenden Menschen noch verschlimmerte.

Die prekäre Lage Heroingebrauchender Wie Studien und praktische Erfahrungen zeigen, handelt es sich bei heroingebrauchenden Menschen fast immer um psychisch stark vorgeschädigte Personen. Die Verhältnisse, in denen sie aufgewachsen sind, zeigen stets mehrere dieser Merkmale:  Heimkindheit  Eltern mit Suchtproblemen und/oder psychischen Störungen  innerfamiliäre Gewalt  Vernachlässigung  sexueller Missbrauch Das Aufwachsen unter derartigen Bedingungen führt zwangsläufig zu psychischen Störungen. Somit starten diese Menschen mit einem erheblichen Handicap, was Sich-Wohl-Fühlen, psychische Stabilität sowie Beziehungs- und Liebesfähigkeit angeht. Da sie auch die Fähigkeit zur Selbstberuhigung nicht entsprechend ausbilden können, greifen die Betroffenen zu beruhigenden Substanzen. Das führt nicht

selten über Alkohol und Tranquilizer zum Heroin. Fatal ist, dass die Kranken nun zwar ein «brauchbares Mittel» zur Selbstberuhigung gefunden haben – , aber um dieses zu erlangen, sind sie gezwungen, soviel Geld aufzubringen, dass sie kriminell werden müssen. Die Abwärtsspirale aus psychischem Leiden, abgebrochener Ausbildung, Verlust von Beziehungen, Kriminalität, Verwahrlosung, schlechter Ernährung und Selbstfürsorge, Gefängnisaufenthalten und sozialer Entwurzelung führt für die meisten Betroffenen in ganz elende Lebenssituationen.

Wie wirkt Heroin? Etwa fünf Sekunden nach der Injektion durchflutet für ein bis zwei Minuten ein «körperliches Wärmeund Wohlgefühl» den Körper, der sogenannte Flash. Ängste und Sorgen scheinen wie verflogen. Oft werden Empfindungen von Geborgenheit, Zufriedenheit und ein «Gefühl allgemeiner Beruhigung» beschrieben. Man fühlt sich sicher und «wie von einem wohltuenden Schutzmantel umgeben». Diese Empfindungsqualitäten sind genau jene, welche trauma­tisierte Menschen am meisten missen (mussten). Außerdem kommt es zu einer Milderung vieler Symptome, die nach einer traumatisierenden Biographie auftreten können: Angstgefühle, Depressionen, Flashbacks, Alpträume, Schlafstörungen und psychische Instabilität. 2010 wurde in einer Studie festgestellt, dass die meisten heroingebrauchenden Menschen unter einem Defizit an Endorphinen leiden, vermutlich verursacht durch frühe Bindungsstörungen aufgrund «kaputter» früher Umgebungsbedingungen. Somit lässt sich Heroin als Psychopharmakon betrachten, das ein Endorphindefizit ausgleichen und psychische Leidenssymptome mindern kann. So bekommt der Begriff «Substitution» eine ganz neue

Abgabe von Diamorphintabletten in Zürich.

Foto: Keystone


L u c y s Rausch Lucys R a u s c hNr. Nr. 131 1

Im Konsumraum der Heroinambulanz.

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Foto: zvg

Bedeutung. Gleicht die Einnahme von Heroin demnach eher dem Gebrauch von Insulin bei der Zuckerkrankheit? Auch bei Typ-1-Diabetes wird täglich mehrfach ein Präparat (Insulin) gespritzt, um ein bestehendes Defizit auszugleichen und die Homöostase des Organismus wiederherzustellen. Was unterscheidet Heroin von dem gängigen Substitutionsmittel Methadon? Sämtliche das Gehirn durchziehende Adern besitzen (im Vergleich zu anderen Körpergeweben) eine Spezialummante-

Heroin kann als Psychopharmakon ein Endorphindefizit ausgleichen. lung, die dafür sorgt, dass gewisse Stoffe und Krankheitserreger, aber auch bestimmte Medikamente nicht in das Hirngewebe gelangen. Methadon kann diese «Blut-Hirn-Schranke» nicht überwinden und gelangt somit nicht in das Hirngewebe. Heroin kann sie dagegen problemlos überwinden und gelangt ins Hirngewebe. Daher kann Methadon keine ausreichenden beruhigenden und symptommindernden Wirkungen ausüben. Dies führt dazu, dass sehr viele

Patienten unter Methadon-Substitution Alkohol, andere Drogen oder Beruhigungsmittel zusätzlich einnehmen (müssen).

Was ist heroingestützte Behandlung? Unter dem Druck einer sich ausbreitenden «offenen Drogenszene» und der Verbreitung des HIV-Virus entwickelte sich in der Schweiz in den 1980er Jahren eine Tendenz, heroingebrauchenden Menschen durch niedrigschwellige Angebote ein geordneteres Leben zu ermöglichen. 1990 trafen sich Vertreter der Städte Amsterdam, Zürich, Hamburg und Frankfurt und verfassten die «Frankfurter Resolution». Sie stellten fest, «dass der Versuch der Eliminierung des Drogenangebots und des Drogenkonsums aus unserem Kulturkreis gescheitert ist […] Eine Drogenpolitik, die Sucht ausschließlich mit Strafrecht und Zwang zur Abstinenz bekämpfen will, ist gescheitert. […] Im Umgang mit Drogenabhängigen muss ein Höchstmaß an sozial- und gesundheitlicher Hilfe ermöglicht und repressive Interventionen auf ein Mindestmaß reduziert werden. […] Hilfe soll nicht nur auf Ausstieg aus der Drogenabhängigkeit abzielen, sondern muss auch ein menschenwürdiges Leben mit Drogen ermöglichen.» }


1 0 8 HEROIN 108 DE R F L I EG E N P I L Z

Um das zu erreichen, ist die vermehrte Kontaktzeit mit der Behandlungseinrichtung (Metha­ donSubstitution: 1 bis 3 Minuten täglich; heroingestützte Behandlung: 30 bis 60 Minuten täglich) von großer Bedeutung. Aber auch Faktoren wie Tagesstrukturierung und geordneter Lebenswandel, Mitwirkung der Patienten bei der Behandlungsgestaltung, Res-

Durch die Verschreibung von Heroin kommt es schnell zur Loslösung von Drogenszene und Kriminalität.

Eine günstige Atmosphäre in der Behandlungseinrichtung kann den Patienten neues Selbstvertrauen vermitteln. Foto: zvg

1991 begann die Schweiz mit der Heroinverschreibung. Da das Behandlungsmodell nicht nur die Heroinverschreibung umfasste, führte man die Bezeichnung «Heroingestützte Behandlung» ein. 1999 schlossen sich in Deutschland einige Städte, Länder und der Bund zusammen, um eine Medikamentenzulassung von Heroin zu erreichen. Da ein Patent fehlte, war keine Pharmafirma bereit, eine solche Studie durchzuführen. Die 2002 gestartete bundesdeutsche Studie untersuchte mehr als 1000 Patienten und zeigte sehr gute Resultate für die heroingestützte Behandlung im Vergleich zur Me­ ­ thadon-Substitution. 2009 wurde Heroin als Medikament für die Substitution zugelassen.

Wirkung der heroingestützten Behandlung Zunächst ist da die Substitution mit einem Opiat, das das Gehirn besser erreicht und somit die Symptome besser lindert als Methadon. Durch die Heroinverschreibung kommt es schnell zur Loslösung von Drogenszene und Kriminalität, dann zur Stabilisierung des körperlichen und psychischen Zustandes, dann zur Verbesserung der sozialen Lage und zuletzt zur Verbesserung der Selbstfürsorge. Diese Faktoren und eine günstige Atmosphäre in der Behandlungseinrichtung, die den Patienten (vielleicht erstmals) Vertrauen in die Mitwelt und neues Selbstvertrauen vermittelt, sind entscheidend.

pekt und Begegnung auf Augenhöhe, aber auch Transparenz, Gerechtigkeit sowie Empathie und Rücksichtnahme sind von wesentlicher Bedeutung. Betrachtet man diese Elemente zusammen, so ist erkennbar, dass es sich dabei um eine Art Gegenbild zu den von den meisten Patienten erlebten Kindheitsmilieus handelt. Die Kontinuität und Verbindlichkeit, die über die alltäglichen Kontakte entsteht, ermöglicht es fast zwangsläufig, dass die Patienten neue Erfahrungen von Zugewandtheit, Freundlichkeit, Rücksichtnahme und Wohlwollen machen. Diese Erfahrung kann eine große Wirkung auf das äußere und innere Leben heroingebrauchender Menschen entfalten. Über die Jahre der Behandlung hinweg prägt sich ihre Erfahrungswelt um; unmerklich zunächst, dann immer spürbarer. Und, was noch wichtiger ist: Sie nehmen sich wieder als Menschen mit Würde und eigenem Stand wahr. Kein Mensch will ohne Würde leben; wenn man ihm würdevolle Bedingungen bietet, so wird er von sich aus versuchen, wieder ein würdevolles Leben zu führen. Es ist angebracht, dass diese Patienten als in außergewöhnlichem Maße Leidende anerkannt, gewürdigt und menschlich wie fachlich angemessen behandelt werden. Derzeit gibt es in Deutschland zehn Einrichtungen für die heroingestützte Behandlung, die etwa 1000 Patienten behandeln. Fachleute schätzen, dass etwa 50 000 Patienten von einer solchen Behandlung profitieren könnten. lucys-magazin.com/autoren/Passie

Literatur Passie, T. und Dierssen, O. (2013), Die heroingestützte Behandlung Opiatabhängiger, 3. Aufl., Bonn: Psychiatrie-Verlag www.heroinstudie.de (siehe Mediathek, Seite 82) psychedelic-science.org/therapien/heroingestuetzte-behandlung/


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LEGALE PSYCHOAKTIVE PFLANZEN

Habichtskraut

Wie ein Ethnobotaniker arbeitet TEXT

W

Markus Berger

ie findet man heraus, ob eine Pflanze eins auf dem Weg zur Erforschung der psychoaktioder ein Organismus geistbewegende ven Pharmakologie des Habichtskrauts umfasst Eigenschaften hat? Wie arbeiten Ethno- zunächst die Bestandesaufnahme des über die botaniker*innen genau? Welche Fragen stellen sie Pflanze verfügbaren Wissens. Das sind in erster Linie sich, von welchen Basics gehen sie aus? Wie tasten botanische Informationen. sie sich an die Pharmakologie einer (möglicherweise Hier das Ergebnis der Recherche: Das Behaarte vermeintlichen) «neuen» psychoaktiven Pflanze Habichtskraut, Hieracium pilosella, gehört zur botaniheran? Genau dieser Fragestellung gehen wir am schen Familie der Korbblütler (Compositae). Es wird Beispiel des Habichtskrauts nach, das botaauch Mausohr, Nagelkraut, Dukatenröschen nisch Hieracium pilosella genannt wird. und Kleines Habichtskraut genannt. Die Blätter wachsen als bodennahe Rosette Das Habichtskraut ist eine psyund werden nur bis zu 2,5 Zentimechoaktive Pflanze, wird jedoch in nur ter lang, bleiben meist jedoch deutwenigen Büchern zur Rauschkunde lich kleiner. Sie sind häufig, aber behandelt. Dass Hieracium pilosella nicht immer, mit feinen gräulichen ein nutzbarer Cannabis-Ersatz ist, bis weißlichen Härchen bedeckt, blieb bisher den meisten PsychoHabichtskraut-Blätter. daher der Name Mausohr-Habichtsnauten verborgen. Dabei ist das Foto: mb kraut. Die Blüte des Mausohrs ist gelb. Kraut eindeutig psychoaktiv und weist Blütezeit der Pflanze ist von Mai bis Oktogleichzeitig keine bekannten Nebenwirber. Hieracium wächst in Europa und Asien wild, kungen auf; auch toxikologisch ist das Habichtskraut unbedeutend. Schauen wir also, wie ein Eth- nach Amerika wurde das Kraut eingeschleppt. Wie steht es nun um die pharmakologische Vernobotaniker sich der Erforschung dieser wendbarkeit des Habichtskrauts? Es gibt eine Rauschpflanze nähert. unüberschaubare Fülle an Literatur zu psychoaktiven Substanzen und Organismen. Nehmen wir also Schritt 1: Literatur und Recherche Wir setzen voraus, dass es für den Ethnobotaniker diejenige Literatur zur Hand, die uns weiterhelfen eine Initialzündung gibt, die dazu führt, dass er sich kann. Unter allen Büchern, die dem Forscher zur mit einer bestimmten Pflanze auseinandersetzen Verfügung stehen, sind es im Fall des Habichtskrauts möchte. Im Falle des Habichtskrauts war dies eine nur drei, die uns einen nutzbaren Aufschluss brinNotiz in einem älteren dänischen Under­ ground- gen: Christian Rätschs Enzyklopädie der psychoaktiven Buch, die zum Inhalt hatte, dass Jugendliche in Pflanzen (kleine Monographie, Seite 561), Jonathan Dänemark das Habichtskraut angeblich als Hanfer- Otts Pharmacotheon und Dr. Dukes ethnobotanische satz gebrauchen (Larris 1982). Das lässt den ethno- Datenbank (siehe Literatur am Ende des Artikels). Zunächst interessieren uns die Inhaltsstoffe, botanischen Forscher aufhorchen – ein neues Sujet für wissenschaftliche Arbeit ist gefunden. Schritt soweit bekannt, und die heilkräftigen Qualitäten, die


Lucys Rausch Nr. 13 12

vom Habichtskraut ausgehen. Das Ergebnis: Die gesamte Pflanze enthält Flavonoide, Gerbstoffe und Cumarine, zum Beispiel Skimmin und Umbelliferon, sowie eine Reihe anderer Inhaltsstoffe. Das Habichtskraut gehört nach dem Stand der derzeitigen Forschung zu den ethnomedizinisch wirksamen Gewächsen und gilt als Augenmittel sowie als Heilpflanze bei Magen-Darmbeschwerden, Mandelentzündung und anderen Leiden. Ethnopharmakologe Christian Rätsch schreibt in seiner Enzyklopädie: «In Dänemark wird das haret hogeurt genannte, gelbblühende Kraut in Joints geraucht und soll bei einer Dosis von 1 g gute psychoaktive oder euphorisierende Wirkungen haben (…). In den USA ist es unter dem Namen hawkweed, ‹Falkenkraut›, bekannt und wird von den Irokesen ethnomedizinisch verwendet.» Hier bezieht sich Rätsch auf den Kollegen Jona­ than Ott, der dasselbe in seinem Standardwerk Pharmacotheon beschreibt (Ott 1993: 409). Habichtskraut gilt als indigenes Heilkraut bei Fieber, Bronchitis, Durchfall, Menstruationsproblemen, Husten, Krebs,

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Entzündungen und anderen Leiden sowie als Schleimlöser, Entwässerer, Tonikum und Wurmmittel. «Das blühende, auf Wiesen und in der Heide häufig anzutreffende Kraut wird (ohne Wurzeln) mit der Blattrosette gesammelt und im Schatten getrocknet

Habichtskraut gibt es als Droge sogar in der Apotheke. (im Apotheken- und Kräuterhandel unter der Bezeichnung Herba Auriculae muris oder Hieracii pilosellae herba)» (Rätsch 2020: 561). Nächster Hinweis: Habichtskraut gibt es als Droge sogar in der Apotheke. Hier verbirgt sich die Information, dass die Pflanze in der Tat pharmakologische Eigenschaften besitzt. Weiter: «Volksmedizinisch wird es zur Behandlung und Stärkung der Augen (Tee, Augenspülung) benutzt. Der deutsche Name Habichtskraut kommt von dem Glauben, dass die Habichte ihre starke }


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HABICHTSKRAUT

Orangerotes Habichtskraut (Hieracium aurantiacum).

Foto: Archiv Berger

Sehkraft durch diese Pflanze erhielten. Vielleicht verbirgt sich hier altgermanisches Schamanentum. Früher galt das Kraut in Deutschland als magischer Schutz gegen Hexen und Zauber. Das auch Kleines Mäuseohr oder Nagelkraut genannte Gewächs soll angeblich für Schafe schädlich sein. Habichtskraut

«Früher galt das Kraut in Deutschland als magischer Schutz gegen Hexen und Zauber.» wird heute im Apothekenhandel meistens unter dem Namen Pilosellae herba geführt. Ich [C. Rätsch] habe beim Rauchen von ca. 1 g leicht euphorisierende, cannabisähnliche, aber verhältnismäßig schwache Effekte gespürt» (ebd.). Dem Ethnobotaniker fällt ein Satz sofort ins Auge: «Das auch Kleines Mäuseohr oder Nagelkraut genannte Gewächs soll angeblich für Schafe schädlich sein.» Könnte das ein Hinweis auf die mögliche Giftigkeit des Krauts sein? Vergewissern wir uns also und recherchieren wir in den Standardwerken der Toxikologie: im pharmazeutischen Lexikon Hunnius, in den toxikologischen Schriften der Apotheker, Mediziner und Chemiker – in Giftpflanzen, Pflanzengifte, in Teedrogen und Phytopharmaka und in Giftpflanzen. Kein Hinweis auf eine etwaige Schädlichkeit des Habichtskrauts, keine Fallberichte von Intoxikationen – nicht einmal die hauptwirksamen Inhaltsstoffe Umbelliferon und Skimmin werden in den genannten Werken als giftige Substanzen geführt. Umbelliferon (7-Hydroxycumarin, wird auch Hydrangin genannt, weil es in der Hortensie auch nachgewiesen werden kann) absorbiert ultraviolette Strahlung und

Wald-Habichtskraut (Hieracium murorum). Foto: Archiv Berger

wird deshalb in Sonnenschutzcremes verwendet. Skimmin ist die glykosidierte Form des Umbelliferons. Beide Cumarine sind als Giftstoffe unbedeutend. Zwar ist in einem Artikel zu den Steinbrechgewächsen der Fachzeitschrift Toxichem Krimtech Folgendes zu lesen: «Hydrangin [= Umbelliferon] verursacht Brustbeschwerden sowie zerebrale Störungen bei größeren Dosen.» Diese Gefahr laufen wir allerdings aufgrund der zu erwartenden Dosierung für psychoaktive Zwecke nicht. Immerhin ist der Wirkstoff in vielen Pflanzen vorhanden, so unter anderem im beliebten Küchengewürz, dem Maggikraut Liebstöckel. Beide Stoffe sind nicht als psychoaktiv bekannt, psychotrope Cumarine hingegen sind aus diversen anderen ethnobotanischen Pflanzen bekannt. Soweit also Schritt 1, die literarische Recherche.

Schritt 2: Pflanzenmaterial suchen, bestimmen und ernten Habichtskraut wächst an Wegrändern, auf Trockenwiesen, an Hainen, auf Heiden und in der Nähe von felsigem Habitat. Die Pflanze ist recht leicht an ihren behaarten und sehr kleinen Blättern zu erkennen, die eindeutig in Rosetten wachsen. Haben wir die Pflänzchen aufgespürt, geht es an die Ernte der Blätter. Die ist mühselig und aufwändig, weil die Blättchen sich erstens nur schwer fassen und damit ausreißen lassen und weil zweitens aufgrund der geringen Größe des Blattwerks das Gefäß, welches wir sammelnd füllen wollen, einfach nicht voller werden will. So kann die Ernte des Habichtskrauts durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen; der kluge Ethnobotaniker rechnet eine gute Stunde für die Ernte von etwa 5 bis 10 Gramm der Rohdroge. Der Vorteil: Habichtskraut überwuchert schnell ein


Lucys Rausch Nr. 13

Der Autor erntet die Blätter.

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Hieracium pilosella in ihrem Habitat, rechts die Blattrosette.

Fotos: Markus Berger

ganzes Magerrasengebiet. Zudem können die Blätter Schritt 3: Der Bioassay – der Forscher so gut wie ganzjährig geerntet werden, nämlich probiert immer dann, wenn die Witterung nicht zu kalt und Die getrockneten Blätter werden fein zerbröselt und nass ist. zunächst in ein Zigarettenpapier gerollt. SelbstverZuweilen liest man den Tipp, Habichtskraut ständlich ohne jeden Zusatz anderen Pflanzenmatemüsse während der Blütezeit gesammelt werden. rials, weder Tabak noch Cannabis noch irgendein Sicherlich vermag die Blütezeit von Fall zu Fall auch anderes Additiv. Der Forscher rollt sich einen Purjoint aus Habichtskraut. Der wird vorsichtig, die Anwesenheit von Inhaltsstoffen in einer bewusst und ohne weitere Ablenkung Pflanze zu beeinflussen. Im Falle des geraucht. Anschließend heißt es abwarHabichtskrauts jedoch spielt das keine übergeordnete Rolle. Habichtskrautblätter sind auch dann psychoaktiv wirksam, wenn sie zu einer Zeit gesammelt werden, da die Pflanzen nicht in voller Blüte stehen. Die Ernte trocknet. Foto: mb Wir ernten also die Blätter des Habichtskrauts mit den Fingern oder mithilfe einer kleinen ten. Die Effekte des Habichtskrauts setSchere. Als Nächstes kommt, was im zen nach einigen Minuten ein, erscheinen Umgang mit und vor dem Gebrauch von zunächst eher subtil, um schließlich doch etwas psychotropen Gewächsen fast immer kommt: Die deutlicher zu werden. Idealerweise setzt sich der Ernte muss getrocknet werden. Dazu breiten wir die Ethnobotaniker zuvor einer speziellen «Diät» aus – Blätter des Krauts auf Zeitungspapier aus. Weil die das heißt: Er verzichtet für mindestens zwei oder Blätter der Pflanze so verschwindend winzig sind, ist drei Tage vor dem Bioassay – so wird ein wissender Trocknungsvorgang rasch erledigt. Innerhalb schaftlicher Selbstversuch genannt – auf die Einvon drei bis vier Tagen sollte die Blatternte vollstän- nahme anderer Psychoaktiva. Auf diese Weise verdig von Wasserresten befreit und trocken sein, das fälscht man das pharmakologische Ergebnis des heißt: Sie ist gebrauchsfertig. Versuchs am wenigsten. Wenig Sinn hat es, am }

Die Effekte des Habichtskrauts erscheinen zunächst eher subtil.


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HABICHTSKRAUT

Nachmittag Cannabis zu rauchen und ein Bier zu unentdeckter oder gar unbekannter Wirkstoff in trinken, um am Abend eine neue psychoaktive und dem Kraut vorkommt? Frage zwei ist ebenso unerklärlich: Es existieren – wie in diesem Fall – auch noch mild wirksame massenweise Drogenbücher zu psychoaktiven PflanPflanze zu probieren. Das Ergebnis: Habichtskraut hat eine eindeutige zen. In keinem wird das Habichtskraut auch nur in psychoaktive Wirkung, die schon nach dem Genuss einem Nebensatz erwähnt, stattdessen aber werden von weniger als einem halben Gramm getrockneten in solchen Büchern haufenweise Gewächse besproBlattmaterials spürbar ist. Die Effekte, die durch das chen, die für eine psychonautische Verwendung Rauchen von Habichtskraut hervorgerufen werden, alles andere als gut geeignet sind, zum Beispiel die ähneln in der Tat denen des Hanfs ein wenig, haben Muskatnuss oder die Hortensie. Klar ist im Rahmen dieser Arbeit eigentlich nur aber dennoch eine etwas andere Dimension. Der eines geworden: Die Forschung rund um Forscher verspürt eine leichte Euphorie, die berauschenden Pflanzen steht noch gepaart mit einer gewissen Verneganz am Anfang. Im Grunde wissen belung der Sinne, die eindeutig auf wir Menschen bis heute so gut wie den Konsum einer Droge zurücknichts. Es ist noch jede Menge an zuführen ist. Habichtskraut wirkt Interessantem zu erforschen, und auf den Kopf und Unterleib, wie sei es über eine Pflanze, die als eine qualitativ eher durchschnittHanfersatz nutzbar ist, die in groliche Cannabispflanze. Es kann Orangerotes Habichtskraut ßen Mengen und geradezu inflatibei entsprechender Stimmung ein (Hieracium aurantiacum) onär gedeiht und einfach nur gewisser Rededrang folgen, Foto: Markus Berger gesammelt, bearbeitet und genutzt genauso wie eine, ebenfalls hanftypiwerden muss. So wie das Habichtskraut. sche, leichte Mundtrockenheit. Ich Soweit ein kleiner Einblick in die Arbeit gehe soweit und behaupte in aller Deutlichkeit: Habichtskraut macht durchaus high. Der Begriff eines Ethnobotanikers. Aus meiner jahrzehntelanHigh scheint mir hier am praktikabelsten, denn der gen Forschung über die psychotropen Organismen Rauch des Krauts lässt dich tatsächlich in höhere sind im Lauf der Jahre zahlreiche Buchwerke und geistige Gefilde aufsteigen. Zwar kann die Wirkung Zeitschriftenartikel entstanden. Die endgültige Verdes Habichtskrauts nicht zu hundert Prozent mit der dichtung meiner Recherchen, Feldforschungen und des Cannabis verglichen werden. Von allen Verglei- Experimente hat zu Band 2 der Enzyklopädie der psychen, die man zu solchen Zwecken bemüht, ist mir choaktiven Pflanzen (2022) geführt, den ich zusammen jener mit Hanfkraut aber immer noch am nahelie- mit Christian Rätsch verfasst habe. In diesem Ergängendsten. Habichtskraut wirkt wie der kleine Bruder zungsband habe ich u.a. eine große Monographie zu des Hanfs. Nach etwa drei bis vier Stunden lässt der den psychotropen Hieracium-Arten veröffentlicht, leichte Rausch nach, abermaliges Rauchen des denn – so stellte sich über die Jahre heraus – auch andere Habichtskräuter haben berauschende EigenKrauts verstärkt die Effekte wieder. schaften. Als Nächstes werde ich den Band 1 umfassend aktualisieren und ergänzen. Schritt 4: Nachbereitung, Ergebnis Die Bioassays sind gelaufen, das Resultat ist eindeulucys-magazin.com/autoren/Berger/ tig, Habichtskraut ist definitiv eine psychoaktive Pflanze. Bleiben zwei Fragen zu klären. Erstens: Wieso wirkt diese Pflanze hanfähnlich, obwohl sie Christian Rätsch, Markus Berger keine Cannabinoide enthält? Und zweitens: Wieso Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen ist dieses Gewächs außerhalb von Dänemark trotz Band 2 nachweislicher Wirksamkeit so vollkommen unbeNeue Pflanzen, Pilze, Bakterien • kannt? Anwendung • Kulturgeschichte Frage eins lässt sich nicht beantworten. Zu wenig Nachtschatten Verlag 2022 ISBN 978-3-03788-484-3 erforscht ist das Habichtskraut bislang. Wer weiß, welcherlei Synergien die enthaltenen Moleküle entLizenzausgabe des AT Verlags falten? Wer weiß, ob nicht vielleicht doch ein bislang


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Giorgio Samorini

ELEUSIS KOMPAKT

Der bekannte italienische Drogenforscher präsentiert Nachrichten und kurze Meldungen zu psychoaktiven Pflanzen und Substanzen und zur Rauschkultur.

SCHAMANISMUS Tatiana Urchakan Tatiana Urkachan, die sibirische Schamanin, die die sowjetischen Verfolgungen überlebte und in ihren Ritualen Fliegenpilze verwendete, wurde im Westen durch dieses 1996 in der Zeitschrift Shaman’s Drum veröffentlichte Foto bekannt. Man nimmt allgemein an, dass Tatiana Urkachan. Foto: zvg sie von dem US-amerikanischen Ethnomykologen-Team Salzman während ihres Besuchs in Kamtchaka in den Jahren 1994–95 «entdeckt» wurde. Aber Salzmans Gruppe verstand nicht ganz, wer Tatiana wirklich war. Sie war eine der wichtigsten Kamtschatka-Informantinnen für das Moskauer Institut für Ethnologie, wohin sie mehrmals reiste, um an Konferenzen teilzunehmen und Vorlesungen an der Universität zu halten. Auch die letzte Zeit ihres Lebens ist den Westlern unbekannt. Im Jahr 1996 verschwand sie in der Tundra. Die wahrscheinlichste Hypothese ist, dass es sich um einen absichtlichen Tod handelte, der mit der Tradition der Koriak übereinstimmt, wonach Frauen, die keine Kinder hatten, nicht in den Genuss eines regulären Begräbnisses kamen und es daher vorzogen, sich in der Tundra zu «verstecken» und auf einen «natürlichen Tod» zu warten.

enzymatische Prozess ging von gereinigter 4-Hydroxytryptamin-Kinase aus, die im Zuchtpilz Psilocybe cubensis enthalten ist, und erzeugte zuvor 5-Methyl-Psilocin. Legende. Foto: XYZ Mittels eines weiteren enzymatischen Prozesses im selben Pilz wurde 5-Methy-Psilocybin gewonnen. Die Aktivität dieser Verbindung, die in In-vivo-Laborstudien getestet wurde, ergab eine höhere Potenz als DMT und eine niedrigere als Psilocybin. Sie ist jedoch noch nicht am Menschen getestet worden. Fricke, J. et al., 2021, Chemoenzymatic synthesis of 5-methylpsilocybin: a tryptamine with potential psychedelic activity, Journal of Natural Products 84: 1403–1408.

PFLANZEN Caesalpinia Caesalpinia decapetala, früher bekannt als C. sepiaria, ist eine psychoaktive Pflanze, die im alten China für ihre Eigenschaften bekannt war, «somatische Levitation zu erzeugen und die Kommunikation mit Geistern zu beeinflussen», wie in alten chinesischen Kräuterbüchern berichtet wird, in denen sie Yun-shih genannt wurde. Sie wurde nun in einem chinesischen Seidenmanuskript ikonographisch identifiziert, das in einem Grab des alten Chu-Staates entdeckt und auf das dritte Jahrhundert v. Chr.

Batyanova, Y., 2005, Zhenshchiny severa v roli religioznykh liderov (po materialam polevykh i ssledovanii na Kamchatke i Chukotke), v: Zhenshchina i vozrozhdeniye shamanizma, Rossiyskaya Akademiya Nauk Institut Etnologii i Antropologii Miklukho-Maklaya, Moskva, c. 108–125.

PILZE 5-Methyl-Psilocybin Ein neues psychedelisches Indol, 5-Methyl-Psilocybin, wurde im Labor durch hybride chemo­ enzymatische Synthese gewonnen. Der

Caesalpinia decapetala. Fotos: XYZ

Giorgio Samorini (* 1957 in Bologna, Italien) ist Ethnopharmakologe und Drogenforscher und Herausgeber der ethnobotanischen Fachzeitschrift Eleusis. Er war der erste Weiße, der in Gabun (West­afrika) in den Bwiti-Kult (Iboga-Kult) eingeweiht wurde. www.samorini.it


Lucys Rausch Nr. 13

datiert wurde. Das Manuskript gilt als eine Art «kosmisches Wahrsagebrett» mit schamanistischen Konnotationen. Pothier, B., 2021, Potential identification of an entheogenic plant species on the Chu Silk Manuscript, Time and Mind 14: 1-24.

Die betrunkenen Stromschnellen Physochlaina physaloides, ein asiatisches halluzinogenes Nachtschattengewächs, das traditionell von den Ewenken und anderen Tungusen-Stämmen als Rauschmittel verwendet wird, wurde von chinesischen Teams auf seine chemischen Verbindungen untersucht, wobei die Physochlaina psychoaktiven Tropan­alkaloide physaloides. Hyoscyamin, Atropin, Scopolamin und Belladonnin in der gesamten Pflanze nachgewiesen werden konnten. Während der russischen Eroberung Sibiriens im 17. Jahrhundert verwechselte eine Gruppe von Kosakensoldaten beim Durchwaten von Stromschnellen im Jenissei-Becken diese Pflanze mit einem essbaren Gemüse und geriet in einen regelrechten Rausch, woraufhin der Ort p’yanyye porogi («die betrunkenen Stromschnellen») genannt wurde. Zang, E.-H. et al., 2021, Chemical constituents of Physochlaina physaloides (L.) G. Don (Solanaceae), Biochemical Systematics and Ecology 98: 104332.

ARCHÄOLOGIE Tagetes lucida Tagetes lucida ist eine psychoaktive Pflanze, die in der Nahua-Sprache als yauhtli und in der spanischen Sprache als pericón bekannt ist und von alten und modernen mexikanischen Ethnien verwendet wird. So wird sie beispielsweise bei den Huichol rituell zusammen mit Tabak geraucht. Nun wurde die Pflanze zum ersten Mal in archäologischen Funden nachgewiesen, und zwar in einigen Maya-Keramiken aus dem ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung. Auch in diesen antiken Kontexten wurde Tagetes mit Tabak vermischt. Zimmermann, M. et al., 2021, Metabolomics-based analysis of miniature flask contents identifies tobacco mixture use among the ancient Maya, Scientific Reports 11:1590.

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Hülsenfruchtschote Die «Hülsenfruchtschote», ein ikonographisches Motiv, das sehr häufig auf Artefakten aus Paracas und anderen alten Andenkulturen auftaucht, wurde endlich als Schote der Vilca, d. h. Anadenanthera colubrina, identifiziert, deren Samen eine jahrtausendealte Quelle für halluzinogene SchnupftabakDie «Hülsenfruchtschote». produkte sind. Viele Autoren, darunter auch ich, haben diese Pflanze der präinkaischen Kulturen schon seit langem als vilca oder cebíl interpretiert und warten auf eine eingehende Studie, die diesen Nachweis überzeugend erbringt. Domnauer, C., 2020, The Legume Pod Motif as a Symbolic Representation of the Shamanic Hallucinogen, Vilca (Anadenanthera spp.), in Pre-Columbian Andean Cultures. Ñawpa Pacha 40(2): 1-11.

Cebil und Tabak Die Analyse von mehr als 60 Schnupftabakschalen aus dem archäologischen psychotropen Komplex von San Pedro de Atacama (Chile) hat ergeben, dass es sich bei dem Schnupftabak um eine Kombination aus Samen von Cebíl (Anadenanthera sp.) und Tabak handelt und nicht nur um Cebíl, wie bisher angenommen. In derselben Analyse wurde viel DMT gefunden, zu viel, um anzunehmen, dass es zu den Cebíl-Samen gehört haben könnte, von denen bekannt ist, dass sie hauptsächlich Bufotenin produzieren; ein Nachweis von DMT, der daher noch zu erklären ist. Aus dieser Studie geht außerdem hervor, dass der Konsum von halluzinogenen Schnupftabakprodukten in Atacama eher etwas Elitäres war. Horta, T.H. et al., 2021, Práctica religiosa, especialización artesanal y estatus: hacia la comprensión del rol social del consumo de alucinógenos en el salar de Atacama, norte de Chile (500-1500 DC), Estudios Atacameños 67: e3906.


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Lucys Rausch Nr. 13

IMPRESSUM Lucys Rausch Nr. 13 April 2022 ISBN 978-3-03788-413-3 ISSN 2296-8695 Lucys Rausch erscheint in der Regel zweimal jährlich. Nächste Ausgabe: Herbst 2022 Herausgeber Roger Liggenstorfer Nachtschatten Verlag AG Kronengasse 11 CH-4500 Solothurn Fon: +41 32 621 89 49 info@nachtschatten.ch www.nachtschatten.ch www.lucys-magazin.com Chefredaktion Markus Berger markus@lucys-magazin.com Redaktion Roger Liggenstorfer roger@lucys-magazin.com Bild- und Textredaktion Nina Seiler nina@lucys-magazin.com Mitarbeiter dieser Ausgabe Mathias Bröckers, Hans Cousto, Stefan Haag, Gerbrand Korevaar, Chuck Lore, Claudia Müller-Ebeling, Linus Naumann, Adrian Norz, Olaf Ozeanus, Torsten Passie, Giorgio Samorini, Jörg-Simon Schmid, Rick Strassman

Korrektorat Inga Streblow, Jutta Berger Layout Nina Seiler (Art Director), Silvia Aeschbach Umschlaggestaltung Nina Seiler Anzeigen werbung@lucys-magazin.com Administration Caro Lynn von Ow caro@nachtschatten.ch Abo-Verwaltung Lukas Emmenegger lukas@lucys-magazin.com Büro Deutschland Jutta Berger jutta@lucys-magazin.com Bankverbindungen Schweiz Regiobank Solothurn Konto-Nr.: 443.213.16.114 IBAN: CH20 0878 5044 3213 1610 8 BIC: RSOSCH22 Deutschland Postbank Hamburg Konto-Nr. 969 792 202 IBAN: DE35 2001 0020 0969 7922 02 BIC: PBNKDEF, Vermerk: Lucys Rausch

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Herbst 2022 Dennis McKenna: Mein Leben mit Terence McKenna Zur Neuausgabe des Buchs Brotherhood of the Screaming Abyss

Torsten Passie: Psychedelika vs. Antidepressiva Vertragen sich Medikamente gegen Depression mit LSD & Co.?

Psychedelische Musik für Rituale und mehr Psychoaktive Sounds für Rekreation und Therapie

Drug Checking der neuesten Generation Das Startup Miraculix und seine neuartigen Substanztester

Ralph Metzner: Therapeutische Anwendung veränderter Bewusstseinszustände Cannabis und Spiritualität Fotos: Pixabay (1), Unsplash (1), zvg

Hanf als Katalysator für Meditation und Erwachen

Ayahuasca und Bewusstseins-Tourismus Können Ayahuasca-Retreats auch sinnvoll sein? sowie zahlreiche Beiträge zu Psychedelik, Rauschkunde, Psychonautik, Ethnobotanik und Drogenpolitik ... Aeroponik Systems, Austr. 71, 90429 Nürnberg • Inzider’s Metalhead Greenpoint, Vordere Sterngasse 15, 90402 Nürnberg REUTLINGEN HanfHaus Reutlingen, Weingärtnerstr. 27, 72764 Reutlingen, hanfhaus-reutlingen.de ROSSDORF Syntropia, Industriestr. 20, 64380 Roßdorf, syntropia.de, www.rauschkunde.net ULM Hanf-Lager Ulm, Zinglerstraße 1, 89073 Ulm, hanflager.de NÜRNBERG

ÖSTERREICH SALZBURG Cosmic 5 KG, Claudia Schallmoser, Hauptstraße 29, 5020 Salzburg HO5, Richard Lanczmann, Hoher Markt 5, 1010 Wien WIEN

KANARISCHE INSELN LA GOMERA Tienda Ansiria, Calle Normara, Edificio Normara, local 15, 38870 La Playa/Valle Gran Rey

Aktualisierte Liste unter www.lucys-magazin/verkaufsstellen In Deutschland findet man Lucys Rausch über mykiosk.com.


Berauschend! Bisherige Ausgaben

ISBN 978-3-03788-402-7 ISSN 419896701480502 Fr. 12.– | € (D) 10,– | € (A) 10.30

ISBN 978-3-03788-404-1 ISSN 419896701480504 Fr. 12.– | € (D) 10,– | € (A) 10,30

Die Kunst des– Luke Brown Claudia Müller-Ebeling Falsche Perspektiven Legal Highs Alexander T. Shulgin Pate des MDMA El Pepe – oder die Verbesserung der Welt Tanzkultur und Transformation Raval – Ein GesprächRoberdo mit Albert Hofmann Drug, Set und Setting Alex Bücheli dem LSD-Entdecker

ISBN 978-3-03788-403-4 ISSN 419896701480503 Fr. 12.– | € (D) 10,– | € (A) 10,30

Lucys Nr. 6

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Ketamin gegen Depression • MDMA in der Psychotherapie • Stefan Haag: Drogen auf Reisen • Lucys Geschichte: John C. Lilly • Entheogene Gruppenrituale • Marijuana oder Hanf? • Fliegenpilz vs. Ayahuasca

ISBN 978-3-03788-405-8 ISSN 419896701480505 Fr. 12.– | € (D) 10,– | € (A) 10,30

ISBN 978-3-03788-407-2 ISSN 419896701480506

Lucys Nr. 8

Lucys Nr. 9

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Ralph Metzner: Alchemistische Divination • 5-MeO-DMT: Film über Bufo alvarius • Jeremy Narby: Kulturgeschichte des Rauschs Mark McCloud: Herr der LSD-Blotter • Musik für den Trip: The Young Gods • Christian Scharfetter: Haschisch-Forschung

Jeremy Kulturgeschichte HR GigerNarby: – Das grosse Interview des Rauschs Christian– Rätsch: Psychedelische Paläontologie Besuch im Val-de-Travers Absinthe

Bufo alvarius - Der Film zur Colorado-Kröte Perspektiven Legal Highs – Falsche

Kunst: Klarweinder Welt die Mati Verbesserung ElVisionäre Pepe – oder Alchemistische nach mit Ralph Metzner – Ein Gespräch Albert HofmannDivination Der Herr der Blotter: Mark McCloud dem LSD-Entdecker

H A N F + K U N S T + PA R T Y + E T H N O B O TA N I K

ISBN 978-3-03788-408-9 ISSN 411986701480508

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Nr.8 / Herbst 2018

H A N F + K U N S T + PA R T Y + E T H N O B O TA N I K

Wolf-Dieter Storl: Titanische Illusionen • Christian Rätsch: Ayahuasca-Oper • Erfahrungen mit CBD • Psychoaktive Orchideen: Dendrobium • Psychoaktive Augentropfen Sananga • Visionäre Kunst: Martina Hoffmann

CHF 18.50 / € (D) 14.80 / € (A) 15.30

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

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Psychoaktive Pflanzen Christian Rätsch: Ayahuasca-Oper Psychoaktive Orchideen Erfahrungen mit CBD Psilocybin & Meditation MDMA-Untergrundproduktion Hans Plomp im Interview

Geschichte des Schamanismus • Rapé – Schamanische Snuffs • Torsten Passie über Harry C. Kane • Die Opium-Moderne • Cannabis: Alte Landrassen • Traumpflanzen • Frank Tempel • Meskalinforschung •BoomFestival 2016

Nr. 9/ Frühjahr 2019

Nr. 8 / Herbst 2018

Lucys Nr. 7

ISBN 978-3-03788-475-1 ISSN 419896701480507 128 Seiten, 16 Seiten plus zum selben Preis!

Ayahuasca • Luke Brown • Transformational Festivals • Barnim Schultze und das Akasha Project • Sasha Shulgin • Safer Use II • Windengewächse • AutomatikCannabis • Reinkarnation

Ayahuasca Entheogen, Heilmittel und Lebenshilfe HR Giger – Das grosse Interview Akasha Project im Interview Absinthe – Besuch im Val-de-Travers

Lucys Nr. 5

LSD-Analoga • Die Kunst des herman de vries • Das Lied der Schmetterlinge • Albert Hofmann und Psychedelika vor dem Übergang • Safer Use III • Mohngewächse • Psilocybin-Pilze Europas • Cannabispolitik

Bicycle Day: 75 Jahre LSD-Erfahrung •DAS Acid-Pioniere: WELTWEITE Albert CANNABIS-VERZEICHNIS Hofmann / Timothy SEIT 2008 Leary / Stan Grof • Wie psychedelisch kann Cannabis sein • Christian Rätsch: LSD und Musik • Unterwegs mit Timothy Leary • Blotter Art

Lucys Nr. 3

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

H A N F + K U N S T + PA R T Y + E T H N O B O TA N I K

Ralph Metzner: Die Kröte und der Jaguar • Timothy Leary • Cannabis als Medizin • Nana Nauwald • Gerhard Seyfried • Adi Dittrich • Neuer PsiloPilz • Safer Use I • Holotropes Atmen • Peyote • Progressive Psytrance

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Lucys Nr. 2

Ralph Metzner: Welten des Bewusstseins • Ethnobotanik: DMT / 5-MeO-DMT • Cannabiskonzentrate / Dabbing-Kultur • Steve Stoned • Christian Rätsch • Ketamin auf dem Dancefloor • Hanscarl Leuner

Nr. 3/ Frühjahr 2016/ CHF 18.50 / € (D) 14.80 / € (A) 15.30

Lucys Nr. 1

Lucys Nr. 4

ISBN 978-3-03788-409-6 ISSN 411986701480509 120 Seiten

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Nr. 10/ Herbst 2019

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Kakao-Zeremonien: dem LSD-Entdecker Alltagsdroge und Rituale

INSTAGRAM.COM/GIZEH_DE

Lucys Nr. 11

Frauen in der Psychedelik • Christian Rätsch: Psychedelische Paläontologie • Erinnerungen an Ralph Metzner • Froschmedizin aus dem Regenwald: Kambô • Torsten Passie & Markus Berger: Microdosing • Cannabis • Kakao-Zeremonien

Schwerpunkt: Regulierter Rausch • Stanislav Grof: Der Weg des Psychonauten • Cannabis-Legalisierung weltweit • Der Fliegenpilz • Visionäre Kunst: Fred Weidmann • Die Technik des Slow Dosings • Psychedelisches Yoga • Annäherungen an psychoaktive Pflanzen

ISBN 978-3-03788-410-2 ISSN 411986701480510 120 Seiten

ISBN 978-3-03788-411-9 ISSN 411986701480511 128 Seiten

Nr. 12 Sommer 2021 Fr. 18.50 | € (D) 14,80 | € (A) 15,30

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Psychoaktiver Honig AyahuascaTourismus in Peru Die Geschichte der Wasserpfeifen

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Lucys Nr. 12 Schwerpunkt: Hanf • Die Geschichte der Wasserpfeifen • Heilmittel Cannabis • •Ayahuascatourismus in Peru • Psychoaktiver Honig Ethnobotanik: Kratom •Guru Guru Mani Neumeier ISBN 978-3-03788-412-9 ISSN 411986701480512 128 Seiten

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Nr. 12 | Sommer 2021

Nr. 10 / Herbst 2019

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Forum für veränderte Bewusstseinszustände Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Ralph Metzner: Leben für die Psychedelik HR Giger – Das grosse Interview Kambô: –Froschmedizin aus dem Regenwald Besuch im Val-de-Travers Absinthe Christian Psychedelische – Falsche Perspektiven Paläontologie Legal HighsRätsch: Indica vs. Sativa der Welt die Verbesserung ElCannabis: Pepe – oder Microdosing: Sinn und Unsinnmit – Ein Gespräch Albert Hofmann

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Cannabisanbau für Ambitionierte Wege in die Drogenmündigkeit Kontrollierte Heroinvergabe

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Psychedelische Renaissance: Die vierte Welle


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