Opplyst, utstillingskatalog på tysk

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Im Licht. Eindrücke aus unserer Kulturgeschichte

DEUTSCH

Die Gegenwart beruht auf dem Vergangenen. In der Ausstellung Im Licht werden einige einzigartige, spektakuläre und bedeutende Objekte der norwegischen Kulturgeschichte aus der Dunkelheit des Magazins ans Licht geholt. Sie repräsentieren Momente in unserer gemeinsamen Geschichte und berichten von großen Durchbrüchen, kreativen Meisterwerken und entscheidenden Ereignissen, die unsere Ausdrucksmöglichkeiten und unsere Nation geformt haben.

In der Sammlung der Nationalbibliothek befindet sich ein Großteil dessen, was seit dem 12. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart für die norwegische Öffentlichkeit publiziert worden ist. Die Sammlung stellt unser gemeinsames Gedächtnis dar und bildet die Grundlage für die Erzählungen, wer wir sind und woher wir kommen. Im Licht ist eine solche Erzählung.

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Übersichtskarte 1 Kvikne-Psalter 7 2 Magnus Lagabøtes Landrecht 8 3 Biblia („Reformationsbibel“) 9 4 Himmelsbrief 10 5 Norske Intelligenz-Seddeler (Norwegische Intelligenzblätter) 12 6 Dorothe Engelbretsdatter: Siælens Sang-Offer (Gesangsopfer der Seele) 14 7 Grundgesetz des Königreichs Norwegen 16 8 „Draumkvedet“ (Traumgedicht) 18 9 Georg Ossian Sars: Wissenschaftliche Zeichnungen 22 10 Henrik Ibsen: Peer Gynt 26 Et Dukkehjem (Nora oder ein Puppenheim) 28 Hedda Gabler 30 Das Ibsen-Material ist empfindlich, deshalb werden die Gegenstände im Wechsel gezeigt. 11 Peter Christen Asbjørnsen und Jørgen Moe: Eventyrbog for Børn (Märchenbuch für Kinder) 32 12 Ivar Aasen: Norsk Ordbog med dansk Forklaring (Norwegisches Wörterbuch mit dänischer Erläuterung) 34 13 Edvard Grieg: Klavierkonzert a-Moll op. 16 36
14 Gina Krog (Hrsg.): Nylænde (Neuland) 38 15 Edvard Munch: Selvportrett med knokkelarm (Selbstbildnis mit Knochenarm) 40 16 Snorre Sturlason: Kongesagaer (Königssagas) 41 17 Hulda Garborg: Heimestell (Besorgung des Hauses) 42 18 Stimmzettel von der Volksabstimmung über die Monarchie 44 19 Dæmonen (Der Dämon), zensierte Filmsequenzen 46 20 „Südpolbrief“ 48 21 Arbeidernes leksikon (Arbeiterlexikon) 50 22 Rundfunknachrichten vom 9. April 1940 und Rundfunknachrichten aus London vom 7. Mai 1945, NRK 52 23 Georg W. Fossum: Deportation norwegischer Juden, Filmnegativ 54 24 Offizielle Eröffnung des Ekofisk-Ölfelds, NRK Fernsehnachrichten 55 25 Arvid Sveen: Varig vern av Alta-Kautokeino-elva! (Dauerhafter Schutz des Alta-KautokeinoFlusses) 56 26 Darkthrone: A Blaze in the Northern Sky (Eine Flamme am nördlichen Himmel) 58
27 www.oslonett.no 60 28 SKAM (Scham), Filmtextbuch 62 29 Karpe Diem: Heisann Montebello (Hallo Montebello) 64 30 Politische und religiöse Volksbewegungen, kleine Schriften 66

Der Kvikne­Psalter

Ca. 1150–1200

Ein Psalter ist ein Gebetbuch, das in erster Linie Psalmen aus dem Buch der Psalmen in der Bibel enthält. Die hier versammelten 150 sogenannten Davidpsalmen bildeten den Kern der acht täglichen Gebete und verteilten sich nach einem festen Muster auf die Wochentage. So bildete die Woche einen christlichen Zyklus, eine zeitliche Einheit aus Glauben und Gebet. Psalter waren eins der meistverbreiteten literarischen Genres des Mittelalters.

Dieser Psalter stammt aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und gilt als das älteste in Norwegen hergestellte Buch, das noch immer intakt ist. Ursprünglich waren vermutlich alle Psalmen der Bibel enthalten. Ein Teil der Seiten ist schon im Mittelalter abhandengekommen, wurde aber im 15. Jahrhundert durch neue Seiten mit gleichem Inhalt ersetzt.

Der Kvikne-Psalter ist typisch für seine Zeit und seinen Ort. Er wurde auf Lateinisch von Hand auf Pergament geschrieben, und die Schrift ähnelt stark der Schrift in professionell ausgeführten englischen Psaltern. Die norwegischen Schreiber verfügten allerdings nicht über das gleiche kalligrafische Niveau wie die englischen und hatten vorher vermutlich noch keine Bücher geschrieben. Die Dekorationen sind gering an der Zahl und schlicht.

Der fragmentierte Inhalt wird noch immer durch einen soliden Einband aus Holz zusammengehalten, der wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammt. Auf der Rückseite steht in einer Mischung aus Runen und lateinischen Buchstaben eingeritzt: „Ich gehöre der Kirche in Kvikne“.

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Magnus Lagabøtes Landrecht im Codex Hardenbergianus

Mitte des 14. Jahrhunderts

König Magnus Lagabøtes Landrecht von 1274 ist ein großes Werk der europäischen Rechtsgeschichte. Es war das dritte landesweite Gesetzbuch in Europa und wurde erst 1687 durch das Norwegische Gesetzbuch von Christian V. abgelöst. Das Landrecht hat die norwegische Gesellschaft verändert und die Gesetzgebung als Verwaltungsinstrument etabliert. Durch das Landrecht wurden den Schwächsten Rechte zugesprochen und es wurde die Basis für eine staatliche Macht in Norwegen geschaffen.

39 Manuskripte und über 50 Manuskriptfragmente des Landrechts sind erhalten. Der Codex Hardenbergianus ist die schönste Ausgabe von allen. Das Gesetzbuchmanuskript wurde Mitte des 14. Jahrhunderts in Bergen auf Altnordisch geschrieben und enthält zehn verzierte und illustrierte Buchstaben (sogenannte Illuminationen), die die Essenz des Textes vermitteln.

Im Einband des Codex Hardenbergianus sind mehrere Gesetzestexte versammelt. Das Landrecht ist der umfangreichste und wichtigste von ihnen. Der Band enthält daneben sogenannte königliche Rechtserlasse – später Gesetze genannt –, die einzelne Regeln im Landrecht ergänzen oder ersetzen, sowie das Kirchenrecht von Erzbischof Jon Raude.

Das bedeutsamste Erbe des Landrechts von 1274 besteht darin, dass wir uns nach den gültigen Gesetzen richten, anstatt die Macht des Stärkeren herrschen zu lassen. Das Landrecht schuf die Grundlage dafür, dass wir, die wir heute in diesem Land leben, das Wort Gesetz mit Freiheit und Rechten verknüpfen und nicht mit Machtmissbrauch und Unterdrückung.

Eigentümer: Det Kgl. Bibliotek, Dänemark.

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Biblia. Det er den gantske Hellige Scrifft, udsæt paa Danske 1550

Die großen religiösen Umwälzungen, die Martin Luther 1517 auslöste, hatten auch umfangreiche kulturelle Auswirkungen zur Folge. Die Reformation führte zu einer Stärkung des individuellen Glaubens der Menschen, während die Rolle der Kirche als Vermittler und Interpret geschwächt wurde. Stattdessen wurde Gottes Wort, also die Bibel, zum Schwerpunkt des religiösen Lebens. Deshalb musste die Bibel aus dem Lateinischen in die Sprache übersetzt werden, die die Menschen verstanden: in ihre Alltagssprache. Der Buchdruck, der Mitte des 15. Jahrhunderts in Europa eingeführt wurde, machte es möglich, Bücher schneller, billiger und in größerer Zahl als zuvor herzustellen.

Die hier ausgestellte Bibel, „Reformationsbibel“ genannt, ist die erste vollständige Bibel in dänischer Sprache. Sie wurde 1550 gedruckt und basiert überwiegend auf Martin Luthers deutscher Bibelübersetzung aus dem Jahr 1545, wobei die verwendeten Drucktypen und Illustrationen die gleichen sind wie beim Druck der niederdeutschen Bibel von 1534. Insgesamt enthält die „Reformationsbibel“ 85 Holzschnitt-Illustrationen.

Für Norwegen bedeutete die Reformation auch das Ende der politischen Selbständigkeit. Das Reich kam unter dänische Herrschaft, und der König wurde Kirchenoberhaupt. In dieser dänischen Bibelausgabe begegnet uns an allererster Stelle das Porträt von König Christian III. Der Blick des Königs ist himmelwärts gerichtet; in der einen Hand hält er eine Schriftrolle mit dem Wort Gottes. Das Wappenschild auf der anderen Seite verweist auf seine weltliche Macht.

Druck: Ludowich Dietz, Kopenhagen.

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Datiert 1604

Ein Himmelsbrief ist ein Kettenbrief, der den Empfänger dazu auffordert, Kopien des Briefes anzufertigen und weiterzuschicken. Der hier gezeigte Brief ist eine von Hand abgeschriebene Kopie. Das Original wurde laut Brieftext vom „Herrgott selbst“ verfasst und durch einen Engel nach Mikkelborg, dem heutigen Istanbul, geschickt, wo er angeblich mit goldenen Lettern geschrieben in der Luft hing. Demjenigen, der den Brief abschrieb und ihn anderen zeigte, sollten alle Sünden vergeben werden; wer nicht glaubte und ihn nicht kopierte, sollte sterben und seine Kinder sollte „ein schlimmer Tod ereilen“. Am Tag des Jüngsten Gerichts würden demjenigen, der den Brief im Haus hatte, alle Qualen erspart bleiben. Der Text fordert den Leser inständig auf, nach Gottes Geboten und Jesu Worten zu leben und am Sonntag in die Kirche zu gehen. Der Brief trägt die Unterschrift „Ich, der wahre Jesus Christus“.

Auch wenn nur wenige Briefe dieser Art erhalten sind, wissen wir, dass Himmelsbriefe eine populäre Gattung im reformierten Europa waren, weil die Kirche in diesen Ländern keine Beichte und Vergebung mehr anbieten konnte. Der Text der Himmelsbriefe blieb im 18. und 19. Jahrhundert bemerkenswert unverändert. Die Briefe wurden handschriftlich kopiert, kursierten aber auch in gedruckten Varianten, oft mit schönen, bunten Verzierungen. Die einseitigen Himmelsbriefe konnte man leicht bei sich tragen und verkaufen. Die Buchdrucker verdienten gutes Geld durch hohe Auflagen. Viele Menschen waren bereit, für einen oder zwei Schillinge Erlösung und Glück zu kaufen.

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Himmelsbrief, Vorderseite

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Himmelsbrief, Rückseite

Datiert 1604

Der Himmelsbrief ist auf das Jahr 1604 datiert. Das Papier, auf dem er geschrieben wurde, ist aber mit einem Wasserzeichen versehen, das das Stadtwappen von Amsterdam zeigt. Das Wasserzeichen beweist, dass der Brief nicht vor 1675 geschrieben worden sein kann. Der Grund für die Rückdatierung ist unbekannt.

Die Falzkanten zeigen, dass der Brief fünfmal gefaltet worden war, wahrscheinlich damit der Besitzer ihn als Glücksamulett bei sich tragen konnte. Das dürfte oft der Fall gewesen sein, denn die Kanten sind abgenutzt und haben an den Kreuzstellen Löcher. Die nach außen zeigenden Seiten des zusammengefalteten Briefs sind dunkler als der Rest. Das deutet darauf hin, dass vom Himmelsbrief Gebrauch gemacht wurde, er in der Tasche oder auf der Haut getragen und immer wieder gelesen und vorgezeigt wurde.

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1763

„Norske Intelligenz-Seddeler“ gelten als die älteste norwegische Zeitung. Diese erste Ausgabe erschien im Mai 1763 in Christiania (Oslo). Herausgeber und Redakteur war Samuel Conrad Schwach, ein aus Preußen stammender Buchdrucker, der sein Handwerk in Kopenhagen gelernt hatte.

In Christiania hatte er schon mehrere andere Periodika herausgegeben, bevor er sich für eine Zeitung mit aktuellen Nachrichten einsetzte. Das zu verwirklichen war eine Herausforderung. Es herrschte eine strenge Zensur, und die Behörden erlaubten die Herausgabe von Zeitungen nur in Kopenhagen, um eine dauerhafte Kontrolle ausüben zu können. Schwach umging das zum einen, indem er den Inhalt auf Anzeigen, Wirtschaftsthemen und religiöse Betrachtungen begrenzte. Zum anderen pflegte er eine für diese Zeit typische Verbindung zu Nicolai Feddersen, einem hohen Beamten und ehemaligen Magistratspräsidenten in Christiania. Feddersen hatte ein Interesse daran, seine Hand über Schwach zu halten: Er hatte in die Jerusalem Papirmølle (Papiermühle) investiert, die an der Lieferung des Papiers für die Zeitung gut verdiente.

Mit der Zeit konnten die „Norske IntelligenzSeddeler“ es wagen, den Inhalt zu erweitern. Aber erst ab 1814, als der § 100 der norwegischen Verfassung festlegte, dass „Pressefreiheit stattzufinden hat“, konnte die Zeitung echte politische Themen drucken. Das Blatt erschien bis 1920, in dem Jahr fusionierte es mit der Zeitung „Verdens Gang“.

Herausgeber: Samuel Conrad Schwach. Der transkribierte Text befindet sich in der Tasche links neben der Vitrine.

12 5 Norske Intelligenz­Seddeler, Nr. 1, S. 1 und 4, Zeitung

Diese allererste Ausgabe der „Norske IntelligenzSeddeler“ enthält wenig von dem, was wir heutzutage als Journalismus bezeichnen. Der einleitende Vers ist ein Gruß an die Leser der Zeitung. Hier wird hervorgehoben, dass es sich um eine norwegische Publikation handelt: „Hier erscheint nun ein Blatt, das norwegische Berichte bringt / Über die eine und andere Sache, die auch dienlich sein kann.“ Auf diese Weise wird angedeutet, dass es eine spezielle norwegische Sichtweise auf die Welt gibt – allerdings kommt hier ein äußerst vorsichtiger Patriotismus zum Ausdruck. Ansonsten enthält die Zeitung ein paar Bekanntmachungen über Schiffsabfahrten und -ankünfte und über Dinge, die man kaufen kann, über Geburten, Todes fälle und Eheschließungen, beschlagnahmtes Diebesgut und einen Artikel, wie man Zitronen lagert, um über den norwegischen Winter zu kommen.

Der für uns heute vielleicht interessanteste Text ist eine kurze, moralisierende Betrachtung darüber, warum scharfsinnige Menschen dazu neigen, die Fehler und Unzulänglichkeiten ihrer Mitmenschen zu kritisieren, statt ihre eigenen zu beheben. Wir wissen nicht, gegen wen sich die Spitzen in diesem Text von 1763 richteten – aber ist das nicht auch heute noch gültig?

Die originale Zeitung ist in Frakturschrift gesetzt, die für uns heute schwer lesbar sein kann. In der Tasche rechts neben der Vitrine befindet sich eine transkribierte Version.

13 5 Norske Intelligenz­Seddeler, Nr. 1, S.
2 und 3, Zeitung 1763

Dorothe Engelbretsdatter: Siælens Sang-Offer, Gesangbuch 1685

Die Dichterin von religiösen Liedern Dorothe Engelbretsdatter war die erste professionelle norwegische Dichterin in Dänemark-Norwegen. Ihr Erstlingswerk, Siælens Sang-Offer (Gesangsopfer der Seele), erschien 1678 in Christiania (Oslo). Die Erstausgabe existiert nicht mehr, aber von dem Buch wurden allein zu Engelbretsdatters Lebzeiten sieben Auflagen gedruckt. Ihre direkte, gut singbare Sprache trug dazu bei, dass sie zu einer der beliebtesten Autorinnen des 17. Jahrhunderts wurde.

Mehrere von Engelbretsdatters Büchern enthielten ein Bild der Autorin als sogenanntes Frontispiz, das ist eine detailreiche Illustration auf der dem Titelblatt gegenüberliegenden Seite. Das Porträt in dieser Ausgabe von Siælens Sang-Offer aus dem Jahr 1685 zeigt eine schreibende Frau in der Mitte ihres Lebens. Auf dem Schreibtisch vor ihr stehen ein Totenschädel und eine Sanduhr. Das waren Embleme der Barockzeit, die den Betrachter an die Vergänglichkeit des Lebens erinnern sollten. Auf dem Porträt spielen die Embleme auch auf Engelbretsdatters zutiefst persönliche Erfahrungen an. Sieben ihrer neun Kinder starben früh. Wenn das Leben ihr eins gezeigt hatte, dann dass uns alle der Tod erwartet. Das ist ein wiederkehrendes Thema in mehreren Liedern im Buch. Das Lied „Aften Psalme“ (Abendlied), das Eingang in das norwegische Kirchengesangbuch von 2013 fand, nimmt Bezug darauf, indem es vom verrinnenden Stundenglas spricht.

Herausgeber: Christian Geersøn, Kiøbenhaffn (Kopenhagen)

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Das norwegische Grundgesetz von 1814 war eine Verfassung, die die gesetzgebende Gewalt in die Hände eines Parlaments, Stortinget , legte und die Macht des Königs einschränkte. Die Abgeordneten sollten von männlichen Staatsbürgern über 15 Jahre gewählt werden, die über einen gewissen Besitz verfügten. Auch wenn damit nur etwa 40–45 % der Männer erfasst wurden – das Wahlrecht für Frauen war noch gar kein Thema – war dies nach damaligen europäischen Maßstäben eine radikale Neuregelung. Das Grundgesetz war nicht nur eine liberale Verfassung, sondern sicherte ein hohes Maß an norwegischer Selbständigkeit in der Union mit Schweden. Deshalb wurde es zu einem wichtigen Symbol für die nationale Gemeinschaft der Norweger.

In den 1820er Jahren begann man damit, das Grund gesetz in Plakatgröße zu drucken, und diese politischen Ikonen wurden zu beliebten Wandbildern, gern gerahmt und hinter Glas. Diese Version aus dem Jahr 1836 ist besonders schön. Die Illustration zeigt das Eidsvoll-Gebäude und Porträts einiger der Männer, die 1814 in Eidsvoll an den sechswöchigen Beratungen oder an der ersten außerordentlichen Parlamentsversammlung im Herbst desselben Jahres teilgenommen hatten, als der Union mit Schweden zugestimmt wurde. Das Grundgesetz ist auf den 4. Novem ber datiert, enthält aber nur kleinere Änderungen der Fassung vom 17. Mai (dem bis heute gefeierten Tag des Grundgesetzes). Unten trägt es die Unterschriften der 79 Parlamentsabgeordneten.

Lithographie: J.C. Walter. Herausgeber: Prahl.

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Grundgesetz des Königreichs Norwegen, Plakat 1836

Nicht alle empfanden sich als Mitglieder der politischen Gemeinschaft in Norwegen. Das „ArbeiderForeningernes Blad“ (Blatt der Arbeitervereine) war die erste radikale Arbeiterzeitung des Landes. Sie wurde 1849 von dem Aktivisten Marcus Thrane gegründet. Thrane war ein unermüdlicher, mutiger Vorkämpfer für ein erweitertes Wahlrecht und soziale Reformen, und er war der Führer der nach ihm benannten Thrane-Bewegung – Norwegens erste politische Massenbewegung. 1850 wandte er sich an den König und forderte unter anderem ein allgemeines Wahlrecht. Aber auch wenn das norwegische Grundgesetz für seine Zeit liberal war, hatte die Meinungsfreiheit doch ihre Grenzen, vor allem, wenn sie dafür benutzt wurde, die Arbeiterklasse zu mobilisieren: Thrane wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.

Am 4. Juni 1853 widmete sich das „ArbeiderForeningernes Blad“ auf der Titelseite einem Vorschlag für die Änderung von fünf Paragrafen des Grundgesetzes, dieses Mal formuliert von dem Historiker und Politiker Ludvig Kristensen Daa. Alle Vorschläge galten der Ausweitung des Wahlrechts.

17 7 Arbeider-Foreningernes Blad, Zeitung 1853

„Draumkvedet“ nach Maren Ramskeid, Manuskript

Ca. 1840–1850

Dem Sammeln von Märchen, Liedern, Noten, Dialekten und Gegenständen im 19. Jahrhundert lag die Vorstellung zu Grunde, dass sie alle Ausprägungen einer volkstümlichen Kultur mit tiefen Wurzeln waren. Eine alte, nationale und grundsätzlich stabile Kultur. Das Sammeln stellte daher auch die Suche nach einer ursprünglichen, gemeinsamen Geschichte dar.

In Norwegen war dieser Gedanke weit verbreitet und motivierte bekannte Sammler wie Asbjørnsen und Moe, Ivar Aasen, Ludvig Mathias Lindeman – und den Pfarrer und Liederdichter Magnus Brostrup Landstad. In den 1840er Jahren schrieb er „Draumkvedet“ (Traumgedicht) nieder, während das Dienstmädchen Maren Ramskeid aus Telemark ihm diese Ballade vorsang. Ramskeids und Landstads Version ist die ausführlichste, die wir kennen, und die Zeitgenossen benutzten sie als Grundlage für ihre Versuche, ein Original zu rekonstruieren.

Das „Draumkvedet“ schildert eine so umfassende Vision, dass die Ballade Erinnerungen an Dantes Göttliche Komödie weckt. Heute herrscht Unsicherheit über das Alter des „Draumkvedet“ und darüber, inwieweit die zahlreichen Niederschriften als Teile ein und derselben Ballade anzusehen sind.

Landstads eilig verfasstes Manuskript ist voller Korrekturen und Ergänzungen. Der Kontrast zu Gerhard Munthes reich verzierter Buchausgabe – in der Schublade unten – ist beeindruckend.

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1. Agnes Buen Garnås: Draumkvedet, 1984

Herausgeber: Kirkelig Kulturverksted. | 2:24 (Auszug)

2. Arne Nordheim: Draumkvedet, mit dem Rundfunkorchester unter der Leitung von Ingar Bergby, Grex Vocalis, 2006

Herausgeber: Simax Classics | 4:27 (Auszug)

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Moltke Moe (Hrsg.) und Gerhard Munthe (Ill.): Draumkvæde. Et digt fra middelalderen

1904

Die prachtvoll ausgestattete Ballade Draumkvæde (Traumgedicht) wurde von Gerhard Munthe dekoriert und illustriert. Sogar die Schrift war ein Entwurf aus seiner Hand. Die Ausgabe enthält nur die eigentliche Ballade ohne zusätzliche Erläuterungen. Es wird lediglich kurz erwähnt, dass Moltke Moe den Text redigiert hat. Moe war Professor für „norwegische Volkssprache mit der Verpflichtung, auch Vorlesungen über norwegische Volkstradition zu halten“, also in dem Fach, das später Volkskunde genannt wurde. Die Professur war die erste in diesem Fach in Skandinavien und stand für die Wende von einem romantischen zu einem akademischen Blick auf die Volksdichtung.

Moe sollte den Text nicht nur redigieren, sondern auch einen wissenschaftlichen Anmerkungsapparat dazu erarbeiten. Eine schwierige Aufgabe, die Moe nicht vollendete, was sowohl Munthe als auch den herausgebenden Verein für norwegische Buchkunst, der das Buch als seine erste Veröffentlichung präsentieren wollte, frustrierte. Lange hoffte man, einen Ergänzungsband mit Kommentaren herausbringen zu können, aber dazu kam es nie. So wurde Munthes Buch ein ganz besonderes literarisches Schmuckstück, modern im Stil, aber ohne die wissenschaftliche Dimension, die ihm zugedacht war.

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Herausgeber: Forening for Norsk Bogkunst, Kristiania (Oslo).
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Georg Ossian Sars: wissenschaftliche Zeichnungen von Seestern, Dorsch, Krebstieren und Blauwal

Ca. 1860–1890

Georg Ossian Sars war der führende norwegische Zoologe in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und gehört bis heute zu den am meisten zitierten norwegischen Naturforschern. Als junger Mann war er in staatlichem Auftrag viel auf dem Meer unterwegs, um die Wissensbasis für die norwegische Fischereiwirtschaft und später den Walfang zu erweitern. Er fand unter anderem heraus, dass der Rogen des Dorschs nicht in die Tiefe sinkt, sondern auf der Meeresoberfläche treibt. 1865 gelang ihm die künstliche Befruchtung von Rogen. 1874 wurde Sars Professor für Zoologie und publizierte viel, besonders über Krebstiere. Das hier ausgestellte Material zeigt seine große Begabung als wissenschaftlicher Zeichner.

Sars war Teil einer kleinen Gruppe von Menschen, die die wissenschaftliche und die künstlerische Öffentlichkeit in Norwegen prägten. Sein Bruder Ernst wurde der große norwegische Historiker seiner Zeit. Eine Schwester, Mally, heiratete den Komponisten und Dirigenten Thorvald Lammers. Eine weitere Schwester, Eva, studierte bei Lammers und lernte als gefeierte Liedsängerin Fridtjof Nansen kennen, den sie heiratete. Auch Nansen begann seine Karriere als Zoologe – und als Zeichner. Georg Ossian Sars selbst war nicht nur ein hervorragender Wissenschaftler und Zeichner, sondern auch ein fähiger Geiger. Sars’ Arbeiten sind Beispiele dafür, wie Kunst und Wissenschaft einander beeinflussten.

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Der Märchensammler Peter Christen Asbjørnsen war kein so bedeutender Forscher wie Georg Ossian Sars, aber auch er war Zoologe und außerdem einer der Ersten, die Darwins Entwicklungslehre dem norwegischen Publikum vorstellten. 1853 entdeckte er eine unbekannte Seesternart im Hardangerfjord, in der bemerkenswerten Wassertiefe von 380 Metern. Man wusste damals nicht, dass es in solchen Tiefen Leben gab. Er nannte den Seestern Brisinga endecacnemos , nach dem Halsschmuck Brisingamen der Göttin Freya.

16 Jahre nach Asbjørnsen entdeckte Sars eine weitere Seesternart, Brisinga coronata, vor den Lofoten in der enormen Tiefe von 600 Metern. Sars schrieb einen Artikel auf Englisch über den Fund, der 1875 veröffentlicht wurde. Zusammen mit einer Broschüre über die neue autographische Drucktechnik, die Sars für mehrere seiner Illustrationen angewandt hatte, schickte er den Artikel an Charles Darwin persönlich, der in einem kurzen Brief vom April 1877 freundlich und anerkennend antwortete:

Dear Sir,

Allow me to thank you much for your kindness in having sent me your beautiful memoir on Brisinga. It contains discussions on several subjects about which I feel much interest. I congratulate you on your discovery of the new process of Autography which promises to be of much service to those who like yourself are good draughtsmen.

With the most sincere admiration for your varied works in Science, I remain, dear Sir

Yours very faithfully

Charles Darwin

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Brief von Charles Darwin an Georg Ossian Sars 1877

Henrik Ibsen: Peer Gynt. Et dramatisk digt, Erstausgabe und zweite Auflage mit eigenhändigen Änderungen

1867

Henrik Ibsens Peer Gynt gilt als ein Hauptwerk der norwegischen Literatur, teils wegen der sprachlichen Qualitäten des Stücks und teils wegen der Charakterschilderung Peer Gynts – eine Charakterschilderung, die vielen wie eine Studie des norwegischen Volkscharakters erscheint. Ibsen begann die Arbeit an dem Stück 1867 in Rom und schrieb es hauptsächlich auf Ischia in der Bucht von Neapel. Fast zehn Jahre später erfolgte 1876 die erste Inszenierung im Christiania Teater, mit der Musik von Edvard Grieg.

Das Vorbild für die Figur Peer Gynts fand Ibsen in P.C. Asbjørnsens Norske Huldre-Eventyr og Folkesagn (Norwegische Feenmärchen und Volkssagen, 1845), wo Peer Gynt als „ein Schütze in Kvam in alten Tagen“ vorgestellt wird. Er soll unter anderem Bergtrolle und den „großen Krummen im Etnedalen“ überwunden haben. Und er war sicherlich auch ein „Erzähler von Lügengeschichten“.

Ibsens Peer Gynt ist denn auch jemand, der der Wirklichkeit durch sein Erzählen entflieht. Am Anfang des Stücks ruft Mutter Aase: „Peer, du lügst!“ Er ist sich selbst genug, aber wie eine Zwiebel besitzt er keinen inneren Kern, und wohin er auch reist, ist der Krumme schon da und lockt mit seinem „Geh außen herum“.

Die Erstausgabe erschien bei Den Gyldendalske Boghandel (F. Hegel) in Kopenhagen.

Zweite Auflage (1867) mit Korrekturen, hauptsächlich mit sprachlichen Modernisierungen, von Henrik Ibsen und anderen, für die dritte Auflage (1874).

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Als der norwegische Rundfunk NRK 1960 mit der Ausstrahlung des regulären, landesweiten Fernsehprogramms begann, wurde das neugegründete Fernsehtheater zu einem wichtigen Kulturträger für die Norweger. Jetzt erreichten klassische und moderne Dramen ein so breites Publikum, wie es vorher undenkbar gewesen war, und besonders Henrik Ibsens Theaterstücke, darunter vorrangig seine Gegenwartsdramen, wurden zu einer Offenbarung für viele Norweger, die Ibsen vorher nur durch Lektüre oder vom Hörensagen kannten. Als eigenständige Theaterinstitution mit einem festen Ensemble wurde das Fernsehtheater 1990 abgewickelt und durch die neue Programmabteilung NRK Drama abgelöst, die seitdem nur noch in Ausnahmefällen Bühnenstücke produziert.

Die Produktion von Peer Gynt 1993, mit PaulOttar Haga in der Hauptrolle, war eine solche Ausnahme – ein Stück, das sowohl in der Tradition des „alten“ Fernsehtheaters stand, als auch die neuen, vielseitigen Ausdrucksmöglichkeiten einer TV-Produktion nutzte, die der technische Fortschritt inzwischen möglich gemacht hatte. Das wurde besonders in den Szenen in der Halle des Bergkönigs deutlich.

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Peer Gynt, NRK 1993
Filmausschnitt aus dem Archiv des NRK.

10 Henrik Ibsen: Et Dukkehjem. Skuespil i tre akter, Manuskript und Erstausgabe

1879

„Ich muss herausfinden, wer recht hat, die Gesellschaft oder ich“, sagt Nora am Schluss von Et Dukkehjem (Nora oder ein Puppenheim), dem zweiten von Henrik Ibsens zwölf Gegenwartsdramen. In der Nacht nach dem zweiten Weihnachtstag verlässt sie ihren Mann und ihre drei Kinder. Durch Ibsens berühmt gewordene Technik der Retrospektive wurde vor den Zuschauern hier, am kontroversen Schluss des Stücks, eine Vergangenheit aufgerollt, die zeigt, dass die Ehe von Nora und Helmer von Lügen und Verstellung geprägt war.

Et Dukkehjem (1879) wurde zu Ibsens großem internationalem Durchbruch. Es ist sein weltweit meistgespieltes Stück und wurde in mehr als 70 Sprachen übersetzt.

Die Stellung der Frau in der Gesellschaft war ein umstrittenes Thema in der öffentlichen Debatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Camilla Colletts

Eheroman Amtmandens Døttre (Die Töchter des Amtmannes, 1854–55) gehörte zu den Büchern, die schnell heftig diskutiert wurden. In den ältesten Notizen zu Et Dukkehjem schreibt Ibsen: „Es gibt Arten von geistigen Gesetzen, zwei Arten von Gewissen, eins im Mann und ein ganz anderes in der Frau.“ Im Stück erforscht er, welche Konsequenzen das für die Frau im praktischen Leben hat.

Die Erstausgabe erschien bei Gyldendalske Boghandels Forlag (F. Hegel & Søn) in Kopenhagen.

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Als der norwegische Rundfunk NRK 1960 mit der Ausstrahlung des regulären, landesweiten Fernsehprogramms begann, wurde das neugegründete Fernsehtheater zu einem wichtigen Kulturträger für die Norweger. Jetzt erreichten klassische und moderne Dramen ein so breites Publikum, wie es vorher undenkbar gewesen war, und besonders Henrik Ibsens Theaterstücke, darunter vorrangig seine Gegenwartsdramen, wurden zu einer Offenbarung für viele Norweger, die Ibsen vorher nur durch Lektüre oder vom Hörensagen kannten.

Die Produktion von Nora oder ein Puppenheim 1973, mit Lise Fjeldstad in der Rolle der Nora, war das erste norwegische Fernsehtheaterstück in Farbe. Die Inszenierung war original für das Fernsehen produziert, knüpfte aber weitgehend an die bekannte IbsenTradition im norwegischen Theater an. Trotzdem erhielt sie eine moderne Prägung durch Nahaufnahmen, wechselnde Kamerapositionen, eine leichtere Dialogführung und ein höheres Spieltempo. Zum Beispiel brachte die bekannte Tarantella-Szene eine anzügliche Leidenschaft zum Ausdruck, die in einer Bühneninszenierung kaum zu erreichen gewesen wäre.

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10 Nora oder ein Puppenheim, Fernsehtheater, NRK 1973
Filmausschnitt aus dem Archiv des NRK.

Henrik Ibsen: Hedda Gabler. Skuespil i fire akter, Manuskript und Erstausgabe

1890

Während der Arbeit an dem Drama Hedda Gabler , das 1890 erschien, notierte Henrik Ibsen eine Idee für das Stück: „Der traditionelle Irrtum, dass ein Mann zu einer Frau passt.“ In einer anderen Notiz schreibt er Folgendes über einen bestimmten Frauentyp, den er beobachtet zu haben glaubt: „Hauptpunkte: 1) Sie sind nicht alle dazu geschaffen, Mütter zu werden. 2) Die sinnliche Neigung ist ihnen zu eigen, aber sie haben Angst vor dem Skandal. 3) Sie spüren, dass es Lebensaufgaben gibt, aber sie können sie nicht anpacken.“

Die Geschichte der Generalstochter Hedda Gabler, die sich am Ende erschießt, löste bei den Zeitgenossen eine heftige Debatte aus. Die Kritiker zeigten keine Gnade. Mehrere waren der Meinung, das Stück hätte eine deutlichere Moral haben müssen und ihm fehle eine klare Idee.

Wie der Name zeigt, ist Hedda Gabler mehr die Tochter ihres Vaters als die Ehefrau ihres Mannes. Sie langweilt sich mit Jørgen Tesman, den sie geheiratet hat, um versorgt zu werden. Von ihrem Vater hat sie nicht mehr als ein Porträt und zwei Pistolen geerbt. Als sie keinen Weg in die Freiheit findet, wählt sie „in Schönheit zu sterben“.

Ingrid Bergman, Isabelle Huppert und Cate Blanchett gehören zu denen, die die Figur der Hedda Gabler auf der Bühne zum Leben erweckt haben.

Die Erstausgabe erschien bei Gyldendalske Boghandels Forlag (F. Hegel & Søn) in Kopenhagen.

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Als der norwegische Rundfunk NRK 1960 mit der Ausstrahlung des regulären, landesweiten Fernsehprogramms begann, wurde das neugegründete Fernsehtheater zu einem wichtigen Kulturträger für die Norweger. Jetzt erreichten klassische und moderne Dramen ein so breites Publikum, wie es vorher undenkbar gewesen war, und besonders Henrik Ibsens Theaterstücke, darunter vorrangig seine Gegenwartsdramen, wurden zu einer Offenbarung für viele Norweger, die Ibsen vorher nur durch Lektüre oder vom Hörensagen kannten.

Das Fernsehtheater zeigte Hedda Gabler , mit Monna Tandberg in der Hauptrolle, erstmals 1975, wobei die Produktion auf einer Inszenierung des Nationaltheaters von 1971 basierte. Es war aber keine direkte Übernahme von der Theaterbühne, sondern eine für das Medium Fernsehen adaptierte Studioproduktion. Das Stück war sprachlich bearbeitet, und die Kameraführung erlaubte den Zuschauern einen nahen Blick auf die Schauspieler, was unter anderem der Schlussszene eine besondere Intimität verlieh. Ansonsten hielt sich das Stück aber loyal an das Originalmanuskript und verortete sich erkennbar in der Tradition, in der Ibsens Dramen im 20. Jahrhundert aufgeführt wurden.

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Hedda Gabler, Fjernsynsteatret, NRK 1975
Ausschnitt aus dem Archiv des NRK.

Peter Christen Asbjørnsen und Jørgen Moe: Eventyrbog for Børn. Norske Folkeeventyr, Band I–III

1883–1887

Ende der 1830er Jahre begannen Peter Christen Asbjørnsen und Jørgen Moe eine Zusammenarbeit, aus der mehrere Sammlungen mit norwegischen Volksmärchen hervorgingen. Die erste Auflage erschien im Herbst 1841. Die beiden reisten durch das Land, sammelten und schrieben Geschichten auf, die bisher nur Teil einer mündlichen Tradition gewesen waren. Autoren wie Henrik Ibsen und Bjørnstjerne Bjørnson gehörten zu denjenigen, die sich von den Märchen anregen ließen.

1883 erschien der erste von drei Bänden mit Märchen für Kinder – mit Illustrationen von Theodor Kittelsen, Erik Werenskiold und Otto Sinding. Inwieweit einige dieser schaurigen Geschichten für die Kleinsten geeignet waren, kann man sicherlich diskutieren, aber die Sammlungen waren auf jeden Fall ein Ausdruck für das wachsende zeitgenössische Bewusstsein für Kinder und Kindheit.

Am Ende des dritten Bands befand sich eine Liste mit Worterklärungen. Die Leser wussten bestimmt, wer Espen Aschenbengel war, aber was bedeutete „Aschenbengel“? Es ist „der jüngste von mehreren Brüdern (der noch zu Hause sitzt und in der Asche stochert, während die anderen draußen arbeiten)“. So wurden die Märchen für Kinder und Erwachsene zu einer Quelle für neues sprachliches Wissen.

Herausgeber: Gyldendal, Kopenhagen.

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Ivar Aasen: Norsk Ordbog med dansk Forklaring 1873

In einer Zeit, in der die Norweger immer noch auf Dänisch schrieben, schuf der Sprachforscher und Dichter Ivar Aasen die Grundlage für Norwegens zweite Schriftsprache Nynorsk (Neunorwegisch). 1850 veröffentlichte er Ordbog over det norske Folkesprog (Wörterbuch der norwegischen Volkssprache). Das Buch enthielt über 25.000 Stichwörter und war das Ergebnis jahrelanger Arbeit mit dem Sammeln und Systematisieren von Dialekten. Norsk Ordbog med dansk Forklaring (Norwegisches Wörterbuch mit dänischer Erläuterung, 1873) ist eine erweiterte und bearbeitete Ausgabe, die Aasens große Begabung als Sprachforscher deutlich macht.

Parallel zu Ivar Aasens sprachwissenschaftlicher Pionierarbeit zeichnete sich die Entstehung des norwegischen Nationalstaats auch in anderen Bereichen ab. Heute gibt es zwei offizielle Schriftsprachen in Norwegen: Norwegisch mit den gleichberechtigten Schriftformen Bokmål und Nynorsk sowie Samisch in den samischen Verwaltungsgebieten. Samisch ist dabei ein Sammelbegriff für mehrere Sprachen, die die ältesten Minderheitensprachen im Land darstellen.

Ivar Aasen war 58 Jahre alt, als der Fotograf Carl Christian Wischmann das erste von insgesamt drei Porträtfotos von ihm anfertigte. Möglicherweise rief es bei Aasen gemischte Gefühle hervor. Am 11. September 1871 notiert er in seinem Tagebuch: „Bei einem Fotografen“. Ab 13. September ist er etwas mitteilsamer: „Beim Fotografen […] In schlechter Stimmung“.

Herausgeber: Mallings Boghandel, Christiania (Oslo).

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1870–1874

Die Fotografie wurde 1839 von dem Franzosen Louis Daguerre vorgestellt, der die ersten sogenannten Daguerreotypien herstellte. Anfangs hatte kaum jemand das Geld und die Möglichkeit, sich fotografieren zu lassen, aber im Verlauf des 19. Jahrhunderts fand das Medium eine immer größere Verbreitung.

Carl Christian Wischmann war ein dänisch-norwegischer Porträtfotograf, der in den letzten 40 Jahren seines Lebens ein Atelier in Christiania (Oslo) betrieb. Wischmanns Protokoll ist ein Katalog aller seiner fotografischen Aufträge von 1870 bis 1874. Das Protokoll zeigt einen kleinen Ausschnitt von Christianias Bevölkerung in diesem Zeitraum und vermittelt uns damit ein einzigartiges Bild der Zeit. Die Fotos kleben in einem alten Kassenbuch, das einmal einem Schuhmacher gehört hat. Hinter und zwischen den Bildern kann man die Reste alter Schuhmacheraufträge erkennen, etwa eine Ladung Stiefel: „20 Springstiefel, neu“. Wischmanns Fotografien sind in chronologischer Reihenfolge datiert und sortiert. Im Schnitt hatte er drei Kunden am Tag. Die Porträtierten gehören allen Altersgruppen und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen an. Einige blicken in die Kamera, andere zu Boden und wieder andere zur Seite. Die meisten Gesichter sind unbekannt, aber einige erkennen wir wieder. Am 11. September 1871 machte Wischmann die erste von insgesamt drei Fotografien von Ivar Aasen. Das hier gezeigte Bild ist sein bekanntestes Porträt.

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1868

Im Sommer 1868 und im darauffolgenden Winter schrieb Edvard Grieg sein einziges Klavierkonzert, das Konzert in a-Moll. Am 3. April 1869 wurde das Konzert im Tivoli in Kopenhagen uraufgeführt. Grieg war selbst ein hervorragender Pianist, hatte aber anderweitige Verpflichtungen und war nicht anwesend, als sein Freund Edmund Neupert als erster Solist in diesem Konzert auftrat. Die Zeitung Morgenbladet berichtete später über „eine außerordentlich interessante Arbeit“, bei der vor allem die beiden letzten Sätze Begeisterung weckten. „[U]nsere musikalischen Kritiker haben sich über diese Komposition mit großer Anerkennung geäußert und namentlich die Originalität und das eigentümlich Nordische hervorgehoben, das darin zum Ausdruck kommt.“ Mehrere Kritiker hoben diese nordische Prägung als Besonderheit des a-MollKonzerts hervor – in einer Zeit, in der die wilde, unberührte Landschaft zu einem der stärksten nationalen Symbole wurde.

Zugleich wurde das Werk Teil der europäischen Konzerttradition und etablierte sich schnell im internationalen Repertoire. Grieg veränderte das Konzert bis zu seinem Lebensende und bearbeitete insbesondere die Orchestrierung des großen Eröffnungsakkords. Heute werden die meisten das Konzert schon gleich an diesem Akkord erkennen. Bis heute stellt das Werk eine Ikone der norwegischen Musikgeschichte dar.

36 13 Edvard Grieg: Concert op. 16 (Klavierkonzert a­Moll op. 16), Manuskript

„Konzert für Klavier und Orchester in a-Moll, op. 16“, 1988

1. Allegro molto moderato | 13:22

2. Adagio | 6:45

3. Allegro moderato molte e marcato | 10:06

Aus Edvard Grieg (1843–1907), Klassikerserie des Norwegischen Kulturrats. Jens Harald Bratlie, Klavier. Philharmonisches Orchester Oslo unter der Leitung von Mariss Jansons. PolyGram Records A/S, Oslo, 1988.

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1888

Norsk Kvinnesaksforening (Norwegischer Frauenrechtsverein) wurde 1884 von der radikalen Frauenrechtlerin Gina Krog und dem gemäßigteren Politiker der Venstre-Partei, Hagbard Berner, gegründet. Der Verein war die erste Interessenorganisation der Frauen im Land. In der Gründungsurkunde stand, der Verein solle „darauf hinwirken, der Frau die ihr gebührenden Rechte und den ihr gebührenden Platz in der Gesellschaft zu verschaffen“. Im Februar 1887 erschien die erste Ausgabe der Vereinszeitschrift Nylænde mit Krog als Redakteurin. 1894 wurde Krog selbst Herausgeberin.

Für den Frauenrechtsverein war gleiches Wahlrecht für Frauen und Männer lange ein zu radikales Ziel. Für Gina Krog dagegen war es immer ein ausdrückliches Kampfziel. In ihrem Leitartikel „Stimmrecht“ in der Mai-Ausgabe 1888 von Nylænde weist die Redakteurin darauf hin, wie „hohl und phrasenhaft“ das Argument von Gerechtigkeit und Menschenwürde bleibt, wenn der Begriff allgemeines Wahlrecht sich nur auf „ein Wahlrecht unter Ausschluss aller Frauen“ bezieht. Nylænde war ein wichtiges Organ, nicht nur für die Wahlrechtskampagne in Norwegen, sondern auch weil hier Frauen in der Öffentlichkeit zu Wort kamen.

1913 war Norwegen das vierte Land der Welt, das das allgemeine Wahlrecht für Männer und Frauen einführte.

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Gina Krog (Red.): Nylænde, Nr. 9, Zeitschrift
Herausgeber: Norsk Kvinnesaksforening, Kristiania (Oslo).

Camilla Collett und Emilie Diriks:

Forloren Skildpadde, Nr. 1–5 und 7, handschriftliche Zeitschrift

1837

Die Schriftstellerin Camilla Collett ist vor allem wegen ihres Romans Amtmandens Døttre (Die Töchter des Amtmanns, 1854–55) bekannt. Sie war Feministin und das erste Ehrenmitglied des Norsk Kvinnesaksforening (Norwegischer Frauenrechtsverein). Später wurde sie auch eine der profiliertesten Autorinnen der Vereinszeitschrift Nylænde.

Im Sommer 1837 hatte sie noch nicht als Schriftstellerin debütiert. Zusammen mit ihrer Freundin Emilie Diriks entwickelte sie die Idee für eine Zeitschrift. Das Blatt sollte einmal wöchentlich „auf schönem Postpapier“ erscheinen und von Hand zu Hand „in einem kleinen, ausgewählten Kreis von Damen“ weitergegeben werden. Die Zeitschrift bekam den Namen Forloren Skildpadde (Verlorene Schildkröte) nach einem Gericht (eine Art Ragout), das zu beherrschen in dieser Zeit von jeder Frau erwartet wurde. Emilie Diriks und Camilla Wergeland (ihr Mädchenname) hatten große Ambitionen: Sie wollten eine literarische Speise mit der „Quintessenz des Geistes und der Seelengabe von Damen“ schaffen.

Von dem Blatt erschienen sechs Ausgaben. Die beiden Redakteurinnen gaben sich als Männer aus, Hr. CW (Camilla Wergeland) und Hr. ED (Emilie Diriks), und schrieben alle Texte selbst. Die Zeitschrift enthielt alles Mögliche – von Essays und Novellen bis zu Reisebeschreibungen und erfundenen Todesanzeigen – und kann als ein Versuch gedeutet werden, der eigenen Stimme Gehör zu verschaffen – in einer Zeit, als Frauen wenig Zugang zur Öffentlichkeit hatten.

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1895

Edvard Munch ist ein weltbekannter norwegischer Grafiker und Maler. Er war einer der wichtigsten Künstler der Moderne und experimentierte mehr als 60 Jahre lang mit unterschiedlichen Stilrichtungen und Techniken, unter anderem auf den Gebieten Grafik, Zeichnung, Malerei und Skulptur. Selvportrett med knokkelarm (Selbstbildnis mit Knochenarm) ist eine Lithografie – ein Steindruck – aus dem Jahr 1895. Dieses heute berühmte Selbstporträt war eine seiner frühen Lithografien. Das Bild weist starke Kontraste auf. Das Gesicht ist weiß, fast leichenblass, und der Hintergrund pechschwarz. Am unteren Bildrand liegt der weiße Knochenarm als Erinnerung an den Tod.

Das Bild wurde in Berlin gedruckt – hier hielt sich Munch seit Beginn der 1890er Jahre auf, zusammen mit anderen Künstlern wie Sigbjørn Obstfelder, Gustav Vigeland und August Strindberg. Im Berliner Künstlerverein war es auch, wo Munchs sogenannte „Skandalausstellung“ am 5. November 1892 eröffnet wurde. Schon nach fünf Tagen wurde sie wieder geschlossen, weil Kunstkritiker und nicht zuletzt die Mehrheit des Vorstands des Künstlervereins der Auffassung waren, dass die Werke unbearbeitet und skizzenhaft seien. Für Munchs Position in der Öffentlichkeit wurde die Ausstellung hingegen nicht zum Skandal; sie wurde vielmehr zum Kennzeichen seines internationalen Durchbruchs. Im darauffolgenden Jahr 1893 malte er sein berühmtestes Bild: Skrik (Der Schrei). Das hat ihm, zusammen mit einer Reihe späterer ikonischer Werke, einen einzigartigen Platz in der Kunstgeschichte verschafft.

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Edvard Munch: Selvportrett med knokkelarm

Der isländische Skalde und Politiker Snorre Sturlason schrieb sein großes Werk über die norwegischen Könige, Heimskringla (Weltkreis), vermutlich in der ersten Hälfte der 1230er Jahre. Der Text umfasst die Zeit ab Norwegens mythischer Entstehung bis zur Schlacht von Re in Vestfold 1177. Eine allgemeine Verbreitung fanden Snorres Geschichten erst mit dieser illustrierten Ausgabe Kongesagaer (Königssagas), die 1899 im J.M. Stenersens Forlag erschien. Die Sagas wurden nicht nur viel gelesen, sondern sie wurden auch zu einem starken Impuls für die norwegische Literatur und das Genre des historischen Romans.

Die Initiative für die Ausgabe ging vom Verlag aus, der zunächst Kontakt mit den Illustratoren aufnahm: Halfdan Egedius, Christian Krohg, Gerhard Munthe, Erik Werenskiold, Eilif Peterssen und Wilhelm Wetlesen. Später wurde Gustav Storm mit der Übersetzung aus dem Altnordischen beauftragt. Werenskiold wurde die Hauptverantwortung für die Illustrationen übertragen, Munthe für das Dekor. Gemeinsam verliehen sie der Geschichte des norwegischen Mittelalters einen ganz neuen, unverwechselbaren Ausdruck mit klaren Bezügen zur eigenen Gegenwart. Werenskiold benutzte Fridtjof Nansen als Modell für den Heldenkönig Olav Tryggvason, während Munthes spezielles Jugendstildekor im Kunstgewerbe und in der Innenarchitektur seiner Zeit enorme Popularität erfuhr – obwohl der allererste Satz der Snorre-Ausgabe lautete: „Jegliche Verwendung der Ausstattung dieses Werkes ist verboten.“

J.M.

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Snorre Sturlason: Kongesagaer 1899
Herausgeber: Stenersens Forlag, Kristiania (Oslo).

Hulda Garborg: Heimestell. Uppskrifter og rettleidingar for smaae hushald, helst paa lande, Kochbuch

1899

Die Küche wurde 1845 zum Buchthema, als Hanna Winsnes das Kochbuch Lærebog i de forskjellige Grene af Husholdningen (Lehrbuch der verschiedenen Hauswirtschaftszweige) veröffentlichte. In einem berühmten Essay spottete der Schriftsteller Arne Garborg über Winsnes’ fehlendes Bewusstsein ihres eigenen Wohlstands: „Man nehme … nehme … nehme … und lasse sich nicht von der Frage belästigen, woher man es nehmen soll. Denn die Welt ist in Ordnung.“

Hulda Garborg war besser als ihr Mann in der Lage, die Bedeutung von Winsnes’ praktischer Annäherung an die häusliche Arbeit zu erkennen. In ihrem eigenen Kochbuch Heimestell (Besorgung des Hauses, 1899) – dem ersten auf Nynorsk (Neunorwegisch) geschriebenen Buch dieser Art und mit einem besonderen Kapitel über „Dumme Männer“ – übernahm sie vieles aus Hanna Winsnes’ Büchern. Allerdings waren Hulda Garborg internationale Impulse wichtiger, nicht zuletzt aus dem deutschen Vegetarismus. Neu und mutig war auch ihre Empfehlung, Pilze zu sammeln und zu verwenden, die gut und gesund waren und nichts kosteten.

Hulda Garborg engagierte sich für volkstümliche Kultur und setzte sich für die Schaffung gemeinsamer nationaler Ausdrucksformen in der norwegischen Kultur ein. Sie gründete das, was später Det Norske Teatret (Das norwegische Theater) wurde, und erarbeitete und verbreitete Wissen über Volkstrachten und Volkstänze. Die Postkarte in der Vitrinenschublade zeigt Hulda Garborg als nationale Ikone in einer Tracht, mit Birken im Hintergrund.

Herausgeber: Zeitung Den 17de Mai, Kristiania (Oslo).

Foto auf Postkarte: Eivind Enger.

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Stimmzettel – Ja und Nein – von der Volksabstimmung über die Monarchie

1905

Bei der norwegischen Volksabstimmung über die Auflösung der Union mit Schweden am 13. August 1905 stimmte eine überwältigende Mehrheit von 99,95 % für die Auflösung – bei nur 184 Gegenstimmen. Damit zeigte man den Schweden, dass das norwegische Volk zum Parlamentsbeschluss vom 7. Juni zur Auflösung der Union stand. Von schwedischer Seite wurde dies als ein revolutionärer Akt verstanden. Norwegische Frauen, die nicht stimmberechtigt waren, starteten eine umfassende Unterschriftenaktion. Zum ersten Mal seit 1380 war Norwegen wieder ein souveräner Staat.

Nur drei Monate später stimmte das Parlament über die zukünftige Staatsform ab: Sollte Norwegen eine Monarchie oder eine Republik werden? Das Ergebnis war nicht so eindeutig wie im August, und das Parlament wünschte keine neue Volksabstimmung, die in ein politisches Chaos führen konnte. Aber die Republikaner forderten, gehört zu werden, und der dänische Prinz Carl, dem man die norwegische Königswürde angetragen hatte, wünschte ein Vertrauensvotum. Die neue Abstimmung am 12. und 13. November war deshalb so einfach wie möglich gehalten: „Ja“ oder „Nein“ zu Prinz Carl.

Es ist auffällig, wie unterschiedlich die beiden Stimmzettel gestaltet wurden. Das „Ja“ ist mit größeren Buchstaben geschrieben, rund und offen in der Form; das „Nein“ steht in kleineren Schrifttypen und wirkt scharfkantiger. Im Ergebnis waren 79 % dafür und 21 % dagegen, Carl Norwegens Krone anzubieten.

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18 König Haakon, Königin Maud und Kronprinz Olav kommen in Norwegen an, Filmaufnahme

1905

Nur zwei Wochen nach der Volksabstimmung, am 25. November 1905, kam Prinz Carl – jetzt König Haakon VII. – zusammen mit Königin Maud und Kronprinz Olav in Norwegen an. Das war nicht nur für das souveräne Norwegen, sondern auch für die junge norwegische Film- und Kinobranche ein Ereignis.

Mehrere skandinavische Kameraleute begleiteten die königliche Familie auf der Reise von Kopenhagen, zuerst auf dem dänischen Königsschiff Dannebrog und anschließend, beim Eintreffen in Kristiania (Oslo), auf dem norwegischen Schiff Heimdal . Das Ergebnis waren mehrere kurze Nachrichtenfilme, die einige Tage später unter anderem in den Kinos der Hauptstadt gezeigt wurden. Der hier gezeigte kurze Film ist eine von mehreren erhaltenen Filmaufnahmen. Die Bilder machen deutlich, dass der Kameramann offensichtlich unter erschwerten Bedingungen arbeiten musste – umgeben von einer Menschenmenge und im Schneegestöber. Es ist deshalb nicht immer einfach, den neuen König auszumachen, trotz seiner hochgewachsenen Gestalt.

Die damaligen Filmaufnahmen waren kurz, meist nur ein paar Minuten lang, und Nachrichtenfilme waren ein wichtiger Teil des Kinorepertoires. Die Filme von diesem Tag gehören zu den frühesten Aufnahmen in Norwegen, und die Ankunft des Königs im Land ist das erste im Film dokumentierte offizielle Ereignis in Norwegen.

Filmaufnahme von Peter Elfelt. Weitere Namen sind nicht bekannt, möglicherweise haben aber noch andere Kameraleute Teile der Aufnahmen gemacht.

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Das norwegische Kinogesetz wurde 1913 beschlossen und trat im darauffolgenden Jahr in Kraft. Es legte fest, dass Filme vor der Veröffentlichung zensiert werden sollten, was von einer einzigen Instanz durchzuführen war. Man beschloss ebenfalls eine kommunale Kontrolle des Kinobetriebs. Vor 1913 hatte die Polizei das Recht, Theater-, Film- und Varietévorstellungen zu zensieren: Ein Beamter sah die erste Vorstellung und zensierte sie gegebenenfalls anschließend.

Bei den vier Fragmenten, die von dem Stummfilm Dæmonen (Der Dämon, 1911) erhalten geblieben sind, handelt es sich um die Sequenzen, die zensiert, d.h. herausgeschnitten wurden. Der Film wurde von dem Filmemacher Jens Chr. Gundersen produziert, dem zur damaligen Zeit mehrere Kinos in Oslo gehörten. Er drehte den Film in Dänemark, wo es bessere Filmstudios und teurere Kostüme gab, aber in den Augen einiger Zeitgenossen haftete dem Film dadurch auch die Art von Unmoral an, für die dänische Filme berüchtigt waren. Die zensierten Szenen zeigen fröhliche Gesellschaften mit Festen, erotischen Annäherungen und einem stilisierten französischen Tanz – auch dieser mit einem möglichen erotischen Potenzial. In einer Rolle eines männlichen Tänzers sehen wir übrigens den bekannten norwegischen Maler Per Krohg.

Dæmonen ist einer der ersten norwegischen Spielfilme, die zwischen 1911 und dem Inkrafttreten des Kinogesetzes produziert wurden.

46 19 Dæmonen
zensierte
,
Filmaufnahme 1911
Produziert von A/S Norsk Films Kompani. Regie: Alfred Lind.
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„Südpolbrief“, Brief von Roald Amundsen an König Haakon VII.

1911

Am 14. Dezember 1911 erreichte Roald Amundsen den Südpol mit einer Gruppe ausgewählter Expeditionsteilnehmer: Olav Bjaaland, Helmer Hanssen, Sverre Hassel und Oscar Wisting. Sie errichteten ein kleines Zelt, um damit den Ort des Pols zu kennzeichnen – erst dadurch wurde er sichtbar und im Grunde als Örtlichkeit erschaffen. Bjaaland fotografierte zusätzlich die restliche Gruppe vor dem Zelt. Nach vier Tagen kehrten sie schnell zu ihrem Schiff Fram zurück, um sicher zu gehen, die Neuigkeit als die Ersten präsentieren zu können. Die Expedition war bis ins kleinste Detail geplant und stellte ein durchstrukturiertes, globales Medienereignis dar.

Die konkurrierende britische Expedition unter der Leitung von Robert F. Scott erreichte den Pol über einen Monat später, als Amundsen und seine Männer nur noch eine Woche von der Fram entfernt waren. Scotts Expedition fand das Zelt und einen Brief, den Amundsen an den norwegischen König geschrieben hatte – für den Fall, dass die Rückkehr misslingen sollte. Amundsen hinterließ auch einen Zettel, auf dem er Scott bat, den Brief, der sich in einer Stoffmappe befand, abzuschicken. Die Mappe war aus demselben Stoff wie das Zelt genäht.

Alle Mitglieder von Scotts Expedition kamen auf dem Rückweg ums Leben. Der Brief in der Stoffmappe wurde später bei Scott gefunden und war damit ein sicherer Beweis dafür, dass auch Scott den Pol erreicht hatte.

48 20

Diese beiden Fotografien zeigen Robert F. Scotts Männer am 18. Januar 1912 am Pol. Auf dem einen Bild stehen vier der Männer neben dem norwegischen Zelt, das deutlich machte, dass der Südpol schon erreicht worden war; auf dem anderen posieren sämtliche Expeditionsteilnehmer mit britischen und englischen Flaggen. Sie sind geprägt von den Strapazen und der Enttäuschung. Wir als heutige Betrachter der Bilder können uns nicht von der Gewissheit befreien, dass keiner von ihnen den Rückweg überleben sollte. Die Negative wurden an Scotts Leichnam gefunden und noch im Basislager entwickelt. Die Fotografien sind von außerordentlicher Qualität. Man kann die Nähte des Zelttuchs und die Auslöseschnur der Kamera an Edgar Evans’ Hand erkennen. Die Texte auf der Rückseite der Fotos schrieb der hervorragende Fotograf Herbert Ponting, der im Basislager auf Scott und die anderen gewartet hatte. Später bezeichnete Ponting Scotts Bilder als die „wahrscheinlich tragischsten interessanten Fotografien der Welt“.

Oben: Discovery of Amundsen’s tent at the South Pole by Captain Scott’s party. January 18th. 1912. This print was made from a negative in the roll ffilm which lay for 8 months beside Scott’s body before it was found by the Search Party, & later developed.

Unten: Captain Scott, Dr Wilson, Captain Oates, Lieut Bowers and Petty Officer Evans at the South Pole. January 18th 1912. — This print was made from a negative in the roll ffilm which lay for 8 months beside Scott’s body before it was found by the Search Party, and later developed.

49 20 Fotografien der britischen Antarktisexpedition
1912

Arbeidernes leksikon, Band I–VI

1932–1936

In der politisch turbulenten Zwischenkriegszeit wurde ein besonderes norwegisches Lexikonwerk ins Leben gerufen: Die Gestaltung der Buchreihe, die den Titel Arbeidernes leksikon (Arbeiterlexikon) erhielt, begann 1931, und die Bücher erschienen von 1932 bis 1936 im Arbeidermagasinets forlag , mit Jacob Friis und Trond Hegna als Herausgeber. Die Artikel wurden von Mitgliedern der Gruppe Mot Dag geschrieben, einer Organisation, die in den 1920er Jahren zunächst zur Arbeiterpartei und dann zur Kommunistischen Partei gehörte, bevor sie sich 1929 als revolutionärer Verein selbständig machte.

Arbeidernes leksikon war als „Gegenlexikon“ konzipiert, es sollte ein Gegengewicht zu den bürgerlichen Konversationslexika bilden. Das Lexikon gründete auf der Vorstellung, dass auch wissenschaftliche Erkenntnisse nicht politisch neutral sind. Vorbild war die Große Sowjetische Enzyklopädie. Die Initiative kam aus der Arbeiterbewegung und dem Kreis um das Arbeidermagasinet . Ziel war die Aufklärung der Arbeiterklasse, und zwar aus deren „eigener Auffassung von der gesellschaftlichen Entwicklung und den gesellschaftlichen Verhältnissen“.

Das Emblem auf dem Buchrücken drückt eine bestimmte Auffassung von Wissen aus: Lektüre ist der Weg zu Erkenntnis und Aufklärung.

50 21
Herausgeber: Arbeidermagasinets forlag, Oslo.

Lexikoneinträge zum Stichwort Abtreibung

Mit seinem Lederrücken und Stichwörtern in alphabetischer Reihenfolge ähnelt das Arbeidernes leksikon (Arbeiterlexikon) auf den ersten Blick einem traditionellen, bürgerlichen Lexikon. Der Unterschied wird aber deutlich, wenn man die Auswahl der Stichwörter und den Inhalt der einzelnen Artikel vergleicht.

Aschehougs Illustreret norsk Konversationsleksikon (Illustriertes norwegisches Konversationslexikon, 1907, rechts), auch Norwegens erstes Nationallexikon genannt, liefert unter dem Stichwort „Abtreibung“ eine physiologische, medizinische Erklärung. Im Arbeidernes leksikon gibt es zu diesem Thema zwei Stichwörter. Auch hier wird „abort“ medizinisch erklärt, während „abortus provocatus“, also die von außen herbeigeführte Abtreibung, aus sozialmedizinischer Perspektive beschrieben wird. Auf diese Weise werden politische, historische und juristische Aspekte einbezogen.

„Daher sind es in erster Linie die Frauen aus der armen Arbeiterklasse, die Leben und Gesundheit auf dem Altar des bürgerlichen Strafgesetzes opfern müssen“, schrieb der Autor des Artikels, der spätere Direktor des Gesundheitswesens Karl Evang, und kritisierte damit unverhohlen das zeitgenössische Verbot von Verhütung und die damalige norwegische Gesetzgebung, die für eine Abtreibung bis zu drei Jahre Gefängnis androhte. In demselben Artikel kritisierte Evang auch die Kirche und warf der reaktionären, bürgerlichen Gesellschaft vor, die Familienplanung zu sabotieren, so dass innerhalb der Arbeiterklasse eine hohe Geburtenrate aufrechterhalten wurde. Evangs Vorbild war die Sowjetunion, wo sowohl Empfängnisverhütung als auch Abtreibung rechtmäßig waren.

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Rundfunknachrichten vom 9. April 1940 und Rundfunknachrichten aus London vom 7. Mai 1945, NRK

1940 und 1945

Als der Zweite Weltkrieg im April 1940 Norwegen erreichte, erhielt der Rundfunk eine entscheidende Bedeutung. 1933 war die Rundfunkgesellschaft NRK gegründet worden, fünf Jahre nach dem Beginn erster Radiosendungen im Land. Schon nach kurzer Zeit fand das Radio weite Verbreitung und bekam eine wichtige Funktion für den sozialen Zusammenhalt. Während des Krieges sendete NRK aus London weiter, wo sich auch die Regierung und das Königshaus im Exil befanden. Im Herbst 1941 beschlagnahmte die deutsche Besatzungsmacht die Radiogeräte in Norwegen.

Am 9. April 1940 konnte NRK unter anderem durch Toralv Øksnevad – bald bekannt als „die Stimme aus London“ – berichten, dass deutsche Truppen in einer Reihe von norwegischen Städten an Land gegangen waren. Der deutsche Gesandte habe Norwegen aufgefordert, keinen Widerstand zu leisten. Dieser Vorschlag sei von der Regierung mit einem einstimmigen Nein beantwortet worden.

Fünf Jahre später, am 7. Mai 1945, meldete Hartvig Kiran im NRK, die Deutschen hätten sich ergeben. Am Ende der Sendung folgten sechzehn Sondermeldungen, darunter: „Tobent rev“ (Zweibeiniger Fuchs), „Kalvedans til frokost“ (Pudding zum Frühstück) und „Kjærlighet uten strømper“ (Liebe ohne Strümpfe, Titel einer Komödie). Das waren verschlüsselte Nachrichten an die norwegische Widerstandsbewegung und an britische Agenten in Norwegen. In dieser Sendung war auch das Morsesignal für Victory zu hören.

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1. Rundfunknachrichten vom 9. April 1940 | 41:30

2. Rundfunknachrichten aus London vom 7. Mai 1945 | 3:11

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Georg W. Fossum: Deportation norwegischer Juden, 35 mm Filmnegativ 1942

Am 26. November 1942 wurden 529 norwegische Juden vom Osloer Hafen aus deportiert. Das deutsche Frachtschiff Donau legte am Nachmittag in Oslo ab und erreichte einige Tage später Stettin. Das Ziel für die Deportierten war Auschwitz, wo die meisten sofort in den Gaskammern getötet wurden. Von 529 Menschen überlebten neun. Die Deportation wurde von der norwegischen Polizei in Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht organisiert.

Georg W. Fossum war 1942 Ende zwanzig. Er fotografierte Oslo im Krieg für die Widerstandsbewegung und war an diesem Novembertag am Hafen, weil er einen Tipp von einem Polizisten erhalten hatte, dass etwas geschehen würde. Das Foto zeigt eine Gruppe von Menschen, die mit dem Rücken zur Kamera stehen und die Donau an Vippetangen vorbei auslaufen sehen. Im Hintergrund liegt die Insel Hovedøya.

Das Bild wurde erst am 26. Januar 1994 in der Zeitung Aftenposten erstmals veröffentlicht, nachdem die Journalistin Liv Hegna einen Suchaufruf nach Fotografien der Deportation publiziert hatte. Während des Krieges schickte die Widerstandsbewegung unentwickelte Filme per Kurier nach Stockholm, aber in diesem Fall wurde der Kurier entdeckt, und der Film blieb in Norwegen liegen und wurde vermutlich erst irgendwann nach Kriegsende entwickelt.

Heute ist das Bild ein eindrückliches Symbol für die norwegische Mitwirkung an der Vernichtung der Juden.

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Offizielle Eröffnung des Ekofisk­Felds,

1971

Nach dreijähriger Suche auf dem norwegischen Festlandsockel entdeckte die Phillips Petroleum Company im Herbst 1969 das größte Ölfeld der Welt. Es erhielt den Namen Ekofisk . Die Geologen waren anfangs nicht sicher, ob sich die Förderung lohnen würde, aber die Probeförderung machte deutlich, dass die Ausbeutung äußerst gewinnbringend sein könnte. Am 9. Juni 1971 kam Ministerpräsident Trygve Bratteli zusammen mit Parlamentsabgeordneten, Regierungsmitgliedern und weiteren Gästen aus dem In- und Ausland auf die schwimmende Bohrinsel Gulftide . Dort vollzog der Ministerpräsident die formelle Eröffnung des Ölfelds.

„Dieser Tag kann ein historischer Tag in unserer Wirtschaftsgeschichte werden“, sagt Bratteli in diesem Filmausschnitt aus dem Bericht der Fernsehnachrichten über die Eröffnung. „Ich hoffe, dass sich die mit der Ölproduktion verknüpften Erwartungen erfüllen werden.“ Nach einer ziemlich kurzen Rede zieht er einen kleinen, schlichten Vorhang zur Seite und enthüllt eine Plakette an der Wand der Bohrinsel. Diese bescheidene Zeremonie steht am Anfang einer dramatischen Veränderung der norwegischen Gesellschaft.

Die Ölindustrie veränderte nicht nur Norwegens Wirtschaft, sondern Norwegens gesamte Rolle und Bedeutung in der Welt.

Achtung: In den ersten 20 Sekunden hat der TV-Ausschnitt kein Bild, sondern nur Ton.

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NRK Fernsehnachrichten

Arvid Sveen: Varig vern av Alta-Kautokeino-elva!

Plakat 1979

1968 veröffentlichte das Wassernetz- und Energiezentralamt die Pläne für die Nutzung des Alta-Kautokeino-Flusslaufs zur Energiegewinnung. Die Pläne trafen schnell auf heftigen und organisierten Widerstand, weil die Konsequenzen umfangreich werden würden – sowohl für die Natur als auch für die örtliche Bevölkerung und für lokale Interessen, darunter vor allem für die Rentierhalter. 1978 wurde eine Bürgerinitiative gegründet, die 15.000 Unterschriften gegen das Projekt sammelte. Trotzdem beschloss das Parlament die Pläne, die unter anderem einen 110 Meter hohen Staudamm im Sautso-Canyon vorsahen, der für seine reiche Tierwelt bekannt war.

Der Konflikt eskalierte extrem. 1979 führten samische Demonstranten einen Hungerstreik vor dem Parlamentsgebäude durch, und Aktionisten brachten die Bauarbeiten zum Erliegen. Gleichzeitig weitete sich der Konflikt von einem lokalen zu einem landesweiten Anliegen aus, das die Aufmerksamkeit auf eine wachsende internationale Bewegung für die Rechte von Ureinwohnern lenkte. Arvid Sveens Plakat zeigt den Altaelva als Grenze zwischen Industrie und primären Erwerbszweigen, zwischen staatlicher Elite und der Bevölkerung des Landes.

Norwegens Politik gegenüber den Samen hatte lange Zeit eine Norwegisierung zum Ziel gehabt. Der Alta-Kautokeino-Streitfall wurde zum historischen Wendepunkt. Er führte auf direktem Weg zu einem neuen Samengesetz, einem neuen Verfassungsparagrafen und dem Samenparlament, das 1989 erstmals tagte. Zu diesem Zeitpunkt war das Kraftwerk seit zwei Jahren in Betrieb.

© Arvid Sveen / BONO 2021.

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Darkthrone: A Blaze in the Northern Sky, LP 1992

A Blaze in the Northern Sky kam im Winter 1992 als zweites Album der Band Darkthrone heraus. Zusammen mit anderen norwegischen Bands, darunter Mayhem , definierte Darkthrone einen Stil, der als früher norwegischer Black Metal bekannt wurde.

Die Musik balanciert zwischen blutigem Ernst und theatralischer Inszenierung. Das Cover von A Blaze in the Northern Sky zeigt ein grobkörniges Foto eines der Bandmitglieder mit Leichenschminke auf einem Friedhof. Das Klangbild ist rau, Riff-basiert und Lo-Fi, die Vocals guttural und hässlich. Die Texte handeln von Tod, Kriegern, Grabkammern und Heidentum. Das Stück „The Pagan Winter“ (Heidnischer Winter) beginnt mit einer Teufelsbeschwörung: „Horned master of endless time / Summon thy unholy disciples“.

Norwegischer Black Metal war lange eine in sich geschlossene Musikkultur. Im Laufe der 1990er Jahre erlangten Varianten des Genres durch Presseberichte über Morde und Brandstiftungen in Kirchen größere Aufmerksamkeit, später auch durch Black-MetalBands, die sich um kommerziellere Ausdrucksformen und kulturelle Akzeptanz bemühten. Darkthrone hingegen steht außerhalb dieser Entwicklung. A Blaze in the Northern Sky erschien kurz vor den Skandalen und tragischen Ereignissen. Die Band stand einer Kommerzialisierung kritisch gegenüber, hielt sich von der allgemeinen kulturellen Öffentlichkeit fern und hat seit den 1990er Jahren keine Konzerte mehr gegeben.

Herausgeber: Peaceville Records.

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1. «Kathaarian Life Code» | 10:35

2. «In The Shadow Of The Horns» | 6:58

3. «Paragon Belial» | 5:22

4. «Where Cold Winds Blow» | 7:21

5. «A Blaze in the Northern Sky» | 4:53

6. «The Pagan Winter» | 6:34

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Oslonett wurde 1991 gegründet und hatte seinen Ursprung in der Informatikerszene der Universität Oslo, die das Internet vielfach als Forschungsplattform nutzte. Die Firma lieferte Internet für Privatpersonen und kleine Firmen und führte Seminare zur Benutzung der neuen Informationstechnologie durch. 1993 gründete sie Norwegens erste kommerzielle Webseite: www. oslonett.no.

Während der Olympischen Winterspiele 1994 in Lillehammer veröffentlichte Oslonett regelmäßig die Wettkampfergebnisse. Das Interesse war riesig: Mitte Februar verzeichnete Oslonett im Laufe von gut 24 Stunden 130.000 Zugriffe, zur damaligen Zeit auch international ein aufsehenerregend hoher Wert. Im Herbst desselben Jahres berichtete die Webseite auch über die Volksabstimmung zum EU-Beitritt. Im Nachhinein kommt diesen Liveberichten ein Teil der Ehre zu, dass sich so viele norwegische Haushalte früh an das Internet anschlossen.

1995 stellte Oslonett die Suchmaschine Kvasir nach dem Modell des amerikanischen Anbieters Yahoo! vor. Kvasir war ein zeittypisches Portal, auf dem man neben der üblichen Freitextsuche auch über ein klickbares Inhaltsmenü Informationen finden konnte. Im selben Jahr wurde Oslonett vom Medienkonzern Schibsted aufgekauft, ein erster Schritt von Schibsteds Engagement im Bereich Multimedia.

60 27 www.oslonett.no 1994
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Im Herbst 2015 hatte eine neue TV-Dramaserie Premiere, mit Julie Andem als Autorin und Regisseurin und produziert von NRK P3. Die Serie hieß SKAM (Scham) und wurde schnell zu einem Kultphänomen, vor allem bei Jugendlichen, bevor sie Zuschauer aller Altersgruppen erreichte und schließlich zu einem internationalen Medienphänomen wurde.

In SKAM erleben wir eine Gruppe von Freundinnen und Freunden auf der Hartvig Nissen Weiterführenden Schule im Osloer Stadtteil Frogner. Die Serie hatte vier Staffeln und wurde berühmt, weil sie die Jugend kultur ernst nahm und weil sie komplizierte Themen wie Homosexualität, Vergewaltigung, psychische Krankheiten und Religion thematisierte. SKAM wurde zuerst auf der Homepage der Serie veröffentlicht, wo fortlaufend Sequenzen, Meldungen und Nachrichten aus sozialen Medien erschienen. Die Sequenzen wurden jede Woche zu einer Episode zusammengestellt, die dann im Fernsehen lief. Die fiktiven Personen der Serie hatten echte Profile in sozialen Medien wie Facebook und Instagram – wodurch die Serie auf ganz neue Weise in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Als in Staffel 2 die Liebesgeschichte zwischen Noora und William ablief, beteiligten sich mehrere hunderttausend Zuschauer unter dem Hashtag #WILLIAMMÅSVARE („William muss antworten“).

Die dritte Staffel handelt von Isak, der nach einer kurzen Phase des Zweifelns und Verleugnens einsieht, dass er in Even verliebt ist. Andems Kommentare in den Textbüchern zeigen unter anderem, wie viel in den Szenen improvisiert wurde.

Die Nationalbibliothek erhielt 2018 die Textbücher zu den Episoden 3 und 8 der Staffel 3 der Dramaserie SKAM. Weil das Material lichtempfindlich ist, sind die ausgestellten Seiten im Wechsel zu sehen.

62 28 SKAM, Filmtextbuch der Staffel
3 2016

Episode 8, NRK 2016

In der Jugend wird intensiver darüber verhandelt, wer man ist, wohin man gehört, wer man sein möchte und nicht zuletzt: wer man sein kann. In wen man sich verliebt, kann entscheidend wirken.

Isak, gespielt von Tarjei Sandvik Moe, ist die Hauptfigur in der dritten Staffel von SKAM , die das Liebesverhältnis zwischen zwei Jungen schildert. Das Verhältnis zwischen Isak und Even, gespielt von Henrik Holm, ist kompliziert, allerdings nicht unbedingt, weil sie schwul sind. Ebenso wesentlich ist, dass Even schon eine Freundin und manische Perioden hat, während Isaks Verhältnis zu seinen Eltern kompliziert ist mit einer Mutter, die ihm fromme christliche Textnachrichten schickt. Gleichzeitig geht die dritte Staffel intensiv darauf ein, dass ein Bruch mit der Norm der Heterosexualität oft besondere Herausforderungen in Bezug auf die eigene Identität birgt. Auch noch im Jahr 2016.

63 28 SKAM, Filmausschnitt aus Staffel 3,
Filmausschnitt aus dem NRK Archiv.

29 Karpe Diem: Heisann Montebello

2015–2017

Das Hiphop-Duo Karpe Diem (ab 2017: Karpe) besteht aus Chirag Rashmikant Patel, der mit indischen Eltern in Oslo aufwuchs, und Magdi Omar Ytreeide Abdelmaguid, ebenfalls in Oslo aufgewachsen, mit einer norwegischen Mutter und einem ägyptischen Vater. Schon auf ihrer Debut-LP Glasskår (Glasscherben, 2004) singen sie davon, jung zu sein und einen multikulturellen Hintergrund zu haben.

Heisann Montebello (Hallo Motebello) gilt als das politischste Projekt des Duos seit dem Debut: Im November 2015 erschienen zuerst drei Singles – auf einer wurde der damalige Justizminister Anders Anundsen als Feigling bezeichnet. Zwischen Februar und Juni

2016 kamen drei neue Singles heraus, bevor im August Gunerius veröffentlicht wurde und das Album vorläufig abrundete. Jede Single wurde durch ein Musikvideo ergänzt und war später in einer Sammelbox enthalten. Im Dezember 2017, nach vier exklusiven Kinovorstellungen des experimentellen Musikfilms

Adjø Montebello (Adieu Montebello) brachte das Duo zwei weitere Songs heraus: Dup-i-dup und Rett i foret.

Im Gunerius-Video werden private Filmausschnitte aus der Kindheit der beiden Musiker mit Sequenzen aus Norwegen, wo sie aufwuchsen, gemischt: Gro Harlem Brundlandt in einer Diskussion mit Kåre Willoch, Demonstrationen für und gegen den EU-Beitritt, Ölplattformen, Weihe der ersten norwegischen Bischöfin Rosemarie Köhn, die Ermordung von Arve Beheim Karlsen. Magdi sagt: „Ich tanze auf dem Zaun, zwischen Gier und Ambitionen.“

Herausgeber: Karpe Diem DA.

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1. «Au Pair» (Au-pair). Regie: Kristian Berg | 5:45

2. «Hvite menn som pusher 50» (Weiße Männer, die 50 pushen). Regie: Marie Kristiansen | 4:01

3. «Lett å være rebell i kjellerleiligheten din» (Leicht ein Rebell in deiner Kellerwohnung zu sein). Regie: Kavar Singh | 5:12

4. «Hus/hotell/slott brenner» (Haus/Hotel/Schloss brennt). Regie: Stian Andersen | 4:39

5. «Attitudeproblem» (Attitüdeproblem). Regie: Torgeir Busch, Thea Hvistendahl und Kristoffer Klunk | 5:01

6. «Den islamske elefanten» (Der islamische Elefant). Regie: Thea Hvistendahl | 7:32

7. «Gunerius». Regie: Erik Treimann | 6:18

8. «Dup-i-dup». Audio only. | 2:36

9. «Rett i foret» (Bar auf die Hand). Audio only. | 4:18

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1871–1994

Jedes einzelne „Heute“ in der Geschichte der norwegischen Öffentlichkeit ist nicht nur mit Ereignissen aus der Vergangenheit, sondern auch mit einer Vielzahl möglicher Zukünfte gefüllt. Die Nationalbibliothek ist deshalb mehr als eine historische Sammlung, sie ist ebenso ein Ort für die Zukunftsvisionen früherer Zeiten – jedenfalls wenn sie gedruckt worden sind. Diese kleinen Schriften zeugen davon, wofür norwegische Volksbewegungen gekämpft haben.

Mehrere dieser umkämpften Ziele wurden dann auch verwirklicht, zum Beispiel weibliche Abgeordnete im Parlament und Norwegen außerhalb der EU. Andere, wie die Aufforderung an den König, das Schloss der Allgemeinheit zu überlassen, sind als Kuriositäten überliefert worden. Wieder andere Kampfziele spielten früher eine größere Rolle für die Zivilgesellschaft, als sie es heute tun. Dazu gehört nicht zuletzt die Arbeit der christlichen Vereine für die Mission und für Norwegen als eine christliche Glaubensgemeinschaft.

Die politischen, religiösen und ideologischen Volksbewegungen wurden seit dem 19. Jahrhundert zu wichtigen Kanälen für politische Einflussnahme. Sie haben Norwegen verändert und die Menschen durch gemeinsame Anliegen miteinander verbunden. Sowohl die Argumente als auch die Ziele in der Geschichte der freiwilligen Vereine greifen auf anregende Weise ineinander, etwa die Forderung des konservativen Sprachverbands Riksmålsforbundet aus dem Jahr 1960, die Anhänger einer konservativen Schriftsprache müssten „den Status und die Rechte einer eigenen Sprachgruppe“ bekommen – ein rechtliches Gedankengebäude, das die spätere Arbeit für die Stärkung anderer Minderheiten prägen sollte.

66 30
Politische und religiöse Volksbewegungen, kleine Schriften

AUSSTELLUNG

Design: Nissen Richards Studio

Lichtgestaltung: Studio ZNA

Die Ausstellung wurde mit finanzieller Unterstützung von Eckbos Legat und Sparebankstiftelsen DNB realisiert.

TEXTKATALOG

Deutsche Übersetzung: Språkverkstaden AS

Design: Superultraplus Designstudio AS

Druck: Erik Tanche Nilssen AS

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