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THE NATURE OF DESIGN HOME-STORY


ICH & MEIN ADMONTER

„So einen Bauherren wie den Stefan bekommt man nicht so häufig“, sagt der Architekt mit den raspelkurzen Haaren und der randlosen Brille. „Zuchthäuser sind normalerweise nicht so beliebt“, sagt er grinsend. Doch Stefan Gruber war schon beim ersten Besichtigungstermin angetan. „Ich finde es faszinierend, was hier alles schon passiert ist“, sagt der 35-Jährige. Die Mauern, die ihn umgeben, sind im 13. Jahrhundert erbaut worden, der Turm grenzte einst an die Stadtmauer. Anfangs brauchte er zwar noch reichlich Fantasie, um sich vorstellen zu können, wie alles später aussehen könnte. Doch er behielt die Geduld, vertraute auf seine Vorstellungskraft und seinen Von Johan Kornder

Architekten. So hat er die relativ kleine Küche nicht als Nachteil gewertet, sondern sofort erkannt, wie wohnlich es hier werden

Als der Räuber Heigl auf der Holzbank saß, waren seine Hände an Ketten gefesselt, er bekam wohl nur Wasser und Brot. Der

könnte. Er hat recht behalten. Sonnenlicht spendet nur ein klitzekleines Erkerfenster.

legendenumwobene bayerische Bandit war hier eingesperrt,

Dennoch ist die Küche ein freundlicher Raum. Die Abzugshaube

wurde über seine Verbrechen befragt und erfuhr schließlich im

ist mit hellem Holz verkleidet, die Einbauschränke strahlen in

Jahr 1854 von seinem Todesurteil. Er saß im Südturm der Fron-

Weiß, ein befreundeter Schreiner hat sie extra so gestaltet, dass

feste, dem Gefängnis einer niederbayerischen Kleinstadt, im

die Verhörbank erhalten wurde. Er hat auch den Küchentisch

Verhörzimmer. Vielleicht war es auch er, der eines der Mühle-

gebaut. Stilecht aus alten Fichtenholzbrettern mit Wurmstich.

spiele in die hölzerne Pritsche geritzt hat. Wenn Stefan Gruber heute auf dem alten Holz sitzt,

VIEL GESCHICHTE, VIEL MODERNE

frühstückt er, eine Tasse Kaffee oder Tee in der Hand, und ist

Wenn Stefan Gruber, ein hochgewachsener Mann im legeren

glücklich über sein neues Zuhause. Der niederbayerische Unter-

Jeanshemd, in sein Wohnzimmer will, muss er sich bücken.

nehmer hat aus dem ehemaligen Verlies seine Küche gemacht,

Auch die alte Tür, der Türstock misst nur 1,70 Meter, ist erhalten

die Verhörbank wurde zum Möbelstück, zu einer Eckbank mit

worden. „Wenn man den Mieterschutzbund reinschickt, sagt der:

Geschichte. An der Wand hängen noch die Eisenringe, an die

unvermietbar“, so Architekt Bast. „Meine tägliche Verneigung

einst die Verbrecher gekettet wurden. An der Decke ist noch

vor der Geschichte“, sagt Bewohner Gruber und lacht.

der originale Putz erhalten. „Gereinigt, getüncht, gekalkt.

Gruber, die Haare hängen ihm locker in die Stirn, ver-

Und das war’s“, sagt Franz Bast, der ausführende Architekt,

neigt sich nun aus der Küche in das Wohnzimmer seiner Dach-

der sich im Niederbayerischen einen Ruf als Spezialist für

geschosswohnung. Und auch hier zieht Holz die Aufmerksam-

Baudenkmäler erworben hat.

keit des Besuchers auf sich. Der edle Boden. „Ich wollte etwas

Jedes Jahr betreut er mindestens eines, und für die

Passendes, etwas Rustikales. Es sollte authentisch sein, dem Stil

Sanierung eines Museums in Dingolfing hat er den Bayerischen

von früher nachempfunden, als man nahm, was kam“, erklärt

Museumspreis gewonnen. Er liebt alte Gebäude, und so scheint

Gruber. Deshalb wählte er Eichenholzdielen in unterschiedlicher

ihm die Baustelle an der Fronfeste zur Herzensangelegen-

Breite. Eine gute Wahl.

heit geworden zu sein. Er steht in der Wohnung und sieht sehr zufrieden aus, als er die fertige Arbeit betrachtet.

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Der Boden ist perfekt unperfekt geworden, er ist neu und vermittelt dem Raum dennoch den Charme des Alten. „Mir war ➤


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„Ein befreundeter Schreiner hat den Küchentisch gebaut. Stilecht aus alten Fichtenholzbrettern mit Wurmstich.“ Stefan Gruber

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„Ich wäre hier auch gern daheim.“ Architekt Franz Bast

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INSIDE ICH & MEIN ADMONT(ER) ADMONTER

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schnell klar, dass es genau der Boden sein soll, sehr angenehm

modernen Highend-Boxen. Er kombiniert akustisch wie archi-

zu begehen, schöne Wärme“, sagt der Hausherr noch und

tektonisch Tradition und Moderne und schafft so seine eigene

setzt sich zu Franz Bast an den Esstisch, auf einen der bunten

Individualität.

Designer-Schalenstühle. „Den Tisch habe ich aus einem Café

So ist im Eingangsbereich ein alter Kinosessel direkt auf den

in München, in dem man die Einrichtung kaufen kann“, erzählt

Eichenboden geschraubt, hier zieht sich Gruber seine Schuhe an.

Gruber. Langsam wird klar, wie sich diese Wohnung zu dem ent-

Neben der Eingangstür hängt in einer raffinierten Konstruktion

wickelt hat, was sie heute ist. Eine Komposition aus Altem und

aus laminiertem Holz sein Skateboard. Auch bei dieser Hängevor-

Modernem. Man merkt, wie hier jede Einzelheit bedacht wurde.

richtung hat der Schreinerkumpel geholfen, wie bei fast allen Möbeln, die alle hängend montiert wurden. „Das habe ich mir

SCHICK UND GESCHICKT

irgendwie eingebildet“, sagt Stefan Gruber und zuckt die Schultern.

So hat Gruber Heizkörper gewählt, die sonst in Industriebauten

So kommt auf jeden Fall der Holzboden gut zur Geltung.

verwendet werden. Er hat sie in Berlin in einem Café gesehen

„Ich wäre hier auch gern daheim”, sagt Architekt Bast.

und wusste: „Die muss ich haben.“ Spiralförmig verlaufen sie

Er lehnt lässig an dem Badekubus und blickt verträumt

am Boden und nutzen so den ansonsten verlorenen Platz

durch den Raum. Dann schielt er auf die Plattensammlung.

unter der Dachschräge, in die Architekt Bast wiederum eine

„Wann fährst du denn mal wieder in den Urlaub?“,

acht Meter lange Lichtleiste einbauen hat lassen.

fragt Bast mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht.

Er hat auch die Zwischendecke entfernt, die ein ehemaliger

Stefan Gruber guckt kurz verdutzt und weiß nicht, was die Frage

Bauherr einziehen ließ, um dem Raum seine ursprüngliche Höhe

soll. Doch sein Architekt löst die Verwirrung gleich auf.

zurückzugeben und die alten Balken freizulegen. „Ich

„Ich würde die Wohnung sofort hüten und mich mal durch die

schaue mir die Leute an, wie sie ticken – und berate sie dement-

Sammlung hören“, sagt er. Da ist er nicht der Einzige. ■

sprechend“, sagt Bast. „Viele Architekten vergessen, dass wir für die Leute bauen und nicht für uns. Man sollte zum Beispiel wissen, wie hoch die Kloschüssel sein muss. Oder eben, dass der Kamin und das Badezimmer Platz brauchen wie hier“, sagt er. So sitzen Gruber und Bast nun unter massivem, jahrhundertealtem Dachgebälk und blicken auf moderne architektonische Kunst. Denn Bast und Gruber haben sich für das Badezimmer etwas ganz Besonderes ausgedacht. Sie hatten die Idee, es wie eine Box in den Raum zu stellen. „Das war ein Prozess“, sagt Gruber. „Herr Bast hatte immer ein offenes Ohr und hat mich und meine Ideen immer ernst genommen.“ So entstand im Laufe der Umbauarbeiten die Idee einer Blackbox, die sich zur Fensterleiste hin öffnet und in der man in der Wanne liegend in den Himmel gucken kann, ohne dabei von außen gesehen zu werden.

ALLES NEU? ALLES ALT? ALLES INDIVIDUELL! Neben der Küchentür hängt der angesprochene Kamin wie ein frei schwebender Kegel von der sechs Meter hohen Decke. Am unteren Ende des Kegels brennt in einer froschmaulähnlichen Öffnung das Feuer. Dahinter zeigt sich das alte Gemäuer.

Holzboden vor fl iegenden Funken. Neben dem Kamin lädt eine

Stefan Grubers Admonter im Detail

Ledercouch zum gemütlichen Fernsehen oder Musik Hören ein.

Im gesamten Wohnbereich ist der Naturholzboden

Hinter der Couch hängt an der Wand der Badezimmerbox die

XXLong Eiche zu sehen. Ein absolutes Spezialprodukt,

Plattensammlung. Das Vinyl steht beispielhaft für die Einstellung

das durch unterschiedliche Breiten den

des Wohnungseigentümers. „Der Sound von Platten ist einfach

Altbaucharakter visuell besonders unterstützt.

Vor den Ofen hat Gruber nicht wie sonst üblich ein Blech nageln lassen, sondern eine imprägnierte Wasserbüffelhaut schützt den

am besten“, sagt er. Natürlich hört er den Plattensound aus

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„Der Boden ist perfekt unperfekt geworden, er ist neu und vermittelt dem Raum dennoch den Charme des Alten. Stefan Gruber

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