Die Jugendzeitschrift der Naturfreundejugend Deutschlands www.keonda.de [Ke:onda] 02 / 2017
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Seite 2
November 2017
Vorwort Inhaltsverzeichnis Liebe Leser*innen, das Recht auf Bildung ist eine wertvolle Errungenschaft. Doch wessen Bildung ist es eigentlich, die täglich in unseren Schulen, Ausbildungsstätten und Universitäten vermittelt wird? Ist es das Ziel, Personen auf das Leben oder auf den Markt vorzubereiten? Und ist Bildung gleich Bildung, oder gibt es Bildungsarten, die „wertvoller“ sind als andere? In der Schule war oder ist jede*r von uns. Deshalb hat auch jede*r etwas dazu zu sagen. „Dafür bist du noch zu jung“ lassen wir nicht gelten. Egal ob Christian, der in der Schule keine Motivation finden konnte (Seite 5), oder Pöbel MC, dessen Schulzeit „premium“ war (mehr dazu im Interview mit dem Deutschrapper auf Seite 6). Gesucht und Gefunden haben wir auch alternative Modelle und Protestmöglichkeiten. Wie „frei“ sind freie Schulen wirklich (Seite 9), was macht Bildung in der Naturfreundejugend aus (Seite 10) und wie geht ein Bildungsstreik (Seite 4)?
Wessen Bildung? Unsere Bildung! Diese Schule wird bestreikt 04 Blickwinkel 05 Interview mit Pöbel MC 06 Recht auf Bildung
07
Vom Wert einer Ausbildung
08
Ich möchte noch nicht nach Hause gehen Der Samen der Demokratiefähigkeit
09
10
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Verbandskasten Bildschirm oder Papier
Die Bundesleitung berichtet COP, COY und Kipp-Elemente Vergeben, aber nicht Vergessen
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14 15
Soziales Paddeln
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Zwei Jahre für eine Idee
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Natursportangebote mit den NaturFreunden
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Viel Spaß beim Lesen Eure [ke:onda] - Redaktion Achtung Sonderausgabe! Die nächste [ke:onda] wird etwas ganz Besonderes: Sie erscheint als gemeinsames Heft, geschrieben von senegalesischen und deutschen Naturfreund*innen. Gedruckt wird im Senegal und in Deutschland, in Französisch und in Deutsch. Wir sind gespannt auf die Zusammenarbeit und freuen uns, euch demnächst die deutsche Ausgabe präsentieren zu können.
Impressum [ke:onda] – Die Jugendzeitschrift der Naturfreundejugend Deutschlands KidsPower – Die Kinderzeitschrift der Naturfreundejugend Deutschlands
Feuilleton Held der Arbeit – Henrik 18 Degrowth in Bewegung(en) 18 Du bist jung 19
Das Gendersternchen * - Wir sind überzeugt, dass Frauen und Männer das Recht auf Gleichberechtigung haben. Aber es gibt weit mehr als nur „männlich“ und „weiblich“. Wir sind der Meinung, dass alle Menschen ihr Geschlecht selbst bestimmen dürfen. Um dies auszudrücken und ALLE einzubeziehen, nutzen wir das sogenannte Gendersternchen *.
Redaktion [ke:onda]: Frauke Gehrau, Jannis Pfendtner, Steffen Filz, Tanja Kelm, Lina Mombauer, Tobias Thiele, Dennis Melsa (V.i.S.d.P) Redaktion KidsPower: Sine Schnitzer, Larissa Donges, Dennis Melsa (V.i.S.d.P)
keonda@naturfreundejugend.de || www.keonda.de
Fotos [ke:onda]: Naturfreundejugend Deutschlands (S. 3, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16), Janinka Lutze/Naturfreundejugend Deutschlands (S. 3, 13, 14, 15, 18), Jugend gegen G20 (S. 4), Christian Schnitzler (S. 5), Steffen Filz (S. 5), Pöbel MC (S. 6, 7), Julia Zimmermann (S. 9), Sebastian Suk (S. 11), Elman Asgarov (S. 13), Naturfreundejugend Teutoburger Wald (S. 16), Armin Stangl (S. 17), Henrik Sonnenburg (S. 18), Pixabay Foto Stadion (S. 20, 21)
Mitglieder der Naturfreundejugend Deutschlands erhalten KidsPower/[ke:onda] kostenlos. KidsPower/[ke:onda] kann auch als Abo für 5 € pro Jahr inkl. Versandkosten bestellt werden.
Fotos KidsPower: Matej Kotula/ Shutterstock (S. 1), red mango/ Shutterstock (S. 2-3), Oleksii Sidorov/ Shutterstock (S. 3), Naturfreundejugend Nordrhein-Westfalen
Herausgegeben durch das Kinder- und Jugendwerk der Naturfreunde, Verein zur Förderung der Naturfreundejugend Deutschlands e.V., Adresse siehe unten Redaktionsanschrift und Verlag: Naturfreundejugend Deutschlands || Warschauer Straße 59a || 10243 Berlin || Telefon 030-297732-70 || Telefax 030-297732-80
(S. 3, 4, 6, 7), Naturfreundejugend Teutoburger Wald (S. 3), pixabay (S. 3, 4, 5, 10), Naturfreundejugend Deutschlands (S. 10, 11) Illustrationen KidsPower: S. 8-9: Martina Sophie Pankow: www.msp-world.de Illustrationen und Gestaltung: Sabrina Gröschke || Formgefüge || www.formgefuege.de Druck: Druckerei Lokay e.K. Klimaneutral gedruckt auf 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel und dem EU Eco-Label. © Naturfreundejugend Deutschlands 2017 KidsPower/[ke:onda] wird gefördert vom
Unsere B il d u n g !
“Wessen Bildung? Unsere Bildung!” Seite 4
November 2017
Diese Schule wird bestreikt 07. Juli 2017 – in Hamburg ist Ausnahmezustand. Neben Politiker*innen aus 19 Staaten und der EU versammeln sich zehntausende Menschen zu Demonstrationen und Aktionen zivilen Ungehorsams. Abertausende Polizist*innen sollen für Sicherheit sorgen. Mittendrin befinden sich einige hundert Schüler*innen, die sich unter dem Bündnis „Jugend gegen G20“ zum Bildungsstreik zusammengefunden haben.
Ein Schüler*innen-, Studierenden- oder Bildungsstreik ist in Deutschland eine eher ungewohnte Sache. In anderen Ländern, wie z.B. Frankreich, ist es jedoch eine normale Form des politischen Protestes, bei dem Schulen schon mal Monate lahmgelegt werden. Die Grundidee: Etwas stört die Schüler*innen so sehr, dass sie sich entscheiden ihre Schulzeit zu nutzen, um die Schule währenddessen zu „bestreiken“.
Plötzlich wird aus einer ganz normalen Schule ein Ort des zivilen Ungehorsams, und jede*r ist gezwungen, sich dazu eine Meinung zu bilden. Teilweise hunderte Schüler*innen versammeln sich mit Bannern und Trillerpfeifen vor den Schulen und fordern ihre Klassenkamerad*innen auf, mit ihnen in den Streik zu treten. Plötzlich wird aus einer ganz normalen Schule ein Ort des zivilen Ungehorsams, und jede*r ist gezwungen, sich dazu eine Meinung zu bilden. Es ist etwas, das Menschen politisiert und Debatten schafft, wo vorher keine waren. Dabei sollte erwähnt werden: Ein formelles Recht auf einen Schulstreik gibt es in Deutschland nicht. Damals wurde es richtig ernst mit der Einführung der „verschulten“ Bachelor- und Master-Studiengänge. Zudem mussten 70% aller Studierenden Gebühren zahlen und das neunjährige Gymnasium sollte in fast allen Bundesländern abgeschafft werden. Eine große Streikwelle in Schule und Unis überrollte Deutschland in den Jahren 2008 bis 2010. Damals wurde es richtig ernst mit der Einführung der „verschulten“ Bachelor- und Master-Studiengänge.
Zudem mussten 70% aller Studierenden Gebühren zahlen und das neunjährige Gymnasium sollte in fast allen Bundesländern abgeschafft werden. Überall bildeten sich Gruppen, die selbstständig – aber vernetzt – Streiks organisierten. Sie konnten zumindest teilweise einen Meinungsumschwung bewirken: Alle Bundesländer mit Studiengebühren schafften diese wieder ab und auch das neunjährige Gymnasium kam vielerorts zurück. Klar, eigentlich gingen die Forderungen noch viel weiter und die Streikenden träumten vom Lernen ohne Leistungsdruck, mehr Mit- und Selbstbestimmung in der Schule, der Abschaffung der unsozialen Separation in drei Schularten und vielem mehr. In Hamburg organisierten sich die jungen Menschen in ihren Schulen, weil sie gegen den Gipfel der G20 protestieren wollten – für viele die erste politische Aktivität, aber bestimmt nicht die letzte. Der Bildungsstreik, eine kreative Idee des Protestes, der sicher irgendwo wieder aufploppen wird.
von Jannis Pfendtner
5 “Wessen Bildung? Unsere Bildung!” Seite
November 2017
Blickwinkel Schule ist ein Lebensabschnitt, durch den wir alle gehen, hüpfen, kriechen, krabbeln, sprinten, springen. Wir alle müssen da durch. Wie wir Schule jedoch
erleben, ist sehr unterschiedlich. Als zwei alte Freunde, die zusammen die Schule begonnen, aber nicht beendet haben, haben wir unsere Blickwinkel mal auf Papier gebracht.
Lehrer*innen
Christian: Es gibt gute und schlechte Lehrer*innen. Ich fand, einige haben nur auf ihr nächstes Gehalt hingearbeitet und nicht alle Schüler*innen lagen ihnen am Herzen. Ich hab ziemlich schnell gemerkt, dass ich mit den Charakteren von vielen Lehrer*innen nicht so gut klar gekommen bin und sie mit meinem auch nicht.
Misserfolge Steffen: Zu Beginn hat es mich extrem aufgewühlt, wenn ich eine schlechtere Note als erwartet bekommen habe. Mittlerweile sehe ich das entspannter, weil ich von mir weiß, dass ich alles, was ich bereit bin zu geben, gebe. Das ist dann entweder genug oder eben nicht.
Steffen: Lehrer*innen sind Menschen, darum haben sie Lieblinge und können auch keine 100% fairen Noten geben. Das ist aber nur eine Erklärung, keine Rechtfertigung. Durch die unterschiedlichen Charaktere von Lehrer*innen, kann man jedoch eine Menge über Menschen lernen.
Christian: Ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich mich nicht mehr wirklich für meinen schulischen Erfolg interessiert und einfach dicht gemacht. Ich wollte etwas mit Freund*innen machen, anstatt stundenlang über Hausaufgaben zu sitzen. Noten spiegeln für mich kein Können wieder. Bin ich ein Genie wenn ich Einsen schreibe und einfach nur dumm mit Fünfen?
Schulabschluss Christian: Mir hat es gut getan, Pause zu machen. Jetzt hole ich mein Abitur nach, und es ist meine Entscheidung. Dadurch bin ich viel motivierter als früher.
Steffen: Für mich war‘s wichtig fix mit der Schule durch zu sein, um mich dann Dingen zuzuwenden, an denen ich mehr Gefallen finde.
Seite 6 “Wessen Bildung? Unsere Bildung!”
November 2017
Interview mit Pöbel MC Pöbel MC sorgt mit seinem Deutschrap für gute Laune und manchmal auch Kopfschütteln. Freundschaftlich mit der Waving the Guns Crew verbunden startet er auch alleine voll durch und begeistert ein wachsendes Publikum mit seinen Songs. Mit uns redet er über seine Schulzeit, Leistungsdruck, Kauflust und politische Meinungen in der Musik. Vielen unserer Leser*innen ist dein Name wahrscheinlich noch kein Begriff, aber die Tatsache macht dich als Künstler für uns nicht weniger interessant. Im Gegenteil, deine Musik macht uns sehr neugierig und wir sind froh darüber, dich mit Fragen überschütten zu können (auf die du bestimmt gekonnt mit rhetorischer Athletik antworten wirst).
Wir sollten viel mehr die Frage stellen, was benötige ich wirklich um einen akzeptablen Lebensstil zu pflegen? In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit dem Schulsystem. Wie hast du deine Schulzeit wahrgenommen? Ich glaube, von der 5ten bis zur 7ten gab‘s vorpubertätsbedingt ein bisschen Stress, ansonsten war‘s premium. Während der Schulzeit habe ich meine nachwievor besten Freunde kennengelernt und viel Zeit für Quatsch gehabt. Schulisch hatte ich nie größere Probleme. Mein Abitur ist zwar nicht sonderlich gut, aber dafür habe ich es mit Stil erworben und es scheint ja trotzdem was aus mir zu werden, lol...
In drei Sätzen: Wer ist Pöbel MC? Sapiosexuelle nennen mich Lexington Steel, progressiv, aggressiv, antilässig mit Stil. Diese Punchline trifft es vielleicht momentan ganz gut, hehe. Ich möchte mich da aber auf nichts festlegen, da ich eventuell auch nächstes Jahr unter diesem Pseudonym ein Kuschelrockalbum mit Autotunereggeaevibe release. Wann hast du mit rappen angefangen? Als Pöbel MC mache ich seit 2015 Musik. Vorher habe ich gerne mal ungebeten rumgefreestylt, mich jedoch weder Pöbel MC genannt, noch anderweitig ambitioniert mit Rap befasst. Ursprünglich und nachwievor spiele ich Schlagzeug, ich glaube seit ca. 2004. Auch davor habe ich schon oft bewusst Musik gehört, ohne dabei auf ein bestimmtes Genre fixiert zu sein.
Was stört dich am meisten an unserer heutigen Gesellschaft und dem damit verbundenen ständigen Leistungsdruck?
Das ist eine recht mächtige Frage für ein derartiges Interview. Eine Sache, die mich stört, ist, dass die kapitalistisch-konsumorientierte Logik der uns umgebenden Gesellschaft stets die Frage nach der Ermöglichung, selten jedoch die Frage nach der Notwendigkeit stellt. „Der Markt“ ringt mit immer neuen Produkten und obsoleten Möglichkeiten um die Aufmerksamkeit und Kauflust einer meist ohnehin schon recht gut ausgestatteten Käufer*innenschaft. Das mag auch Gutes zu Tage fördern, ist aber angesichts der gegebenen und noch drohenden klimatischen sowie sozialen Probleme die falsche Priorität. Wir sollten viel mehr die Frage stellen, was benötige ich wirklich um einen akzeptablen Lebensstil zu pflegen? Ich denke auch, der von vielen Menschen empfundene „ständige Leistungsdruck“ hat etwas mit dem angedeuteten Problem zu tun.
Wessen Bildung? Unsere Bildung!” 7 Seite
November 2017
Recht auf Bildung Klar, an Schule, Studium und Ausbildung ist einiges auszusetzen und es gibt vieles, was man besser machen könnte. Aber das Recht auf Bildung ist eine wichtige Errungenschaft, für die lange gekämpft wurde. Wie gut kennst du dich mit den Fakten rund um das Bildungsrecht aus? Es kann auch mehr als eine Antwort richtig sein.
Beides. Ich glaube, dass gelungene Kommunikation einen großen Teil zur Befreiung der Gesellschaft beitragen kann.
Was kannst du unseren Leser*innen mitgeben, die weniger Selbstbewusstsein haben, aber trotzdem gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie oder andere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit im Alltag “kämpfen“ wollen? Mir hilft es, einen möglichst eigenständigen Standpunkt zu entwickeln und trotz persönlicher Frustration offen/gesprächsbereit zu bleiben. Ich glaube, dass gelungene Kommunikation einen großen Teil zur Befreiung der Gesellschaft beitragen kann. Wie man wiederum eine Verfassung erlangt, in der man sich frei fühlt, seine Positionen auch zu kommunizieren bzw. überhaupt erst zu entwickeln, ist schwer zu sagen. Hilfreich ist es, sich in Strukturen zu organisieren, die einen Schutzraum vor Rassismus, Sexismus sowie Homophobie bieten und eine entsprechende Kommunikationskultur zur Selbstentfaltung fördern. Das Interview führte Tanja Kelm
Wo ist das Recht auf Bildung fest verankert? a) im deutschen Grundgesetz b) in der UN-Kinderrechtskonvention c) in der Charta der Grundrechte der EU
2.
Wie lange gilt in Deutschland die Schulpflicht? a) 10 Jahre b) 12 Jahre c) das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich
3.
Eigentlich ist BAFöG der Name eines Gesetzes, umgangssprachlich nennt man so aber auch die staatliche finanzielle Unterstützung, die aufgrund des Gesetzes gezahlt wird. Wer kann BAFöG erhalten? a) Student*innen b) Abiturient*innen c) Auszubildende, die nicht in einem Betrieb arbeiten
Lösungen: 1.b) und c). Im deutschen Grundgesetz geht das Recht auf Bildung nur indirekt aus Artikel 1 zur Menschenwürde und Artikel 3 zur Gleichberechtigung hervor.
Pöbel MC wirkt auf uns sehr selbstbewusst und kritisch. Sind die beleidigenden Parts deiner Texte Teil der Hip Hop Battle-Rap-Kultur oder denkst du, dass es manchmal keinen anderen Ausweg gibt, um seine Meinung lautstark zu vertreten und durchzusetzen?
1.
2.c) Kaum zu glauben, aber wahr: In Deutschland muss man in der Regel mindestens zwölf Jahre zur Schule gehen. Dazu gehört aber auch die Zeit an der Berufsschule oder am Gymnasium. Jedes Land hat dafür aber eigene Regelungen.
Eigentlich keine. Kunst ist zwar quasi nie vollkommen unpolitisch (auch wenn das
viele gern behaupten), aber im Grunde gebe ich erstmal meine Meinung wieder und die lässt sich dann irgendwie politisch kategorisieren. Das, was Menschen an meiner Musik als politisch wahrnehmen, ist wohl vor allem mein Anliegen meinem Reproduktionsverständnis von Sprache gerecht zu werden. Ich hau Punchlines raus die zwar in erster Linie unterhalten, dabei jedoch genauso (zumindest manchmal) meine Haltung widerspiegeln. Alles andere wäre für mich aber auch eh unauthentisch.
3. Alle drei Antworten sind im Prinzip richtig, allerdings müssen sich Student*innen und Auszubildende in ihrem Erststudium oder ihrer ersten Ausbildung befinden und zu Beginn jünger als 30 Jahre alt sein.
,,Auch ich kann´s nicht bestreiten, häng´ in Fängen von Gruppenzwängen, weil schon Begriffe Menschen in Gruppen zwängen“. Mit solchen Zeilen machst du deutlich, dass dir neben einer klaren Haltung zum Antifaschismus eine vielfältige und selbstreflektierte Gesellschaft wichtig ist. Welche Rolle spielt es für dich, eine politische Meinung mit deinen Texten zu vermitteln?
„Wessen Bildung? Unsere Bildung!“ Seite 8
November 2017
Vom Wert einer Ausbildung Wenn du die Wörter Ausbildung und Studium hörst, welchem misst du persönlich mehr Wert zu? Die Meisten wählen hier vermutlich das Studium, zumindest entscheidet sich laut OECD mehr als die Hälfte aller junger Menschen in Deutschland für diesen Weg. Wer studiert, genießt in der Regel ein höheres Ansehen als ein*e Auszubildende*r. Und so sind die Hörsäle überfüllt, während es an ausgebildeten Bäcker*innen, Klempner*innen und Gerüstbauer*innen fehlt.
Und so wächst der Druck auf junge Menschen, einen Studienabschluss zu machen, egal, ob es ihnen Spaß macht oder nicht. Doch was soll schon an der Arbeit mit den Händen schlechter sein, als an der Arbeit mit dem Kopf?
Viele fangen ein Studium an, weil sie sich bessere Zukunftschancen erhoffen. Aber das man mit einem Studium automatisch mehr verdient, ist so nicht korrekt. Versicherungsvertreter*innen und Industriemechaniker*innen verdienen z. B. sehr viel, während dies bei studierten Geisteswissenschaftler*innen nicht unbedingt der Fall sein muss. Es kommt auf das Fach an. Im Durchschnitt ist laut FAZ dennoch korrekt, dass ein Akademiker ab dem 31. Lebensjahr mehr verdient als ein Mensch mit Ausbildung. Versicherungsvertreter*innen und Industriemechaniker*innen verdienen z. B. sehr viel, während dies bei studierten Geisteswissenschaftler*innen nicht unbedingt der Fall sein muss. Doch warum ist das so? Viele Personen mit Ausbildung leisten einen riesigen Beitrag zur Gesellschaft: egal, ob Personen in der Pflege, Erzieher*innen, Bauarbeiter*innen, Techniker*innen oder Reinigungskräfte. Ohne ihre Arbeit würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren. Dennoch werden sie oft nicht wertgeschätzt, weder monetär noch ideell.
von Frauke Gehrau
9 Seite “Wessen Bildung? Unsere Bildung!”
November 2017
„Ich möchte noch nicht nach Hause gehen“ Julia Zimmermann hat ein Freiwilliges Soziales Jahr an einer Freien Schule gemacht und anschließend fünf Jahre in diesem Bereich gearbeitet. Mit mir spricht sie heute über den Spaß am Lernen und falsche Argumente. Vielleicht kannst du nochmal ganz kurz die wichtigsten Unterschiede zwischen Freier Schule und Regelschule erklären? Der gravierendste Unterschied ist, dass es keine Noten an Freien Schulen gibt. Stattdessen gibt es als Rückmeldung oft eine Art Bericht, ähnlich wie in der Grundschule. Ein anderer Unterschied ist, dass es keinen Unterricht gibt wie: eine Stunde Mathe, eine Stunde Deutsch, eine Stunde Erdkunde. Stattdessen machen Begleiter*innen Angebote für die Schüler*innen, die diese wahrnehmen können, wenn sie wollen. Das können „normale“ Fächer sein, aber auch Fußball oder Kochen oder sonstwas. Jedes Kind sucht sich seine Angebote selbst aus. Wenn es keine wahrnehmen will, macht es etwas anderes, z.B. mit Freund*innen spielen. Freie Schulen sind in Deutschland allerdings immer Privatschulen, für die man Schulgeld bezahlen muss. Nach den Jahren Erfahrung in Freien Schulen: Würdest du sagen, dass das ein Konzept ist, bei dem es Kindern besser geht und sie mehr im Mittelpunkt stehen? Ich habe öfter erlebt, dass Kinder sagen, „Nein, ich möchte noch nicht nach Hause gehen“. Bei mir selbst oder bei anderen Mitschüler*innen in meiner Schulzeit habe ich so etwas nicht mitbekommen. Natürlich gab es auch Kinder, die nach einer Zeit entschieden haben, wieder auf eine Regelschule zu gehen. Manche wollten eine geregeltere Struktur und einen klareren Rahmen, den es in der Freien Schule nicht gibt. Es gibt aus ganz verschiedenen Gründen eben auch verschiedene Wünsche bei Kindern. Viele sagen ja, dass die Kinder nur die Freiheiten ausnutzen, faul werden und nichts lernen. Wie sind da deine Erfahrungen? Ich finde, dass das eine ganz schön krasse Einstellung gegenüber Kindern und ihrem Lernverhalten ist. Die meisten machen ihre Abschlussprüfung und erfahrungsgemäß sind die Ergebnisse auch ähnlich, obwohl die Prüfung an einer anderen Schule gemacht werden muss. Aber eigentlich finde ich das Argument an sich problematisch, denn derjenige sagt quasi: „Oh mein Gott, das Kind hat Spaß an der Schule, das ist ja ganz furchtbar“. Ich finde,
dass es nicht schlimm ist, wenn Kinder auch mal nichts machen und ihren Tag genießen. Wir sollten Spielen und Chillen als ein legitimes Bedürfnis anerkennen. Gibt es denn auch etwas, dass du an der Freien Schule kritisieren würdest? Ja. Oft wird z. B. argumentiert, dass die Kinder durch die Freie Pädagogik viel teamfähiger, kreativer, selbstdisziplinierter und hilfsbereiter sind, als an Regelschulen. Nicht damit, dass es den Kindern besser geht und sie einfach keine Angst haben, morgens in die Schule zu gehen. Das heißt, man orientiert sich oft an den gleichen Tugenden wie
bei den Betragensnoten an Regelschulen. Es wird oft nicht der Druck und das Ziel der Selbstdisziplin hinterfragt, sondern nur argumentiert: „Wir machen das viel besser als die Regelschule“. Die Freie Schule wird also auch damit beworben, dass sie den Menschen besser für den modernen Kapitalismus vorbereitet? Ja, das habe ich genau so schon gehört. Du bist bei den Falken aktiv, wir sind ja von der Naturfreundejugend – also beides Arbeiter*innenjugendverbände, die eine andere Gesellschaftsform schaffen wollen. Glaubst du, dass das Konzept hinter Freien Schulen die Schüler*innen zu kritischeren Menschen macht? Ob andersdenkende Menschen dabei herauskommen? Sowohl an Freien Schulen als auch an Regelschulen gibt es Kinder mit linker Kritik an dieser Gesellschaft, aber auch viele, die überhaupt keine Kritik üben. Wenn Begleiter*innen in Freien Schulen keine Kritik an der Gesellschaft haben, dann können Kinder sie auch nicht mitbekommen. Genauso ist es in unseren Jugendverbänden. Nur ein bisschen Mitbestimmung im Zeltlager reicht nicht. Wir müssen unsere Kritik an der Gesellschaft klarmachen und mit den Kindern und Jugendlichen diskutieren!
Das Interview führte Jannis Pfendtner
“Wessen Bildung? Unsere Bildung!” Seite 10
November 2017
Der Sam en der Dem okr atie fäh igk eit Das Ergebnis der Bundestagswahl ist das Argument für unser Bildungsverständnis. 24. September 2017: Dieser Tag ist ein historisches Datum. Erstmalig seit 1960 zieht mit der sogenannten Alternative für Deutschland (AfD) wieder eine rechtsnationale Partei in den Bundestag ein. Sie vertritt rechtspopulistische, in Teilen auch rassistische und völkisch-nationale Positionen. Manche ihrer Mitglieder sind von ihrer Denkweise her schlichtweg Nazis. Als Jugendverband beschäftigt uns besonders, dass die AfD auch unter den 18 bis 24-jährigen Wähler*innen eine Zustimmung von 10 Prozent verbuchen konnte. Bei den Altersgruppen 25 bis 35 bzw. 45 bis 55 Jahre war es sogar eine überproportionale
Zustimmung von 14 bzw. 16 Prozent. Es ist also nicht wie beim EU-Referendum in Großbritannien zum Brexit oder der Präsidentschaftswahl von Donald Trump in den USA. Wer an seine Selbstwirksamkeit glaubt, fühlt sich nicht als Opfer von Umständen. Wer politisch mündig ist, lässt sich schwer von populistischen Stimmenfänger*innen manipulieren. Da galt die Formel, dass sich Wählende jungen bzw. mittleren Alters markant weniger von nationalistischen und rechtspopulistischen Argumenten bei ihrer Wahlentscheidung beeinflussen lassen.
Die Gründe für diesen „Rechtsruck“ wurden viel diskutiert. Doch eine konstruktive und zukunftsweisende Frage kann nicht nur lauten „Wie können wir rechtsextreme Einstellungen vermeiden?“. Viel entscheidender ist „Wie gelangen wir zu Demokratiefähigkeit bei jungen Mitbürger*innen?“, „Wie zu selbstbewussten, mündigen, politisch gebildeten und aktiven jungen Demokrat*innen?“. Dies ist keine Wortklauberei, sondern die Frage einer Haltung. Wollen wir uns nur gegen etwas zur Wehr setzen, oder wissen wir um unsere eigenen Werte und Kompetenzen? Ich persönlich durfte diesen Sommer als Teamer Ferienfreizeiten, Klassenfahrten und eine internationale Jugendbegegnung in unserem Verband mitgestalten.
“Wessen Bildung? Unsere Bildung!” 11 Seite
November 2017
Auch als Teilnehmer auf Seminaren und Konferenzen konnte ich meine eigenen demokratischen Kompetenzen erweitern. Denn bei uns als Naturfreundejugend sind Teilnehmende immer auch Mitgestaltende. Hier befähigen wir uns selbst, komplexe politische Sachverhalte zu diskutieren, zu verstehen und eigene Konzepte zu entwickeln und durchzusetzen. Kinder und Jugendliche entscheiden über die Aktivitäten, planen deren Durchführung und lernen dabei ihre Fähigkeiten kennen. Als Teamer*innen unterstützen wir sie nur dort, wo sie Hilfe wünschen. Dadurch lernen sie auch herausfordernde Situationen zu bewältigen. In der Pädagogik nennen wir das Selbstwirksamkeit durch Beteiligung. Unser Konzept der nonformalen Bildung, vermittelt nicht nur Wissen, sondern Lebensfertigkeiten. Es bereitet die Lernenden auf ihre Rolle als aktive Bürger*innen vor. Wer an seine Selbstwirksamkeit glaubt, fühlt sich nicht als Opfer von Umständen.
Tobias (27 Jahre, Teilnehmer italienisch-deutsche Jugendbegegnung “Friedensarbeit Sant’Anna di Stazzema”) “Erst war ich über die flache Hierarchie zwischen Teamenden und Teilnehmenden irritiert. Am Ende war ich begeistert, wie sehr wir dadurch die Begegnung zu unserem Projekt machen konnten. Dies hat uns als Gruppe gestärkt und wir haben dadurch viel an neuen Ideen und an interessanten Erfahrungen mitnehmen können.”
Wer politisch mündig ist, lässt sich schwer von populistischen Stimmenfänger*innen manipulieren. Wer eine politische Haltung hat, kann sich mit dieser in den Diskurs einmischen.
Hannes (13 Jahre, Ferienfreizeit “Klettern, Kanu, Höhle”) “In den Ferien möchte ich viel Freizeit und Spaß. Deshalb fand ich es cool, dass wir selbst bestimmen durften, was wir machen können und wann. Endlich wurden wir Jugendliche auch immer nach unserer Meinung gefragt.”
Diesen Ansatz tragen wir in Projekttagen und auf Klassenreisen auch in Schulen oder durch Hochschulgruppen in die Universtäten hinein. Auch unsere Konferenzen, Seminare und Gremien sind Demokratielabore. Hier befähigen wir uns selbst, komplexe politische Sachverhalte zu diskutieren, zu verstehen und eigene Konzepte zu entwickeln und durchzusetzen. So erlangen wir politische Mündigkeit. Nonformale Bildung ist der Samen der Demokratiefähigkeit, aus der wir als junge Menschen unsere politische Bildung, Haltung und Beteiligung wachsen lassen. Erst als zarter Spross, dann als fest verwurzelter Stamm, der auch Stürmen standhält. Der 24. September 2017 war ein demokratisches Unwetter und wird ein historischer Tag bleiben. Ob es ein reinigendes Gewitter war, das gesellschaftliche Probleme aufzeigt, oder sich als Dauerregen rechtsextremen Gedankenguts entpuppt, ist die entscheidende Frage. Auch wir haben dies in der Hand. Lasst uns für unser Bildungskonzept streiten. Für uns, für andere und für eine freie und solidarische Demokratie!
Nonformale Bildung ist der Samen der Demokratiefähigkeit, aus der wir als junge Menschen unsere politische Bildung, Haltung und Beteiligung wachsen lassen
von Wendelin Haag
Seite 12 Verbandskasten
November 2017
Bildschirm oder Papier? Florian: Du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der noch Bücher hat. Michèle: Ich weiß gar nicht, was ihr alle gegen Bücher habt. Ich mag Bücher, denn ich kann sie in die Hand nehmen, herumblättern, wie ich möchte und einfach mal der grellen, digitalen Welt entfliehen. Unsere Generation starrt doch fast nur noch auf Bildschirme. Da ist es doch entspannt, mal ein schönes Buch zu lesen oder sich einfach nur die Bilder anzuschauen. Florian: Aber das ganze Papier, das verbraucht wird, um ein Buch zu drucken!
Papier
Florian: Ja, ok, ich müsste mir jetzt auch nicht jedes zweite Jahr ein neues Handy kaufen. Vielleicht schaue ich das nächste Mal nach einem Gerät, das lange hält, oder kaufe gebraucht. Zudem gibt es auch Anbieter, die versuchen, die seltenen Erden unter fairen Bedingungen zu kaufen. Aber mal ehrlich, insgesamt können wir doch durch Computer und Co. richtig viel Papier sparen. Es müssen weniger Briefe versandt werden und die Zeitersparnis ist doch geil: Eine E-Mail oder Textnachricht ist sofort da und man wartet nicht noch zwei Tage auf die Post. Denk doch mal an die ganzen seltenen Erden und Metalle, die mit viel Chemie und unter unmenschlichsten Bedingungen abgebaut werden.
Florian: Ja, gab es. Wenn viele Menschen gemeinsam für eine gute Sache einstehen, geht die Entwicklung manchmal schneller voran, als man denkt. Auch im Alltag: wenn man auf unnötige Verpackungen verzichtet und sich anschaut, ob die Materialien recycelt sind oder nicht. Michèle: Ja, das ist eine gute Idee. Gut für die Umwelt und mein Gewissen. Dann kann ich ja doch noch
bildschirm
Michèle: Dass die digitalen Geräte sehr praktisch und vor allem zeitsparend sind, sehe ich ja genauso wie du. Dafür schreiben wir aber heute viel mehr Nachrichten als früher, oft nur mit wenigen Wörtern drin. Das verbraucht auch Energie. Dennoch hast du Recht, der Papierverbrauch ist wirklich hoch. Jannis hat mir erst letzte Woche erzählt, dass jede*r Deutsche im Jahr ca. 250 Kilogramm Papier verbraucht. Bei der Zahl wird mir richtig unwohl. Florian: Tja Michèle, da haben wir die Zahlen! Würdest du dich also doch darauf einigen, dass Bücher unnötig und sowas von 2012 sind? Aber mal ehrlich, insgesamt können wir doch durch Computer und Co. richtig viel Papier sparen.
Das könntest du alles sparen, wenn du einen E-Reader kaufst. So schlecht liest sich ein E-Ink-Bildschirm auch nicht. Michèle: E, E, E – ich hör immer nur E. Denk doch mal an die ganzen seltenen Erden und Metalle, die mit viel Chemie und unter unmenschlichsten Bedingungen abgebaut werden. Die machen deine elektronischen Geräte auch nicht umweltfreundlicher!
Michèle: Du wieder, immer musst du aus allem einen Wettkampf machen. Deine Aussage würde ich tatsächlich nicht so einfach durchgehen lassen. Bücher haben etwas Magisches, dieses Gefühl kann kein Bildschirm ersetzen. Und es hängt immer auch von der Nutzung ab: wie viel nutze ich das Buch oder E-Book und gebe ich es auch an andere weiter, statt es in den Schrank zu stellen oder wegzuwerfen. Trotzdem hast du mich zum Nachdenken angeregt, der Papierverbrauch ist wirklich hoch, auch bei uns im Büro. Vielleicht wäre es eher ein Anfang, Papier bei Versandaktionen zu sparen. Gab es da nicht auch einen Beschluss auf dem letzten Bundesausschuss in Hannover?
ab und zu meine Nase in ein Buch stecken. Und du solltest wenigstens in unserer Mittagspause mal den „Strom abstellen“. Florian: Hä, das verstehe ich nicht ganz. Michèle: Wie wäre es mit Energiesparmodus? Florian: Akku alle. (Lach)
13 Seite Verbandskasten
November 2017
Die Bundesleitung berichtet Begegnungen, Demonstrationen und Wahlen... Die Sonne strahlte über dem historischen Weimar, als sich rund 100 Delegierte, Mitarbeitende und Gäste Ende April zur Bundeskonferenz unserer Naturfreundejugend trafen. Die Bundeskonferenz ist das höchste Verbandsgremium und wir beraten auf ihr unsere Verbandspolitik. Teil der Bundeskonferenz sind auch die Wahlen zur Bundesleitung. Die lockten das Strahlen letztendlich auch auf unsere Gesichter, denn uns wurde das Vertrauen der Delegierten geschenkt.
Motto der Tage in Weimar und gleichzeitig einer unserer Schwerpunkte war und ist „Naturfreundejugend grenzenlos“. Grenzenlosigkeit bedeutet für uns, dass wir uns gegen Barrieren in unserem Land und in den Köpfen unserer Mitbürger*innen einsetzen. Aktuell bearbeiten wir vor allem die Themen Überwindung von Barrieren für Geflüchtete, Kinder in Armut und Menschen mit Behinderung. Grenzenlos – so wollen wir unsere Formate der Bildungs- und Begegnungsarbeit ver-
standen wissen und zu internationalem und interkulturellem Austausch kommen. Wie Tina, die für uns das Fachkräfteprogramm in Aserbaidschan mitgestaltete und Frauke, die für uns am deutsch-senegalesischen Jugendaustausch teilnahm. Die internationale Jugendarbeit wird einer unserer Schwerpunkte bleiben. Grenzenlos solidarisch – das ist für uns auch eine politische Position, die wir in Gesprächen mit dem SPD-Parteivorsitzenden Martin Schulz und der amtierenden Umweltministerin Barbara Hendricks vertraten. Das bedeutet für uns auch, dort zu demonstrieren, wo wir eine andere Position zu Politik und Gesellschaft haben: Gegen den G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg, für eine nachhaltige Landwirtschaft oder für fairen Welthandel. Grenzen abbauen ist für uns aber auch ein innerverbandliches Thema. Wir wollen die Verbindung zu Aktiven in unseren Landesverbänden stärken und mehr Austausch und Zusammenarbeit mit den Kinder- und
Wie Tina, die für uns das Fachkräfteprogramm in Aserbaidschan mitgestaltete und Frauke, die für uns am deutsch-senegalesischen Jugendaustausch teilnahm. Die internationale Jugendarbeit wird einer unserer Schwerpunkte bleiben. Jugendleitungen aus ganz Deutschland ermöglichen. Auf internationaler Ebene sind wir diesbezüglich bereits ein Schritt weiter: Unser Bundesleitungsmitglied Sina wurde auf dem Council der IYNF (International Young Naturefriends) im August in Frankfurt als Vizepräsidentin in das Präsidium gewählt. Nicht zuletzt vertritt uns Malin weiter im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands. Weder akzeptieren noch tolerieren wollen wir dagegen, dass rund um die Bundestagswahl zunehmend die Grenzen dessen gefallen sind, was in unserem Land laut gesagt und vertreten wird. Rassistische Reden und Positionen sowie nationalistisches Gedankengut haben wieder Einzug in Gesellschaft und Bundestag erhalten und fordern uns als Demokrat*innen heraus, unser Bild einer offenen und solidarischen Gesellschaft noch entschiedener zu vertreten. Dabei müssen wir das, was wir uns für die Gesellschaft wünschen, innerverbandlich selbst vorleben: Nachhaltigkeit im Handeln und Solidarität im Miteinander. Gemeinsam mit Euch allen. Denn: Die Naturfreundejugend Deutschlands, das sind wir alle!
Ehrenamtliche Bundesleitung (von links nach rechts): Sezen, Wendelin, Tina, Frauke, Florian, Sina, Jannis, Malin
von Wendelin Haag
Für die Bundesleitung der Naturfreundejugend Deutschlands
Verbandskasten Seite 14
November 2017
COP, COY und Kipp-Elemente Zum 23. Mal findet die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen statt – diesmal in Bonn! Janinka und Tilo wollen als Naturfreund*innen dabei nicht nur tatenlos zusehen, sondern sich vor Ort für den Klimaschutz starkmachen. Vor ihrer Abfahrt hatten wir noch ein paar Fragen:
COP und COY, das sind jeweils drei mysteriöse Buchstaben. Was heißt das genau und was ist da los? Tilo: Auf der Conference of the Parties (COP), der internationalen Klimakonferenz, verhandeln vom 6. bis 17. November Vertreter*innen von fast 200 Ländern und der Zivilgesellschaft darüber, wie die Welt es schaffen kann, den Klimawandel zu begrenzen. Vorher findet vier Tage lang die Jugendkonferenz (Conference of Youth – COY) statt.
Und wie kann man sich als junger Mensch dort einbringen? Janinka: Vor allem die COY bieten jungen Menschen aus aller Welt die Chance, sich auszutauschen, Erfahrungen und Ideen zu teilen und gemeinsam Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Gleichzeitig ist der internationale Ansatz eine super Möglichkeit, sich über Auswirkungen des Klimawandels, Anpassungs- und Vermeidungsmaßnahmen sowie weitere aktuelle Themen des Umweltschutzes zu informieren. Und auch auf der COP gibt es beispielsweise einen Jugenddialog.
Tilo Podstatny-Scharf
2 Grad Erwärmung klingt nicht viel. Ist die strenge Begrenzung, die gefordert wird, wirklich so wichtig? Tilo: Es geht ja nicht darum, ob wir zukünftig im Sommer bei 30° oder bei 32° baden gehen. Ziel ist, dass die globale Temperaturerhöhung im Durchschnitt auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor der Industrialisierung, also um 1850, begrenzt wird. Das ist ein großer Unterschied. Wissenschaftler*innen können zeigen, dass bei einer stärkeren Erwärmung mit hoher Wahrscheinlichkeit ganze Systeme auf unsere Erde schlagartig und unumkehrbar anders funktionieren. Solche Systeme nennt man auch „Kipp-Elemente“. Ein Beispiel ist der indische Sommermonsun. Die Niederschläge, die er bringt, werden durch die Erderwärmung deutlich mehr. Was dann passiert, konnten wir diesen Sommer schon beobachten...
Was müsste passieren, damit du zufrieden nach Hause fährst? Janinka: Ich möchte die Chance nutzen, mich zu informieren, mich mit anderen über den Klimaschutz auszutauschen und mich mit ihnen gemeinsam für unsere Ziele einzusetzen. Wichtig ist mir auch, dass die Vertragsstaaten der COP eine vernünftige Entscheidung treffen und möglichst viele Menschen das öffentliche Programm nutzen, an den Veranstaltungen teilnehmen und so ein Zeichen für den Klimaschutz setzen.
Janinka Lutze Du willst wissen, was Janinka, Tilo und andere junge Menschen in Bonn erleben? Dann bleib durch unsere Webseite (www. naturfreundejugend.de/klima) und Facebook (www.facebook.com/naturfreundejugend.deutschlands) auf dem Laufenden. Auch unsere Klimadelegation vom Jugendbündnis Zukunftsenergie (JBZE) berichtet von den Verhandlungen: www.klimadelegation.de Das Interview führte Larissa Donges
15 Seite Verbandskasten
November 2017
Vergeben, aber nicht vergessen
Wir haben Glück. Gerade auf der Fahrt hat es noch in Strömen geschüttet, jetzt scheint wieder die Sonne. Wir sind in der „Mohrenstraße“ in Berlin. Wir, das sind dreiundzwanzig Personen und ich, zur Hälfte aus Deutschland, zur Hälfte aus dem Senegal. Und dann ist da Stefan, der uns mitnehmen will auf die Spuren des Kolonialismus in Deutschland. Die erste Spur zu finden ist nicht so schwer, schließlich prangt direkt neben uns das Schild „Mohrenstraße“. Ich erinnere mich noch gut an die „Pink Rabbit“-Aktion der Berliner Naturfreundejugend, die die Straße durch zwei Punkte einfach in „Möhrenstraße“ umbenannten. Doch für
unsere Freund*innen aus dem Senegal ist die Sache erstmal verwirrend. Was bedeutet „Mohr“, inwiefern ist es ein schlimmes Wort und warum hat eine Straße in Berlin überhaupt diesen Namen bekommen? Es ist spannend und emotional, das Thema mal nicht aus der weißen Filterblase heraus zu betrachten. Wir gehen weiter, unterhalten uns über die Zur-Schau-Stellung von Menschen, die Aufarbeitung des Kolonialismus, die deutsche Rolle und über Kolonialwaren und deren Bewerbung. Zum Schluss sagt Aïssatou: „Wir können vergeben, aber wir werden nicht vergessen. Und eine Sache ist sicher:
Soziales Paddeln Naturfreund*innen haben gegen Nazis gekämpft und sind für ihre Überzeugungen gestorben. Unsere Organisation war in der Nazizeit in Deutschland verboten. Wir sollten der Erinnerung deshalb besonders verpflichtet sein und den Opfern des Naziregimes gedenken. Der Schwur von Buchenwald besagt „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig“. Dieser Schwur ist in der heutigen Zeit aktueller denn je. Um den Kampf gegen den Nazismus und seine Wurzeln (Kapitalis-
mus, Militarismus, Elitismus, Ausgrenzung etc.) effektiv führen zu können, ist es wichtig, die schrecklichen Auswirkungen des Nazismus niemals zu vergessen. Deshalb wollen wir vom 9. bis 13. Mai 2018 (über Christi Himmelfahrt) mit euch eine Gedenkstättenfahrt zum Mädchen- und Frauen-KZ Uckermark (nahe Fürstenberg) machen. Hier waren junge Mädchen und Frauen „inhaftiert“, die als (sexuell) verwahrlost und/oder arbeitsscheu galten und so angeblich dem gesunden Volkskörper schadeten. Sie alle wurden als „asoziale“ unter dem Symbol des schwarzen Winkels inhaftiert. Wir wollen uns auf der Fahrt mit diesen, im Naziregime als „Asozial“ markierten, Menschen beschäftigen. Wie wirkt dieses Wort auch nach der NS-Zeit weiter? Wer wird heute als asozial bezeichnet? Diese
Wir werden nicht zulassen, dass so etwas je wieder passiert.“ Es sind Momente wie diese, die einem im Gedächtnis bleiben. Die Fragen und Herangehensweisen sind teilweise verschieden, aber die Basis, eine weltoffene Einstellung und junge Sicht, ist gleich. Dies macht internationalen Austausch so interessant und einzigartig. Mehr zum Austausch unter www.naturfreundejugend.de/ engagementglobal
Fragen wollen wir in Tradition des sozialen Wanderns behandeln, draußen unter freiem Himmel und fortbewegend (jedoch mit dem Kanu statt zu Fuß, also „soziales Paddeln“). Am Ende möchten wir uns vor Ort nützlich machen und die Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V mit unserer Arbeitskraft unterstützen.
von Jannis Gustke
Verbandskasten Seite 16
November 2017
Zwei Jahre für eine Idee
Vor zwei Jahren hatten die Naturfreundejugend Teutoburger Wald und die NaturFreude Bielefeld eine gemeinsame Idee. Aus einem 200 Jahre altem, denkmalgeschütztem Gebäude – dem sogenannten Bootshaus – sollte eine Boulderhalle und ein Ort für Verbandsaktivitäten entstehen. Aus der Idee ist nun Wirklichkeit geworden. Nach zwei intensiven Jahren feierte der „Meierhof“ im Juni 2017 seine Eröffnung. Möglich war dies nur durch das riesige, ehrenamtliche Engagement. Bei Arbeitseinsätzen an fast jedem Samstag wurde geschaufelt, geschleppt, gestrichen, gesägt, gehämmert, verputzt, aufgeräumt, gemauert und noch einiges mehr. Kurz gesagt: All das, wofür keine Fachfirmen nötig waren, wurde selbst in die Hand genommen – unter der Beachtung denkmalgeschützter, ökologischer und klimafreundlicher Aspekte. Dabei kamen über 80 freiwillige Mithelfer*innen aus allen Altersklassen zusammen. Finanziert wurde das Unterfangen zu gleichen Teilen durch kleine Spenden, Eigenkapital der NaturFreunde und Fördermittel des Landes NRW. Nun ist der Meierhof Dreh und Angelpunkt vieler Aktivitäten. Die Boulderhalle im Dachgeschoss mit etwa 200 m² Kletterfläche wird von Jung und Alt genutzt, vom Bootslager brechen Kajaktouren auf und in der Sauna ist Entspannung angesagt. Auch das Büro der Naturfreundejugend Teutoburger Wald ist hier und nutzt die Tagungsräume für Diskussionsrunden und Landesleitungssitzungen. Wir finden: ein tolles Beispiel für naturfreundliches Engagement! von Steffen Filz
Natursportangebote mit den Naturfreunden
03/01/18 07/01/18
Ort
NF-Preis
Gast-Preis
Grainau
350,00*
650,00*
Grainau
350,00*
600,00*
Grainau
175,00*
300,00*
Unterjoch/ Allgäu
140,00**
180,00**
Kiefersfelden
350,00*
600,00*
Teste Schneesportaktivitäten deiner Wahl: von Anfängerkursen im Ski alpin und Snowboard bis zu Tiefschneefahrten und Skitouren für Fortgeschrittene.
08/01/18 12/01/18 Gefällt dir das Erklimmen der Berge und die anschließende Abfahrt mit Ski oder Snowboard? Dann ist das Skitourencamp das Richtige für dich.
19/01/18 21/01/18 Du hattest keine spezielle Schnee- und Lawinenkunde, willst aber trotzdem im winterlichen Gebirge unterwegs sein? Dieser Lehrgang vermittelt dir Grundwissen, um selbständig erste Beurteilungen der Lawinensituation vornehmen zu können.
19/01/18 21/01/18 Pistenspaß mit und ohne Handicap. In diesem Skikurs kannst du das Skifahren mit dem Monoski erlernen, egal ob du auf den Rollstuhl angewiesen bist oder nicht. Der Fortgeschrittenenkurs findet vom 16/03/18 - 18/03/18 statt.
24/04/18 02/05/18 In vier erlebnisorientierten/intensiven Tagen lernst du, wie du in der eigenen Ortsgruppe Mountainbiketouren im bekannten, heimischen Gelände durchführen kannst.
* inklusive Lehrgangsgebühr, Übernachtung, Halbpension ** inklusive Lehrgangsgebühr, Übernachtung, Halbpension, Leihgebühr, Monoski, Liftkosten Anmeldung und weitere Infos unter www.naturfreunde.de/natursport
Feuilleton Seite 18
November 2017
Held der Arbeit – Henrik Henrik ist Landesleitungsvorsitzender der Naturfreundejugend Teutoburger Wald, Trainer C im Alpinklettern und Mitglied der Fachgruppe Bouldern der NaturFreunde Bielefeld.
Danach suche ich auch grad. Ich glaube, Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen, hilft viel. Manchmal vielleicht auch einfach nicht drüber nachdenken, sondern einfach alles liegen lassen.
Wer bist du? Beschreib dich in drei Sätzen. Ich bin Henrik Sonnenburg, 29 Jahre alt und komme aus Bielefeld. Seit ca. 12 Jahren bin ich Naturfreund und bei der Naturfreundejugend im Kletter- und Kanu-Sport aktiv. Beruflich bin ich selbstständiger Zimmerermeister. Deshalb habe ich in den letzten zwei Jahren auch sehr gerne den Bau der Boulderhalle der NaturFreunde Bielefeld begleitet.
Ohne was kannst du nicht leben? Freunde und Familie.
Mit wem würdest du gerne einmal frühstücken und warum? Mit meinem Großvater, wenn er noch leben würde, da ich noch viel von ihm lernen könnte. Dein Rezept gegen Stress und zu viel Arbeit?
Was willst du der Welt mit auf den Weg geben? Kümmert euch drum, wir haben nur eine. Und denkt einmal mehr an andere. Man sagt zwar schnell „wenn sich jeder um sich selber kümmert, ist allen geholfen“, aber so leicht ist es dann doch oft nicht. Für mich ist die Naturfreundejugend.... ein Ort, um Gemeinschaft zu leben, um Neues zu entdecken, sich zu unterstützen und vor allem, um Spaß zu haben.
von Jannis Pfendtner
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Bewegung(en)“ in kurzen und prägnanten Texten vor. Es beschreibt Gruppen, die für ein „Recht auf Stadt“ kämpfen, genauso wie Anti-Kohle-Aktivist*innen. Es geht um die Rolle von Gewerkschaften, wie auch darum, was Urban-Gardening bewegt, um das Konzept des Guten Lebens („Buen Vivir“) aus Lateinamerika oder die Bewegung der spanischen Platzbesetzungen. Gemeinsam ist allen die kritische Auseinandersetzung mit den problematischen
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Viele dieser Projekte beziehen sich auf eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren unter Bezeichnungen wie „Degrowth“ oder „Postwachstum“ versammelt hat. Auch wir als Naturfreundejugend zählen dazu. Die verschiedenen Akteur*innen dieser Bewegung stellt das Buch „Degrowth in
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Gemeinsam ist allen die kritische Auseinandersetzung mit den problematischen Folgen des Wirtschaftssystems.
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Weit im Südwesten Deutschlands treffen sich Anfang September mehrere junge Naturfreund*innen. Für mehrere Tage wollen sie mit der alten NaturFreunde-Tradition „Soziales Wandern“ Freiburg und Umgebung erkunden. Sie besuchen Projekte der sozial-ökologischen Transformation, wie Unverpackt-Läden, Gemeinschaftsgärten und solidarische Landwirtschaftsbetriebe. Dort finden sie Veränderung im Kleinen – manchmal für sich, oft aber auch mit dem Gedanken einer graswurzelartigen Ausbreitung.
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Degrowth in Bewegung(en): 32 alternative Wege zur sozial-ökologischen Transformation.
Folgen des Wirtschaftssystems. Immer mehr Gruppen scheinen von ihren eigenen Kämpfen wieder zu einer breiteren Kritik am Kapitalismus zu kommen. Auch als Naturfreund*innen haben wir diesen Ansatz: Soziale und ökologische Widersprüche benennen und dabei über den Kapitalismus hinausdenken.
von Jannis Pfendtner
Tanja Kelm