ZEITSCHRIFT DES | naturschutzbund | Heft 2-2022
Maria Sibylla Merian
Schmetterlinge und Kunst LUCHSE
Scheitern sie am Weg zurück? Amphibienschutz
Neues System entwickelt
NATUR DES JAHRES 2022
Reihe
WAS SPENDENGELDER ERMÖGLICHEN ...
PROJEKT 32
UNTERSTÜTZUNG FÜR DEN WIEDEHOPF
FOTO: SIEGFRIED DOLLENTZ
Das Einflugloch des Nistkastens muss 30 bis 50 Zentimeter über dem Boden angebracht sein. Befindet sich der Kasten höher, zieht der Star als dominanterer Brutkonkurrent ein und vertreibt den Wiedehopf. FOTO: HEIDI KURZ
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er Wiedehopf gilt in Österreich als stark gefährdet, in mehreren Bundesländern sogar als vom Aussterben bedroht, Oberösterreich ist eines davon. In den letzten Jahren gab es dort nur noch einzelne Brutnachweise. Der Naturschutzbund Oberösterreich greift nun mit finanzieller Unterstützung der Steuerberatungsfirma BDO diesem „Punk“ unter den Vögeln „unter die Flügel“. Der Wiedehopf lebt bevorzugt in trocken-warmer Kulturlandschaft mit extensiver Bewirtschaftung. In Oberösterreich nutzt er vor allem Magerwiesen und Viehweiden. Wichtig ist lockerer Baumbestand im Umfeld,
häufig sind es alte Streuobstwiesen und kleine Feldgehölze, die neben Deckung ein hohes Angebot an Fäulnis- und Spechthöhlen als Brutplatz bieten. Dauerhaft kurzrasige Flächen mit gleichzeitig schütterer Vegetation und lockerem Bodensubstrat braucht er zur Nahrungssuche nach Großinsekten. Der Naturschutzbund stellt nun an ausgewählten Standorten in Oberösterreich Spezial-Nistkästen auf, um durchziehende Wiedehopfe hier zum Brüten zu animieren. Die Kästen werden regelmäßig von Expert*innen kontrolliert und gereinigt.
Ihre Spende unterstützt dieses Projekt
In jeder Ausgabe stellen wir Ihnen ein beispielhaftes Naturschutzprojekt vor, das mit Spendengeldern an den | naturschutzbund | ermöglicht wurde oder daraus mitfinanziert werden konnte.
KONTAKT
Spendenkonto P.S.K. IBAN AT74 6000 0501 1014 0425 BIC BAWAATWW
Naturschutzbund Österreich Museumsplatz 2 5020 Salzburg, T +43 662 642909, E-Mail: bundesverband@ naturschutzbund.at www.naturschutzbund.at
EDITORIAL
LIEBE LESERINNEN UND LESER, manchmal kommt es anders als man denkt! Eigentlich wollten wir Ihnen ja in dieser Ausgabe von natur&land die neue Biodiversitätsstrategie vorstellen. Wir hatten auch schon alles geplant, inkl. Ideen, welche Personen wir zu Wort kommen lassen wollten. Einziges Problem: Die Biodiversitätsstrategie ist noch nicht fertig! Deshalb mussten wir diesen Schwerpunkt leider verschieben. Ich bin aber sicher, dass Sie in dieser Ausgabe unserer Zeitschrift dennoch viele für Sie interessante Beiträge finden werden. Allein die „Arten des Jahres 2022“ zeigen schon die große Vielfalt unserer Natur und auch die Herausforderungen, die mit ihrem Schutz verbunden sind. So ist es kein Zufall, dass der Luchs diesmal zum „Tier des Jahres“ gewählt wurde: ein großer Beutegreifer, der nach Jahrzehnten der Abwesenheit wieder nach Österreich zurückgekehrt ist, sich aber weiterhin schwertut, hier dauerhaft Fuß zu fassen. Vor allem mit der kleinen Population in den oberösterreichischen Kalkalpen steht es nicht zum Besten. Informationen dazu gibt es auf den Seiten 10, 40 und 41.
... meint Ihre
Mag. Dagmar Breschar Chefredakteurin dagmar.breschar@naturschutzbund.at
Vielleicht interessieren Sie sich aber mehr für unsere Amphibien? Der steirische Naturschutzbund war maßgeblich an der Entwicklung einer neuen Ausstiegshilfe für Kleintiere aus Kanalschächten beteiligt, in denen zahllose Tiere regelmäßig den Tod finden. Das Neue dabei ist, dass das Produkt einfach anwendbar und trotzdem sehr effizient ist. Den Bericht dazu finden Sie auf den Seiten 34 und 35. Ganz anders und doch sehr passend zu unseren Themen ist der Beitrag auf den Seiten 30 und 31 über Maria Sibylla Merian, die faszinierende Schmetterlingsforscherin und -malerin aus dem 17. Jahrhundert. Lassen Sie sich von ihren Zeichnungen verzaubern und vielleicht motiviert Sie der Beitrag ja sogar zum Besuch der ihr gewidmeten Ausstellung in Gmünd in Kärnten, zu der der Naturschutzbund mit einem Gewinnspiel einen Beitrag leistet. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Beiträge, die allerdings nur einen kleinen Teil unserer Anliegen vermitteln können. Vielleicht war es deshalb gar nicht so schlecht, dass die Biodiversitätsstrategie nicht fertig wurde, denn sonst hätten wir hier viel weniger dieser Themen untergebracht – Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
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FOTO: PRIVAT
INHALT
Einladung zum Wettbewerb: Alpenpflanzen gesucht!
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Neue Präsidentin in Wien: Maria Hoi-Leitner
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Neuer Obmann in Kärnten: Klaus Krainer
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Maria Sibylla Merian und ihre Schmetterlinge
FOTO: PRIVAT
FOTO: SIGRID STAUDACHER
01 Editorial 02 Inhalt
PERSONELLES 04 Auszeichnungen: Klaus Kugi in Kärnten, Ingrid Hagenstein und Hannes Augustin in Salzburg 05 Nachruf: Bernhard Müller Mag. Dagmar Breschar 06 Neue Präsidentin des Naturschutzbundes Wien: Maria Hoi-Leitner 07 Neuer Obmann des Naturschutzbundes Kärnten: Klaus Krainer
28 Über 100 Wildkatzennachweise in Österreich Ingrid Hagenstein 30 Maria Sibylla Merian: ein Leben für die Schmetterlinge Dr. Erika Schuster 32 Hummelmeldeaufruf 33 Alpenpflanzen-Wettbewerb: „Alpenblumen gesucht!” Mag. Gernot Neuwirth 34 Neues Ausstiegshilfesystem aus Schächten für Kleintiere Dr. Frank Weihmann 36 Projekt: Raine Vielfalt 37 Weitere Naturflächen im Burgenland freigekauft Dr. Klaus Michalek 38 Artenschutz: Mit dem Bagger Lebensräume schaffen Mag. Margit Gross 39 Jubiläum: 25 Jahre Nationalpark Kalkalpen Julia Kropfberger & Josef Limberger 40 Nationalpark Kalkalpen: Scheitern Luchse am Weg zurück? Mag. Franz Sieghartsleitner 42 Wolf, Fischotter & Co.: Verordnungen sollen’s richten Lukas Ende MSc 48 Umweltallianz präsentiert Kaunertal-Erklärung 2022
MOTIV: KUNSTKABINETT STREHLER
NATUR ERLEBEN & SCHÜTZEN
Titelbild: Eurasischer Luchs (Lynx lynx) aus dem Nationalpark Kalkalpen FOTO: SCIENCEVISION
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Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
FOTO: WALTER HÖDL
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Natur des Jahres 2022 Tier des Jahres Blume des Jahres Mineral des Jahres Weichtier des Jahres Flechte des Jahres Lurch des Jahres Wassertier des Jahres Moos des Jahres Fledermaus des Jahres
U2 Was Spendengelder ermöglichen ... 44 Unser Bücher-Shop 45 Buchtipps (Buchhandel) 46 Adressen der Landesgruppen | Impressum 47 Vorschau | Abobestellung U3 Zugunsten der Natur mit Ihrem Letzten Willen U4 Alpenblumen gesucht! Gewinnspiel auf www.naturbeobachtung.at
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Höhlentier des Jahres Spinne des Jahres Streuobstsorte des Jahres Vogel des Jahres Gefährdeter Pilz des Jahres Nutztier des Jahres (Kleintiere) Nutztier des Jahres (Großtiere) Insekt des Jahres Neophyt des Jahres
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Artenschutz in Niederösterreich
FOTO: HAYMERLE
ab 08
Die Natur des Jahres 2022
Luchse im Nationalpark Kalkalpen
Projekt: Raine Vielfalt Jeder Quadratmeter zählt FOTO: THOMAS / PIXABAY
Fotografie im Blut ? Natur im Herzen ? Wir wollen Ihre Bilder !
www.piclease.com
Die Naturbildagentur
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PERSONELLES
FOTO: LPD WOLFGANG JANNACH
GROSSES EHRENZEICHEN DES LANDES KÄRNTEN FÜR KLAUS KUGI
LH Kaiser, Klaus Kugi, LR.in Schaar (v.l.)
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laus Kugi war 24 Jahre lang unermüdlich für den Naturschutzbund Kärnten im Einsatz und auch für die Kärntner Naturschutzjugend aktiv. In dieser Zeit erwarb er sich besondere Verdienste durch sein Engagement für den Erhalt der Kärntner Urforelle. Außerdem gelang es ihm die Lebensräume vieler bedrohter Arten durch Ankauf zu schützen, allen voran so einzigartige Pflanzen wie die Illyrische Gladiole in Oberschütt, die Gelbe Alpenrose, auch „Wunderblume von Lendorf“ genannt, bei Spittal sowie die Frühlings-Lichtblume in Treffen bei Villach. Heute ist der Naturschutzbund Kärnten Eigentümer vieler besonderer Naturflächen, darunter zahlreicher Moore. Im Rahmen der Jahres-
hauptversammlung des Kärntner Naturschutzbundes trat Klaus Kugi nun als Obmann zurück. Als Überraschungsgast stellte sich Landeshauptmann Peter Kaiser bei der Jahreshauptversammlung ein. Gemeinsam mit Naturschutzlandesrätin Sara Schaar zeichnete er Klaus Kugi mit dem Großen Ehrenzeichen des Landes Kärnten aus. Die Auszeichnung sei eine Würdigung für alles, wofür Kugi stehe, betonten Kaiser und Schaar und bedankten sich für das unermüdliche Engagement. „Nicht zuletzt Kugi und seinem Team ist es zu verdanken, dass es in Kärnten mittlerweile gelungen ist, fast ein Viertel der gesamten Landschaft zu schützen.“
UMWELTVERDIENSTZEICHEN DES LANDES SALZBURG
... überreicht von LH-Stv. Heinrich Schellhorn und LR.in Daniela Gutschi
Ausgezeichnet: HANNES AUGUSTIN ist als Geschäftsführer des Salzburger Naturschutzbundes seit mehreren Jahrzehnten eine der klarsten Stimmen für den Natur- und Umweltschutz im Bundesland Salzburg. Sein Engagement reicht aber weit über seine beruflichen Aktivitäten hinaus und erstreckt sich neben vielfältigen Initiativen zur Erhaltung von Natur und Landschaft auch auf die Anti-Atomarbeit, die Nutzung von erneuerbaren Energien, die Mobilitätswende oder Aktionen zur Erhaltung der freifließenden Strecke an der unteren Salzach.
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FOTOS: FRANZ NEUMAYR
Ausgezeichnet: INGRID HAGENSTEIN prägte als Chefredakteurin und Schriftleiterin der österreichweiten Zeitschrift natur&land über Jahrzehnte die ehrenamtliche Naturschutzszene Österreichs mit viel persönlichem Engagement mit. Sie initiierte viele Schwerpunktausgaben zu brandaktuellen Themen, wie z.B. zum Thema „Bestäuber in der Krise“. Durch sie entstand eine Zeitschrift, die Expertenwissen in verständlicher Art und Weise für alle Interessierten zugänglich macht. Darüber hinaus betreut sie seit Jahren ehrenamtlich die „Informations- und Meldestelle Wildkatze“ des Naturschutzbundes.
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Nachruf
In Erinnerung an Bernhard Müller 1946–2022
In Bernhards Leben nahm die Österreichische Naturschutzjugend (önj) einen großen Stellenwert ein. Immerhin konnte er dort zwei seiner wichtigsten Anliegen verbinden: junge Menschen zu fördern und die Natur zu schützen. Bereits als junger Bursch mit 14 Jahren begann seine Begeisterung für die önj – und zwar in der Lehrerbildungsanstalt durch seinen dortigen Biologielehrer Eberhard Stüber. Gemeinsam mit seiner Frau Erni gründete Bernhard dann 1971 die önj Lamprechtshausen. In den Gruppenveranstaltungen stand Geselligkeit ebenso im Mittelpunkt wie großartige Naturerlebnisse. Es gab Wanderungen, Zeltlager und gemeinsames Sitzen am Lagerfeuer, aber auch Umweltaktionen. Das begeisterte so viele Jugendliche, dass die önj Lamprechtshausen bereits drei Jahre nach ihrer Gründung mit 150 Mitgliedern die größte önj-Gruppe Österreichs war! Bernhard war aber auch abseits der Gruppenarbeit immer zur Stelle, wenn er gebraucht wurde – und er wurde oft gebraucht! Durch sein Verantwortungsbewusstsein und seine Verlässlichkeit war er 1976 der ideale Landesleiter für die Salzburger Naturschutzjugend. 1977, im Alter von nur 31 Jahren, wurde er für sein Engagement vom Naturschutzbund Österreich mit dem Goldenen Ehrenzeichen ausgezeichnet. 1985 wurde Bernhard auch zum Bundesleiter der önj gewählt, drei Jahre lang war er sogar Landes- und Bundesleiter gleichzeitig. Daneben knüpfte er ein bundesweites und auch internationales Netzwerk zugunsten der önj. Dabei blieb er stets bodenständig und war immer auch „vor der Haustür“ für die Natur im Einsatz, beispielsweise als Einsatzleiter der Österreichischen Berg- und Naturwacht im nördlichen Flachgau. 1995 kam noch eine weitere ehrenamtliche Funktion dazu: Bernhard wurde geschäftsführender Vizepräsident des Österreichischen Naturschutzbundes. Für Bernhards Engagement für den Naturschutz im Allgemeinen und die önj im Besonderen bedankte sich die Naturschutzjugend 2002 mit der Verleihung des „Ehrenrings der önj“. Diese Auszeichnung wurde in den inzwischen sieben Jahrzehnten des Vereins nur fünfmal vergeben. Auf diesen Ring war Bernhard besonders stolz und er trug ihn immer. Am 16. April 2022 hat uns Bernhard nach langer Krankheit für immer verlassen. Er wird uns als unermüdlicher Naturschützer und großer Menschenfreund in Erinnerung bleiben! Dagmar Breschar önj-Bundesleiterin 2001–2015
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FOTOS: PRIVAT
PERSONELLES
NEUE PRÄSIDENTIN DES NATURSCHUTZBUNDES WIEN MARIA HOI-LEITNER
Im März dieses Jahres übernahm Maria Hoi-Leitner von Peter Weish die Leitung des Wiener Naturschutzbundes. Die Biologin im Porträt.
Kontakt: Dr. Maria Hoi-Leitner wien@naturschutzbund.at
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Wie sind Sie zum Naturschutzbund gekommen? Dafür waren meine Artenschutzprojekte der Auslöser. Ich habe zum Populationsstatus, zur Nist- und Nahrungshabitatnutzung sowie zum Schutz der Dohle in Wien gearbeitet. Das Thema passt ja gut zum Naturschutzbund, deshalb ergab sich dadurch der Kontakt. Das Mauerseglerprojekt von Ferdinand Schmeller von der MA22, in dessen Kernteam ich seit 2018 mitarbeite, wurde dann 2020 sogar vom Naturschutzbund Wien übernommen und auf sämtliche gebäudebrütende Vogelarten sowie Fledermausarten erweitert. Aktiv engagiere ich mich beim Wiener Naturschutzbund seit Anfang 2019. Damals habe ich die Erstellung des Veranstaltungsprogramms sowie die Schriftleitung und Redaktion der Wiener Naturschutz-Nachrichten übernommen und Social-Media- und Website-Beiträge verfasst. Und irgendwann wurde es dann mehr … Was gefällt Ihnen bei der Arbeit im Naturschutzbund? Es ist mir ein besonderes Anliegen, Menschen für die Natur zu sensibilisieren und sie dafür zu begeistern, sich gemeinsam für deren Erhalt einzusetzen. Ich bin ja auch Lehrerin und hier beim Naturschutzbund kann ich das auch außerhalb von Schule und Universität weitertragen. Aber auch die Vielfalt der Aufgaben im Verein, also die Kombination aus Umweltbildung, Aufbereitung von Fachwissen für die Öffentlichkeit, Forschung, Austausch mit Expert*innen und Aktivismus finde ich spannend. Wo möchten Sie Schwerpunkte setzen? Meine Schwerpunkte sehe ich im Bereich innovativer Umweltbildung, im Bündeln von Ressourcen durch die Kooperation mit anderen Naturschutzorganisationen und im gezielten Natur- und Artenschutz vor Ort. Wo sehen Sie Herausforderungen? Es werden derzeit Anliegen an uns herangetragen, denen wir natürlich gerecht werden wollen. Als rein ehrenamtlich arbeitendes Team stoßen wir da manchmal an unsere Grenzen. Dennoch schaffen wir mit unseren relativ bescheidenen Ressourcen ziemlich viel. Es ist wirklich großartig zu sehen, wie verantwortungsvoll und motiviert unsere ehrenamtlich arbeitenden Mitarbeiter*innen mit ihren Aufgabenbereichen umgehen. Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
PERSONELLES
NEUER OBMANN DES NATURSCHUTZBUNDES KÄRNTEN KLAUS KRAINER FOTO: PRIVAT
Im Mai löste Klaus Krainer den langjährigen Obmann des Kärntner Naturschutzbundes, Klaus Kugi, ab. Der Botaniker im Porträt.
Was gefällt Ihnen bei der Arbeit im Naturschutzbund? Damals war es die Möglichkeit, praktischen Naturschutz zu betreiben, so haben wir auch mit Dietmar Streitmaier die „Arbeitsgruppe Naturschutz aktiv“ gebildet. Nach der Trennung vom Naturschutzbund im Dezember 1992 wurde daraus der Verein „Arge NATURSCHUTZ“ gegründet, deren Geschäftsführer ich heute bin. Wo werden Sie Schwerpunkte setzen? Die Grundstücke des Naturschutzbundes werden ganz klar einen Schwerpunkt bilden. Zuerst muss ich mir einen Überblick über die Eigentums- und Pachtverhältnisse verschaffen und wie der Zustand der Flächen ist. Daraus soll dann ein Handlungsleitfaden entstehen. Das Management der 400 ha Grundstücke ist sicherlich die größte Herausforderung, deshalb möchte ich auch schauen, ob es dabei Synergien mit
dem Flächenmanagement der „Arge NATURSCHUTZ“ gibt. Darüber hinaus wollen wir die „Aktion Wiedehopf“ weiterführen und auch in Zukunft wertvolle bedrohte Lebensräume ankaufen. Auch die Arbeiten zum Schutz der „Urforelle Kärnten“ sollen weiterlaufen. Ich habe Klaus Kugi gebeten, dieses Projekt weiterzuführen. Und das „Grüne Band“ in Kärnten ist mir ein großes Anliegen, das möchte ich wieder stärker in den Köpfen der Leute verankern. Vielleicht lässt sich das in Kombination mit den Narzissen in den Karawanken umsetzen. Die Marktgemeinde St. Jakob im Rosental möchte ich dafür als Projektträger gewinnen, um gemeinsam mit ihrer Partnergemeinde Jesenice ein entsprechendes Projekt zu initiieren. FOTO: OTTO REDER
Wie sind Sie zum Naturschutzbund gekommen? Nach meiner Rückkehr vom Studium in Innsbruck im Herbst 1988 nahm ich Kontakt zum damaligen Naturschutzbund-Obmann Wilhelm Wruß auf, um zu fragen, ob es eine Möglichkeit gebe, beim Naturschutzbund zu arbeiten. Herr Wruß war sehr aufgeschlossen und hat sich dafür eingesetzt, dass ich nach meinem Wehrdienst ab 1. Juni 1989 im Rahmen des „Akademikertrainings“ für sechs Monate angestellt werden konnte. Damals bin ich auch dem Naturschutzbund Kärnten beigetreten.
Trockenstandorte mit ihrer speziellen Flora, wie z. B. der Schwarzen Küchenschelle, faszinieren Klaus Krainer ganz besonders.
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Das sind große Aufgaben, wie kann die Umsetzung funktionieren? Wir haben wieder ein gutes und motiviertes Team. Mit Klaus Kugi sind ja einige Vorstandsmitglieder zurückgetreten. Deshalb war es mir wichtig, neben den weiterhin aktiven Mitarbeitern (Anm.: Landesjägermeister Walter Brunner und Wolfgang Kucher) Personen ins Team zu holen, mit denen ich seit vielen Jahren, teilweise bereits seit 30 Jahren, erfolgreich zusammenarbeite. Mit diesem Team werden wir den Naturschutzbund Kärnten auch in Zukunft gut voranbringen.
Kontakt: Mag. Klaus Krainer office@arge-naturschutz.at
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DIE NATUR DES JAHRES 2022 FOTOS: JOSEF LIMBERGER (1), ROMAN TÜRK (2), ROBERT KRICKL (3), ROBERT PATZNER (4), WOLFGANG VON BRACKEL (5), TRAPP DHGT (6), DANIEL PELZ (7), MICHAEL LÜTH (8), ROGER JAGERSBERGER (9), KATHARINA BÜRGER (10), ARNO GRABOLLE (11), SIEGFRIED BERNKOPF (12), OTTO SAMWALD (13), GERNOT FRIEBES (14), SISSY STRUBREITER (15), THOMAS SENDLHOFER (16), HARALD BRUCKNER (17) UND WOLFGANG HOLZNER (18).
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NATUR DES JAHRES
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Mit der Wahl verschiedener Organismen soll jedes Jahr Bewusstsein für diese geschaffen und oft auch auf ihre Gefährdung aufmerksam gemacht werden. In vielen Fällen steht die Art auch stellvertretend für eine ganze Artgruppe oder ist Botschafterin für einen besonderen Lebensraum. An der Wahl zur Art des Jahres sind je nach Organismengruppe unterschiedliche Organisationen beteiligt.
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Einige Besonderheiten jeder Art stellen wir Ihnen auf den nächsten Seiten vor. Detailliertere Informationen finden Sie auf www.naturschutzbund.at
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TIER DES JAHRES 2022
EURASISCHER LUCHS
FOTO: JOSEF LIMBERGER
(LYNX LYNX)
Der scheue Waldbewohner ist ein schneller Kurzstreckenläufer und geschickter Kletterer mit ausgezeichnetem Seh- und Gehörsinn. Eine Maus hört er sogar, wenn sie 50 Meter entfernt ist! Charakteristisch für den Luchs sind der verhältnismäßig kurze Schwanz mit schwarzer Spitze und die Ohren mit den etwa vier Zentimeter langen dunklen Haarbüscheln (Pinsel). Das Fellmuster eines Luchses ist so einzigartig wie ein menschlicher Fingerabdruck. Luchse sind Einzelgänger. In unseren Breiten beanspruchen sie zwischen 50 und 400 km2 für sich, wobei sich die Reviere von Weibchen (Katze) und Männchen (Kuder) überlappen. Die Jungen machen sich etwa im Alter von zehn Monaten auf die Suche nach einem eigenen Revier. Als ausgewachsen gelten Luchse am Ende des zweiten Lebensjahres. Die Katzen sind im zweiten, Kuder im dritten Lebensjahr geschlechtsreif. In freier Natur werden sie maximal zehn bis fünfzehn Jahre alt. Der Luchs ist ein Pirsch- und Lauerjäger, der sich an seine Beute anschleicht und sie nur auf einer kurzen Strecke und mit wenigen großen, bis zu sieben Meter weiten Sätzen verfolgt. Hauptnahrung sind kleine und mittelgroße Huftiere wie Reh und Gams, aber auch Mäuse und gelegentlich auch Füchse, Feldhasen und Vögel. Dass der Luchs seine Beute von Bäumen aus anspringt, ist ein Mythos aus alten Zeiten. Wo Luchse leben Der Luchs liebt größere zusammenhängende Wälder mit ausreichend Rehwild, dichtem Unterholz und Lichtungen, lebt aber auch in reich strukturierter Kulturlandschaft.
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Natürliche Luchsvorkommen gibt es in Europa heute noch in Nord- und Osteuropa. Dank Wiederansiedlungen ab den 1970er-Jahren (in der Schweiz, Tschechien, Slowenien, Deutschland und Österreich) gibt es auch in Mitteleuropa wieder mehrere, allerdings meist voneinander isolierte Populationen. Diese sind jedoch noch zu klein, um langfristig überlebensfähig zu sein. Aufgrund nur weniger Gründertiere weisen sie zudem eine geringe genetische Vielfalt auf. Daher ist die Vernetzung zwischen den Populationen zum Gen-Austausch ein wesentlicher Faktor für ihr langfristiges Überleben. Es braucht neben der Zuwanderung aber auch dringend weitere Ansiedlungen, denn der Luchs erobert neue Territorien nur äußerst langsam auf natürlichem Weg. Gefährdung Die größten Gefahren für Luchse in Mitteleuropa sind illegale Verfolgung, Tod durch Straßenverkehr und Lebensraumzerschneidung. Zudem stellen für die Populationen, an denen Österreich Anteile hat, Inzucht und eine daraus womöglich resultierende geringere biologische Fitness potentiell eine Gefahr dar. Das gilt insbesondere für das kleine Vorkommen in der Region Nationalpark Kalkalpen. Der Luchs ist in Österreich in allen Bundesländern ganzjährig geschont beziehungsweise nicht jagdbar.
Das Tier des Jahres für Österreich wird vom Naturschutzbund Österreich ernannt.
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NATUR DES JAHRES
Mit der Wahl der Einbeere zur Blume des Jahres soll auf den Schutz von alten, wilden und naturnahen Wäldern als artenreicher Lebensraum aufmerksam gemacht werden. Der oberirdische Teil der krautig wachsenden Pflanze wird zwischen 10 und 40 cm hoch. Am aufrechten kahlen Stängel befindet sich ein vierzähliger Blattquirl, bestehend aus breit-elliptischen grünen Laubblättern. In seltenen Fällen können es auch drei, fünf oder sechs Blätter sein. Die Ausbreitung erfolgt unter anderem über unterirdische Erdsprosse, sogenannte Rhizome. Nach der Blütezeit von Mai bis Juni bilden bestäubte Pflanzen bis September jeweils eine blauschwarze Beere mit einem Durchmesser von etwa 1 cm aus. Diese ist – wie auch die Wurzeln – giftig. Vögel können das Fruchtfleisch ohne Probleme verdauen und verbreiten die Samenkörner mit ihren Ausscheidungen.
BLUME DES JAHRES 2022
VIERBLÄTTRIGE EINBEERE
Lebensraum und Verbreitung Die Einbeere kommt in weiten Teilen Europas und Asiens vor. In Österreich besiedelt sie feuchte Laubwäl(PARIS der mit krautreichem Unterwuchs. In den Tieflagen ist die Einbeere vor allem in Auwäldern anzutreffen. Man findet sie aber auch bis hinauf in die Subalpinstufe, wo sie in Nadelmischwäldern wächst. Wilde und naturnahe Wälder sind Lebensraum für eine Vielzahl an Tieren, Pilz- und Pflanzenarten und schaffen optimale Bedingungen für den Fortbestand der Einbeere. Um diese Vielfalt und die wichtigen Ökosystemdienstleistungen unserer Wälder dauerhaft zu sichern und zu erhalten, müssen sie langfristig geschützt werden. Wissenswertes Die Beere und das Rhizom sind für Menschen giftig. Die darin enthaltenen Inhaltsstoffe sind Glykoside und Saponine, die die Pflanzen z. B. gegen krankheitserregende Pilze schützen. Früher galt die „Pestbeere“ als Heilpflanze gegen ansteckende Krankheiten. Heute wird die Einbeere noch vereinzelt in sehr kleinen Mengen in der Homöopathie eingesetzt.
QUADRIFOLIA)
Ab August entwickelt sich pro Pflanze eine einzige kirschgroße, blauschwarze Beere. FOTO: UDO STEINHÄUSER
Die vier Laubblätter sitzen wie ein Quirl unter der Blüte. In der Mitte der grünen Blütenblätter erkennt man den blauschwarzen Fruchtknoten. FOTO: ROMAN TÜRK
Ein Name aus der Mythologie Der Gattungsname Paris soll nach dem trojanischen Königssohn Paris benannt sein. In der griechischen Mythologie musste dieser den Zank der Göttinnen Hera, Pallas Athene und Aphrodite entscheiden. Die vier die Beere umgebenden Blätter stehen für die drei Göttinnen sowie Paris. Die Frucht symbolisiert den Zankapfel, um den sich alle scharen. Dieser ist natürlich giftig, löste doch Paris‘ Entscheidung den Trojanischen Krieg aus.
Die Blume des Jahres für Österreich wird vom Naturschutzbund Österreich ernannt. 2022 schließt er sich mit der Wahl der Vierblättrigen Einbeere (Paris quadrifolia) wieder der Wahl der Loki-Schmidt-Stiftung in Deutschland an.
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MINERAL DES JAHRES 2022
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SPODUMEN
(LiAl[Si2O6], MONOKLIN) Dieser Spodumen stammt von der Koralpe, wo sich eine der größten europäischen Lagerstätten dieses Minerals befindet.
Spodumen hat viele Erscheinungsformen. Spodumen aus Österreich, Hiddenit und Kunzit aus Afghanistan (v.l.) FOTOS: ROBERT KRICKL
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podumen besteht aus den chemischen Elementen Lithium, Aluminium, Silizium und Sauerstoff. Chemisch rein ist er farblos – jedoch führen in der Natur Verunreinigungen zu einer breiten Palette an Farben. Sehr reine Exemplare sind durchsichtig, meist führen Einschlüsse aber zu einer mehr oder weniger starken Undurchsichtigkeit. Seine Härte ist relativ hoch und liegt zwischen jener von Fensterglas und jener von Quarz. Erstaunlich ist die Größe, die Spodumen-Kristalle erreichen können: In österreichischen Vorkommen sind Kristalle von einigen Zentimetern Größe keine Seltenheit, sie erscheinen aber regelrecht winzig verglichen mit den bis zu fast 15 m langen Giganten aus den USA. Diese gehören zu den größten Kristallen, die bisher auf der Erde entdeckt wurden. Verbreitung Erstmals wurde Spodumen im Jahr 1800 in Schweden gefunden. Die zweite weltweit entdeckte Fundstelle lag im Alpenraum an der Grenze zwischen Nord- und Südtirol. Bald erkannte man nach weiteren Funden, dass Spodumen ein typisches Mineral von pegmatitischen Gesteinen ist – magmatische Erstarrungsprodukte von Schmelzen, die besonders reich an leichten chemischen Elementen sind. Bislang wurden mehrere hundert Spodumen-Vorkommen auf allen Kontinenten gefunden. Verwendung Optischen Reiz bieten die Schmuckstein-Varietäten: Als „Kunzit“ werden rosa bis violette, als „Hiddenit“
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grüne und als „Triphan“ gelbe Exemplare gehandelt, die facettiert durch einen ansprechenden Glanz überzeugen. Spodumen zeichnet sich aber auch durch vielseitige Verwendungsmöglichkeiten in Wirtschaft und Wissenschaft aus: Er enthält in großen Mengen das begehrte Element Lithium. Als wichtigstes Erz zur Gewinnung dieses Leichtmetalls ist er heute gefragter denn je, wächst der Hunger der Welt auf Lithium doch rasant an. Es ist einer der wichtigsten Bestandteile und namensgebend für die Lithium-Batterien und -Akkus, die in fast allen heutigen Elektrogeräten – von Handy bis Akkuschrauber – benötigt werden, ebenso wie in Stromspeichern für Wind- und Solaranlagen sowie für die Elektromobilität. Darüber hinaus spielt Lithium in der Medizin, bei der Herstellung von Schmiermitteln, Leichtmetalllegierungen oder Gläsern und Keramiken eine Rolle. Aufgrund der steigenden Nachfrage wird zunehmend mehr Forschung zu und nach dem Mineral betrieben. Gerade Österreich nimmt diesbezüglich eine weltweite Vorreiterrolle ein.
Das Mineral des Jahres für Österreich wird seit 2018 von der „Arbeitsgemeinschaft Mineral des Jahres“ gewählt, in dessen Beirat die bedeutendsten mineralogischen Staatsinstitutionen, Museen, Organisationen und Vereine repräsentiert sind.
LINK: www.mineraldesjahres.at
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FOTO: ROBERT PATZNER
NATUR DES JAHRES
WEICHTIER DES JAHRES 2022
POSTHORNSCHNECKE (PLANORBARIUS CORNEUS)
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ie Posthornschnecke ist eine der größten heimischen Wasserschnecken. Das flache, linksgewundene Gehäuse erreicht über drei bis maximal vier Zentimeter im Durchmesser. Der Weichkörper ist dunkelbraun bis rötlichschwarz, selten rötlich. Die rötliche Färbung wird durch den Blutfarbstoff Hämoglobin verursacht, der bei albinotischen Schnecken durch die Haut scheint. Die Posthornschnecke ist die einzige europäische Wasserschnecke, die Hämoglobin besitzt. Dies hilft ihr auch in sauerstoffarmen Gewässern ohne Luftatmung zu überleben. Sie gehört zwar zu den Lungenschnecken, die Sauerstoffaufnahme geschieht aber großteils über die Haut. An der Kopfbasis hat sie zwei Fühler, die nicht einziehbar sind. Daneben liegen die Augen. Ernährung Die Posthornschnecke ernährt sich hauptsächlich von Algen und Detritus (Zerreibsel). Nur ganz selten nimmt sie auch lebende Pflanzen und Aas zu sich. Die Nahrungsaufnahme bzw. -zerkleinerung geschieht wie bei den meisten Schnecken mit der Radula, einer Reibzunge mit einer Vielzahl von kleinen Zähnchen. Fortpflanzung Wie ein Großteil der Wasserlungenschnecken sind auch die Posthornschnecken Zwitter. Bei der Paarung befruchten sie sich gegenseitig, es ist aber auch eine Selbstbefruchtung möglich. Die Eiablage erfolgt im Frühjahr, gelegentlich gibt es später im Jahr noch eine zweite Generation. Die Eier werden meist an der Blattunterseite und an Stängeln von Wasserpflanzen in Gruppen von zehn bis 70 Stück abgelegt. Die Entwicklung erfolgt im Ei, die fertigen Jungtiere benutzen dann ihre Radula, um sich aus der Eihülle zu befreien. Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
Die Gehäuse der kleinen Schnecken sind behaart. Im Freiland können die Tiere bis zu zwei Jahre alt werden, in Aquarien bis über vier Jahre. Lebensraum und Verbreitung Die Posthornschnecke lebt in pflanzenreichen, stehenden und langsam fließenden Gewässern im Uferbereich in bis zu drei Metern Wassertiefe. Sehr oft findet man sie in Gartenteichen und anderen künstlich angelegten Gewässern. Die natürliche Verbreitung in Mitteleuropa ist etwas unklar, da sie gerne aufgesammelt und an anderen Stellen ausgesetzt wurde. Gefährdung In Österreich wird die Posthornschnecke auf der „Roten Liste bedrohter Arten“ als „nicht gefährdet“ geführt. Gefahr droht neben der Gewässerverschmutzung durch Trockenlegung von Tümpeln und Instandhaltungsarbeiten an Entwässerungsgräben, bei denen die Wasserpflanzen entnommen werden.
Text: Univ.-Prof. Dr. Robert A. Patzner Malakologische Arbeitsgemeinschaft am Haus der Natur in Salzburg und FB Umwelt & Biodiversität, Universität Salzburg robert.patzner@sbg.ac.at Das Weichtier des Jahres wird von der Malakologischen Arbeitsgemeinschaft am Haus der Natur in Salzburg ernannt.
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Als typische Gallertflechte quillt die Zähe Leimflechte bei feuchter Witterung stark auf und ist dann gut zu erkennen, während sie in trockenem Zustand sehr unauffällig erscheint. Gallertflechten sind schwärzlich gefärbt, klein und daher eher unscheinbar, weshalb sie oft übersehen werden. Enchylium tenax bildet kleine blättrige Lager von wenigen Zentimetern Größe. Die Loben sind am Rand oft markant verdickt-gefaltet und liegen relativ flach am Boden. Allerdings bilden die Lappen häufig zahlreiche aufrechte Lobuli und die FLECHTE DES JAHRES 2022 Flechte kann daher sehr variabel erscheinen. Bei guter Entwicklung bildet sie tiefrote Fruchtkörper, die (ENCHYLIUM TENAX) nur mit der Lupe erkennbar sind. Unter dem Mikroskop kann man In Gebirgen mit kalkhaltigen Gesteinen auch die attraktiven perlschnurarsiedelt die Zähe Leimflechte mit tigen Nostoc-Ketten sehen. In diesen Ketten fallen neMoosen in erdgefüllten Felsspalten. ben den blaugrünen Zellen die Heterocyten auf, etwas größere dickwandige Zellen von gelblicher Farbe. Diese Die Flechte des Jahres wird vom Naturschutzbund können Luftstickstoff zu pflanzenverfügbarem Nitrat Österreich und der Bryologisch-lichenologischen Arbeitsumwandeln und so den Weg für die Besiedlung mit kongemeinschaft für Mitteleuropa e.V. (BLAM) ernannt. kurrenzkräftigeren, aber auch anspruchsvolleren Gefäßpflanzen ebnen. Darin liegt die große ökologische Bedeutung der Gallertflechten. tenz an. Grund dafür ist die dicke, aus Kohlenhydraten Ökologie aufgebaute Gallerthülle des cyanobakteriellen FotosynDie Zähe Leimflechte besiedelt offene Stellen mit san- thesepartners Nostoc. Diese Gallerte wird mehr oder dig-humosen bis tonig-lehmigen basenreichen Böden weniger regellos von den zarten Fäden des Pilzpartners und kaum Konkurrenz durch Gefäßpflanzen. Die Pionier- durchzogen. Bei trocken-heißer Witterung schrumpfen flechte kommt auch an gestörten Stellen wie Wegrän- diese Flechten stark zusammen und ihre Lager werden dern, Deichen sowie an ungepflegten Mauern vor, wächst spröde. aber auch gern in Pflasterfugen in Siedlungsnähe. Namensgeschichte Verbreitung und Gefährdung Die Zähe Leimflechte war ca. 200 Jahre lang unter dem Enchylium tenax ist weltweit in beiden Hemisphären wissenschaftlichen Namen Collema tenax geläufig. Sie (mit wenigen Nachweisen auf der Südhalbkugel) ver- kann beispielhaft dafür stehen, dass neue Erkenntnisbreitet. In Deutschland, der Schweiz und in Österreich se über die Verwandtschaft der Arten und die Evolution gilt sie als ungefährdet, zumindest gebietsweise ihrer Merkmale auch in der Namensgebung Widerhall kommt sie sogar häufig vor. finden. In gut 200 Jahren wurde Enchylium tenax fast 30-mal mit unterschiedlichen Artnamen beschrieben, Biologie die vielen Umkombinationen in unterschiedliche GatGallertflechten quellen bei Befeuchtung mit Wasser tungen und verschiedene Rangstufen wie Varietäten stark auf und nehmen dann eine zäh-knorpelige Konsis- und Formen nicht mitgezählt.
ZÄHE LEIMFLECHTE
LINKS: https://blam-bl.de
https://www.afl-lichenologie.fr/Photos_AFL/Photos_AFL_E/Enchylium_tenax.htm
LINK: https://blam-bl.de/blam/flechte-moos-des-jahres/mfdj2021.html?lang=de https://en.wikipedia.org/wiki/Collema_tenax
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Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
FOTO: WOLFGANG VON BRACKEL
TITEL
NATUR DES JAHRES
WECHSELKRÖTE (BUFOTES VIRIDIS)
Ihr beige-grün geflecktes Tarnmuster mit rötlichen Knubbeln und grünlichen Augen macht die Wechselkröte zum unverwechselbaren Sympathieträger. Die Wechselkröte ist eine Echte Kröte. Sowohl Weibchen als auch Männchen ziert ein grünliches Fleckenmuster, wobei die Männchen eher hellgrau erscheinen, die Körperoberfläche der Weibchen weißlich. Die Warzen sind beim Weibchen kräftig orange oder rot gefärbt. Jungtiere haben zunächst eine graue Grundfärbung und schwarze Flecken, die sich im Laufe ihres Lebens grün umfärben. Die Augen haben waagrecht elliptische Pupillen und eine zitronengelb-grünliche Iris. Die Tiere können entsprechend ihrer Umgebung ihre Grundfärbung wechseln – daher wohl auch der Name. Lebensweise Die Wechselkröte verlässt Ende März ihr Winterquartier, um sich zu paaren. Der Laich wird zwischen Anfang April und Mitte Juni in zwei bis vier Meter langen Laichschnüren mit jeweils 2.000 bis 15.000 braunschwarzen Eiern abgelegt. Die drei bis vier Millimeter großen Larven schlüpfen nach drei bis sechs Tagen. Erst nach der dritten Überwinterung werden die jungen Kröten geschlechtsreif. Die Wechselkröte ist hauptsächlich dämmerungs- und nachtaktiv, tagsüber versteckt sie Federführend bei der Ernennung zum Reptil bzw. Lurch des Jahres sind die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) sowie die Österreichische Gesellschaft für Herpetologie (ÖGH). Sie werden dabei fachlich unterstützt von der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (KARCH), dem Nationalen Naturhistorischen Museum Luxemburg (MNH) sowie dem Naturschutzbund Deutschland (NABU).
Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
sich in selbstgegrabenen Erdröhren oder unter größeren Steinen oder Brettern. Jungtiere sind oft auch tagsüber unterwegs. Zum Überwintern sucht sie sich frostfreie Plätze an Land. Lebensraum und Verbreitung In Österreich findet man die Wechselkröte vor allem in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, aber auch in einigen Regionen Oberösterreichs, der Steiermark, Kärntens und Tirols. Als Steppen- und Pionierart bevorzugt sie Habitate in Höhen von 200 bis 400 Meter und toleriert Trockenzeiten, Wärme, Kälte und erhöhten Salzgehalt des Laichgewässers. Zudem nutzt sie schnell neu entstandene Gewässer zum Laichen. Stehende, flache und vegetationsarme Laichgewässer werden bevorzugt. Gefährdung und Schutz Laut FFH- (Flora-Fauna-Habitat)-Richtlinie ist die Wechselkröte eine streng zu schützende Art, in Österreich gilt sie als gefährdet. Ihre ursprünglichen Lebensräume – wie dynamische Flussauen – sind in Mitteleuropa kaum mehr vorhanden. Rückzugsgebiete findet sie vor allem in Abgrabungen oder Abbauflächen, weshalb das Verfüllen von Sand- und Kiesgruben oder Veränderungen in der Tagebaunutzung zu den größten Gefährdungsfaktoren gehören. Aber auch Lebensraumverlust und -zerschneidung sowie die intensivierte Landwirtschaft tragen zum Rückgang bei. Unterstützen kann man die Wechselkröte vor allem durch die Sicherstellung geeigneter Laichgewässer. FOTO: TRAPP (DGHT)
LURCH DES JAHRES 2022
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WASSERTIER DES JAHRES 2022
BARBE
(BARBUS BARBUS)
Die rüsselartig verlängerte Schnauze und die vier Bartfäden sind typisch für die Barbe.
Die Wahl zum Wassertier des Jahres wird vom Österreichischen Fischereiverband organisiert.
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FOTOS: DANIEL PELZ
TITEL
Die Barbe war einst ein Massenfisch der heimischen Tieflandflüsse. Heute wird sie in der Roten Liste der gefährdeten Arten als „nahezu gefährdet“ geführt. Die Barbe ist eine gesellig lebende Art der Cypriniden. Sie hat einen langgestreckten Körper mit fast gerader Bauchlinie und leicht gewölbtem Rücken. Üblicherweise wird der Fisch zwischen 30 und 50 cm lang, in seltenen Fällen bis zu 90 cm. Wesentlichste Merkmale sind das rüsselartige, unterständige Maul, die fleischigen Lippen und die vier dicken Barteln an der Oberlippe – letzteren verdankt sie übrigens ihren lateinischen Namen Barbus barbus, der Bärtige. Die Barbe bewohnt schnell fließende größere Flüsse mit klarem sauerstoffreichen Wasser und Sand- oder Kiesgrund. Tagsüber hält sich die Barbe gerne in Bodennähe auf und begibt sich erst mit der Dämmerung auf Nahrungssuche. Nur bei trübem Wasser ist sie schon früher unterwegs. Ihre Nahrung besteht vorwiegend aus Insektenlarven, Muscheln, Schnecken, Würmern, aber auch Fischlaich und Wasserpflanzen. In der kalten Jahreszeit hält sie Winterruhe, die sie in ruhigen Buchten und Altwässern verbringt. Mit dem Beginn der Laichzeit führen Barben lange Wanderungen durch, bei denen sie bis zu 100 km überbrücken. Abgelaicht wird dann im Schwarm an flachen kiesigen Stellen in strömendem Wasser. VERBREITUNG UND GEFÄHRDUNG Die Barbe gehörte, wie auch die Nase, ehemals zu den Massenfischarten der Tieflandflüsse Österreichs und ist namensgebend für die Fischregion Epipotamal (Barbenregion). Heute ist diese Flussfischart aufgrund lokaler Gefährdung und starker Bestandsrückgänge auf der Vorwarnliste der Roten Liste der Fische Österreichs. Gründe dafür sind fehlende Habitate für die juvenilen Barben, der Mangel an Laichplätzen in den zum Teil nicht mehr verfügbaren Zubringern sowie die mangelnde räumliche Vernetzung der unterschiedlichen Lebensraumtypen. Durch die Errichtung von Kraftwerksanlagen wurden zudem die Wandermöglichkeiten für Fische stark eingeschränkt. Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
NATUR DES JAHRES
MOOS DES JAHRES 2022
SPARRIGES KLEINGABELZAHNMOOS
Die leuchtend gelbgrünen Moospolster bilden einen deutlichen Kontrast zur Umgebung. FOTOS: MICHAEL LÜTH
(DIOBELONELLA PALUSTRIS)
Das Sparrige Kleingabelzahnmoos bildet weiche gelbgrüne Rasen und ist mit seinen aus breit-scheidigem Grund sparrig zurückgekrümmten zungenförmigen Blättern eine auffällige Erscheinung in nährstoffarmen Quellfluren oder ähnlichen Lebensräumen. Das Moos tritt in 1–10 cm großen, weichen, gelbgrünen Rasen auf. Die Stängel sind aufrecht und gleichmäßig spiralig beblättert. Die sparrig zurückgebogenen Blätter sind zugespitzt zungenförmig und verschmälern sich aus breit-scheidiger Basis in eine teilweise kapuzenförmige, meist stumpfliche Spitze. Die dünne Rippe schwindet vor der Spitze, die Blattzellen sind locker, glatt bis schwach mamillös, dünnwandig und verlängert, zur Spitze hin werden sie kürzer. Verwechslungen sind möglich mit den oberflächlich ähnlichen Arten Meesia triquetra und Paludella squarrosa, die aber deutlich seltener sind und in basenhaltigen Übergangsmooren vorkommen. Das ebenfalls ähnliche, basenliebende Dichodontium pellucidum, auch an feuchten bis nassen Standorten vorkommend und weiter verbreitet, ist durch gezähnte, nicht scheidige Blätter und mamillös-papillöse, isodiametrische Blattzellen zu unterscheiden. Ökologie Diobelonella palustris meidet Kalk und wächst in montan-subalpinen Quellfluren sowie an Bach- und Grabenrändern. Das Moos ist sehr empfindlich gegenüber Austrocknung und an kalte Standorte mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von etwa 4° C angepasst.
kugel weit verbreitet (Europa, Nordamerika, Asien). In Mitteleuropa tritt es vor allem in den höheren Mittelgebirgen und in den Alpen auf. In Österreich ist das Moos nicht bzw. nur regional gefährdet. Ursachen für Gefährdung sind Entwässerungen von Mooren und Quellfassungen sowie Verbuschung und Bewaldung von Wiesenmooren. Es ist zu erwarten, dass das Moos ein Verlierer des Klimawandels sein wird, da dadurch die Quellen immer wärmer werden. Biologie Diobelonella palustris fruchtet in Mitteleuropa selten, dennoch ist es mancherorts in der Lage, Sekundärhabitate wie nasse Wegränder oder Straßengräben relativ schnell zu besiedeln. Das Moos des Jahres wird vom Naturschutzbund Österreich und der Bryologisch-lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e.V. ernannt. Nährstoffarme Quellfluren sind der bevorzugte Lebensraum des Sparrigen Kleingabelzahnmooses.
Verbreitung und Gefährdung Das Sparrige Kleingabelzahnmoos ist auf der NordhalbLINKS: https://blam-bl.de
https://www.gbif.org/species/7598487 https://de.wikipedia.org/wiki/Diobelonella_palustris https://swissbryophytes.ch/index.php/ de/verbreitung?taxon_id=nism-1173
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FOTO: JOSEF LIMBERGER
TITEL
FLEDERMAUS DES JAHRES 2022
BRAUNES LANGOHR (PLECOTUS AURITUS)
LEBENSRAUM UND VERBREITUNG In Österreich ist das Braune Langohr weit verbreitet. Es jagt vor allem in Wäldern – außer Kiefernwäldern in tiefen Lagen werden alle Waldtypen bis über 2.000 m Seehöhe genutzt. Aber auch Gärten, Parks und Einzelbäume sind geeignete Jagdreviere. Natürliche Sommerquartiere der Braunen Langohren sind Baumhöhlen, als Ersatz werden aber z. B. auch Dachräume von Gebäuden angenommen. Dort verstecken sich die Tiere gerne in Spalten zwischen dem Gebälk und hinter Verkleidungen. Überwintert wird vor allem in Kleinhöhlen, Ruinen, Kellern, aber auch Baumhöhlen. Dort hängen die Tiere meist einzeln, selten auch in Kleingruppen. Während des Winterschlafs klemmen die Langohren ihre dünnen häutigen Ohren unter die Flügel, um sie vor Erfrierungen zu schützen. Braune Langohren gelten als ortstreue Art. Sie legen zwischen Sommer- und Winterquartier kaum mehr als 30 km zurück. LEBENSWEISE Die Jungtiere werden zwischen Juni und Juli geboren. Dann leben die Weibchen in Wochenstubenkolonien, bestehend aus fünf bis 50 Weibchen. Wochenstuben in Gebäuden werden über den Sommer hinweg meist beibehalten, während jene in Bäumen alle ein bis fünf Tage gewechselt werden. Mit ca. sechs Wochen sind die Jungtiere voll flugfähig und lernen zu jagen. Zur Nahrung gehören mittelgroße Insekten und Spinnentiere. Diese werden direkt von Pflanzen abgesammelt oder im Flug gefangen. Langohren können ihre
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Beute nicht nur mithilfe der Ultraschall-Echoortung, sondern auch anhand von Raschelgeräuschen oder bei genügend Licht optisch detektieren. Die Beute wird oft an immer wieder genutzten Fraßplätzen verspeist, unter denen sich Nahrungsreste wie Schmetterlingsflügel sammeln. GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ Alte höhlenreiche Bäume sind in unserer Kulturlandschaft selten geworden, zudem werden immer mehr Dachböden verschlossen, deshalb muss der Bestand der Tiere kritisch beobachtet werden. Die Rote Liste der gefährdeten Tiere Österreichs (2005) hat das Braune Langohr als „nicht gefährdet“ eingestuft. Geschützt ist es aber durch die Berner Konvention Anhang II, durch die Bonner Konvention Anhang II und die FFH-(Flora-Fauna-Habitat-)Richtlinie Anhang IV. FOTO: CHRISTIAN DESCHKA
Das Braune Langohr gehört zu den mittelgroßen heimischen Fledermausarten. Wie alle Arten aus der Gattung der Langohren besitzt es sehr lange Ohren, die durch eine Hautfalte auf der Stirn miteinander verbunden sind. Ausgewachsene Individuen des Braunen Langohrs sind 42–53 mm lang und wiegen 6–9 g. Am Rücken sind sie hell- bis rötlichbraun gefärbt, auf der Bauchseite ist das Fell weiß bis gelblich. Die Füße sind stark behaart. Der Daumen und die Daumenkralle sind mit über 6,5 bzw. 2 mm relativ lang. Das Gesicht und die Ohren sind hellbraun, die Schnauze ist mit einem deutlichen Drüsenpaar versehen. Die Tiere können bis zu 30 Jahre alt werden, in freier Natur werden sie aber nur ca. vier Jahre alt.
Die Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich (KFFÖ) und über 30 weitere Partnerorganisationen von BatLife Europe haben das Braune Langohr zur Fledermaus des Jahres 2022 gekürt.
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FOTOS: KATHARINA BÜRGER
NATUR DES JAHRES
HÖHLENTIER DES JAHRES 2022
KLEINE HUFEISENNASE (RHINOLOPHUS HIPPOSIDEROS) Die Kleine Hufeisennase ist eine der kleinsten heimischen Fledermausarten. Ihr Markenzeichen ist der hufeisenförmige Nasenaufsatz. Sie und ihre größere Schwester, die Große Hufeisennase, sind in Österreich die einzigen Vertreter aus der Familie der Hufeisennasen (Rhinolophidae). Im Sommer nutzt die Kleine Hufeisennase vor allem Dachböden zur Aufzucht ihrer Jungen, während sie von November bis März in Höhlen, Stollen und Kellern Winterschlaf hält. Sie steht damit für eine große Zahl von Tierarten, die auf geschützte und frostfreie Rückzugsorte unter Tage angewiesen sind. Bei Temperaturen von 6 bis 9 °C hüllt sich die Kleine Hufeisennase dort komplett in ihre Flughäute ein und hängt immer mit Distanz zu den Artgenossen von der Decke – Hufeisennasen hängen immer frei und werden nie in Spalten angetroffen. In Österreich befinden sich die Wochenstuben – also Kolonien, in denen die Weibchen ihre Jungen im Sommer gemeinsam aufziehen – zumeist in warmen Dachböden und Gebäuden. Männchen nutzen auch im Sommerhalbjahr Höhlen als Tagesquartier. Kleine Hufeisennasen sind ausgesprochen standorttreu. Der Aktionsradius beträgt gewöhnlich weniger als 20 Kilometer. Zur Nahrungssuche werden Wälder, Heckenreihen und Streuobstwiesen aufgesucht, auf dem Speiseplan stehen Nachtfalter, Schnaken, Florfliegen und andere Insekten. VERBREITUNG Die Kleine Hufeisennase ist die von allen Hufeisennasen am weitesten nach Norden verbreitete. Sie kommt vom Mittelmeerraum im Süden bis nach West-Irland im Norden vor. Nach großen Bestandseinbrüchen in den 1960er-Jahren ist sie in Österreich wieder weit verbreitet, jedoch mit erheblichen regionalen Unterschieden: Während die Besiedlungsdichte im Norden gering ist, ist sie im Süden sehr hoch. In Nordtirol wiederum ist von der Kleinen Hufeisennase nur eine Restpopulation bekannt. LINKS: http://www.fledermausschutz.at http://iyck2021.org/ https://hoehle.org
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GEFÄHRDUNG In vielen Gebieten Europas gab es bei der Kleinen Hufeisennase im letzten Jahrhundert teils dramatische Populationseinbrüche. Gründe dafür sind vor allem der Einsatz von Giften, Quartier- und Habitatverluste und auch direkte Verfolgung. Erfreulicherweise zeigen die aktuellen Trends eine Erholung der Bestände. Bislang gibt es aber immer noch viele Regionen, die diese Fledermaus nicht wiederbesiedeln konnte. Daher ist sie in ganz Europa streng geschützt und in den Anhängen II & IV der FFH-(Flora-Fauna-Habitat-)Richtlinie gelistet. In der Roten Liste gefährdeter Säugetiere Österreichs wird sie als „gefährdet“ eingestuft. WISSENSWERTES Das Internationale Jahr für Höhlen und Karst 2021 wurde aufgrund der Corona-Pandemie auf das Jahr 2022 ausgeweitet. Damit soll auf die Schutzwürdigkeit der Karstlandschaften und ihrer vielfältigen Erscheinungsformen aufmerksam gemacht werden. Die Auswahl eines internationalen Höhlentiers des Jahres ist ein Beitrag dazu.
Mit der Wahl eines Höhlentiers des Jahres weist der Verband Österreichischer Höhlenforscher (VÖH) darauf hin, dass gerade bei der Erforschung der unterirdischen Ökosysteme und der darin vorkommenden Arten noch enormer Handlungsbedarf besteht.
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TITEL
SPINNE DES JAHRES 2022
TROMMELWOLF
(HYGROLYCOSA RUBROFASCIATA) OHLERT, 1865 Der Trommelwolf – Hygrolycosa rubrofasciata (Ohlert, 1865) – gehört zur Familie der Wolfspinnen (Lycosidae). Diese Spinnenfamilie zählt weltweit 2.440 Arten, in Europa sind 352 Arten bekannt. In der Gattung Hygrolycosa (Sumpfwölfe) gibt es weltweit nur fünf Arten, in Europa zwei, wobei Hygrolycosa strandi ausschließlich in Griechenland vorkommt. Somit ist der Trommelwolf der einzige Vertreter dieser Gruppe in Mitteleuropa.
Männchen
FOTO: ARABEL IMAGE BANK, GILBERT LOOS
Seine Körperlänge beträgt 5–6 mm. Die Geschlechter unterscheiden sich durch unterschiedliche Färbung und Zeichnung. Die Männchen sind fast schwarz, der Vorderkörper mit drei undeutlichen hellen Längsbinden, der Hinterkörper dunkelbraun-schwarz mit vier verbundenen Längsreihen weißer Punkte, die Beine zweifarbig, schwarz-hellbraun. Die Weibchen haben einen hellbraunen Vorderkörper mit zwei dunklen bzw.
drei hellen Längsbinden, des Weiteren zwei schmälere Fleckenreihen und auch einen helleren Hinterkörper. Die Beine sind hellbraun mit dunklen Punkten. LEBENSWEISE Der Trommelwolf baut wie die meisten Wolfspinnen kein eigenes Netz, sondern wartet als tagaktiver Lauerjäger auf seine Beute, vornehmlich Insekten. Zur Balz im Frühjahr trommeln die männlichen Tiere mit ihrem Hinterleib auf trockene Blätter und erzeugen dadurch ein auch für den Menschen hörbares, „schnurrendes“ Trommelgeräusch, das dieser Spinne auch zu ihrem deutschen Namen verholfen hat. Nach der Paarung legen die Weibchen ungefähr 60 Eier in einen Kokon. Generell sind Wolfspinnen-Weibchen für ihre fürsorgliche Brutpflege bekannt. Sie tragen ihren Kokon an den Spinnwarzen angeheftet und führen ihn ständig mit sich herum. Nach dem Ausschlüpfen der Jungen klettern diese meist auf den Rücken der Mutter und werden von ihr mitgetragen. Beim Trommelwolf weicht dieses Verhalten etwas ab: Die Jungtiere halten sich nicht am Rücken der Mutter, sondern am leeren Kokon fest – möglicherweise eine Anpassung an den nass-feuchten Lebensraum. Ausgewachsen kommt der Trommelwolf von März bis November vor, wobei die Männchen meist nach der Paarung sterben, die Weibchen aber oft noch den Winter überdauern können. LEBENSRAUM, VERBREITUNG UND GEFÄHRDUNG Der Trommelwolf ist paläarktisch verbreitet, in Österreich gibt es nur wenige Nachweise aus Vorarlberg, der Steiermark und dem Burgenland in Höhen bis etwa 800 m. Er bevorzugt nasse Habitate und ist daher nur an naturnahen Standorten wie Mooren, Sumpf-, Nass- und Feuchtwiesen oder in feuchten (Schlucht-)Wäldern anzutreffen. Der Trommelwolf ist damit eine der seltensten Spinnen Österreichs. Durch die zunehmende Bedrohung und Zerstörung seiner Lebensräume steht der Trommelwolf auf der Roten Liste gefährdeter Arten. In Österreich gilt er als vom Aussterben bedroht. Weibchen
FOTO: ARNO GRABOLLE
Gewählt wurde die „Europäische Spinne des Jahres“ von 84 Arachnologen aus 27 europäischen Ländern. Die Koordination der Wahl liegt beim Naturhistorischen Museum Wien in Zusammenarbeit mit der Arachnologischen Gesellschaft (AraGes) und der European Society of Arachnology (ESA).
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Sommerausgabe Sommerausgabe| natur&land | natur&land| 108. | 108.JG. JG.––Heft Heft2-2022 2-2022
NATUR DES JAHRES
STREUOBST DES JAHRES 2022
HARTWISS GELBE ZWETSCHKE Streuobstbestände sind vielfältige und unersetzliche Lebensräume in unserer Kulturlandschaft. In den Streuobstgärten wird die traditionelle Obstsortenvielfalt erhalten und sie liefern wertvolles Tafel- und Verarbeitungsobst. Mit der „Streuobstsorte des Jahres“ wird eine Sorte stellvertretend für alle gefährdeten Obstarten ins Rampenlicht gerückt. Hartwiß Gelbe Zwetschke ist die Botschafterin der Vielfalt 2022. BESCHREIBUNG Hartwiß Gelbe Zwetschke ist auf Grund ihrer charakteristischen Fruchtform – mit einer zitzenartigen Mündung beim Stielansatz und einem „Schwangerenbauch“ in der Seitenansicht – nahezu unverwechselbar. Sie weist ein sortentypisches Aroma auf und das Fruchtfleisch lässt sich leicht vom Stein lösen. Damit ist sie eine beliebte Sorte für den Frischverzehr, aber auch in der Küche bzw. bei der Herstellung von hochwertigen Destillaten ausgezeichnet verwendbar. HISTORISCHES Der Blick in die alten Sortenbücher, also in die Pomologien des 18. und 19. Jahrhunderts, zeigt eine fast unvorstellbare Vielfalt an Zwetschken- und Pflaumensorten mit einer Fülle an Formen und Farben. Heute sind hingegen meist nur mehr einige wenige, vorwiegend blau-violette Sorten verbreitet. Hartwiß Gelbe Zwetschke wurde um 1838 vom Apotheker und Pomologen Georg Liegel (1779–1861) in Braunau/Inn aus Fruchtsteinen der Sorte „Gelbe Frühzwetsche“ gezogen. Er widmete die Sorte seinem Pomologenkollegen Nicolai Anders Hartwiß (1793–1860), dem Direktor der kaiserlich-russischen Gärten in Nikita auf der Krim. Liegel beschrieb die Sorte erstmals 1846, eine weitere ausführliche Beschreibung erfolgte 1861 durch den deutschen Pfarrer und Pomologen J. G. C. Oberdieck. VERBREITUNG Von den vielen Pflaumenzüchtungen Georg Liegels schien bis vor wenigen Jahrzehnten INFO: Bäume von Hartwiß Gelber Zwetschke sind ab Herbst 2022 bei folgender Baumschule erhältlich: Andreas Ranseder, 7974 Ort im Innkreis 126, T +43 676 4771836
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Die starke einseitige Wölbung der Frucht ist charakteristisch für diese Zwetschkensorte.
nichts erhalten geblieben zu sein. Um 1988 wurde in Wallern im Hausruckviertel (OÖ) eine gelbe Zwetschke mit dem Namen „Goldtropfen“ entdeckt. Leider wurde der alte Baum gefällt, bevor Reiser geschnitten werden konnten. Vor wenigen Jahren wurde ein alter Baum derselben Sorte in Lasberg im Mühlviertel (OÖ) gefunden. Die Sorte wurde an mehreren Standorten abgesichert und pomologisch sowie molekulargenetisch geprüft. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei nicht, wie zunächst vermutet, um die Sorte „Coes Golden Drop“ handelt, sondern um Hartwiß Gelbe Zwetschke. Die Gen-Analyse brachte eine Übereinstimmung mit einem deutschen Vergleichsmuster. Pomologisch waren geringe Abweichungen festzustellen, insbesondere beim Fruchtstein.
Text: Dr. Siegfried Bernkopf, siegfried.bernkopf@aon.at & DI Christian Holler, c.holler@tb-holler.at Früher war Hartwiß Gelbe Zwetschke in Österreich und Deutschland weit verbreitet. Warum sie trotz ihres guten Geschmacks fast völlig verschwand, ist fraglich. FOTOS: SIEGFRIED BERNKOPF
Die „Streuobstsorte des Jahres“ ist eine Initiative der ARGE Streuobst, der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Streuobstbaus und zur Erhaltung obstgenetischer Ressourcen. www.arge-streuobst.at
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TITEL
VOGEL DES JAHRES 2022
MEHLSCHWALBE (DELICHON URBICUM)
Der österreichische Bestand der Mehlschwalbe hat sich in den letzten 20 Jahren auf etwa 17.500 Brutpaare halbiert. Menschenverursacht – durch Bodenversiegelung, Sanierungsmaßnahmen an Häusern, die intensivierte Landwirtschaft und immer weniger fliegende Insekten. Die kleine Schwalbe hat einen schlanken stromlinienförmigen Körper mit langen schmalen Flügeln. Sie besitzt ein mehlweißes Bürzelfeld, ihr Rücken dagegen ist blau-, ihre Flügel sind braunschwarz. Die kurzen Beine und Füße wiederum sind weiß befiedert, der Schwanz ist gegabelt. Jungen Mehlschwalben fehlt noch der metallische Glanz im Gefieder und sie sind insgesamt grauer gefärbt. LEBENSWEISE Ab Ende März kehrt die Mehlschwalbe aus ihrem afrikanischen Winterquartier zurück, wohin sie dann wieder ab Mitte September zieht. Ihre Nahrung besteht aus kleinen Fluginsekten, die im Flug und oft in großer Höhe erbeutet werden. An nahe gelegenen Gewässern suchen die Tiere Nahrung und Nistmaterial. Die Nester sind aus Lehmkügelchen zusammengesetzt, dort werden zweimal jährlich
Auch Kunstnester werden von Mehlschwalben gerne angenommen. FOTO: JOHANNES HOHENEGGER, BIRDLIFE ÖSTERREICH
drei bis fünf Jungvögel aufgezogen. Diese erhalten vor allem Blattläuse, Mücken, Fliegen und Eintagsfliegen. Die Mehlschwalbe fliegt nicht so pfeilschnell und wendig wie die Rauchschwalbe, eher flatternd mit oft langer Gleitphase. Während einer Schlechtwetterperiode, wenn das Nahrungsangebot knapp wird, kann sie ihre Körpertemperatur sehr tief absenken, in eine Art Starre verfallen und damit 70 Prozent der Stoffwechselenergie einsparen. LEBENSRAUM UND VERBREITUNG Die Mehlschwalbe ist von Nordwestafrika und Westeuropa bis nach Sibirien, in den Himalaya und die Mongolei verbreitet. Die europäischen Mehlschwalben überwintern in Afrika südlich der Sahara bis zur Kap-Provinz. Ursprünglich brüteten Mehlschwalben an steilen Felsen und Küstenklippen, heute dagegen in Kolonien in offener Landschaft, vorwiegend im Siedlungsbereich. Geeignete Standorte für Nester bilden senkrechte, vegetationsfreie Wände mit ausreichender Überdachung und freiem Anflug. Der Großteil der Nester befindet sich daher an der Außenseite von Gebäuden, meist an der Dachunterkante, unter Balkonen oder anderen Mauervorsprüngen.
Erst wenn sie erwachsen sind, bekommen Mehlschwalben den typischen metallischen Glanz im Gefieder. FOTO: OTTO SAMWALD
Der Vogel des Jahres wird von BirdLife Österreich ernannt, einem Partner von BirdLife International, dem weltweit größten aktiven Netzwerk von Naturund Vogelschutz-Organisationen.
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GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ Die Mehlschwalbe ist in der Roten Liste der gefährdeten Arten auf der Vorwarnliste vermerkt. In Österreich ist sie ein häufig anzutreffender Brutvogel, doch nehmen die Bestandszahlen stark ab. Ursachen sind der Mangel an Nistmaterial durch Bodenversiegelung und die Intensivierung der Landwirtschaft. Unterstützen kann man die Schwalben vor allem durch die Bewahrung unversiegelter Flächen und die Erhaltung von Gewässern. Auch neu angelegte Lehmpfützen, Kunstnester an Häusern sowie insektenfreundliche Gärten helfen den Tieren. Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
FOTOS: GERNOT FRIEBES
NATUR DES JAHRES
GEFÄHRDETER PILZ DES JAHRES 2022
STRIEGELIGER KORKSTACHELING (HYDNELLUM MIRABILE)
Der Striegelige Korkstacheling ist ein Mykorrhizapilz der Fichte und etwas seltener der Rot-Föhre. Er fruktifiziert im Sommer und Herbst in naturnahen Nadelwäldern. In Österreich sind Funde in Höhenlagen von ca. 850 bis 1.500 m bekannt. Die fleischigen, kreisel- bis polsterförmigen Fruchtkörper können 15 cm im Durchmesser erreichen. Sie zeichnen sich durch eine filzig-striegelige Hutoberfläche mit gelblichen Farbtönen, insbesondere am Hutrand, aus. Bei älteren Fruchtkörpern bzw. in der Hutmitte weichen diese Farben schließlich einem dunkleren Braunton. Auf der Hutunterseite befinden sich zahlreiche kleine, zylindrischzugespitzte Stacheln bis abgeplattete Zähnchen von zunächst hellgrauer oder hellgelber und später aufgrund des braunen Sporenpulvers bräunlicher Farbe. Zur Basis sind die Fruchtkörper oft stielartig verjüngt, ein klar abgegrenzter Stiel fehlt in der Regel jedoch. Das Fleisch ist hell- bis dunkelbraun gefärbt, hat einen schwach adstringierenden Geschmack und mehlartigen Geruch. Die Konsistenz der Fruchtkörper ist relativ weich, aber dennoch zäh wie bei vielen anderen Korkstachelingen. Der Pilz wächst gerne in größeren Gruppen bzw. Reihen und ist daher leicht zu entdecken. VERBREITUNG Der Pilz ist in Europa durchaus weit verbreitet, jedoch in den meisten Regionen eine große Rarität. Aufgrund der nur etwa 20–30 Fundstellen in Mitteleuropa gilt er als einer der seltensten Großpilze. FUNDE IN ÖSTERREICH Die einzigen bekannten Fundstellen in Österreich liegen in Kärnten (Malta, Gmünd, Hüttenberg) und in der Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
westlichen Steiermark (zwei Fundstellen im Koralmgebiet). Fundmeldungen aus den letzten zehn Jahren gibt es nur vom Schwarzkogel im Bezirk Deutschlandsberg (Steiermark). GEFÄHRDUNG Wegen mangelnder Daten wurde der Striegelige Korkstacheling in der Roten Liste der Großpilze Österreichs nicht ausgewertet. In der Roten Liste der IUCN erfolgte eine Einstufung als „gefährdet“. Es wird dort von einem weltweiten Rückgang der Population berichtet, einhergehend mit dem Verlust naturnaher Wälder. Gefährdung geht von forstwirtschaftlichen Eingriffen aus, da der Pilz nur in älteren naturnahen Fichtenund Fichten-Föhren-Wäldern wächst. Eine indirekte Gefährdung stellt der Nährstoffeintrag in Form von Luftstickstoff dar. SCHUTZMASSNAHMEN Die forstwirtschaftliche Nutzung von Waldgebieten mit Vorkommen des Striegeligen Korkstachelings sollte höchstens in Form von sorgfältiger und stark beschränkter Einzelstammentnahme erfolgen bzw. wäre eine kleinräumige Unter-Schutz-Stellung dieser Gebiete ideal. Da der Striegelige Korkstacheling seine Standorte oft mit vielen weiteren seltenen und schützenswerten Mykorrhizapilzen teilt, kommt ihm eine besonders hohe naturschutzfachliche Relevanz zu. Der gefährdete Pilz des Jahres wird von der Österreichischen Mykologischen Gesellschaft gewählt.
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TITEL
NUTZTIER DES JAHRES 2022 (KLEINTIERE)
BLOBE GOASS
Die Blobe Ziege ist eine sehr genügsame und widerstandsfähige alte Hochgebirgsziegenrasse. Das mittel- bis kurzhaarige Fell macht sie unempfindlich gegenüber den extremen Witterungsbedingungen des Hochgebirges. Der kräftige, robuste Körper besitzt insgesamt eine einheitlich graue Farbzeichnung in unterschiedlichen Abstufungen ohne scharf abgegrenzte Übergänge oder Flecken. Die Tiere sind in der Regel behornt, wobei auch die Geißen ein besonders kräftiges Horn entwickeln. Es tritt jedoch auch vereinzelt Hornlosigkeit auf. Der Kopf ist mittellang und vergleichsweise breit mit einem leicht bis stark konkaven Nasenbein. Charakteristisch für die Rasse ist die dichte Unterwolle. Im Vergleich mit anderen Rassen ist die Blobe Goaß sehr groß und schwer. Die Art ist eine Mehrnutzungsrasse der Zentralalpen. Sie ist optimal für die Beweidung im steilen Felsgelände geeignet. Harte Klauen verleihen ihr selbst im felsigen Gelände besondere Trittsicherheit. Das hoch angesetzte Euter reduziert die Verletzungsgefahr in unwegsamem Gelände. Über Jahrhunderte erfolgte eine Selektion auf Robustheit und Genügsamkeit. Verbreitung Das traditionelle Alpgebiet der Blobe Ziege liegt zwischen 2.500 und 3.000 m Seehöhe. Die Nutztierrasse war ursprünglich über den gesamten Tiroler Alpenhauptkamm verbreitet. Durch die Forcierung „moderne-
Die grau-blaue Mantelfärbung ist typisch für die Blobe Ziege. FOTOS: SISSY STRUBREITER
rer“ Leistungsrassen wurde die Blobe Goaß an den Rand der Auslöschung gebracht. Heute gibt es nur noch Restbestände, vor allem im Ötztal und im oberen Inntal, die Art ist hochgefährdet. Name Der Name „Blobe“ (tirolerisch für Blau) steht für die teilweise blau-graue Grundfarbe der Mantelzeichnung, die den Tieren ein einzigartiges Aussehen verleiht. Blobe Goass: Gewicht: weiblich 50–75 kg, männlich 65–85 kg Gefährdungsstatus: hochgefährdet Die Nutztierrassen des Jahres werden von ARCHE Austria – Verein zur Erhaltung seltener Nutztierrassen ernannt.
INFORMATIONEN: Verantwortliche Zuchtorganisation: Schaf- und Ziegenzucht Tirol eGen, www.schafundziege.tirol Zuchtverein: Blobe Goaß Austria – Zuchtverein der österreichischen Blobeziegen-Züchter, www.blobegoas-austria.at Spartenbetreuer Blobe Ziege: Herbert Felderer, www.blobegoas-austria.at
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Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
NATUR DES JAHRES
NUTZTIER DES JAHRES 2022 (GROSSTIERE)
ORIGINAL PINZGAUER RIND
Um 1820 entwickelte sich aus den ursprünglich rein braunen Rindern die neue Rasse „Pinzgauer Rind“ mit weißen Abzeichen. Das Original Pinzgauer Rind als bodenständige, mittel- bis großrahmige Rinderrasse ist durch seine kastanienbraune oder schwarze Grundfarbe mit charakteristischer weißer Farbzeichnung über Widerrist, Rücken, Oberschenkel, Bauch und Unterbrust gekennzeichnet. Die dunklen Klauen sind hart, die Hörner hell mit schwarzen Hornspitzen. Als Besonderheiten sind einerseits der schwarz-weiße Farbschlag – die so genannten „Glückskühe“ – und andererseits die Jochberger Hummeln (genetisch hornlose Pinzgauer Rinder) zu nennen. Das Original Pinzgauer Rind zählt zu den Europäischen Höhenrindrassen und ist ein auf Milch- und Fleischleistung gezüchtetes Zweinutzungsrind. Durch ein gut zu melkendes Euter mit fester Aufhängung eignet es sich ausgezeichnet zur Mutterkuhhaltung. Original Pinzgauer Rinder sind sehr fruchtbar und anpassungsfähig, weshalb sie auch aus wirtschaftlicher Sicht interessant sind. Die Rasse zeichnet sich durch Langlebigkeit, Robustheit, gute Grundfutterverwertung und ein ruhiges Temperament aus. Durch das ursprüngliche Vorkommen in Berggebieten hat sich ein marschtüchtiges Rind mit besonderer Anpassungsfähigkeit an schwierige Standorte entwickelt. Das Original Pinzgauer Rind ist zudem sehr klimarobust und widerstandsfähig und dadurch ausgesprochen alptauglich. Auch auf extremen Standorten kann es zur extensiven Bewirtschaftung gut eingesetzt werden. WEIT VERBREITET UND DOCH GEFÄHRDET Dank ihrer vielen guten Eigenschaften sind Pinzgauer Rinder heute in rund 30 Staaten weltweit verbreitet. Doch die weite Verbreitung täuscht über die wahre Situation hinweg, denn „echte“ Pinzgauer Rinder sind selten geworden. Vor allem die starke Einkreuzung anderer Arten setzt dem Original Pinzgauer Rind zu. Experten streben deshalb eine klare züchterische Trennung zwischen Pinzgauer Rind und Original Pinzgauer Rind an. Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
Jochberger Hummeln sind die genetisch hornlose Variante der Pinzgauer Rinder. FOTOS: THOMAS SENDLHOFER
Die Nutztierrassen des Jahres werden von ARCHE Austria – Verein zur Erhaltung seltener Nutztierrassen ernannt.
INFORMATIONEN: Verantwortliche Zuchtorganisation: Rinderzucht Salzburg www.rinderzucht-salzburg.at Spartenbetreuer Original Pinzgauer Rind: Marlene Berger BSc www.pinzgauerrind.at
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FOTO: HARALD BRUCKNER
TITEL
INSEKT DES JAHRES 2022
SCHWARZHALSIGE KAMELHALSFLIEGE
(VENUSTORAPHIDIA NIGRICOLLIS)
Kamelhalsfliegen (Raphidioptera) gehören zu den Netzflüglern. Sie sind gekennzeichnet durch einen auffallend langen Hals, glasklare Flügel und eine Größe von sechs bis 15 mm. Diese Tiere sind die artenärmste Ordnung der Insekten mit vollkommener Verwandlung (Holometabola): Weltweit sind nur etwa 250 Kamelhalsfliegen-Arten bekannt. In Mitteleuropa gibt es bislang 16 beschriebene Arten, eine davon ist die Schwarzhalsige Kamelhalsfliege. Lange Zeit galt diese Art als eine der seltensten Kamelhalsfliegen – bis man erkannte, dass sich die adulten Tiere überwiegend in der Kronenschicht von Bäumen aufhalten. Man erkennt sie an ihrer geringen Größe (Vorderflügellänge max. 8,5 mm, meist unter 7,5 mm), dem gänzlich schwarzen Halsschild, der besonders langen und schlanken Vorderbrust und einem rauchig-ockerbraunen Flügelmal. Sämtliche Kamelhalsfliegen sind in allen Lebensstadien Landbewohner. Die geschlechtsreifen Insekten sind tagaktiv und ernähren sich häufig von Blatt- und Schildläusen. Bei einer ausreichenden Populationsdichte können die in Rinden lebenden Larven als „Gegenspieler“ von Schadinsekten – wie beispielsweise den Borkenkäfern – nützlich sein. Trotz ihrer gut entwickelten Flügel sind die Tiere keine guten Flieger, sondern bewegen sich eher schwirrend, hüpfend oder flatternd und nie über große Strecken. LEBENSRAUM UND VERBREITUNG Kamelhalsfliegen kommen ausschließlich in Teilen der Nordhemisphäre vor, da sie für ihre Entwicklung einen deutlichen Temperaturabfall benötigen, wie er bei-
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Ein ganz besonderer Lebensraum: Umgeben von brausendem Verkehr haben sich auf dem Maria-TheresienPlatz in Wien in den dort stehenden Kiefern zwei Kamelhalsfliegen-Arten angesiedelt.
spielsweise im mitteleuropäischen Winter stattfindet. Aus den vielen fossilen Funden kann man schließen, dass diese Insekten zu Zeiten der Dinosaurier viel weiter verbreitet und artenreicher waren. Man kann die Kamelhalsfliegen daher auch als „lebende Fossilien“ bezeichnen. Kamelhalsfliegen sind grundsätzlich standorttreue Insekten. Sie breiten sich – wenn überhaupt – nur langsam durch aktive Wanderung aus. Die Verdriftung durch Wind dürfte bei der Ausbreitung eine wesentliche Rolle spielen. ENTWICKLUNG Ein Weibchen kann einige hundert Eier legen, in mehreren Gelegen von einigen wenigen bis etwa 200 Eiern. Die Eier sind hellgelb, zigarrenförmig und ca. 1 mm lang. Die ersten Larven schlüpfen nach etwa sechs bis zehn Tagen, bleiben zunächst noch etwa einen Tag beisammen und begeben sich dann einzeln auf Nahrungssuche. Die Entwicklung vom Ei bis zur Imago dauert mindestens ein Jahr, meistens zwei, häufig drei (und auch mehr) Jahre. Die Zahl der Larvenstadien schwankt zwischen neun und 15.
Das Insekt des Jahres wird seit 1999 proklamiert. Ein Kuratorium, dem namhafte Insektenkundler und Vertreter wissenschaftlicher Gesellschaften und Einrichtungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz angehören, wählt jedes Jahr aus verschiedenen Vorschlägen ein Insekt aus. Der Naturschutzbund Österreich ist seit Beginn mit dabei.
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FOTOS: WOLFGANG HOLZNER
NATUR DES JAHRES
NEOPHYT DES JAHRES 2022
BEIFUSSBLÄTTRIGES TRAUBENKRAUT (AMBROSIA ARTEMISIIFOLIA)
Eine Pflanze kann bis zu einer Milliarde Pollen produzieren. Ragweed entdeckt? Am besten sofort entfernen!
Die einjährige krautige Pflanze ist auch unter dem Namen Ragweed oder Ambrosia bekannt. Sie gehört zur Familie der Korbblütler, kann bis zu zwei Meter hoch werden und hat einen leicht behaarten, mehrfach verzweigten Stängel. Sie ist gekennzeichnet durch gefiederte, beidseitig grüne Blätter und blattlose Trauben mit vielen nickenden Blütenkörbchen. Die grüngelblichen Blütenstände mit den kleinen gelben, getrenntgeschlechtlichen Blütenköpfchen produzieren bis zu eine Milliarde Pollen pro Pflanze. LEBENSRAUM UND VERBREITUNG Das Beifußblättrige Traubenkraut stammt ursprünglich aus Nordamerika und Mexiko und wurde Mitte des 19. Jahrhundert als „blinder Passagier“ nach Europa gebracht, wo es sich stark ausbreitet. Man findet es an Ruderalflächen wie Straßenrändern, Kiesgruben, Schutthalden und Baustellen, aber auch in Gärten. Während die Pflanze beim ersten Frost abstirbt, überwintern die Samen, sind sehr lang lebensfähig und können auch Jahre später noch keimen. Sie werden oft über verunreinigtes Saatgut oder Futtermittel sowie über landwirtschaftliche und Baustellenfahrzeuge verbreitet. In Österreich sind vor allem das Burgenland, Wien, Niederösterreich, die Steiermark, Kärnten und Oberösterreich besiedelt. AUSWIRKUNGEN AUF DIE UMWELT Sowohl die Pollen als auch der Hautkontakt mit dem Blütenstand können heftige Allergien hervorrufen. Das Gewächs gehört zu den stärksten Allergieauslösern und gilt bereits ab elf Pollen pro Kubikmeter Luft als Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
starke Belastung. Der späte Blütezeitpunkt der Ambrosia von Juli bis Oktober verlängert die Pollensaison für Allergiker erheblich. Auch Kreuzreaktionen mit anderen Korbblütlern wie Goldrute, Sonnenblume, Kamille und Arnika sind möglich. Die globale Erwärmung begünstigt die rasche Ausbreitung, die die heimische Biodiversität bedroht. VERWECHSLUNGSMÖGLICHKEITEN Der heimische Gewöhnliche Beifuß ähnelt dem Traubenkraut. Während ersterer eine grauweiß-filzig behaarte Blattunterseite aufweist, ist sie bei den Blättern des Traubenkrauts grün. WISSENSWERTES Damit sich die hochallergene Pflanze, deren Samen in Vogelfuttermischungen enthalten sein können, bei uns nicht weiter ausbreitet, sollte man sie rechtzeitig bekämpfen. Das frühzeitige Ausreißen und das mehrfache Mähen (beides mit Schutzkleidung!) sind die wirksamsten Möglichkeiten. Wichtig ist es, die so entstandenen Grünabfälle in einem Plastiksack im Restmüll – keinesfalls am Kompost oder im Biomüll – zu entsorgen. Werden offene Flächen bepflanzt, hat das Ragweed außerdem geringere Chancen, sich zu etablieren.
Der Neophyt des Jahres wird seit 2018 vom Naturschutzbund Österreich abwechselnd mit einem Neozoon ernannt.
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FOTO: JOSEF LIMBERGER
WILDKATZEN
GROSSER ERFOLG:
ÜBER 100 WILDKATZENNACHWEISE IN ÖSTERREICH Seit 2009 sammeln Expert*innen der „Plattform Wildkatze“ Hinweise auf die scheue Waldbewohnerin. Anfang 2022 wurde nun die Hundertermarke der Wildkatzennachweise geknackt. Auch Fotos von Jungkatzen in der Wachau sind gelungen! INFO Wie die Wildkatzensuche funktioniert Als bewährteste Methode bei der Suche nach Wildkatzen hat sich die Verwendung von Lockstöcken – rauen Holzpflöcken mit Baldriantinktur besprüht – herausgestellt. Das zieht Katzen magisch an – sie reiben sich daran und lassen im wahrsten Sinne „Haare“. In Kombination mit Wildkameras, die gegenüber angebracht werden, kann man mit etwas Glück Fotos und Haare derselben Katze „ernten“. Nur mit einer molekular-genetischen Untersuchung lässt sich eine Europäische Wildkatze sicher nachweisen – ein sogenannter C1-Nachweis. Als phänotypisch eingestufte Wildkatzen werden als C2-Hinweis bezeichnet. 2020 wurden erstmals auch Naturschutzhunde, die u. a. auf das Erschnüffeln von Wildkatzenkot trainiert sind, bei der Suche eingesetzt.
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Zwei Wildkatzenjunge in der Wachau untersuchen einen Baldrian-Lockstock.
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ie Suche nach Wildkatzen in Österreich hat sich zur Erfolgsgeschichte entwickelt: Bis Ende Mai lagen nicht nur rund 120 genetisch bestätigte Nachweise der derzeit noch als „ausgestorben“ geltenden Wildkatze vor, sondern auch über 375 Fotohinweise, die von Expert*innen als wahrscheinliche, im Fachjargon „phänotypische“, Wildkatzen eingestuft wurden, sowie rund 270 Hinweise mit Verdacht auf Wildkatze. Dazu kommen auch Bilder von Jungtieren, die mithilfe von Kamerafallen auf Flächen der Österreichischen Bundesforste in der Wachau gelungen sind. Erfreulich ist auch die stetige Zunahme der Meldungen: Seit der Gründung der Meldestelle 2009 verzeichnet die Datenbank bereits über 800 Wildkatzenhinweise. Die Hinweise stammen sowohl aus Zufallsbeobachtungen als auch aus gezielten Erhebungen wie z. B. aus der Wachau oder dem Nationalpark Thayatal – dem Vorreiter in Sachen Wildkatzenforschung seit 2006. Die „Koordinations- und Meldestelle Wildkatze“ beim Naturschutzbund Österreich nimmt die Hinweise an, überprüft und sichert sie. Unterstützung kommt dabei von der „Plattform Wildkatze“, deren Mitglieder sich aus Österreichischen Bundesforsten, Nationalpark Thayatal, Naturschutzbund Österreich, Jagd Österreich, Naturhistorischem Museum Wien, Alpenzoo Innsbruck sowie mehreren Wildbiologen zusammensetzen. Wildkatzennachwuchs dokumentiert Viele Jahre lang hofften die Mitglieder der Plattform, Wildkatzenjunge zu finden, um den Nachweis der Fortpflanzung erbringen zu können. Im Sommer 2021 sind dem Wildkatzenexperten und Plattformmitglied Peter Gerngross gleich mehrere Fotofallenbilder von Jungen auf Flächen der Bundesforste in der Wachau gelungen. „Die Fotos bedeuten einen Meilenstein für Österreich, denn die Wildkatze gilt bei uns offiziell immer noch als ausgestorben, verschollen oder ausgerottet. Unser Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
FOTO: PETER GERNGROSS
FOTO: MANFRED STROBL
NACHWEIS
Ziel ist es, diesen Rote-Liste-Status endlich ändern zu können, weil die Art ja wieder bei uns lebt und sich vermehrt“, erklärt Ingrid Hagenstein, Leiterin der „Koordinations- und Meldestelle Wildkatze“. „Ein erster, sehr erfreulicher Beweis für eine kleine, sich fortpflanzende Wildkatzen-Population konnte bereits 2020 erSommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
Text: Ingrid Hagenstein Leiterin der Koordinations- und Meldestelle Wildkatze und „Plattform Wildkatze“ beim | naturschutzbund | Österreich wildkatze@naturschutzbund.at
bracht werden: Im Rahmen des gemeinsamen Projektes ‚Unsere wilden Katzen‘ von Naturschutzbund und Bundesforsten gelang es, sechs Individuen in der Wachau nachzuweisen“, berichtet Christina Lassnig-Wlad, Leiterin des Naturraummanagements bei den Österreichischen Bundesforsten. Eine genetische Analyse bestätigte schließlich die Verwandtschaftsbeziehungen untereinander. Dem Projektleiter Peter Gerngross, der die Erhebungsprojekte in der Wachau seit 2013 zum Teil ehrenamtlich betreut, ist es 2021 gelungen ein weiteres männliches Tier nachzuweisen. Drehscheibe bei der Sammlung von Sichtungen und bei Beratungen in Sachen Wildkatze ist die Wildkatzen-Meldestelle beim Naturschutzbund Österreich in Salzburg. Die Möglichkeit, dort Beobachtungen zu melden, hat wesentlich dazu beigetragen, mehr über die Verbreitung der scheuen Waldbewohnerin zu erfahren: Außer in Salzburg wurde sie mittlerweile in jedem Bundesland nachgewiesen. In Tirol wurde sie 2013 erstmals dokumentiert, auch ein Vorkommen in Vorarlberg war zuvor unbekannt. Als Hotspots der Wildkatzenverbreitung in Österreich haben sich die Wachau, der Nationalpark Thayatal und Bereiche in Kärnten herausgestellt. Zwei Monitoringprojekte seien noch erwähnt: Die Vorarlberger Landesregierung sucht in ausgewählten Gebieten des Bundeslandes nach Wildkatze und Luchs, der Naturschutzbund Steiermark will nach dem Verkehrstod einer Wildkatze in der Weststeiermark herausfinden, ob noch weitere Tiere dort leben. Die „Plattform Wildkatze“ ist zuversichtlich, dass die Wildkatze in den nächsten Bericht zum Artikel 17 der FFH-Richtlinie der EU (Bericht über den Erhaltungszustand der Lebensraumtypen und Arten von gemeinschaftlichem Interesse) aufgenommen wird. Bislang war das Vorkommen der Wildkatze in Österreich darin nicht enthalten. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen alle sechs Jahre über den Status ihrer Schutzgüter und die durchgeführten Schutzmaßnahmen berichten.
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SCHMETTERLINGE
Pampelmuse aus dem sogenannten Surinambuch. Mit seinen 60, später um zwölf Arbeiten ergänzten, großformatigen Kupferstichen von exotischen Pflanzen und Insekten und deren Verwandlung vom Ei über Raupe und Puppe zum fertigen Insekt, sichert dieses Buch Maria Sibylla Merian noch Jahrhunderte nach ihrem Tod einen Ehrenplatz in der Kunstgeschichte und Naturforschung.
Bildnis der Maria Sibylla Merian von Jacob Marrel, 1679 (Kunstmuseum Basel)
MARIA SIBYLLA MERIAN
EIN LEBEN FÜR DIE SCHMETTERLINGE
ALLE WERKFOTOS MERIAN: KUNSTKABINETT STREHLER
Vor 375 Jahren wurde die bedeutende Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian geboren. Ihre detaillierten Bilder und Aufzeichnungen zu den Entwicklungsstadien von Schmetterlingen und anderen Insekten begeistern bis heute.
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aria Sibylla Merian wurde 1647 in Frankfurt am Main geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters heiratete die Mutter den Blumenmaler Jacob Marrel. Dieser erkannte das künstlerische Talent der kleinen Maria Sibylla und unterrichtete sie fortan im Zeichnen, Malen und im Umgang mit Farben. Im Alter von elf Jahren beherrschte sie bereits die Kunst des Kupferstechens. Frankfurt war damals ein Zentrum der Seidenraupenzucht und Seidenproduktion. Mit 13 Jahren erlebte Maria Sibylla hier zum ersten Mal die Verwandlung einer Seidenraupe zum Schmetterling mit. Das war der Beginn ihrer lebenslangen Begeisterung für die Beschäftigung mit der Metamorphose von Schmetterlingen und Insekten.
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Mit 18 Jahren heiratete Maria Sibylla Merian und lebte mit Mann und zwei Töchtern fortan in Nürnberg. Dort veröffentlichte sie zwischen 1675 und 1680 das Blumenbuch, das in drei Teilen mit je zwölf Blumenkupferstichen erschien und als Kopiervorlage für handarbeitende Damen der höheren Gesellschaft diente. 1679 erschien das erste Raupenbuch, Der Raupen wunderbare Verwandelung und sonderbare Blumennahrung über die Metamorphose der europäischen Falter mit 50 Kupferstichen. Jedem Bild war nun erstmals auch eine Beschreibung der Tiere und Pflanzen beigefügt, die über Fundort, Farbgebung und Entwicklung der Insekten informierte. Der Typus des MetamorphosenSommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
FORSCHUNG
bildes war geboren! 1683 erschien das zweite Raupenbuch, ein drittes folgte 1717, in ihrem Todesjahr. Daneben betrieb sie einen lukrativen Handel mit Farben, die sie selbst aus Pflanzen und Erden herstellte. Die Leuchtkraft, Licht- und Wasserfestigkeit ihrer Farben waren außergewöhnlich.
Bis heute bewundert Das einzigartige und für damalige Verhältnisse ungewöhnlich selbstbestimmte Leben der Maria Sibylla Merian inspiriert bis heute. Zahlreiche Bücher und Romane, aber auch Kinderbücher wurden über diese außergewöhnliche Frau geschrieben. In den Niederlanden erforscht die „Maria-Sibylla-Merian-Society“ beständig ihr Leben und Werk und die heurige Biennale von Venedig zeigt in ihrer Hauptausstellung 218 künstlerische Positionen zum Thema „Wandel, Wandlung und Metamorphose“, darunter zahlreiche Surinamblätter von Maria Sibylla Merian.
Dill mit Schwalbenschwanz. Mit ihrem ersten Raupenbuch Der Raupen wunderbare Verwandelung und sonderbare Blumennahrung eröffnete Maria Sibylla Merian einen völlig neuen Zugang zum Verständnis des Insektenlebens.
Die Bundesrepublik Deutschland ehrte Maria Sibylla Merian mit einer Abbildung ihres Porträts auf dem 500-DM-Schein.
FOTO: PRIVAT
Maria Sibylla erforscht die Insekten- und Pflanzenwelt Surinams 1685 trennte sich Maria Sibylla von ihrem Mann und lebte fortan mit Mutter und Töchtern auf Schloss Waltha in Friesland, wo Cornelis van Sommelsdijk, Gouverneur der niederländischen Kolonie Surinam, in ihr das Interesse an der Pflanzen- und Tierwelt der Tropen weckte. Ab 1691 wurde Amsterdam ihr neuer Lebensmittelpunkt. Dort besuchte sie die neu angelegten botanischen Gärten, in denen sowohl heimische als auch exotische Pflanzen kultiviert und wissenschaftlich bearbeitet wurden. Maria Sibylla interessierte das sehr und dank ihrer Beziehungen sowie ihrer Tüchtigkeit als Geschäftsfrau konnte sie das notwendige Geld aufbringen, um 1699 die lang ersehnte Reise nach Südamerika anzutreten. Dort begann sie unverzüglich und mit unablässigem Wissensdrang mit der Erforschung der Insekten- und Pflanzenwelt Surinams. Zwei Jahre später kehrte sie zurück, im Gepäck zahllose Notizen, Skizzenbücher, Schmetterlingspuppen, in Branntwein konservierte Schmetterlinge und Echsen sowie Kästen mit Tierpräparaten. Daraus entstand ihr 1705 veröffentlichtes Hauptwerk über die Metamorphose der Insekten Surinams, Metamorphosis Insectorum Surinamensium, das ihren Weltruf begründete. Auch Carl von Linné, der Vater der modernen botanischen und zoologischen Systematik, zollte ihr höchste Anerkennung. Bis heute zählen ihre Bilder zum Schönsten, das die Kunstgeschichte an Pflanzen- und Insektendarstellungen zu bieten hat.
Text: Dr. Erika Schuster Geschäftsführerin Kulturinitiative Gmünd, verantwortlich für die Entwicklung der Stadt Gmünd zur Künstlerstadt kultur.gmuend@aon.at
TIPP MARIA SIBYLLA MERIAN in der Stadtturmgalerie Gmünd (7. Mai bis 2. Oktober 2022) Zum 375. Geburtstag der bedeutenden Künstlerin und Naturforscherin Maria Sibylla Merian zeigt die Stadtturmgalerie Gmünd in Kärnten in Zusammenarbeit mit dem Kunstkabinett Strehler, dem Kunsthistorischen Museum Wien und dem Landesmuseum Kärnten eine umfassende Auswahl an Kupferstichen und Aquarellumdrucken Merians. Für Kinder gibt es das kostenlose MERIAN-Kinderbegleitheft, gestaltet vom Künstler Moussa Kone, mit vielen interaktiven Spielen sowie dem Anreiz, im Sommer als kleine Forscher*innen Insektenfunde auf der Naturschutzbund-Plattform www.naturbeobachtung.at zu melden. Wer dort die meisten Sichtungen bis Ende September teilt, gewinnt einen Original-Kupferstich von Maria Sibylla Merian!
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MELDEAUFRUF
NATURSCHUTZBUND UND HOFER LADEN ZUR HUMMELSUCHE EIN
EISZEITZEUGEN UNTER DEN HUMMELN ENTDECKEN
Klimawandels könnte sich ihre Verbreitung nun weiter verschieben. Um das herauszufinden, laden der Naturschutzbund und der Lebensmittelhändler HOFER im Rahmen des gemeinsamen Bienenschutzfonds dazu ein, die Augen nach den leuchtend gefärbten Brummern offen zu halten und Beobachtungen auf naturbeobachtung.at zu teilen.
FOTO: WERNER RUPPITSCH
FOTO: WOLFGANG SCHWEIGHOFER
Vor den Eiszeiten vor tausenden von Jahren hat sich der gemeinsame Vorfahr von Feld- und Tonerdhummel in wärmere Gefilde im Süden zurückgezogen. Aus zwei Populationen einer Art bildeten sich dort zwei getrennte Arten heraus. Mit der Erwärmung nach der letzten Eiszeit wanderten sie als Feld- und Tonerdhummel wieder in Mitteleuropa ein. Aufgrund des
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ie Tonerdhummel (Bombus argillaceus) hatte ihr Eiszeitrefugium wohl in den Gebieten von Südosteuropa bis in den Iran, wo sie bis heute vorkommt. In Österreich liegt ihre nördliche Verbreitungsgrenze im Tiroler Inntal, im oberen Salzachtal bis zum Saalfeldener Becken, im Ennstal und im steirischen Murtal sowie bei Wien. Derzeit kommt sie nirgends nördlich der Nördlichen Kalkalpen vor. Für das südliche Niederösterreich und das Nordburgenland liegen bis dato keine Daten vor. Die Feldhummel (Bombus ruderatus) überdauerte die Eiszeiten in Südwesteuropa und Nordafrika, wo sie auch heute noch vorkommt. In Österreich ist sie als seltene Art im Nordosten, aber auch im Vorarlberger Rheintal zu finden. HUMMELN AM FARBMUSTER ERKENNEN Die Bestimmung ist nicht ganz einfach: Schwarz mit weißer Hinterleibsspitze und drei gelben Binden – so sehen drei nah miteinander verwandte Hummelarten aus. Während bei der häufigen Gartenhummel die Behaarung struppig und die zweite gelbe Binde (direkt hinter den Flügeln) halbmondförmig ist, ist diese bei Feldhummel und Tonerdhummel vorne gerade abgeschnitten und die Haare
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sind viel kürzer. Bei den Königinnen ist die Unterscheidung von Tonerdhummel und Feldhummel relativ leicht: Jene der Tonerdhummel haben einen rein schwarzen Hinterleib, Feldhummelköniginnen eine weiße Hinterleibsspitze. Zudem sind die Königinnen dieser beiden Arten von stattlicher Größe! Für die Bestimmung von Arbeiterinnen braucht es allerdings schon einen geübten Blick. Die beiden Hummelarten verfügen auch über sehr lange Rüssel – bei Königinnen ist er ca. 18 mm, bei Arbeiterinnen und Drohnen bis zu 15 mm lang. Sie teilen außerdem die Vorliebe für nektarreiche langröhrige Blüten und sind deshalb auch an Beinwell, Wundklee, Rotklee, Salbei und verschiedenen Wicken zu finden. In ausgeräumten Agrarlandschaften können sie kaum überleben, doch wenn das Blütenangebot stimmt, ist die Tonerdhummel im Südteil Österreichs und die Feldhummel im Weinviertel, rund um Wien und am Neusiedlersee zu finden. Ein kleiner Tipp: Häufig sind diese zwei langrüsseligen Brummer an Weißer und Gefleckter Taubnessel sowie Rotklee zu entdecken. Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
WETTBEWERB
„ALPENBLUMEN GESUCHT!“ NATURSCHUTZBUND UND NATURFREUNDE LADEN ZUM WETTBEWERB Arnika, Preiselbeere, Silberwurz und neun weitere Alpenpflanzen sind von 13. Juni bis 31. Juli gesucht. Mit ihnen wollen Naturfreunde und Naturschutzbund der Bevölkerung die faszinierende Welt der Pflanzen im Gebirge näherbringen und sie zu ihrem Schutz motivieren. Wer seine Funde auf www.naturbeobachtung.at teilt, kann sogar gewinnen. Mit dem Projekt „Aufblühn“ will der Naturschutzbund Jung und Alt für die bunte botanische Vielfalt begeistern und die Artenkenntnis über heimische Pflanzen fördern. Bestandsrückgänge sollen mit mehr Pflanzenwissen der Bürger*innen früher erkannt werden, um so Gefährdungen besser entgegenwirken zu können. Die enge Zusammenführung von Wissenschaft und Hobbyforscher*innen über die Citizen-Science-Plattform www.naturbeobachtung.at ist das besondere Element von „Aufblühn“, von dem beide Seiten profitieren: Die Amateur*innen“ bekommen Expertenhilfe, die Wissenschaftler*innen erhalten umfassende Daten.
www.aufblühn.at Text: Mag. Gernot Neuwirth | naturschutzbund | Österreich gernot.neuwirth@naturschutzbund.at
GRAFIKEN: MICHAEL PAPENBERG; FOTO: JOHANN MISCHLINGER
Wer findet die meisten Alpenpflanzen? Gemeinsam mit den Naturfreunden lädt der Naturschutzbund nun von 13. Juni bis 31. Juli unter dem Motto „Alpenblumen gesucht!“ dazu ein, in ganz Österreich zwölf ausgewählte Bergpflanzen zu beobachten, fotografieren und über naturbeobachtung.at zu teilen. Gesucht sind Arnika, Preiselbeere, Silberwurz, Trollblume, Silikat-Glocken-Enzian, Türkenbund-Lilie, Leg-Föhre, Bart-Glockenblume, AlpenKüchenschelle, Silberdistel, Alpen-Fett-
kraut und Weiß-Germer. Gewinner*in ist, wer nach Ablauf der Aktion die meisten der zwölf Arten dokumentieren konnte bzw. bei Gleichstand die meisten Bilder geteilt hat. Die einlangenden Fundmeldungen werden regelmäßig von Botaniker*innen bestimmt bzw. geprüft. Die 100 fleißigsten Melder*innen erhalten von den Naturfreunden je ein Alpenpflanzen-Poster sowie einen Wanderführer. Unter allen Teilnehmer*innen, die zumindest eine gültige Meldung abgegeben haben, werden Sachpreise von den Naturfreunden (z.B. Hüttengutscheine) und den Naturparken, die sich ebenfalls an der Aktion beteiligen, verlost. Gefundene Pflanzenarten zu melden ist dabei ganz einfach über die naturbeobachtung.at-App möglich, sodass man auch ohne Vorwissen ins Pflanzenbestimmen und -melden einsteigen kann. Wir freuen uns auf deine Teilnahme!
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AMPHIBIEN
GEMEINSAM MIT DEM NATURSCHUTZBUND ENTWICKELT:
NEUES AUSSTIEGSHILFESYSTEM AUS SCHÄCHTEN FÜR KLEINTIERE
FOTO: NATURSCHUTZBUND
Die meisten heimischen Amphibien wandern aufgrund ihres natürlichen Jahreszyklus mehrmals pro Jahr. Dabei müssen sie in vielen Gebieten Straßen queren. Dort droht ihnen nicht nur Gefahr durch den Verkehr, auch Kanalschächte sind tückische Fallen für sie und viele weitere Kleintiere. Der Naturschutzbund Steiermark testete nun in Kooperation mit der Firma CleverEdge® einen neuen Ausstiegshilfentyp.
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uf Kleintiere lauern viele Gefahren, aber auch zahlreiche Hindernisse können ihnen allein aufgrund ihrer geringen Größe das Leben schwermachen. So stellen beispielsweise Bordsteine oft unüberwindbare Hindernisse für Amphibien & Co dar. Die Bordsteine übernehmen eine Leitfunktion und führen die Tiere direkt zu Kanalschächten1, in die sie hineinfallen und gefangen sind. Dort verhungern die Tiere, erkranken an Viren, Pilzen, Parasiten etc. oder werden bei Reinigungsarbeiten verletzt oder getötet2. Um diesen Gefährdungen für unsere Amphibien entgegenzuwirken, müssen im Bereich der Straßenentwässerung dringend Schutzmaßnahmen, wie die Installation von Ausstiegshilfen in Abwasserschächten, umgesetzt werden. Die bereits existierenden Systeme (z. B. Terramatte, Amphibienleiter, Ausstiegsrohr) eignen sich wegen verschiedener Schwächen nicht optimal3. Einige sind sehr aufwändig beim Einbau, andere bringen die Tiere zwar bis zum Ende des Schachts, helfen ihnen aber nicht bei der Überwindung der Abdeckungen. Deshalb hat der Naturschutzbund Steiermark im Rahmen einer Untersuchung einen neuen Ausstiegs-
Text: Dr. Frank Weihmann | naturschutzbund | Steiermark frank.weihmann@naturschutzbundsteiermark.at
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Morgenthaler, L. (2021): Erfolgskontrolle: Ausstiegshilfen für Amphibien aus Entwässerungsschächten (Bachelorarbeit). ZHAW, Wädenswil. Caprez et al. (2016): Amphibienausstieg in Kläranlagen. Beispiellösungen in der Ara real Luzern und im Klärwerk Werdhölzli Zürich. Aqua & Gas Nr. 4. Meister, B. & Bösch, A. (2015): Amphibien im Abwasser – was nützen Ausstiegshilfen? Umwelt Aargau Nr. 69.
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Grasfrosch FOTO: ARCHIV NATURSCHUTZBUND
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NEUES SYSTEM
Die Bildsequenz zeigt den erfolgreichen Ausstieg aus dem Schacht inkl. Schachtdeckel.
hilfentyp getestet. Dazu wurden im Frühjahr 2021 übliche Entwässerungsschächte (DIN 4034), wie sie im Straßenbau zur Anwendung kommen, auf einem Versuchsgelände aufgebaut und Versuche mit heimischen Amphibien durchgeführt. Zum Einsatz kamen Männchen und Weibchen von Erdkröte (Bufo bufo), Grasfrosch (Rana temporaria) und Springfrosch (R. dalmatina). Es handelte sich um Tiere, die das Laichgeschehen bereits abgeschlossen hatten und auf dem Weg in ihre Sommerhabitate abgefangen wurden. Mittels KameraAufzeichnungen und täglichen Kontrollen wurden die Versuche dokumentiert und Daten erhoben. Ziel war es, festzustellen, wie hoch die Akzeptanz der Ausstiegshilfe durch die Tiere und ob ein Unterschied zwischen den Arten erkennbar ist. Zudem wurde ermittelt, wo gegebenenfalls Optimierungen notwendig sind. Insgesamt wurden 33 Tiere (15 Erdkröten, 18 Grasund Springfrösche) eingesetzt. Im Durchschnitt konnten 85 % der Tiere die Schächte über die Ausstiegshilfe verlassen, wobei die Erdkröten mit über 93 % besonders erfolgreich waren. Das Konzept des neuen Ausstiegshilfetyps: Eine Rampe trägt am oberen Ende eine Bürste. Die Borsten sind keilförmig geschnitten und werden von unten nach oben länger. Die Bürste schließt optimal mit den Öffnungen – egal, ob Schlitz oder Loch – der Schachtabdeckungen ab. Die gesamte Ausstiegshilfe wird am Rand des Schachts in eine Hängevorrichtung eingehängt. Sie kann vor Ort in kurzer Zeit an jeden Schachttyp und Schachtdeckel angepasst werden. Auch bei Wartungsarbeiten ist die Konstruktion rasch herausgenommen und nach Beendigung wieder eingesetzt. Das Problem vieler bisheriger Ausstiegshilfen, dass die Tiere die Schachtabdeckung nicht überwinden konnten, ist damit gelöst. Der hier vorgestellte Typ kann für jede gängige Schachtabdeckung genutzt werden und zeigt nachweisbar für Froschlurche eine sehr hohe Erfolgsquote. Für Schwanzlurche wird eine ebenso hohe Akzeptanz angenommen – Versuche dazu sind in Planung. Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
DREI FOTOS: FRANK WEIHMANN
Skizze der Ausstiegshilfe
Die Erdkröte hat den Ausstieg mithilfe des neuen Systems geschafft. Foto und Skizze: CleverEdge®
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LEBENSRÄUME
RAINE VIELFALT
Bunt blühende Feld- und Wegränder gibt es kaum mehr. Wenn sie nicht verschwunden sind, sind sie schmal geworden und einheitlich grün – ein Verlust nicht nur fürs menschliche Auge! Denn die vielfältigen Säume haben eine besondere Funktion: Im immer intensiver genutzten Kulturland sind sie oft letzter Rückzugsraum für Pflanzen und Tiere. Sie geben der Landschaft einen ganz besonderen Reiz, schützen vor Erosion, sind wichtige Verbundelemente und leisten einen wertvollen Beitrag zu mehr Biodiversität und Stabilität im Agrarland.
Lineare Saumstrukturen können „Rückgrat“ der biologischen Vielfalt innerhalb der intensiv genutzten Agrarlandschaft sein. FOTO: CHRISTINE PÜHRINGER
A
ckerrandstreifen, Feldränder und Böschungen haben im Agrarland, das einem wachsenden wirtschaftlichen Druck ausgesetzt ist, vordergründig betrachtet keinen Nutzen. Aber eben weil sie keinen Ertrag liefern müssen, können sie Brücken der Vielfalt sein, Heimat von Bienen, Eidechsen, Rebhühnern und anderen Vertretern einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt.
FOTO: PIXABAY/SILVIARITA
LEBENS- UND RÜCKZUGSRAUM Rund 1.000 verschiedene Arten hat man auf Weg- und Feldrainen in Deutschland gezählt. Kaum eine davon kommt ausschließlich dort vor, vielen würde es woanders mindestens genauso gut gefallen. Je weniger Lebensräume aber das Umland bietet, desto wichtiger
sind diese „Lebenslinien“. Wiesenpflanzen retten sich vor zu viel Dünger ebenso dorthin wie Wildbienen oder Schmetterlinge, denen es sonst an Blüten fehlt. Viele Insekten überwintern auf abgestorbenen Pflanzenstängeln solcher Saumvegetation. PFLEGEFALL Das Besondere an Rainen ist ihr extensiver Wiesencharakter. Um diesen zu behalten, brauchen sie eine spezielle Pflege, weshalb sie auch stark gefährdet sind. Denn nicht nur Ausdehnung oder Zusammenlegung der Ackerflächen zu immer größeren „Bewirtschaftungseinheiten“ lässt die bunten Säume verschwinden, auch mangelnde Pflege – und damit Verfilzung oder Verbuschung – beeinträchtigt sie, genauso wie der Eintrag von Düngeund Pflanzenschutzmitteln. Deshalb stehen Raine mittlerweile auf der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen Österreichs. Mit dem Schwerpunkt „Raine Vielfalt“ will der Naturschutzbund über diese wertvollen Lebensräume informieren und zu ihrer Erhaltung beitragen. Besonders wichtig ist es, sie möglichst spät (jedenfalls aber erst nach der Samenreife) und schonend (optimalerweise mit dem Balken oder von Hand) zu mähen. Das Mähgut sollte ein paar Tage liegen bleiben, damit die Samen ausfallen, dann aber unbedingt abtransportiert werden. So gibt es blütenreiche Säume und damit das ganze Jahr Nahrung und Rückzugsraum für viele Tiere. >CP<
INFO: https://www.naturverbindet.at/verkehrsbegleitgruen.html
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Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
NATURFREIKAUF
WEITERE NATURFLÄCHEN IM BURGENLAND FREIGEKAUFT
Vogelrefugium an der Leitha In Gattendorf an der Leitha liegen die grundwasserbeeinflussten Rohrlusswiesen. Die mosaikartig miteinander verzahnten wechselfeuchten und sehr feuchten Bereiche sind Lebensraum für viele seltene Vogelarten wie Bekassine, Großer Brachvogel, Kaiseradler, Kiebitz, Rohrammer, Rotschenkel, Sakerfalke, Seeadler, Sumpfohreule, Uferschnepfe und Wachtelkönig. Auch viele seltene Pflanzenarten kommen hier vor, wie Europa-Wiesensilge, Färber-Scharte, Grau-Kratzdistel, Groß-Flohkraut, Groß-Wiesenknopf, Hochstiel-Wegerich, Kanten-Lauch, Lungen-Enzian, Wasser-Schwertlilie und Weidenblatt-Alant. Auf den Flächen werden aktuell auch botanische Forschungen von Mitarbeiter*innen des Naturschutzbundes Burgenland durchgeführt. Mit der nun erworbenen Fläche kann der Naturschutzbund hier bereits 4 ha für die Natur sichern.
Raab-Altarm in St. Martin an der Raab Das Gemeindegebiet von St. Martin an der Raab ist im Talboden durch die Raab geprägt, der Bereich wird intensiv landwirtschaftlich genutzt. Naturschutzfachlich wertvolle Flächen sind teils noch inselartig erhalten. Es handelt sich dabei um angeschlossene und abgetrennte Altarme sowie Feuchtwiesen. Eine dieser Flächen mit 13.261 m² konnte nun vom Naturschutzbund erworben werden. Der dort teilweise wasserführende Altarm wird von einer Weichholzau dominiert. Verschiedene Weidenarten, wie Silber-, Bruch-, Asch- und Mandelweide sowie Schwarzerle, Schwarzpappel, Esche, Schilf, Rohrglanzgras etc. prägen die Flora. Im Nahbereich befinden sich hochwertige Feuchtwiesen, die den Talboden mit den Hügellagen verbinden. Ein Lebensraum für die Hundszahnlilie In Neuhaus am Klausenbach erwarb der Naturschutzbund Burgenland im vergangenen Jahr eine 700 m² große Fläche am Rand eines Eichen-Rotbuchen-Mischwaldes, der in eine wechselfeuchte Wiese übergeht. Dort ist auch die seltene Hundszahnlilie (Erythronium dens-canis) beheimatet. Sie wächst in Österreich in kollinen bis montanen Höhenlagen von 200 bis 2.200 Meter und kommt im Burgenland nur im Neuhauser Hügelland im Bezirk Jennersdorf (Naturpark Raab) auf vier Standorten vor. Das stark gefährdete Liliengewächs mit seinen purpurroten zurückgeschlagenen Blütenblättern kann schon Mitte März, noch vor dem Blattaustrieb der Laubbäume beobachtet werden.
FOTO: JOSEF WEINZETTL
Text: Dr. Klaus Michalek | naturschutzbund | Burgenland burgenland@naturschutzbund.at FOTO: KLAUS MICHALEK
FOTO: ERNST SPIEGL
Naturfreikauf ist ein wichtiges Werkzeug zur Sicherung gefährdeter Lebensräume und damit zur Erhaltung der Biodiversität. Mit drei neu erworbenen Flächen sichert der Naturschutzbund Burgenland weiteren Lebensraum für seltene Arten.
INFO: Falls Sie naturschutzfachlich wertvolle Grund-
stücke im Burgenland kennen, die man durch Kauf unbedingt sichern sollte, bitten wir Sie, uns diese inkl. der Kontaktdaten ihrer Besitzer*innen bekanntzugeben.
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ARTENSCHUTZ
In zwei Gebieten des Naturschutzbundes Niederösterreich wurden die Lebensbedingungen für feuchtigkeitsliebende Arten mit einem Bagger verbessert.
Chirocephalus shadini FOTO: T. SCHERNHAMMER
Mit dem Bagger wurde der Lebensraum für die Urzeitkrebse gesichert.
Naturschutzgebiet Pischelsdorfer Fischawiesen Auch im Naturschutzgebiet Pischelsdorfer Fischawiesen kam der Bagger zum Einsatz. Hier waren die ansonsten im Frühling immer wasserführenden Senken ebenfalls seit einigen Jahren nicht mehr gefüllt. Die Ursachen dafür sind allerdings noch nicht bekannt. In einem unmittelbar an das Naturschutzgebiet angrenzenden Teich des Naturschutzbundes wurde eine Flachwasserzone geschaffen, um die Situation für Watvögel wie den Großen Brachvogel, aber auch für Amphibien zu verbessern. FOTO: PRIVAT
Naturdenkmal Tümpelwiese in Marchegg Das als „Naturdenkmal Tümpelwiese“ unter Schutz gestellte Gebiet rund um den Pulverturm in Marchegg ist bekannt wegen der Vorkommen der seltenen Urzeitkrebse Chirocephalus shadini, Triops cancriformis, Lepidurus apus u. a., die dort in den seichten und meist nur temporär mit Wasser gefüllten Tümpeln leben. Die Eier der Urzeitkrebse können jahrelange Trockenheit überstehen. Sind dann die Tümpel zum richtigen Zeitpunkt mit Wasser gefüllt, schlüpfen die Tiere. Nach kurzer Zeit legen sie wieder Eier ab und der Lebenszyklus beginnt von Neuem. In den vergangenen Jahren waren aber die Tümpel nicht mehr oder zu kurz mit Wasser gefüllt und es konnten keine Urzeitkrebse beobachtet werden. Die March entspricht dem pluvialen Übergangsregime mit einem Abflussmaximum im März, mit Hochwasserspitzen im März und April und Niedrigwasser im Sommer und Herbst. Fehlende Niederschläge im Winter führten dazu, dass in den letzten Jahren die Frühjahrshochwasser an der March ausblieben und damit auch der Grundwasserspiegel sank. Deshalb führten die grundwassergespeisten Tümpel, wie der beim Pulverturm in Marchegg, kein Wasser mehr. Um die Lebensbedingungen für die Urzeitkrebse, aber auch für die dort vorkommenden Amphibien wie Rotbauchunke und Donau-Kammmolch zu verbessern, hat der Naturschutzbund Niederösterreich im Februar vier Tümpel ausgebaggert. Die Zufahrten von Bagger und LKW waren dabei mit großer Umsicht zu planen, um nicht die besondere Trockenrasenflora zu schädigen. Mit dem Bagger wurde zunächst das organische Material entfernt, dann die erste Sandschicht auf die Seite geräumt und schließlich um 30–50 cm tiefer gegraben. Die oberste Sandschicht mit den Dauereiern wurde wieder eingebracht, das andere Aushub-Material abtransportiert.
FOTO: MARGIT GROSS
MIT DEM BAGGER LEBENSRÄUME SCHAFFEN
Text: Mag. Margit Gross | naturschutzbund | Niederösterreich noe@naturschutzbund.at
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Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
NATIONALPARK KALKALPEN FEIERT 25-JAHR-JUBILÄUM
In den 1980er-Jahren führten verschiedene Nutzungspläne im Reichraminger Hintergebirge (Kraftwerksprojekte sowie Pläne zur Errichtung eines Kanonenschießplatzes) zum Widerstand mehrerer Alpin- und Naturschutzverbände sowie regionaler Initiativen. 1989 forderten die NGOs Alpenverein, Naturfreunde, Naturschutzbund und WWF in der sogenannten „Mollner Erklärung“ die Errichtung des Nationalparks Kalkalpen. 1996 erfolgte der einstimmige Beschluss des Gesetzes zur Errichtung des Nationalparks im oberösterreichischen Landtag, im April 1997 gründeten schließlich Bund und Land Oberösterreich gemeinsam die Gesellschaft Nationalpark Oberösterreichische Kalkalpen als Betreiber. Der Nationalpark Kalkalpen war aus der Taufe gehoben.
S
eitdem ist viel geschehen: Der von der IUCN (Weltnaturschutzunion) anerkannte Nationalpark hat sich zum größten Waldschutzgebiet Österreichs entwickelt. Oberste Ziele sind der Schutz der natürlichen Dynamik von Waldgesellschaften des Gebietes vom tiefmontanen Bereich bis zur Waldgrenze sowie der Schutz alpiner Lebensräume und deren Fauna und Flora. Neben dem Erhalt der Biodiversität sind Forschung, Wissensvermittlung und ein Beitrag zur Erholung der Besucher*innen wichtige Aufgaben des Nationalparks. Zu Beginn umfasste der Nationalpark Kalkalpen gut 16.500 Hektar, heute sind 20.850 Hektar ausgewiesen, davon 89 Prozent Naturzone. In der Bewahrungszone werden hochwertige Kulturlandschaften wie Almen erhalten und gepflegt. Seit Beginn sind die NGOs, die an der Gründung maßgeblich beteiligt waren, zusammen mit Interessenver-
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Alte Buche am Rande der Blumauer Alm
FOTOS: PRIVAT
FOTO: JOSEF LIMBERGER
JUBILÄUM
Text: Julia Kropfberger und Josef Limberger | naturschutzbund | Oberösterreich oberoesterreich@naturschutzbund.at
treter*innen der Jagd und der Grundbesitzer*innen im Nationalpark-Kuratorium als beratendes Gremium vertreten, was nicht immer konfliktfrei abläuft. Nationalpark-Erweiterung als Geburtstagswunsch und Forderung Aus Sicht des Naturschutzbundes und der anderen NGOs sind derzeit zwei Punkte vordringlich: Zum einen sind weitere Bestandsstützungen der kleinen, aus nur wenigen Luchsen bestehenden Population unaufschiebbar, um zu verhindern, dass diese Tierart ein weiteres Mal aus den Nördlichen Kalkalpen verschwindet. Zum anderen fordert der „Mollner Kreis“ die seit Beginn im Nationalpark-Gesetz vorgesehene Erweiterung auf die Gebiete der Haller Mauern und des Toten Gebirges. Das wäre ein passendes „Geburtstagsgeschenk“ der Politik an den Nationalpark.
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LUCHSE
SCHEITERN LUCHSE AM WEG ZURÜCK? FOTO: SONVILLA-GRAF OG
Jahrhundertelang galten Luchse, Bären oder Steinadler als Schadwild. Weil sie auch das Nutzwild, nämlich Reh-, Gams- und Rotwild, als Nahrungsgrundlage hatten, wurden sie von den grundherrschaftlichen Jägern gnadenlos verfolgt und ausgerottet. So kam es, dass über 150 Jahre lang Luchse nur mehr auf Zeichnungen und im Museum zu bewundern waren. Nun könnten sie zumindest aus der Region um den Nationalpark Kalkalpen ein zweites Mal verschwinden.
LUCHSSTECKBRIEF
Die Jungtiere kommen in einer Wurfhöhle zur Welt und sind die ersten acht Monate vom Muttertier abhängig.
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FOTO: SCIENCEVISION
FOTO: HAYMERLE
Größe: Schulterhöhe 50 bis 70 cm Gewicht: um die 20 Kilogramm (Kuder schwerer, Kätzin leichter) Nahrung: vorwiegend Rehe; Gämsen, Hasen, Füchse, Mäuse Lebenserwartung: etwa sieben bis zwölf Jahre Nachwuchs: Geburt Ende Mai/Juni, ein bis vier Jungtiere Aussehen: Luchse haben ein individuelles Fellmuster, das so einzigartig wie ein Fingerabdruck ist Gefährdung: illegale Bejagung, Verkehr
Junge Luchse bleiben bis zur nächsten Ranzzeit (Paarungszeit) bei der Mutter und machen sich im Alter von etwa zehn Monaten auf die Suche nach einem eigenen Revier. Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
NATIONALPARK KALKALPEN
Bestandsstützung Luchs im Nationalpark Kalkalpen Zehn Jahre später initiierte die Nationalpark-Verwaltung ein Luchsbestand-Stützungsprojekt. 2011 kam es zur Freilassung zweier Luchse, Wildfänge aus der Schweiz: Kätzin Freia und Kuder Juro. 2013 folgte mit Kora ein weiteres Weibchen aus dem Kanton Jura. Die Idee der Populationsstützung funktionierte. 2012 und 2013 gab es Nachwuchs und mit ihm keimte die Hoffnung auf die erste Luchspopulation in den österreichischen Alpen seit ihrer Ausrottung. Seit dem Jahr 2012 verschwanden aber die Luchsmännchen Klaus, Pankraz, Juro und Jago auf unerklärliche Weise. Da Kuder zur Paarungszeit die Weibchenreviere niemals freiwillig aufgeben würden, keimte schnell der Verdacht, dass das Verschwinden der Luchse durch illegale Abschüsse herbeigeführt worden sei. Die Polizei fand 2015 schließlich einen Luchs in der Gefriertruhe eines Präparators. In der Folge wurde ein Jägerehepaar aus Linz – es kaufte sich Jagdabschüsse in einem dem Nationalpark Kalkalpen benachbarten Revierteil in der Gemeinde Weyer – wegen der Abschüsse zweier Luchse verurteilt. Trotz der Nachbesetzung zweier weiterer Tiere stagniert die Luchspopulation im Nationalpark Kalkalpen und seinem Umfeld. Seit Jahren gibt es keinen Nachwuchs mehr. Ein Hauptgrund scheint Inzuchtdepression zu sein. Die Hoffnung auf Arterhaltung schwindet! Maximal 30 bis 39 heimische Luchse machen derzeit wenig Hoffnung auf Arterhalt in Österreich. In den nächsten Jahren könnten die Tiere gänzlich aus Österreich verschwinden. Aktuell leben im Gebiet um den Nationalpark Kalkalpen sechs Luchse, allerdings stagniert die Reproduktion in den letzten Jahren aus ungeklärten Gründen. Seit sieben Jahren konnte lediglich einmal (2018) ein einziges Jungtier nachgewiesen werden. Da die Tiere in die Jahre gekommen sind, schwindet ihre Chance auf Vermehrung mit jedem Jahr. Sofortige Schritte sind deshalb unerlässlich, um zu verhinSommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
dern, dass der Luchs in den Nördlichen Kalkalpen ein zweites Mal ausstirbt. Vor allem um weitere Auswilderungen mehrerer genetisch nicht verwandter Tiere wird man nicht herumkommen, um eine möglichst breite genetische Basis für eine gesunde Luchs-Population zu erreichen. Neben Oberösterreich sind dabei auch die angrenzenden Bundesländer gefordert, endlich aktiv Maßnahmen für den Fortbestand des seltenen und streng geschützten Luchses zu setzen. Nicht zuletzt auch deshalb, da Österreich aufgrund der FFH-Richtlinie verpflichtet ist, einen günstigen Erhaltungszustand für den Luchs zu erreichen bzw. beizubehalten. Ob Oberösterreichs Luchse eine Zukunft haben, hängt nicht von der Geschicklichkeit und Kraft der Tiere, sondern einmal mehr von uns Menschen ab.
FOTO: PRIVAT
I
m Jänner 1982 begannen tschechische Naturschützer mit der Wiederansiedlung von Karpatenluchsen im Böhmerwald. Diese Tiere waren die Grundlage für die heutige Luchspopulation in den Nationalparks Sumava und Bayerischer Wald sowie im Mühl- und Waldviertel. 1998 wanderte ein männlicher Luchs in den Nationalpark Kalkalpen ein, nachdem diese Tiere aus dieser Region mehr als hundertfünfzig Jahre verschwunden waren. Womöglich war er über Slowenien gekommen oder er entstammte dem steirischen Wiederansiedlungsprojekt aus den Jahren 1977 bis 1979. Damals wurden auf der Turrach im Bezirk Murau neun Luchse ausgewildert.
Text: Mag. Franz Sieghartsleitner Nationalpark Kalkalpen franz.sieghartsleitner@kalkalpen.at
Im Jahr 2017 wurde Luchskätzin Aira zur Bestandsstützung freigelassen. FOTO: FRANZ SIEGHARTSLEITNER
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VERORDNUNGEN
WOLF, FISCHOTTER & CO.:
In einigen Bundesländern dürfen Kormorane bereits per Verordnung geschossen werden, in weiteren ist es geplant.
FOTO: JOSEF LIMBERGER
VERORDNUNGEN SOLLEN´S RICHTEN
Beim Umgang mit Prädatoren und anderen als unliebsam betrachteten Wildtieren nutzen die Landesregierungen immer öfter das rechtliche Instrument „Verordnung“, um Abschüsse geschützter Arten zu ermöglichen. Das ist aus fachlicher Sicht, für unsere Demokratie und rechtlich ein Problem.
„Das ist auch ein klares Signal an die Kärntner Almbauern, dass wir die traditionelle Kärntner Almwirtschaft absichern wollen und wir sie mit diesem Problem nicht im Stich lassen“, so der für Agrarangelegenheiten zuständige Landesrat bei der Präsentation der Kärntner „Wolfsverordnung“ zu Beginn dieses Jahres. Seither wurden bereits in vier Gemeinden Wölfe zum Abschuss freigegeben, einmal die Frist verlängert. Geschossen wurden bisher keine (Stand bei Redaktionsschluss). Und auch wenn es zu offiziellen Abschüssen kommt, würde das für den Almbetrieb keinen Unterschied machen. Denn aufgrund der wachsenden Populationen in unseren Nachbarländern ist davon auszugehen, dass weiterhin regelmäßig Jungwölfe auf ihren Wanderungen den Weg nach Österreich finden. Ähnlich verhält es sich bei Fischotter und Biber, die bei uns längst wieder heimisch sind. Wird ein Individuum entnommen, ist das freiwerdende Revier schon bald neu besetzt, wenn es sich beim erlegten Tier nicht ohnehin um einen jungen Durchwanderer handelte. Das Versprechen, durch Abschüsse von Wölfen, Fischottern, Bibern, Krähenvögeln oder anderen Wildtieren Landnutzungskonflikte beheben oder sogar den Schutz anderer Tierarten verbessern zu können, bewahrheitet sich schlicht nicht. In Zeiten der Biodiversitätskrise mutet der pauschale Lösungsansatz „weg damit” zudem mehr als anachronistisch, gar zynisch an. KEIN BLICK FÜRS GROSSE GANZE Anstatt sich die Zusammenhänge anzuschauen und die Auswirkungen sowie die Verantwortung für das eigene Handeln im Zusammenleben mit Wildtieren anzuerkennen, werden von politischer Seite leider allzu oft einfache Schwarz-weiß-Lösungen angeboten. So wird nach aktuellem Stand auch von der oberösterreichischen Landesregierung trotz unvollständiger Umsetzung des Fischotter-Managementplans eine Verordnung zum Abschuss von Fischottern angestrebt. Und das, obwohl die vorausgegangene Pilotstudie nicht zeigen konnte, dass dadurch eine Erholung der Fischbestände zu erwarten ist.
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FOTO: ROBERT HOFRICHTER
Auch Wölfe und Fischotter sollen per Verordnung „entnommen“ werden.
Demokratiepolitisch bedenklich Neben der betroffenen Tierart und den Landnutzer*innen, deren Probleme ungelöst bleiben, gibt es noch einen dritten Verlierer: die Gesellschaft. Denn bei Verordnungen sind in Österreich keine Beteiligungs- und Einspruchsrechte für Umweltverbände vorgesehen. Dadurch wird im Entscheidungsprozess den unterschiedlichen Perspektiven kein Gehör verschafft und es gibt keine rechtliche Möglichkeit für Einsprüche oder Klagen. Der gesellschaftliche Diskurs bleibt damit auf der Strecke. Für eine lebhafte Demokratie sind aber Transparenz, die Beteiligung der Bevölkerung an Entscheidungsfindungen und die Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten, elementare Grundbausteine. Österreich hat die Aarhus-Konvention unterzeichnet, ein völkerrechtlicher Vertrag über den Zugang zu Informationen, die Öf-
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fentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Aufgrund möglicher Verstöße gegen diese Konvention läuft bereits seit Jahren ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Österreich. Auslöser dafür sind die Verordnungen für den Abschuss geschützter Arten, die noch teuer werden könnten – sowohl für die Staatskasse als auch für einen gesunden gesellschaftlichen Diskurs.
Text: Lucas Ende, MSc | naturschutzbund | Österreich lucas.ende@naturschutzbund.at
FOTO: DAGMAR BRESCHAR
FOTO: LUCAS ENDE
VERORDNUNGEN
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UNSER SHOP
SHOP: WWW.NATURSCHUTZBUND.AT
›› Insekten. Vielfalt auf sechs Beinen, 1-22 ›› Stickstoff verändert die Welt, 4-21 ›› Wildtiere erobern die Städte, 3-21 ›› Pflanzen inkl. Projekt „Aufblühn“, 2-21 ›› Die Natur des Jahres 2021, 1-21 ›› Wildtiere im Winter, 4-20 ›› Blauer Planet im Krisenmodus, 3-20 ›› KunterBund, 2-20 ›› Die Natur des Jahres 2020, 1-20 ›› Natur freikaufen, 4-19 ›› Trendwende im Tourismus, 3-19
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›› Flüsse, Länder, Menschen, 2-19 ›› Die Arten des Jahres, 1-19 ›› Säugervolkszählung, 4-18 ›› Heimische Reptilien, 3-18 ›› Bestäuber in der Krise, 2-18 ›› Naturschutzaktivitäten, 1-18 ›› Bunte Säume. Lebensräume, 4-17 ›› Invasive Pflanzen und Pilze, 3-17 ›› Geheimnisv. Welt d. Pilze, 2-17 ›› Lust auf Molch & Co?, 1-17 ›› Akzeptanz für Wolf & Otter, 4-16
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BUCHBESPRECHUNGEN
AUS DEM BUCHHANDEL: UNSERE TIPPS Natur . Leben . Lebensqualität 100 Jahre Naturschutz im Burgenland Als erster Umweltanwalt des Burgenlandes und langjähriger Naturschutzbund-Obmann blickt Hermann Frühstück auf Projekte und Maßnahmen zurück, die seit der Gründung dieses Bundeslandes zum Schutz der Natur gesetzt wurden. Zahlreiche engagierte Begleiter*innen kommen zu Wort und zeigen die enorme Naturvielfalt im Osten Österreichs. Dieses Buch macht Lust darauf, dieses Land zwischen Neusiedlersee und dem steppenartigen Seewinkel im Norden sowie den großen Flusslandschaften an Lafnitz und Raab im Süden zu erleben. Hermann Frühstück (Hrsg.), Verlag DIE SCHREIBMEISTER OG, 2021, Hardcover, 300 Seiten. Das Buch liegt in Gemeinden, öffentlichen Einrichtungen, Schulen und Bibliotheken des Burgenlandes auf. Einzelne Exemplare können gratis direkt bei Hermann Frühstück unter hermann.fruehstueck@schule.at angefordert werden.
Mondnacht – Fünf vor Zwölf Antworten auf die Klimakrise Das Buch ergänzt das grelle Licht der Katastrophennachrichten und das fahle Licht der Langzeitstudien um das Mondlicht Eichendorffs: 21 aktuelle Essays zur Klimakrise von Politiker*innen, Philosoph*innen, Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen treffen auf Gedichte von Eichendorff, Goethe & Co. Ihr Ineinandergreifen erforscht die Klimakrise auf neue Weise und führt uns so vor Augen, was längst auf dem Spiel steht: die Schönheit der Natur, die Genießbarkeit unserer Welt – die Mondnacht. Chris Verfuß, Felix Erdmann (Hrsg.), Trabanten Verlag, 2021, Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband, 560 Seiten, ISBN: 978-3-9822649-7-4, € 24,00. Pro verkauftem Exemplar wird ein Euro an FridaysForFuture gespendet.
Rotkäppchen rettet den Wolf Ein Nicht-Märchen Dieses Märchen fängt mit „Es ist“ statt „Es war einmal“ an. Die Story ist die gleiche: Rotkäppchen soll in den Wald, um der Großmutter Kuchen zu bringen. Alles Weitere ist anders: Rotkäppchen ist selbstbewusst und frech. Die Großmutter nicht krank. Der Wald voller Plastikmüll. Und der Wolf? Der ist menschenscheu und will Rotkäppchen erst gar nicht begegnen. Den Part des Bösewichts übernimmt Herr Wolfgang Wolf, Bürgermeister von Buchwalden an der Grimm. Er will den Wald abholzen und ein Einkaufszentrum bauen. Rotkäppchen ist wild entschlossen, das zu verhindern und damit den Wald, die Wolfsfamilie und die anderen Tiere zu retten. Eine Neuauflage von Rotkäppchen, die ihresgleichen sucht, unglaublich witzig und originell – mit Wolfsquiz und Rätseln. Petra Piuk, Gemma Palacio, Leykam Verlag, 64 Seiten, ISBN: 978-3-7011-8229-9, € 15,00
Eskapaden der Evolution Von Menschen, Schimpansen und anderen Kapriolen der Natur Der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht stellt in diesem Buch die Schönheit, Vielfalt und auch die Launen der Natur vor. In 36 kurzen Kapiteln präsentiert er Tierisches und Allzutierisches aus dem Kuriositätenkabinett der Evolution, leicht verständlich und mit einer gehörigen Prise Humor – von Sauriern mit vier Flügeln über die jährlich neuen MinneliedSchlager der Buckelwale bis hin zu Frauenkommunen bei den Bonobos, die mit Sex das soziale Miteinander fördern. Matthias Glaubrecht, Hirzel Verlag, 2021, 272 Seiten, ISBN: 978-3-7776-2909-4, € 18,00
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Nahrungsnetze für Artenvielfalt Ein Buch vom Fressen und Gefressenwerden Die Autorin beschreibt, warum gerade die unscheinbaren, unbeliebten und noch unbekannten Arten wichtig für die Biodiversität sind. Mit viel Liebe zum Detail erklärt sie, wer von wem gefressen wird, wer die Überreste vertilgt und wie in unseren Ökosystemen alles mit allem zusammenhängt. Dabei wird deutlich, wie wichtig vielfältiges Leben auf der Erde ist und welche Folgen menschliches Handeln für die Biodiversität hat. Mit diesem Buch wächst das grundlegende Verständnis für die Bedeutung der vielfältigen Beziehungen innerhalb der Nahrungsnetze. Sigrid Tinz, pala-Verlag, 2022, Hardcover, 160 Seiten, ISBN: 978-3-89566-417-5, € 19,90
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ADRESSEN + IMPRESSUM
BUNDESVERBAND Museumsplatz 2, 5020 Salzburg Mo–Do 8–17, Fr 8–12 Uhr T +43 662 642909 bundesverband@naturschutzbund.at
BURGENLAND Esterhazystraße 15, 7000 Eisenstadt Mo, Mi, Do 8.30–16 Uhr M +43 664 8453048 burgenland@naturschutzbund.at
KÄRNTEN
OFFIZIELLES ORGAN DES | naturschutzbund |
... IN NEUN LANDESVERBÄNDEN FÜR SIE ERREICHBAR STEIERMARK
Herdergasse 3 Adalbert-Stifter-Straße 21, 9500 Villach 8010 Graz tel. erreichbar Mo–Fr 8–12, 14–17 Uhr Mo–Do 8–15, Fr 8–12 Uhr T + F +43 4242 214142 T +43 316 322377 M +43 676 3368262 „Ein gutes Leben für alle Menschen auf unserer steiermark@naturschutzbund.at kaernten@naturschutzbund.at adung zur schönen Erde!“ Diesem Ziel wollen wir gemeinVORARLBERG uptversammlung sam mit IhnenWIEN näher kommen. Machen Sie mit! Schulgasse 7, 6850 Dornbirn Museumsplatz 1, Stiege 13, 1070 Wien „gutes leben“, das erfolgreiche chutzbund | Salzburg Mitmach-Projekt des FamilienMo, Do 8.30–11.30, 13.30–16 Uhr Bürozeiten variabel verbandes, lädt Familien und h, 5. April 2017 M Singles +43 677 62432770 ein, ihren lebensstil T zu+43 5572 29650 ginn: 18.00 Uhr beleuchten und kleine Verändevorarlberg@naturschutzbund.at wien@naturschutzbund.at
Ein „Gutes Leben“ für ALLE – 2017
MLAUER (früher: Stiegl Bräu), aße 14 , 5020 Salzburg
rungen einzuleiten. Im gesamten
Jahr 2016 stand das Thema umTIROL NIEDERÖSTERREICH welt und Nachhaltigkeit im Mit-
telpunkt. Mit beginn des Jahres esordnung Im Alpenzoo, Weiherburggasse 37a Mariannengasse 32/2/16, 1090 Wien
2017 wurden zusätzliche inhaltliche Schwerpunkte wie Partner6020 Innsbruck Mo–Do 9–13 Uhr schaft oder Willkommenskultur aufgenommen. Die heurigen akder Beschlussfähigkeit tionszeiträume sind: lebendige / Einfach essen, M Partnerschaft +43 664 4430959 T + F +43 1 4029394 icht durch den Geschäftsführer einfach trinken / Herzlichkeit verschenken / Tief durchatmen / tirol@naturschutzbund.at noe@naturschutzbund.at assiers Den Sonntag feiern / zeiten der besinnung echnungsprüfer ntlastung des Vorstandes SALZBURG OBERÖSTERREICH Gutes Leben – on Vorstand, Fachbeirat und Museumsplatz einfach und einfach trinken2, 5020 Salzburg Knabenseminarstraße 2, essen 4040 Linz üfern f Tätigkeiten und Fr 8–12 Uhr Mo–Do Uhr auchMo–Do geht es Ihnen8–13 manchmal so, dass 8.30–17, Sie amm von der Fülle Vielfalt derTKonsumwelt +43 662 642909-11 T +43 732und 779279 erung fast erschlagen werden? Je bewusster Sie ung über denoberoesterreich@naturschutzbund.at Voranschlag salzburg@naturschutzbund.at genießen, desto weniger brauchen Sie. ung über Mitgliedsbeiträge „Weisheit und Einfachheit ung über Anträge gesellen sich gerne.“ NATURSCHUTZJUGEND önj ÖSTERREICHISCHE (Russisches Sprichwort)
Kurze Pause
on Bundesgeschäftsführerin irgit Mair-Markart:
am mehr erreichen – ojekte des Naturschutzbundes rbeobachtung, Naturfreikauf, lfaltleben u. a. m. TIPP
elliger Ausklang
SIE
Bundesleitung Aktionswoche: 3. bis 9. April 2017Graz Angelo-Eustacchio-Gasse 44, 8010 Aufgabe: Eine Woche lang bewusst einfach essen und trinken office@naturschutzjugend.at In dieser Woche ein, einfache Speisen zu kochen. T laden +43 wir 664Sie5175889 am Montag oder Dienstag werden die lebensmittel für die ganze restliche Woche eingekauft. zu den Mahlzeiten wird möglichst nur Wasser aus dem Wasserhahn getrunken. als positiver Nebeneffekt dieser aktionswoche werden sich Ihr Haushaltsmüll und wahrscheinlich auch die Einkaufswege reduzieren. SUCHEN ARTIKEL Weitere Details ODER unter: AUTOR*INNEN? https://www.familie.at/site/salzburg/ angebote/projekte/gutesleben
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rschutzbund wünschtwww.naturschutzbund.at/naturundland/Archiv/ den Mitgliedern und Freunden Frohe Ostern ›› natur&land-Ausgaben im pdf-Format:
http://tinyurl.com/Archivausgaben Danke für die unterstützung: (archiviert über das OÖ Landesmuseum)
mäß § 25 Mediengesetz für NATUR und UMWELT; Vorstand | naturschutzbund | Salzburg: Stv. Vorsitzender: CHNER, Geschäftsführer/Schriftführer: Dr. Hannes AUGUSTIN, Stv. Schriftführerin: Mag. Kassier: MMag. Dr. Johann NEUMAYER, Stv. Kassierin: Gabriele ESTERER; Redaktionssplatz 2, 5020 Salzburg; E-Mail: salzburg@naturschutzbund.at
(Crocus vernus
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Gedruckt nach der Richtlinie „DruckerzeugGedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ nisse“ des Österreichischen Umweltzeichens, des Österreichischen Umweltzeichens, Salzkammergut Druck Mittermüller GesmbH, UW-Nr. 784 Druck & Medienwerk GmbH, UW-Nr. 1193
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ISSN: 0028-0607 DVR 0457884
Erscheinungsdatum: Juni 2022 Der | naturschutzbund | ist Mitglied der Weltnaturschutzorganisation „International Union for Conservation of Nature“
Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
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FOTO: HANS GLADER
TARNUNG IM TIERREICH
In der nächsten Ausgabe von natur&land stellen wir Ihnen UNESCO-Geoparks vor, in denen die Erdgeschichte erlebbar gemacht wird. In Österreich gibt es drei Geoparks, die in die rund 470 Millionen Jahre lange geologische Geschichte des Alpenraums entführen. Welche Tiere sich durch Tarnung einen Vorteil verschaffen und die Tricks, die sie dabei anwenden, sind ein weiteres Thema im nächsten Heft. Natürlich berichten wir darüber hinaus auch wieder über aktuelle Entwicklungen im Naturschutz und halten Sie über unsere Projekte auf dem Laufenden.
➔ HEFT 3/2022 „HERBSTHEFT“ ERSCHEINT IM SEPTEMBER
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40 Umweltvereine und Wissenschaftler*innen fordern einen Ausbau-Stopp für das Kraftwerk Kaunertal. Die Tiroler Landesregierung müsse die letzten intakten Alpenflüsse schützen und eine naturverträgliche Energiewende umsetzen.
UMWELTALLIANZ PRÄSENTIERT KAUNERTAL-ERKLÄRUNG 2022 F
ür das Projekt plant die TIWAG bis zu 80 Prozent des Wassers aus dem Ötztal, einem der niederschlagsärmsten Täler Tirols, auszuleiten, im ökologisch einzigartigen Platzertal (Bild) einen 120 Meter hohen Staudamm zu errichten und dahinter 6,3 ha Moorflächen zu fluten. „Das hätte verheerende Folgen für die hochsensible Naturlandschaft, würde wichtige Lebensräume zerstören und die Biodiversitätskrise befeuern“, sind sich die Unterzeichner*innen der Erklärung einig. DAHER FORDERN DIE UNTERZEICHNER*INNEN DER KAUNERTAL-ERKLÄRUNG 2022: 1. den sofortigen Stopp des Ausbauprojekts Kraftwerk Kaunertal. Das überholte Großprojekt würde auch nach über zehn Jahren an Planänderungen durch die TIWAG massive Folgeschäden für Mensch und Natur verursachen. Es ist daher nicht naturverträglich umsetzbar. 2. den umfassenden Schutz der letzten ökologisch intakten Alpenflüsse, wie zum Beispiel der Venter und der Gurgler Ache. Nur wenige Flüsse der Alpen sind derart naturnah erhalten, daher dürfen sie nicht weiter energiewirtschaftlich genutzt, verbaut oder ausgeleitet werden. Die Entnahme von bis zu 80 Prozent des Wassers würde außerdem das Ötztal, eines der niederschlagsärmsten Täler Tirols, massiv beeinträchtigen und gerade in Zeiten der Klimakrise die vielfältigen Funktionen der Ötztaler Ache gravierend verschlechtern. Davon wären neben den wertvollen Ökosystemen auch die Erholungsfunktion und der Naturtourismus sowie die landwirtschaftliche Bewässerung stark betroffen. 3. den Erhalt alpiner Naturlandschaften wie des Platzertals als einzigartiges Naturerbe Österreichs. 4. eine naturverträgliche Energiewende. Der Weg zur
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Energie-Sicherheit braucht wie der Weg aus der Klimakrise schnelle und massive Maßnahmen bei der Energieeinsparung und dem naturverträglichen Ausbau der Erneuerbaren. Energieeinsparung ist der größte Schlüssel zur Energie-Sicherheit. Es braucht ein umfangreiches Energiespar-Programm der Landesregierung, denn die naturschonendste, billigste und beste Kilowattstunde ist die, die gar nicht erst benötigt wird. Für den naturverträglichen Ausbau der Erneuerbaren ist der einseitige Fokus auf Wasserkraftausbau in Tirol nicht zielführend, denn Wasserkraft ist bereits massiv ausgebaut, die Ökosysteme der Flüsse sind schwer beschädigt. Die Klima- und Biodiversitätskrise können nur mit Hilfe der Natur bewältigt werden – und nicht auf ihre Kosten. Das Potenzial bei der Wasserkraft liegt in der Effizienzsteigerung der über 960 Anlagen. In Tirol braucht es einen deutlich schnelleren und umfassenderen Ausbau der Photovoltaik auf Dächern und Fassaden sowie auf bereits verbauten Flächen. 5. die rasche Behebung der Belastungen durch bestehende Wasserkraftwerke. Dafür müssen insbesondere die starken Schwall-Sunk-Belastungen am Inn saniert und Flusslebensräume am Inn wiederhergestellt werden. ÜBER DIE KAUNERTAL-ERKLÄRUNG 2022 Die vom WWF Österreich initiierte Kaunertal-Erklärung wird vom Naturschutzbund sowie weiteren 28 Organisationen unterstützt. Dazu kommen zehn Stimmen aus der Wissenschaft. INFO http://www.fluessevollerleben.at/kaunertal
Sommerausgabe | natur&land | 108. JG. – Heft 2-2022
FOTO: CHRISTOPH PRAXMARER
DAS LETZTE WORT
Spuren hinterlassen
S
eit über 100 Jahren verstehen wir uns als „Anwalt der Natur“ und übernehmen in diesem Sinne Verantwortung für viele, oft bedrohte Tiere, Pflanzen und Lebensräume. Mit Ihrem Vermächtnis oder Ihrer Kranzspende helfen Sie uns, Österreichs Naturschätze für die nachfolgenden Generationen zu erhalten und unsere Schutzprojekte fortzusetzen.
Zugunsten der Natur
Mit Ihrem Letzten Willen
E
in Testament zugunsten des | naturschutzbund | hilft der Natur, unseren Kindern und Kindeskindern. Wenn Sie mehr über die Arbeit des | naturschutzbund | wissen wollen, steht Ihnen die Geschäftsführerin Mag. Birgit MairMarkart gerne zur Verfügung. Rufen Sie uns an oder vereinbaren Sie ein Treffen, persönlich und unverbindlich. Kontakt: Tel +43 662 642909-12 birgit.mair-markart@naturschutzbund.at Zu erbrechtlichen Fragen informiert eine Broschüre der Notariatskammer, die wir Ihnen gerne zusenden. Oder Sie wenden sich am besten gleich direkt an einen Rechtsanwalt oder Notar Ihres Vertrauens. Die Erstberatung ist im Allgemeinen kostenlos.
ALPENBLUMEN GESUCHT!
Naturschutzbund und Naturfreunde laden ein: Von 13. Juni bis 31. Juli in ganz Österreich zwölf ausgewählte Bergpflanzen suchen, fotografieren, über naturbeobachtung.at teilen und gewinnen! Informationen: www.naturschutzbund.at/alpenblumen
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Türkenbund (Lilium martagon)
FOTO: WOLFGANG SCHRUF
ISSN: 0028-0607 | Heft 2-2022/Juni
Österreichische Post AG MZ 02Z 031442 M | naturschutzbund | Österreich, Museumsplatz 2, 5020 Salzburg VORTEILSTARIF
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