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Ammoniakreduktion in der Landwirtschaft Katharina Isepp, LL.M. MSc
AMMONIAKREDUKTION IN DER LANDWIRTSCHAFT: DIE ZEIT DRÄNGT
Die vorwiegend anthropogen verursachte Luftverschmutzung ist zurzeit das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in der EU und eine der Hauptursachen für Erkrankungen wie Asthma, Herz-Kreislauf- Probleme und Lungenkrebs. Darüber hinaus sind rund zwei Drittel der Ökosystemflächen, wie Wald, Moore und Grünland, einer übermäßigen Anreicherung von Nährstoffen ausgesetzt.1 Ammoniak spielt bei der anthropogen verursachten Luftverschmutzung eine wichtige Rolle. Der Großteil davon stammt aus der Landwirtschaft, deshalb müssen hier dringend Maßnahmen zur Reduktion gesetzt werden.
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Als gasförmige Verbindung von Stickstoff breitet sich Ammoniak in der Atmosphäre aus und lagert sich in Ökosystemen ab, wo es zu problematischen Eutrophierungs- und Versauerungseffekten in Böden und Gewässern sowie direkten Schäden an empfindlichen Pflanzen kommt. Darüber hinaus kann Ammoniak auch mit anderen Luftschadstoffen reagieren und dabei die aus gesundheitlicher Sicht besonders problematischen Feinstaubpartikel bilden. So sind EUweit pro Jahr rund 380.000 vorzeitige Todesfälle auf die Verschmutzung der Luft durch Feinstaub zurückzuführen, 6.100 davon in Österreich.2
Die EU gibt Grenzwerte und Reduktionsverpflichtungen vor Die Emission von Luftschadstoffen wird seit Jahrzehnten kontrolliert, um die schädlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung zu minimieren. Der nationale Rechtsrahmen ist dabei, wie für das Umweltrecht in vielen Bereichen typisch, von Unionsrecht bestimmt. Für eine Reihe von Schadstoffen werden von der EU Luftqualitätsnormen vorgegeben, die auf wissenschaftlichen Empfehlungen wie den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation basieren.3 Darüber hinaus sind von den EU-Mitgliedstaaten für bestimmte Luftschadstoffe auch nationale Reduktionsverpflichtungen zu erfüllen. Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung um mehr als die Hälfte und die Anzahl der durch Luftverschmutzung in ihrer biologischen Vielfalt bedrohten Ökosystemflächen um ein Viertel zu reduzieren.4
Vor allem in der europäischen Landwirtschaft ist Ammoniak eines der „Sorgenkinder“, da es zu über 90 % aus landwirtschaftlichen Emissionsquellen stammt. Es entsteht hauptsächlich bei der Tierhaltung, dem Abbau von organischen und mineralischen Düngemitteln sowie bei der Lagerung von Wirtschaftsdünger. Mit der EU-Richtlinie über die Reduktion der nationalen Emissi-
Die Art der Gülleausbringung hat unmittelbaren Einfluss auf die Ammoniakemissionen. FOTO: PIXABAY/MYRIAM
onen bestimmter Luftschadstoffe (NEC-Richtlinie)5 wurden den Mitgliedstaaten für fünf Luftschadstoffe – darunter Ammoniak – zum Teil sehr ambitionierte Emissionsreduktions- Verpflichtungen für den Zeitraum 2020 bis 2029 sowie ab dem Jahr 2030 vorgegeben.6
Ammoniakemissionen steigen immer noch Während die Ammoniakemissionen in der EU insgesamt in den letzten Jahren leicht rückläufig waren, blieben sie in einigen Mitgliedstaaten auf konstantem 0 Niveau oder haben in den vergangenen Jahren sogar zugenommen (vgl. Abbildungen). In Österreich wurde sogar ein Anstieg der Ammoniakemissionen von 6 % gegenüber dem Basisjahr 2005 verzeichnet.7 Anders als bei allen anderen Luftschadstoffen, die der NEC-Richtlinie unterliegen8 , sind die Emissionen in den letzten Jahrzehnten somit nicht zurückgegangen. Der steigende Trend bei Ammoniak ist vor allem auf die vermehrte Laufstallhaltung (aus Tierwohlgründen), die gesteigerte Milchleistung bzw. die damit einhergehende energiereichere Fütterung der Tiere, die Zunahme von Flüssigmistsystemen und den steigenden Einsatz von Harnstoff als Düngemittel zurückzuführen.9
Dem steigenden Trend der Ammoniakemissionen stehen die Reduktionsverpflichtungen der NEC-Richtlinie von 1 % ab 2020 sowie 12 % ab 2030 gegenüber. Werden diese Ziele nicht erreicht, würden nicht nur die genannten negativen Umwelt- und Gesundheitseffekte weiterbestehen und sogar verstärkt, sondern es droht Österreich dann auch wegen des Verstoßes gegen Unionsrecht ein Vertragsverletzungsverfahren, das in letzter Konsequenz zu Sanktionszahlungen in Millionenhöhe führen könnte. Es besteht somit dringender Handlungsbedarf, der keinen weiteren Aufschub duldet!
Mit den bisher auf freiwilliger Basis beruhenden Maßnahmen konnten die Emissionen nicht reduziert wer-
120
100
80
60 Entwicklung der Luftschadstoffe in der EU ausgehend von 2005 (100 %)
40 NOx NMVOC SO2 20 PM2,5 NH3
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Ammoniak (NH3) ist der am schwierigsten in den Griff zu bekommende Luftschadstoff in der EU.
… und in Österreich 120 100 80 60 40 NOx NMVOC SO2 20 PM2,5 NH3 0
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Österreich ist eines der wenigen EU-Länder, in denen die AmmoniakEmissionen seit 2005 entgegen dem EU-Trend sogar angestiegen sind. 1 Europäische Kommission, Zweiter Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität (2021), S. 1. 2 Europäische Umweltagentur, Air quality in Europe – 2020 report (2020), S. 108. 3 Weltgesundheitsorganisation, WHO Global Air Quality Guidelines (Update 2021). 4 Europäische Kommission, EU-Aktionsplan „Schadstofffreiheit von Luft, Wasser und Boden“ (2021), S. 4. 5 Richtlinie (EU) 2016/2284 über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe, zur Änderung der Richtlinie 2003/35/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/81/EG, ABl. L Nr. 344 S. 1 vom 17.12.2016. 6 Jeweils als relative Ziele gegenüber dem Basisjahr 2005. Die Verpflichtungen der NEC-Richtlinie wurden in Österreich mit dem Emissionsgesetz Luft 2018 (EG L 2018) in nationales Recht umgesetzt. 7 Umweltbundesamt, Emissionstrends 1990–2019 (2021), S. 42. 8 Schwefeldioxid, Stickoxide, flüchtige organische Verbindungen und Feinstaub PM2,5. 9 Nationales Luftreinhalteprogramm gemäß § 6 EG L 2018 (2019), S. 39 f.