Programmheft "Ein Bankett für Tiere"

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EIN BANKETT FÜR TIERE PERFORMATIVES DINNERTHEATER

VON UND MIT: Anne Bonfert, Melanie Hinz, Verena Lobert, Vanessa Lutz, Malte Pfeiffer, Carmen Waack // AUSSTATTUNG, KOSTÜM: Verena zu Knyphausen // ASSISTENZ: Michael Kranixfeld, Marleen Wolter // VIDEO, SOUND: Maurice Braun, Jonas Hummel, Thomas Orr KOPRODUKTION: Stadt Mannheim, schwindelfrei Mannheim, studiobühneköln, LOT-Theater Braunschweig GEFÖRDERT VON: Projektförderung Land Niedersachsen, Fonds Darstellende Künste e.V., Stiftung Niedersachsen, Konzeptionsförderung Land Niedersachsen, Stadt Köln, Friedrich Weinhagen Stiftung


Malte & Honecker

Vanessa & Zora

The weight of evidence indicates that humans are not unique in possessing the neurological substrates that generate consciousness. Nonhuman animals, including all mammals and birds, and many other creatures, including octopuses, also possess these neurological substrates.” Cambridge Declaration on Consciousness

EIN BANKETT FÜR TIERE Sie räkeln sich auf unseren Sofas, schreiten majestätisch durch die Wälder und warten zu Tausenden auf ihre Reise Richtung Schlachtbetrieb. Wir kochen sie zu Seife, stopfen ihre Lebern und nageln ihre Felle an die Wand – die Liebe zum Tier geht häufig durch den Magen. Deshalb bereitet die Fräulein Wunder AG ihren Gästen ein exklusives Abendessen. Gang für Gang legt sie dabei die Schichten der Beziehung von Mensch und Tier frei. Sie übt sich in der Kunst des Jagens, ergreift die Positionen von Aktivisten und Mastbauern und sucht nach dem Tier in sich selbst. Es geht um die Schönheit der Ähnlichkeit und der Differenz und um das, was uns verbindet: primäre Bedürfnisse, Bewegung und Überlebenswille. Immer wieder dient das Tierische als Projektionsraum, um über menschliche Sehnsüchte, Grenzen und Gesellschaftsordnungen nachzudenken. Das gemeinsame Essen wird so zu einer utopischen Begegnung mit den Tieren und fordert uns heraus, Stellung zu beziehen: Was bieten wir den Tieren, die uns kleiden und ernähren, eigentlich im Tausch? Teilen wir mit ihnen den Stadtraum und geben ihnen demokratische Rechte? Oder müssen wir konsequenterweise selbst zum Bankett für Tiere werden?


Fräulein Wunder AG ... Ausbrecher aus einem Universum, das Hoch- und Popkultur, Kulturvermittlung und Unterhaltung trennt. der freitag

FRÄULEIN WUNDER AG ist seit 2004 Deckname für ein sechsköpfiges Kollektiv, das mittels Theater und Performance, Aktionskunst und städtischer Intervention gesellschaftliche und politische Themen der Jetztzeit verhandelt. Ausgangspunkt unserer Arbeitsweise sind Recherchen und Reisen in fremde Milieus, Städte und Länder, zu fast vergessenen biographischen Spuren, Wissenschaftler_innen und Expert_innen des Alltags. Wir besuchen Schlachthöfe, verloren geglaubte Verwandte und Kirchenarchive, sprechen mit Verhaltensforscher_innen, Prostituierten, Politiker_innen und Schaman_innen oder lernen Lachyoga und wie man an der Börse spekuliert. Im affirmativen Gestus des Erfahrens und (Be-)Fragens kultureller Praktiken und Milieus sammeln wir innerhalb dieser künstlerischen Feldforschung im Selbstexperiment Wissen, Aktions- und Bildmaterial für unsere Produktionen. Daraus entwickeln wir in kollektiven Probenverfahren thematisch geleitete Ästhetiken und Formate, die sich stets zwischen Kulturtheorie, Cultural Performance und theatralem Experiment bewegen und häufig von Teilhabe und Interaktion mit dem Publikum geprägt sind.

Was haben die Boatpeople des 21. Jahrhunderts mit der Migrationsgeschichte der eigenen Familie zu tun? Was der Mann von heute mit einem Tomatenwurf von 1968? In ihren künstlerischen Arbeiten geht die Fräulein Wunder AG auf Entdeckungsreise, sie verbindet scheinbar disparate Stoffe in multimedialen, performativen Ereignissen und verknüpft Recherchematerial zu fragmentarischen Erzählungen. Theater der Zeit




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14.7.2012

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KÜNSTLERISCHE FELDFORSCHUNG Schlachthof, Mastbetrieb und Tierkrematorium: Wir haben uns mit forschendem Blick Orten genähert, an denen Mensch und Tier in einem besonderen Verhältnis zueinander stehen. Wir haben mit Wölfen geheult, Falken fliegen lassen und in den frühen Morgenstunden auf Wild gewartet. Wir haben eine Schamanin nach unseren Krafttieren befragt, uns im Imkern probiert und Fledermäuse geortet. Wir haben versucht, uns 30 Tage lang vegan zu ernähren. Und sind bei einer Rehwurst in der Geselligkeit mit einigen Jägern schwach geworden.

Unsere Reise im Vorfeld der Probenarbeit gleicht der Recherche eines Wissenschaftsteams, das zunächst sein Untersuchungsfeld absteckt und seine Fragestellung überprüft. Im Gepäck haben wir Kameras, kleine Diktiergeräte und Beobachtungsaufgaben: Wie spricht das Tier? Wie bewegt es sich? Was nimmt es wahr? Wie ist das Verhältnis von Mensch und Tier zu beschreiben? Jede_r von uns hält in Notizen fest, was sich der Wahrnehmung markant auftut: die Schönheit und Plastizität rosafarbener, toter Schweinekörper, die Klang-


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wellen von Detektoren bei der Fledermauswanderung, der Kitsch bemalter Tierurnen, die körperlichen Abläufe des Gehens beim Pirschen. Im ersten Schritt einer Fräulein Wunder Produktion legen wir uns eine affirmative Neugier zu, wagen wir, was wir im Alltag vielleicht nicht tun würden, konfrontieren wir uns mit Positionen, Perspektiven und Praktiken jener Menschen, die uns durch ihren Beruf, ihr Hobby oder ihre Liebe zu den Tieren eine praktische Einsicht ermöglichen. In einem zweiten Schritt werten wir das Material mit den Adleraugen einer Dramaturgin aus: Was ist interessant zu erzählen? In welchem Verhältnis steht das dokumentarische

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Material zu den bereits getroffenen ästhetischen Setzungen? Was muss neu überdacht werden? Wenn wir uns dann als Performer_innen das Material körperlich und sprachlich aneignen, kommen zu den konzeptionellen und kulturwissenschaftlichen Forschungsfragen die künstlerischen hinzu: Wie stelle ich überhaupt ein Tier dar? Genau dann fängt die Probe an und bewegt sich im Spannungsfeld von Feldforschung und Kunstpraxis, von angeeignetem (Erfahrungs-)Wissen und der Offenheit der theatralen Übersetzung. Was wir schlussendlich präsentieren, ist das Ergebnis eines kollektiven und offenen Suchprozesses, der mit einer Reise durch die niedersächsische Provinz seinen Anfang genommen hat.



WIR HABEN KEINE SAU ERLEGT. Irgendwie erleichternd, diese Schweine sind einfach wahnsinnig schlau. Wir wollten dabei sein, wir wollten wissen, wie das ist, ein Tier zu töten. „Jagen“ ist schon aufregend: ein Blick in eine eingeschworene Männergesellschaft. Zur Begrüßung gibt‘s Bier, alle haben die gleichen goldenen Ringe mit einem blauen Glasstein und einem Wappen darauf. Dann fahren wir mit Johanns Bully, ich halte das Gewehr in den Schlaglöchern fest im Arm. Pirschen geht so: Johann vorne, Stock links, Gewehr rechts, etwas vorgebeugte Haltung, leichte Schritte, federnd. Ich mit zwei Metern Abstand dahinter, versuche keinen Laut zu machen, wenn ich auf dem Waldboden abrolle, dicht hinter mir Melanie. Wir beobachten lange eine schwarze Ricke mit ihrem braunen Kitz, bis Johann Schweiß von der Nase tropft und er hustet. Wir stöbern einen Jungbock auf, den wir hätten schießen dürfen, der aber aus seinem Grasbett aufsteht und verschwunden ist, bevor wir uns von unserer Überraschung erholt haben. Wir steigen auf einen Hochsitz und rauchen, wir starren eine Stunde auf die

abgeernteten Äcker, es wird dunkler. Aus dem Waldstück laufen eine braune Ricke und ihr Kitz auf den Acker. Melanies Blick sagt, dass sie froh ist, dass diese „Stücke“ noch bis November unter Mutter-KindSchutz stehen. Dann kommt ein drittes Reh aus dem Wald. Mir fährt das Adrenalin in den Körper, ich verstehe wie es sich anfühlt, schießen zu wollen. Jagen ist wie jagen: Ansprechen & abschleppen oder glotzen & nach Hause gehen. „Ansprechen“ bedeutet im Jäger-Slang zu kategorisieren: boy or girl, wie alt und ob es geschossen werden darf. Johann starrt durch den Feldstecher und versucht, den Ansatz eines Gehörns oder einen Fellbüschel zwischen den Hinterläufen zu erkennen. Kein Bock - eine ältere Ricke, die Mama und Bambi aus ihrem Territorium vertreibt, elegant und fast spielerisch. Später schauen wir uns das Opfer von vorgestern in der Kühlkammer an, ausgenommen mit einem Eichenzweig als „letztem Biss“ im Maul, ein wunderschönes Tier, selbst die toten Augen. Klaus sagt: Ein junger Beau, 20 in Menschenjahren. Wir berühren seine Ohren und schauen in seinen dunkelroten leeren Brustkorb.


150 JAHRE LANG galt der Wolf in Deutschland als ausgerottet. Seit 1996 aber breiten sich die Tiere von der Oberlausitz im Südosten Deutschlands in Richtung Westen und Norden aus. Im Jahr 2000 wurden erstmals vier Welpen dokumentiert, im Februar 2012 zählten Forscher 14 Wolfsrudel mit geschätzt gut 120 Tieren. Derzeit leben rund 20.000 Wölfe in Europa (...). Ein europäisches Rudel beansprucht ein 100 bis 350 Quadratkilometer großes Revier, eine Fläche, etwa so groß wie die Münchens. (...) Für Angst und Unmut vieler Menschen sorgt, dass Wölfe auch Nutztiere reißen. Jedoch haben Analysen von mehr als 3.000 Kotfunden aus acht Jahren ergeben, dass der Anteil von Schafen, Ziegen und Rindern in der Nahrung der Lausitzer Wölfe minimal ist: Nach Angaben des Senckenberg-Forschungsinstituts Görlitz beträgt er bloß ein halbes Prozent. Am liebsten fressen Wölfe immer noch Rehund Rotwild. DIE ZEIT

WOLFCENTER DÖRVERDEN Auf einer Kanadareise im Jahr 2005 besichtigt der Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik Frank Fass mit seiner Frau Christina ein Wolfcenter. Die Tiere faszinieren die beiden so, dass sie beschließen, sich in Deutschland mit einer eigenen Anlage selbstständig zu machen. Sie sind überzeugt, dass es möglich ist, wieder mit freilebenden Wölfen in Deutschland zusammen zu leben - als einem festen Bestandteil der Natur. www.wolfcenter.de


Die ältesten Knochenfunde von Wölfen mit Merkmalen der Domestizierung sind nur bis maximal etwa 40.000 Jahre alt. Laut einer 2004 veröffentlichten Studie zur DNA von Hunden stammen alle heutigen Hunde von 13 bis 24 Wolfsvätern ab.

In unserem Tierheim haben wir auch Kaninchen und andere kleine Nager, und ich möchte den einen nicht an den anderen verfüttern. (...) Wenn ich (die Hunde nach dem Umstieg auf vegetarische Nahrung) abends fütterte und 10 Minuten später die Futternäpfe kontrollierte, waren sie in aller Regel leer. (...) Die Hunde sahen gut aus und waren fit und hatten im Gegensatz zu früher viel weniger häufig Durchfall. Angenehme Nebenerscheinung des vegetarischen Futters: Früher stank es fürchterlich im Hundehaus, aber bei dem vegetarischen Futter stinken weder die Hunde, noch deren Haufen. die Tierfreunde e.V. Verena & Bärbel


AM BEISPIEL DES HUMMERS Die meisten Ethiker haben sich inzwischen auf zwei Kriterien verständigt, anhand derer sich entscheiden lassen könnte, ob eine lebende Kreatur so etwas wie Schmerzempfinden besitzt und daher auch über echte Interessen verfügt, die zu berücksichtigen möglicherweise Pflicht wäre oder auch nicht. Das erste Kriterium bezieht sich auf die neurologische Hardware. (...) Kriterium Nummer zwei ist das Verhalten des Tieres. (...)

(...) Was sie hingegen nicht produzieren können, sind körpereigene Opiode wie Endorphin und Enkephalin, Hormone, mit denen hoch entwickelte Organismen in Stresssituationen unerträgliche Schmerzen unterdrücken. Daraus ließe sich zweierlei schließen: Entweder sind Hummer noch weit schmerzempfindlicher als Säuger, oder aber sie sind es überhaupt nicht, da ihnen, vielleicht mangels Bedarf, ein endogenes Opioidsystem fehlt. Ich merke, wie erleichtert FEINE HÄRCHEN Mit (dem) Gehör und ich über diese zweite Erklärung bin, und Gesichtssinn (der Hummer) mag es nicht glaube sie nur zu gerne. (...) weit her sein, aber das wird durch ihren hervorragenden Tastsinn mehr als aus- LIEBER NICHT Allen theoretischen Ergeglichen. Aus ihren Panzern ragen näm- örterungen zum Trotz bleibt aber die Tatlich Hunderttausende feinster Härchen. sache, dass sich der Hummer verzweifelt „Dadurch“, so T.M. Prudden in seinem dagegen wehrt, bei lebendigem Leibe geStandardwerk About Lobster, „kann der kocht zu werden. (...) Wenn das nicht der Hummer trotz seiner scheinbar undurch- Ausdruck einer Präferenz ist, was dann?, dringlichen Panzerung Umwelteindrücke denke ich als Laie. Vielleicht ist die Fähigempfangen wie durch eine dünne Haut.“ keit zu einer wie immer gearteten Präfe-


renzäußerung das entscheidende Kriterium in der Frage, ob Hummer Schmerzen leiden oder nicht. (...) Wenn man auf dem Maine Lobster Festival, unweit des weltgrößten Hummerkessels, diese sprudelnden Glastanks voller Getier ansieht, wird einem seltsam zumute. So, wie die Hummer mit ihren machtlosen Scheren winken, übereinanderkrabbeln, sich in die hintersten Winkel drücken oder panisch zurückweichen, sobald sich jemand den Scheiben nähert, fällt es schwer, die Augen davor zu verschließen, dass es ihnen miserabel geht. (...) Mir liegt es fern, Ihnen ständig mit dem PETA-Sermon zu kommen, aber manche Dinge am Hummerfest von Maine müssen einem – bei aller Volksfeststimung, bei aller guten Laune – zu denken geben. (...) Sobald nämlich Sie als normaler Festbesucher den Gedanken zulassen, dass die Hummer tatsächlich leiden (und viel lieber nicht leiden wollten), dann, ja, dann verändert diese unbeschwerte Hummersause ihr Gesicht, wird zur römischen Arena oder zur Pöbelbelustigung rund um ein mittelalterliches Blutgerüst.

GEWOHNHEITSTIER Ist es denkbar, dass künftige Generationen nicht nur unsere gegenwärtige Lebensmittelindustrie verurteilen, sondern unsere ganze Esskultur gleich mit, sie gar in eine Reihe stellen mit dem Entertainmentprogramm eines Nero, den Experimenten eines Dr. Mengele? Meine eigene Reaktion auf den Vergleich: erst einmal entrüstete Ablehnung. Was soll das hysterische Theater eigentlich? Wobei sich die Entrüstung aus meiner tief verwurzelten Überzeugung speist, dass Tiere nie so wichtig sein können wie Menschen. Die Rechtfertigung dafür – selbst nur für mich privat – bleibt dennoch schwierig. Nicht nur, dass an jeder Ecke mein Eigeninteresse an der Suprematie des Menschen durchscheint (einfach weil ich selber viel zu gerne Fleisch esse und mir ungern den Appetit verderben lasse), sondern auch, weil es mir bis heute nicht gelungen ist, wirklich stichhaltige Sachargumete für diese Position zu finden außer eben meinen bequemen Egoismus. David Foster Wallace




Der durchschnittliche Bundesbürger (isst) im Laufe seines Lebens: Vier Kühe oder Kälber, vier Schafe, zwölf Gänse, 37 Enten, 46 Truthähne, 46 Schweine und 945 Hühner. Vegetarierbund

Jonathan McGowan kauft kein Fleisch im Supermarkt, er hasst Gewalt gegen Tiere. Weil er aber gern Fleisch isst, scheint die Lösung für ihn perfekt: Er isst ausschließlich Roadkill. Man könnte sagen, er ist das karnivore Pendant zu den Fructariern – sie essen nur, was vom Baum gefallen ist. „Ich bin ein echter Aasfresser“, sagt McGowan. Das Fleisch verkocht er selbst, meistens in italienischen Gerichten. Fuchs-Lasagne ist eine seiner Lieblingsspeisen. Die Presse

DRAUSSEN RIECHT ES. Eine Mischung aus Blut und Desinfektionsmittel, das von unten aus den Gullies kommt. „Die Katze spielt drei Stunden mit der Maus, bevor sie sie totmacht, das machen wir hier nicht. Esst ihr Fleisch?“ Wir sind drin. In der Schleuse hängt ein gelbes Plakat: „Ein Tier, ein Messer, ein Mann, ein Wort.“ Die Schweine, die an Schienen durch die Halle gleiten, dampfen noch und haben zarte, bleiche Haut. Ihre exakt halbierten Körper wirken wie aus Plastik. Der Borstenbrühgeruch steigt mit der Luftfeuchtigkeit. Eine Frau verteilt Stempel auf verschiedenen Partien der Hälften. An den Schnauzen unten sammeln sich ein paar zarte Tropfen Blut. Wir schieben uns an der gefliesten Wand entlang, weichen den Arbeitenden am Fließband aus. Nur Zentimeter vor uns öffnet jemand die Bauchdecke. Mit wenigen Schnitten wird das gesamte Gekröse aus dem Torso gelöst. Eine geübte Handbewegung verteilt es auf Haken. Dort entfaltet sich alles: weiche Schichten von Hellrosa, Dunkelrot, Magenta und Rotbraun. Die Lunge, das Herz, die Leber, der Darm. Das sieht überraschend schön aus, wie fremdartige Schlingpflanzen an Fleischerhaken.Wenn der Flomen aus den Bäuchen herausgezogen wurde, alle Organe sortiert in Kisten liegen, die Fleischproben auf dem Weg ins Labor sind, wird als letztes der Kopf abgeschnitten. Im neondurchstrahlten Kühlraum hängt eine einzige riesige Rinderhälfte. Ihre Oberfläche sieht aus wie phantasievolles Plastilin-Handwerk: blanke, fettige, leuchtende und matte Texturen von Purpur bis Orangegelb. An der Laderampe draußen warten die ersten Autos auf den Schinken.



Melanie & N.N.


KLEINTIERKREMATORIUM Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber die Vorstellung, dass meine Momo einfach irgendwo entsorgt und verwertet würde, jagt mir kalte Schauer über den Rücken. (...) Deshalb habe ich mich auch für eine Kremierung im Kleintierkrematorium Im Rosengarten entschieden. Momo wurde noch am gleichen Tag beim Arzt abgeholt und nach Badbergen überführt. Natürlich habe ich mich vorher gefragt, bekomme ich wirklich Momos Asche, wenn ich nicht bei der Kremierungszeremonie persönlich zugegen sein möchte? Da braucht man schon viel Vertrauen. (…) Momo ist jetzt bei uns zu Hause - in einer wundervollen herzförmigen Urne. Ich hätte nicht gedacht, dass es mir trotz meines Schmerzes ein so gutes Gefühl gibt, dass sie wieder bei mir ist. Nicht entsorgt, verarbeitet oder unter der Erde, sondern zu Hause. Auch hilft es mir, meine Trauer mit anderen Tierhaltern zu teilen und zu lesen, dass ich mit meinem Schmerz nicht alleine bin. (…) Für mich sind alle meine Tiere echte Familienmitglieder, und ich bin sicher, Ihnen geht es genauso. Diana Eichhorn

Carmen & Momo

Liebes Wilhelmchen, mein geliebtes Minchen, es sind heute 6 Wochen her, ich denke es war gestern, dass Du von mir gehen musstest. Du bleibst in meinem Herzen. Ich kann Tränen vergießen, weil Du gegangen bist, aber öfter kann ich lächeln, dass es Dich gegeben hat. Überall bist Du zugegen, ich habe Dich von Herzen lieb. Mach‘s gut oben im Regenbogenland. Grüße von Heidi an Sina. Ich gebe Dir viele Küsschen auf deine große Nukelnase. Mein Herz läuft wieder über und ich habe Tränen in den Augen. Deine Dich liebende Mama.“ aus dem Virtuellen Tierfriedhof


SCHWÄNZELTANZ Aus der Jahrzehnte erfordernden Aufklärung der Tanzsprache der Bienen ergab sich, dass gerade diese spezifische Kommunikationsform die Arbeitsökonomie der Honigbiene - maximale Leistung bei möglichst geringem Arbeitsaufwand - bedingt. Beim Rundtanz läuft die Kundschafterin, die eine Futterquelle gefunden hat, mit raschen, trippelnden Schritten im Kreis herum. Der Tanz erfolgt im dichten Gedränge. Die Nachläuferinnen suchen danach die Umgebung ab – wenn sie den Futterplatz gefunden haben, kommen sie zurück und tanzen nun selbst, was wiederum einige Artgenossen alarmiert. An die Stelle des Rundtanzes tritt der Schwänzeltanz, wenn die Futterquelle weiter als 100 Meter entfernt ist: Er zeigt die Existenz einer Futterquelle an, gibt Informationen über die Art der Futterquelle (durch den an der Tänzerin haftenden Blütenduft) und signalisiert durch die Lebhaftigkeit der Tänze die Rentabilität der Quelle. Weiterhin erhalten die Bienen Informationen über die Entfernung (Tanztempo) und die Himmelsrichtung (Winkelstellung des Schwänzellaufs) des Ziels. B. Bühler/S. Rieger

Stelle die Menschheit ihre Bewirtschaftung der Erde nicht nachhaltig um, dann werde sich die Situation der Bienen weiter verschlechtern, so das Fazit des Unep-Berichts „Global Bee Colony Disorders and other Threats to Insect Pollinators“. Die Folgen wären dramatisch: Von den wichtigsten 100 Nutzpflanzen der Welt würden nämlich mehr als 70 durch Bienen bestäubt. Die Arten seien für etwa 90 Prozent der gesamten Nahrungsproduktion der Welt verantwortlich. Die Bienen zeigten, wie wir „mehr, und nicht weniger“ von den Dienstleistungen der Natur abhängig seien. SPIEGEL ONLINE




Das Bankett für Tiere wird ermöglicht mit freundlicher Unterstützung von:

Itzumer Hauptstraße 1 - 31141 Hildesheim

Platz der Deutschen Einheit 1 38100 Braunschweig

Weberstr. 28 - 30449 Hannover


WIR BEDANKEN UNS HERZLICH BEI: unseren Expert_innen Heinz Böhnisch, Stefan Bröckling und PETA Deutschland, Mathias Dittrich, Frank Fass, Ilka Frank, Claudia Fricke, Olaf Gallus, Lars Gärtner, Claus und Johann Jencquel, Samantha Müller, Ulrike Neidhardt, Familie Passior, Heinz Pyka und Ullrich von Oertzen // der Gewerkstatt Hamburg, Ulf-Ingo Hoppe, Kathrina Huelsmann, Rosi Lobert, Marion von Oertzen und dem NDR, Sophia Schroth, dem HildesheimerTennis-Club Rot-Weiß e.V., dem Trillke Guts Hildesheim, Kathrin Weber Krüger und unseren try out-Gästen // dem Team des Theaterfestivals schwindelfrei, insbesondere Martin Baasch, Susanne Brauer, Phillip Koban, Nora Nörenberg, Julia Selig und Sebastian Schnorr // unseren wunderbaren Gastgeber_innen in Mannheim Nadja Peter, Christa Schütz, und Familie Siebert // den Gastwirt_innen Andreas Klitz, Sandra Meyer, Carius Novàk und Team // allen unseren Haustieren und Tiergefährten sowie den vielen Menschen, die unseren Arbeitsprozess via Facebook begleitet und beeinflusst haben.


IMPRESSUM Fräulein Wunder AG 2012 www.fraeuleinwunderag.net kontakt@fraeuleinwunderag.net Layout, Satz und Redaktion: Fräulein Wunder AG Bildnachweise Fräulein Wunder AG, Rike / pixelio.de, Ferdinand Van Kessel: Le repas des singes. Textnachweise: Bühler, Benjamin / Rieger, Stefan: Vom Übertier - Ein Bestiarium des Wissens. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006. S. 62-63 // Eichhorn, Diana: Liebe Tierfreunde! Stand: 28.9.2009 http://www.abschied-im-rosengarten.de/brief_diana_eichhorn.php (31.8.2012) // Kaupmannsennecke: Liebes Wilhelmchen. Stand: 27.8.12 http://www.abschied-im-rosengarten.de/?eintragid=7134 (31.08.2012) // Geets, Siobhán: Delikatessen von der Straße. Stand: 26.11.2011. http://diepresse.com/home/leben/ mensch/711963/Delikatessen-von-der-Strasse?_vl_backlink=/home/index.do (31.8.2012) // Kowitz, Dorit: Des Menschen Wolf. Stand: 30.4.2012 http://www.zeit.de/2012/18/ DOS-Woelfe (31.8.2012) // Low, Philip: The Cambridge Declaration on Consciousness. Stand: 7.7.2012 http://fcmconference.org/img/CambridgeDeclarationOnConsciousness. pdf (31.8.2012) // Seidler, Christoph: Bienensterben wird zum globalen Problem. Stand: 10.3.2011 http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/uno-bericht-bienensterben-wirdzum-globalen-problem-a-750139.html (31.8.2012) // Vegetarierbund: Zum morgigen Welt-Vegetariertag. Pressemitteilung. Stand: 30.9.2009 https://www.vebu.de/aktuelles/ pressemitteilungen/422-zum-morgigen-welt-vegetariertag-vegetarierbund-berechnet1094-tiere-verspeist-jeder-deutsche (31.8.2012) //Wallace, David Foster: Am Beispiel des Hummers. 1. Auflage. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2010. S. 47-62



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