Politik. Macht. Bilder.

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neuwal.com Politik- und Wahljournal

Stefan Bachleitner

Die Ikonographie der Nationalratswahl 2013

Politik. Macht. Bilder.


Politik. Macht. Bilder. Editorial

Stefan Bachleitner

Bilder sind eines der wichtigsten Kommunikationsmittel unserer Zeit und spielen daher in der Wahlwerbung eine große Rolle. In der Artikelserie „Politik. Macht. Bilder“ widmete sich der Kampagnenexperte Stefan Bachleitner exklusiv für neuwal.com den Bildinszenierungen der Parteien im Rahmen der Nationalratswahl 2013. Der PR-Berater leitete 2010 die Wiederwahlkampagne von Bundespräsident Heinz Fischer und ist Politikinteressierten auch für seine strategischen Analysen im Rahmen des USWahlblogs usa2012.at oder auf seinem Blog politikon.at ein Begriff.

neuwal - Politik- und Wahljournal und Magazin für politische Kultur ist ein privates und unabhängiges Projekt zur Förderung der politischen Bildung und des Online Journalismus. Wir berichten seit 2008 mit derzeit mehr als 10 aktiven JournalisteInnen und BlogerInnen unparteiisch und unabhängig über politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen. Neben Aufklärung ist unser Ziel die Förderung des Dialogs zwischen Gesellschaft, Medien, und Politik. Neuwal ist ein offenes Magazin, das viel Raum für Ideen bietet. Es gibt – im Rahmen der demokratischen Gesinnung, der gesetzlichen Bestimmungen und es moralischen Anstands – keine inhaltlichen

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Grenzen. neuwal veranstaltet regelmäßige interaktive Diskussionsrunden mit interessanten Gästen aus Politik und Gesellschaft zu aktuellen politischen Themen. Sind es themenbezogene Diskussionen zu tagespolitischen Themen auf der einen Seite, so sind es interaktive Dialoge mit neuen Initiativen, Parteien oder Bewegungen auf der anderen Seite

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neuwal wurde 2013 mit dem Dr.Karl-Renner-Preis für langjährige, hervorragende Leistungen im Online-Journalismus vom Österreichischen Journalisten Club einstimmig ausgezeichnet.

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neuwal - Edition booklewal Redaktion: Dieter Zirnig Ausgabe 1.00 (07.01.2014)


Politik. Macht. Bilder. Inhalt

Echt verschränkt (Team Stronach) Farbspiele (BZÖ) Die verlorene Unschuld (Die Grünen) Sturm der Liebe (FPÖ) Oh, Du mein Österreich (ÖVP) Bitte gib mir nur ein Wort (SPL) Die perfekte Welle (Dramaturgie Außerdem. Über NEOS, Piraten und die KPÖ. Finale? FAQs!

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Echt verschr채nkt.

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In der politischen Kommunikation gibt es kein anderes Medium, für das die Regel „weniger ist mehr“ stärker gilt als für das Plakat. Ein gutes Plakat muss im Vorbeifahren – also in wenigen Sekunden – alles vermitteln, was es sagen will. Da empfiehlt es sich, die wesentliche Botschaft in fünf Wörter oder weniger zu packen. Die aktuellen Plakate des Team Stronach beherzigen diese Regel und schaffen es sogar, mit nur zwei Wörtern auszukommen. In großen Lettern prangt auf den Sujets neben einem positiv besetzten Schlagwort wie „aufrichtig“ oder „sozial“ lediglich Stronachs Vorname „Frank“. Weniger geht nicht. Echt nicht. Daneben findet sich bloß noch (deutlich kleiner und abgesetzt) die Webadresse seiner Partei – doch der Rest ist Bild.

Auf Distanz zum Establishment Interessant an Stronachs Plakat ist, worauf es verzichtet: Es kommt ohne Parteilogo aus, ohne Nennung des Parteinamens (wenn man von der URL absieht) und ohne Nachnamen des abgebildeten Kandidaten. Auch sonst fehlen zahlreiche Elemente, die zum Grundrepertoire der politischen Ikonographie in Österreich zählen (in den kommenden Folgen wird sicher noch Gelegenheit sein, darauf einzugehen). Doch das ist alles Konzept, denn die Kommunikationsstrategie hinter diesem Plakat heißt „Distanzierung vom (politischen) Establishment“. Und richtig gemacht, wie in diesem Fall, gelingt das sogar einem Milliardär.

Eine derart schlichte, textlich reduzierte Inszenierung stellt die Autorität der abgebildeten Person in den Mittelpunkt. Dieses extrem personalisierte Konzept erinnert mich ein wenig an die nicht minder selbstbewussten „Wer, wenn nicht er“-Plakate des damaligen ÖVPBundeskanzlers Wolfgang Schüssel im Nationalratswahlkampf 2002, dem es mit dieser gebieterischen Ansage gelang, orientierungslose FPÖWählerInnen anzusprechen, die damals vom „Knittelfelder Putsch“ irritiert waren. In durchaus ähnlicher Manier zielt heuer Stronach darauf ab, sich frustierten Wähler-Innengruppen als Führungspersönlichkeit anzubieten. The man is the message.

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Stronachs Inszenierung zielt auf eine Stimmung in (Teilen) der WählerInnenschaft ab, die von der Dauerkrise beeinflusst wird. Ob Eurokrise oder Insolvenzwelle – die schlechten Nachrichten dominieren. Die Folge: Noch nie gab es einen so hohen Anteil an Wahlberechtigten, die den regierenden Kräften misstrauen. In

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Stronachs Anzug sind sehr dunkel gehalten, was für positive Werbebotschaften eher untypisch ist. Doch so kann er sein Gesicht ins Licht tauchen und wirkt durch den Kontrast regelrecht „erleuchtet“, was seiner hartnäckigen Mission im Dienste der „Werte“ eine quasi-religiöse Komponente verleiht. Betont wird die Distanzierung vom politischen Establishment nicht zuletzt dadurch, dass „Frank“ sich – ganz und gar volksnah – mit offenem Hemdkragen ohne Krawatte ablichten lässt und so bewusst darauf verzichtet, sich als Staatsmann zu inszenieren (was ihm jene Menschen, die darauf Wert legen, ohnehin nicht abgenommen hätten). Ein weiterer Beleg dafür, dass Stronach jene WählerInnen ansprechen möchte, die von konventioneller Politik die Nase voll haben.

deren Augen haben „die da oben“, die Eliten aus Politik und Wirtschaft, die Krise entweder (mit-)verursacht oder zumindest kein wirksames Rezept dagegen gefunden. Um die Stimmen dieser Politik(er)verdrossenen zu gewinnen, möchte sich das „Team Stronach“ deutlich von allem abheben, was man hierzulande mit Parteien und Politik verbindet. Alles, was danach aussieht, wurde daher von den neuen Plakaten verbannt. Übrig blieb eine totale Personalisierung, die Stronach als „Mann aus dem Volk“ präsentiert und ihn dennoch überhöht – womit wir bei der Darstellung des Kandidaten wären. Frank Stronach ist in einer klassischen halbnahen Einstellung (Kopf bis Hüfte) zu sehen, wie sie in Filmen häufig für Dialogszenen eingesetzt wird. Dieser Bildausschnitt ist klug gewählt, nicht nur deshalb, weil er damit – im Gegensatz zu seinen bisherigen TVAuftritten – diskussionsfreudig wirkt. Jede distanziertere Kamera-position hätte Stronach (im Vergleich zu anderen Plakaten) klein wirken lassen, während jede nähere Einstellung die Falten in seinem Gesicht betont hätte. Ganz im Gegensatz dazu wurde Stronachs Gesicht mittels Photoshop stark verjüngt. So stark verjüngt, dass seine Plakate im tiefroten Bereich wären, wenn es die von Frauenministerin Heinisch-Hosek geforderte AmpelKennzeichnung für bearbeitete Werbefotos schon gäbe – doch derartige Tricks sind ohne direkten Vergleich mit dem Original kaum zu erfassen.

Auch die Tatsache, dass er auf seinen Plakaten mit dem Wahlvolk quasi „per du“ ist, passt in dieses Bild. Dass Stronach auf den Plakaten nur „Frank“ heißt, hat allerdings auch handfeste organisatorische Gründe. Die Nationalratswahlordnung sieht nämlich vor, dass die Kurzbezeichnung einer Partei aus nicht mehr als fünf Buchstaben bestehen darf. Aus diesem Grund wird auf den Wahlzetteln „Frank“ und nicht „Stronach“ stehen – und darauf sollen die WählerInnen mit den aktuellen Motiven wohl frühzeitig eingeschworen werden. Seiner Inszenierung gereicht das ohnehin nicht zum Nachteil.

Sowohl der Bildhintergrund als auch

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Mehrdeutige Pose

Pressefotografie (zumindest in den USA) ist. Scrollt man durch diese Seite, gewinnt man rasch den Eindruck, dass diese Haltung auch für eine Form von hemdsärmeliger Selbstbehauptung in einer unsicheren Welt stehen kann. Vielleicht ist sie das Erbe des in den 80er-Jahren angesagten „B-Boys Stance“, vielleicht auch etwas älter – doch so oder so ist sie durchaus stimmig, was die Inszenierung von Frank Stronach betrifft. Ich vermute fast, dass er sich mit verschränkten Armen einfach wohl fühlt und gerne so fotografieren lässt. Und damit ist diese Pose vielleicht sogar das Ehrlichste an seinen aktuellen Plakaten.

Wirklich bemerkenswert an Stronachs Plakaten ist allerdings seine äußerst mehrdeutige Pose. Ich kenne doch einige Kampagnenplakate, kann mich aber beim besten Willen an keines erinnern, auf dem der Kandidat die Arme verschränkt hat. Jeder hobbypsychologisch versierte Werber würde diese „handfeste“ Barriere vor der Brust als körpersprachliches Signal für Distanz, Ablehnung, Unsicherheit oder Verletzlichkeit interpretieren und PolitikerInnen daher davon abraten. Doch so einfach ist das nicht. Der Tumblr-Blog „Local People With Their Arms Crossed“ zeigt, wie verbreitet diese Darstellung in der zeitgenössischen

Echt verschränkt. 28. Juli 2013

Stefan Bachleitner analysiert exklusiv für neuwal.com die Bildpolitik der diesjährigen Nationalratswahl. In der ersten Folge verrät er uns, was die aktuellen Plakate des Team Stronach über dessen Kommunikationsstrategie verraten. http://neuwal.com/index.php/2013/07/28/echt-verschrankt/

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Farbspiele

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Zugegeben: Auf den ersten Blick sehen die Sommerplakate des BZÖ nicht sonderlich einfallsreich aus. Auf den zweiten Blick wirken sie sogar fast ein wenig eigenartig. Dennoch (oder vielleicht gerade deshalb?) eignen sich diese Sujets als Anschauungsobjekte für die Bildsprache mehr oder minder politischer Kampagnen.

Krawattenzwang signalisieren soll. Wohl aus dem gleichen Grund wird modische Extravaganz tunlichst vermieden: helles Hemd, dunkelgrauer Anzug, randlose Brille, Seitenscheitel – dieser Mann sieht so aus, wie man sich einen supersauberen Steuerberater vorstellt.

Schließlich handelt es sich bei den BZÖPlakaten um eine zeitgenössische Variante des vielleicht ältesten Genres der politischen Werbung: dem (männlichen) Politikerporträt. Üblicherweise zählen betonte Seriosität, staatsmännische Posen und politische Symbole zu den Grundelementen solcher Inszenierungen – wer eine führende Rolle in der Politik anstrebt, sollte schließlich so aussehen, wie sich die WählerInnen einen Kanzler vorstellen. Das wissen auch Josef Bucher und seine Berater, die nicht gänzlich mit dieser Bildsprache brechen wollen, um eine gewisse (wählbare) Ernsthaftigkeit auszustrahlen. Doch gleichzeitig kämpft das BZÖ um sein politisches Überleben und zielt daher auch auf jene WählerInnen ab, die genau davon die Schnauze voll haben. Das Resultat ist ein Mix aus eher widersprüchlichen Signalen.

Ohne Symbolik kommen die Plakate dennoch nicht aus. Abgesehen vom BZÖ-Logo fällt dabei der Schriftzug "Josef Bucher 2013" auf, der dazu gedacht sein dürfte, die namentliche Bekanntheit des BZÖ-Spitzenkandidaten zu stärken. Dezent (doch sehr bewusst) wurde hier eine Österreichfahne eingebaut, was man sich ohne große Skrupel vom Kampagnen-Logo Barack Obamas abgeschaut haben dürfte. Vielleicht sogar in der Hoffnung, dass sowas Typen wie mir auffällt, denn jeder Satz, in dem Josef Bucher gemeinsam mit Barack Obama erwähnt wird, ist in punkto Markentransfer ein kommunikativer Glücksfall für das BZÖ.

Mach mir den Austro-Obama

Wie schon bei Frank Stronach (gleiche Zielgruppe, gleicher Look) ist Buchers Hemdkragen offen, was auch hier die Nähe zum einfachen Volk bzw. eine gewisse Distanz zum politischen Establishment und dessen

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Interessant, wenn auch nicht überraschend, ist die optische Wandlungsfähigkeit des BucherPatriotismus: In Kärnten (wo das BZÖ

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darum bemüht sein dürfte, den Glauben an ein Grundmandat zu verteidigen) wurde die rot-weiß-rote Fahne auf den Plakaten durch die dortigen Landesfarben ersetzt – verbunden mit dem Zusatz “Unser Kärntner in Wien”. Auch wenn der Spagat zwischen Buchhalter, Wutbürger, Landsmann und Hoffnungsträger etwas zu groß für Josef Bucher ist, scheint das BZÖ sichtlich darum bemüht zu sein, seinen Spitzenkandidaten zu einer Marke zu stilisieren, die im Zeitalter der Personalisierung über die Grenzen der Partei hinaus strahlt.

Das warme Orange des BZÖ wird auf den Plakaten durch dessen Komplementärfarbe – ein kühles Hellblau – perfekt kontrastiert. Ein alter, aber durchaus bewährter Trick – clever genutzt. Denn werden Komplementärfarben kombiniert, so verstärken sie sich wechselseitig in ihrer Wirkung und entfalten ihre höchste Leuchtkraft. In der Malerei und in der Werbung wird dieser Effekt gerne verwendet, zumal Komplementär-farbenpaare auffallen und Leben in das fadeste Bildmotiv bringen. Grüner Salat sieht vor rotem Hintergrund frischer aus – und ein oranger Politiker vor blauem Hintergrund ebenfalls. Das war dann aber auch schon die kreativste Leistung der Sommerwerbekampagne des BZÖ, für die dem Vernehmen nach rund 800.000 Euro ausgegeben wurden, die nicht der Wahlkampfkostenbeschränkung unterliegen – viel mehr haben die Sujets nicht zu bieten.

Das Spiel mit dem Komplementärkontrast Apropos Strahlung: Etwas befremdlich wirkt die Hautfarbe Buchers, die sich dem Orange des BZÖ-Logos verblüffend stark annähert. Im ersten Moment (der entscheidend ist, da Plakate in der Regel selten eingehend studiert werden) mag das vielleicht noch als gesunde Bräune durchgehen, doch bei längerer Betrachtung sieht das eher wie ein Missgeschick mit der Bräunungscreme, ein sich ankündigender Leberschaden oder ein peinlicher Fehler beim Weißabgleich aus. Aber selbstverständlich ist die aprikosenartige Tönung des orangen Parteivorsitzenden Absicht, wie die äußerst durchdachte Farbkomposition des gesamten Sujets belegt.

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Zu erwähnen wäre höchstens noch der Bildausschnitt, der inzwischen zu einem Standard des politischen Porträts geworden ist und uns in diesem Wahljahr noch öfter begegnen dürfte. Politikerköpfe werden heute gerne ein wenig angeschnitten im „Close Up“ gezeigt. Anfang der 80er-Jahre wäre in Österreich noch kaum jemand auf die Idee gekommen, den Kopf eines Spitzenkandidaten anzuschneiden. Doch es gibt einen guten Grund, das zu tun: Je stärker der „Zoom“, desto größer wird das Gesicht – was im direkten Vergleich mit anderen Plakaten (auf denen die Köpfe kleiner abgebildet werden) mächtiger wirkt und nicht zuletzt für mehr Aufmerksamkeit sorgt. Einer der ersten Politiker, der diesen Effekt in Österreich genutzt hat, war Jörg Haider im


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Nationalratswahlkampf 1986, der sich damals mit hochgestelltem Kragen betont leger (und eben übergroß) präsentierte. Im Vergleich dazu sieht seine letzte politische Schöpfung, das BZÖ, über ein Vierteljahrhundert später eher alt aus. Bis auf die frischen Farben.

Farbspiele 4. August 2013

Stefan Bachleitner analysiert exklusiv für neuwal.com die Bildpolitik der diesjährigen Nationalratswahl. In der zweiten Folge widmet er sich der Sommerkampagne des BZÖ. http://neuwal.com/index.php/2013/08/04/farbspiele/

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Die verlorene Unschuld

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wohl deutlich zugkräftigeren – Positionierung als Antikorruptionspartei. Damit können sie frontal auf die Gruppe der politikfrustrierten Protest- und NichtwählerInnen abzielen, ohne ihre KernwählerInnen zu irritieren.

Optisch sind die neuen Plakate der Grünen keine große Überraschung – und das ist durchaus so gewollt. Als einzige Partei haben sie in allen Landtagswahlkämpfen dieses Jahres ein einheitliches Erscheinungsbild an den Tag gelegt – und setzen diese Linie nun konsequenterweise fort. Unabhängig von der jeweiligen Botschaft erkennt man die grünen Plakate bereits an ihrer unverwechselbaren Kombination aus Schriftbild, Schriftneigung und der Farbkombination aus Hellgrün und Magenta (wie schon bei den BZÖSommerplakaten ein Komplementärfarbkontrast) und einer Bildsprache mit grünen Hintergründen, hellem Licht und/oder einem Stück Natur bzw. Tiermotiven.

Despektierliche Töne So betrachtet ist es durchaus schlüssig, dass die Grünen in ihrer ersten Plakatwelle stark auf Negative Campaigning setzen. So eröffnen sie den Wahlkampf mit der etwas eigenwilligen Selbstbeschreibung „Weniger belämmert als die Anderen“, der Umdeutung eines Faymann-Plakatslogans aus dem Jahr 2008 – „Rot-Schwarz: Genug gestritten“ – und dem abgewandelten Sprichwort „Wer einmal stiehlt, den wählt man nicht“.

Dieses „Corporate Design“ ist das Ergebnis einer bemerkenswerten, weil für die Grünen eher untypischen Zentralisierung der Kommunikationslinie, die von allen Landesorganisationen übernommen wurde. Zuständig dafür ist ein Profi: Martin Radjaby, der von Ö3 – wo er u. a. für das „Team Österreich“ und die „Wundertüte“ verantwortlich zeichnete – vor zwei Jahren zu den Grünen wechselte. Auch die grüne Kernbotschaft dieses Jahres wird konsequent durchgezogen und auf den aktuellen Wahlplakaten durch den verbindenden Slogan „Saubere Umwelt. Saubere Politik.“ auf den Punkt gebracht. Die Grünen kombinieren darin ihre Kernkompetenz in der Umweltpolitik mit der – aktuell

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Der Aufbau der Plakate folgt dabei keiner einheitlichen Mechanik: Einmal reden sie über sich selbst, einmal adressieren sie die Große Koalition und

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einmal postulieren sie eine Form von moderner Volksweisheit, lassen aber offen, wer genau damit gemeint sein soll. Gemeinsam ist diesen Sujets – neben der Optik – nur der despektierliche Ton. Um eine der überstrapaziertesten Politikweisheiten bemühen zu dürfen: Mit diesen Sprüchen holen die Grünen die ProtestwählerInnen dort ab, wo sie sind – in der Ablehnung der Politik. Decodiert man die Botschaften ihrer ersten drei Plakate, dann lautet deren Aussage im Klartext, dass (Regierung-) PolitikerInnen dumm, kriminell und/oder zerstritten sind. Anders gesagt: Noch nie haben grüne Plakate den Stammtisch und dessen Vorurteile so gut bedient. Damit diese – sonst eher für die FPÖ typische – Form von oppositioneller Aggressivität nicht nach hinten losgeht (grüne KernwählerInnen haben eine gewisse Abneigung gegen Populismus), wird sie in zweifacher Form kaschiert: durch einen Schuss Humor und mit Hilfe von Tierbildern.

Mit der Kombination aus markigen Sprüchen und schrägen Tierbildern dürfte es den Grünen durchaus gelingen, frecher als früher zu wirken und sich von den Kampagnen der anderen Parteien stilistisch abzuheben. Ganz in diesem Sinne bezeichnete der Grüne Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner die neuen Sujets als „provokant, aber humorvoll“. Mit dem Spruch „Weniger belämmert als die Anderen“ wagen die Grünen sogar ein wenig Selbstironie – was in Österreich bislang nur selten gemacht wurde, da der politische Mitbewerb dies im Regelfall gegen den Absender verwendet. Auffällig ist die Tatsache, dass die Grünen in ihrer ersten Plakatwelle komplett auf Tiermotive setzen – wobei sie im Sinne ihres „Corporate Design“ starke Anleihen an den Kampagnensujets des erfolgreichen Salzburger Landtagswahlkampfs genommen haben. Never change a winning poster, scheinen sie sich gedacht zu haben. Komplett neu sind Tiermotive in Nationalratswahlkämpfen allerdings nicht: Gesehen haben wir so was schon 1990, als die ÖVP in einer frühen Plakatwelle ihre damals maßgeblichen Mitbewerber – die FPÖ und die SPÖ – mit tierischen Sujets auf die Schippe nahm. Das mag Kalkül sein. Zum Einen wirken Gesichter von PolitikerInnen auf ProtestwählerInnen im negativen Sinne blutdruckfördernd – da kann ein wenig Enthaltsamkeit nicht schaden. Zum Anderen kann die Regie des grünen Wahlkampfs dadurch mit der nächste Plakatwelle, wenn sie ihre

Populismus im Lammfell Generell scheinen die Grünen in ihrer Kommunikation sehr darum bemüht zu sein, nicht so langweilig und bieder zu wirken, wie das bei vielen ihrer früheren Kampagnen der Fall war. Witz ist dafür

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ein äußerst wirksames Gegenmittel (dem Thema Humor in der politischen Kommunikation habe ich mich übrigens schon vor längerer Zeit etwas ausführlicher gewidmet).

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Spitzenkandidatin mit positiven Ansagen in Szene setzt, eine dramaturgische Steigerung erzielen. Diese Strategie birgt allerdings auch das Risiko in sich, etwas zu spät in die Positionierung von Eva Glawischnig zu investieren und damit die Chance zu verpassen, das Differenzierungspotenzial der einzigen weiblichen Spitzenkandidatin dieser Wahl voll zu nutzen. Warten sie zu lange zu, könnte sogar der Eindruck entstehen, dass die mit politischer Personalisierung traditionell hadernden Grünen sich nicht trauen, ihre Spitzenkandidatin in den Vordergrund zu stellen. Der ÖVPSpitzenkandidat des Jahres 1990, ein gewisser Josef Riegler, musste seinerzeit jedenfalls mangels persönlicher Strahlkraft schwere Verluste hinnehmen – trotz der pointierten Tierplakate, mit denen seine Partei den Wahlkampf eröffnete.

Der Affe repräsentiert psychologisch die im wahrsten Sinne des Worte „wilden“ animalischen (Um-)Triebe, die zivilisierte Menschen umso heftiger bekämpfen müssen, je stärker sie sich davon angezogen fühlen (was schon King Kong zum Verhängnis wurde). Neben dem dummen Schaf und dem wilden Affen fällt nur der Marienkäfer ein wenig aus dem Rahmen, gilt er doch eigentlich als (von der heiligen Jungfrau Maria gesandter) Glücksbringer und waschechter Nützling. Er wurde wohl nur deshalb ausgewählt, weil die Verwendung einer rot-schwarz gefärbten Streifenwanze einen Aufschrei zur Folge gehabt hätte, denn die Gleichsetzung des politischen Gegners mit Ungeziefer zählt zu den bekannten Merkmalen der Nazipropaganda. Damit der allgemein beliebte Marienkäfer nicht zum Symbol der Wertschätzung für die rot-schwarze Koalition umgedeutet werden kann, mussten ihn die Grünen aber schon auf den Rücken legen.

Schlechte Tiere, gute Grüne? Auf den ersten Blick wirkt es eigentlich ganz nahe liegend, dass eine Ökopartei auf Naturmotive setzt. Doch auf den zweiten Blick tut sich hier ein Widerspruch auf, denn die auf den grünen Plakaten abgebildeten Tiere stehen nicht für schützenswerte Kreaturen, sondern werden zur Bebilderung negativer Eigenschaften verwendet.

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Die Grünen knüpfen damit an eine Bildsprache an, die wir eher aus den Plakatmotiven der Weltkriegspropaganda kennen und die auf eine Entmenschlichung des politischen Gegners abzielte. Womit sich der Spaß aufhört. Die drei Bildmotive – Lamm, Affe und Marienkäfer – würden im Sinne der klassische Ikonografie zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten liefern. Das Lamm steht in diesem Fall wohl für das etwas begriffsstutzige Herdentier (und nicht für das unschuldige, sprichwörtlich fromme „Lamm Gottes“, wie die kirchliche Symbolik es kennt).

Zusammenfassend muss man feststellen, dass die grünen Plakate sehr gut in eine Krisenzeit passen, die sich durch einen außerordentlich hohen Anteil an unzufriedenen und politikfrustrierten WählerInnen auszeichnet. Die Grünen

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zeigen durch ihre aggressiven Ansagen einen gewissen Zug zum Tor, opfern der Stimmenmaximierung aber auch einen Teil jenes seriösen und konstruktiven Politikverständnisses, das sie bislang wohltuend von anderen Oppositionsparteien unterschied. Kurz gesagt: Sie haben mit diesen Plakaten an Professionalität gewonnen – aber an Unschuld verloren. Vielen lieben Dank an Christian Müller für das Erstellen und Zur-Verfügungstellen der Fotos!

Die verlorene Unschuld. 11. August 2013

Diesen Freitag (9. August 2013) haben die Grünen die erste Plakatwelle ihrer diesjährigen Nationalratswahlkampagne präsentiert. Stefan Bachleitner analysiert exklusiv für neuwal.com, was die neuen Sujets über ihre strategische Positionierung verraten.

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Sturm der Liebe

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Forderung nach einer härteren Ausländerpolitik – abzugehen. Immerhin war dieser Punkt bei der Nationalratswahl 2008 für FPÖWählerInnen das mit Abstand wichtigste Wahlmotiv. Doch genau hier beginnt das Dilemma der FPÖ: Denn je stärker sie versucht, durch markige Ansagen (“Daham statt Islam”) ihre Kernwähler(innen) zu mobilisieren, umso weniger wählbar wird sie für den Rest der Bevölkerung – insbesondere für Frauen.

Es gibt eine alte, aus dem Süden Österreichs stammende Weisheit, die auch für Wahlkämpfe gilt: Wenns laaft, dann laafts. Noch viel zutreffender ist allerdings der Umkehrschluss davon – und die FPÖ, deren Wahlkampf nicht richtig in Schwung kommen will, ist das beste Beispiel dafür. Vom einst großspurig angekündigten Duell um den Bundeskanzler musste sich die Truppe um Heinz-Christian Strache inzwischen längst verabschieden. In Interviews gibt sich der FPÖ-Parteivorsitzende zwar noch zuversichtlich, über die 20-ProzentMarke zu kommen, doch betrachtet man die Umfragen der letzten Monate, klingen solche Ansagen eher nach Zweckoptimismus. Zwar zerbröselt mit dem BZÖ, das 2008 noch mit dem Zusatz “Liste Jörg Haider” angetreten war, gerade ein wichtiger Mitbewerber der FPÖ, dieses Stimmenpotenzial scheint jedoch großteils von Frank Stronach eingesammelt zu werden. Strache hingegen kann eher froh sein, wenn er am Abend des 29. September im Vergleich zu seinem Wahlergebnis 2008 (17,54 % der Stimmen) ein mageres Plus einfahren kann – denn sonst würde sein Siegerimage erhebliche Kratzer abbekommen.

Das drückt sich nicht zuletzt darin aus, dass die FPÖ in ihrer Wähler(innen)schaft von allen Parteien den größten “Gender Gap” aufweist: Während sie 2008 bei den Männern auf rund 20 % kam, schaffte sie bei den Frauen nur 16 % – denn aggressivhetzerische Töne kommen bei Frauen, die in ihrem Wahlverhalten etwas mehr soziale Intelligenz an den Tag legen, einfach schlechter an als bei männlichen Wählern. Die FPÖ musste sich also etwas einfallen lassen, um für Frauen, die nicht gerade ihr achtes Kind

Das Dilemma der FPÖ: Ausländerwahlkampf vs. Frauenstimmen Unter diesen Voraussetzungen können es sich die Freiheitlichen gar nicht leisten, von ihrem Kernthema – der

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nach Barbara Rosenkranz benennen, wählbarer zu werden. Und genau diese Bemühungen spiegeln sich in den Wahlplakaten wieder, die sie in dieser Woche präsentiert haben. Strache als Frauenschwarm Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Sujets – eines für die Jugend, eines für die Senior(inn)en – in denen Strache regelrecht zum Frauenschwarm stilisiert wird. Trotz des Altersunterschieds zwischen den beiden darauf abgebildeten Frauen arbeiten die Sujets mit einer beinahe identischen Bildsprache, die zahlreiche Stereotypen bedient. Auffällig ist zum Beispiel die klassische geschlechtsspezifische Farbzuordnung: Strache – mit Sakko, Stecktuch und Jeans – trägt durchgängig Blau (was praktischerweise zum FPÖBranding passt), während die beiden Frauen in Rosa (die Jüngere) bis AltrosaViolett (die Ältere) gekleidet sind.

Wirklich auffällig ist aber die (auch körperliche) Nähe, die in diesen Plakaten zum Ausdruck gebracht wird. Strache und sein jeweiliges weibliches Gegenüber blicken sich direkt in die Augen, ihre Köpfe sind – wie vor einem Kuss – einander zugewandt und nur etwa 20 Zentimeter voneinander entfernt. In der Proxemik wird diese “Entfernung” als “Intimdistanz” bezeichnet, die nur Menschen vorbehalten ist, die sich sehr gut kennen, miteinander vertraut sind und sich berühren oder umarmen dürfen. Diese Vertrautheit (und an dieser Stelle sollten wir nicht vergessen, dass Vertrauenswürdigkeit eine besonders wertvolle Charakterzuschreibung in der Politik ist) wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass die ältere Frau dem FPÖ-Politiker zärtlich über die Wange streicht. Hier wird ein Bild gezeichnet, das Nähe, Wärme, Vertrauen und Zuneigung ausstrahlen soll – und vor allem Liebe. (Gerade deshalb darf Strache auf den Plakaten – im Gegensatz zu dem Motiv mit der älteren Frau – die Hand der jüngeren Frau nicht berühren, da er sonst bei manchen BetrachterInnen wie ein Lüstling rüberkommen würde.) Strache und die Liebe

Beide Frauen haben längere Haare, die sie nicht offen tragen, sondern züchtig in einem Zopf (die Jüngere) oder einem Haarknoten (die Ältere) nach hinten gebunden haben. Und auch die Haarfarbe der Beiden, die von Blond (die Jüngere) bis Weißblond (die Ältere) reicht, bewegt sich in einem engen Rahmen. (Sagen wir es mal so: Der Umstand, dass Blondsein im Dritten Reich zum typisch „germanischen“ Rassenmerkmal stilisiert wurde, dürfte diese Auswahl zumindest nicht beeinträchtigt haben.)

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Positive Emotionen – und “Liebe” ist wohl unbestritten die stärkste davon – sind für den FPÖ-Spitzenkandidaten ein bewusst eingesetztes Mittel, um seinem (für weibliche Wählerinnen) viel zu harten Image eine weichere Note zu verpassen. Dieser Wechsel in der Tonalität ist bereits länger bemerkbar. Schon im vergangenen Oktober sorgte Strache bei einer Grundsatzrede mit der ungewöhlichen Ansage “Wir handeln mit der Kraft der Liebe” für Verwunderung.


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Ein gutes Beispiele für diese Linie ist auch folgende Passage aus einem erst kürzlich erschienen Interview im Frauenmagazin WOMAN: WOMAN: Lange wurden Sie als billige HaiderKopie bezeichnet. Wie viel Hass ist da in Ihnen, es allen zeigen zu müssen? Strache: Es ist nie Hass dabei, es ist Liebe, die mich begleitet. Sie ist die größte Kraft, von ihr werde ich getragen. Ganz in die Inszenierung Straches als Frauen-schwarm passt auch ein Video, mit dem die FPÖ um die Stimmen von Jungwählerinnen buhlt Benedikt Narodoslawsky, der letztens ein StracheInterview für den Falter geführt hat, beschreibt dieses Bemühen um eine Imagekorrektur in seinem aktuellen Blogpost wie folgt: “…im Gespräch versucht er krampfhaft, überall das Wort ‘Liebe’ hineinzupacken”. Fügt man all diese Mosaiksteine zusammen, wird offensichtlich, dass hinter diesem “Sturm der Liebe” eine überaus bewusste Strategie steckt. .

Die Sache mit der Nächstenliebe Auf den unbedarften ersten Blick wirkt es also durchaus schlüssig, dass die FPÖ die beinahe zärtliche Bildsprache ihrer Plakate mit einem Slogan wie “Liebe deine Nächsten” unterstreicht. Nächstenliebe ist schließlich ein positiv besetzter Begriff, ja sogar mehr als das: ein Grundwert, der auf eine breite gesellschaftliche Akzeptanz stösst. Doch es wäre nicht die FPÖ (mit ihrem oben beschriebenen Dilemma), wenn sie auf ausländerfeindliche Töne – die sie in einer perfiden rhetorischen Umkehrung schon seit längerer Zeit als “inländerfreundlich” bezeichnet – in ihrer Wahlkampagne verzichten könnte.

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In diesem Fall erfüllt diese Aufgabe die Unterzeile “Für mich sind das unsere Österreicher”, mit der Heinz-Christian Strache klarstellt, dass seine Nächstenliebe alles andere als grenzenlos ist. Scheinbar reicht ihm dabei nicht einmal ein Staatsbürgerschaftsnachweis, denn wo es ein “unser” gibt, wird immer auch ein “deren” konstruiert, sprich: Es muss auch Österreicher geben, die die FPÖ nicht als “ihre” (echten) Österreicher bezeichnen mag, sondern die sie als die (falschen) Österreicher der anderen Parteien betrachtet. (Um welche ÖsterreicherInnen es sich dabei genau handelt, bleibt offen, können wir uns aber wohl denken.) Eine derartige Einschränkung auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe ist natürlich das genaue Gegenteil von Nächstenliebe, wie auch zahlreiche VertreterInnen verschiedener Religionsgemeinschaften rasch klarstellten. Nicht zuletzt der Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn forderte, keine Politik mit diesem Begriff zu machen und hielt in seiner Heute-Kolumne fest, dass Nächstenliebe für jeden gilt, “der hier und jetzt Hilfe braucht” – unabhängig davon, ob das nun “ein In- oder Ausländer ist”. Natürlich hat die FPÖ mit diesen Reaktionen gerechnet bzw. sie sogar – mit dem bewussten Missbrauch dieses Begriffs – gezielt provoziert, um möglichst viel (kostenlose) Aufmerksamkeit für die xenophobe Ansage in ihren Wahlplakaten zu generieren. Doch im Gegensatz zu früher sieht es so aus, als würde sie das Match um die Deutungshoheit des von ihr besetzten Begriffs frühzeitig verlieren. Das liegt einerseits daran, dass ein Wort wie “Nächstenliebe”, das seit Jahrhunderten ein zentrale Rolle im


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Selbstverständnis der katholischen wie auch anderer Kirchen einnimmt, aber im politischen Diskurs (aus diesem Grund) nur selten verwendet wird, nicht so mir nichts, dir nichts von einer Partei uminterpretiert werden kann. Und andererseits steht die FPÖ-Strategie auch deshalb auf tönernen Füßen, weil die auf ihren Plakaten präsentierte Emotion (“Zuneigung”) und die emotionale Seite ihrer Botschaft (“Ablehnung”) ganz und gar nicht zusammenpassen wollen. Dieser Spagat (auch eine Form von Text/Ton-BildSchere) ist einfach zu groß und hinterlässt mehr Fragen als Antworten. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl wollte hier ein sowohl-als-auch, doch herausgekommen ist ein weder-noch. Die FPÖ und die Religion Womit wir bei einem Aspekt der FPÖPlakate angekommen wären, der in den bisherigen Analysen meines Erachtens noch etwas zu kurz gekommen ist: Warum bemüht die FPÖ überhaupt einen Zentralbegriff der christlichen Glaubenslehre? Es ist jedenfalls noch nicht allzu lange her, dass die FPÖ ein derartiges Vokabular gescheut hätte wie der Teufel das Weihwasser. David Meijer schreibt dazu in seiner 2012 erschienenen Diplomarbeit „FPÖ und Christentum – Zwischen Gegnerschaft und Vereinnahmung“: An der Wiege des Dritten Lagers stand in seinen beiden Wurzelideologien, dem Liberalismus und dem Nationalismus, der Antiklerikalismus ganz vorne. Die Haltung zur Kirche bildete die Trennlinie zwischen den verschiedenen konservativen Strömungen. Vereinfacht gesagt: Die (konservativen) Gläubigen gehörten der ÖVP, die konservativen Atheisten den Freiheitlichen. Jahrzehntelang war das so. Erst seit 9/11 und der darauf

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folgenden islamophoben Welle begannen die FPÖ und andere rechtstextreme Strömungen in Europa, eine Form von “Kulturchristentum” in ihr ideologisches Konzept aufzunehmen, das die Verteidigung des (christlichen) Abendlandes gegen den Islam in den Mittelpunkt stellt. FPÖ-Slogans wie “Abendland in Christenhand“, Straches umstrittener Auftritt mit Kreuz (während einer Demonstration gegen den Bau einer Moschee in Wien) oder sein Eintreten für Kruzifixe in Schulklassen belegen diesen Wandel. Es ist nicht zuletzt diese islamfeindliche Ausrichtung, die der FPÖ die Möglichkeit einräumt, eine Trennlinie zwischen „guten“ (christlichen) Ausländern einerseits und “schlechten” (muslimischen) Ausländern andererseits zu ziehen – und damit auch in dieser (wachsenden) WählerInnengruppe (in der Religion oft noch eine größere Rolle spielt) auf Stimmenfang zu gehen. Auch das belegen seine aktuellen Wahlplakate: Wie schon 2008 trägt er darauf eine blaue “Brojanica” am Handgelenk, ein rosenkranzähnliches Band mit 33 Knoten (für die 33 Lebensjahre Christi), das in der Orthodoxen Kirche beim Jesusgebet eine Rolle spielt. Dieses Symbol scheint der FPÖ so wichtig zu sein, dass es in beiden Sujets zu sehen ist – obwohl man in dem einen Straches rechte und in dem anderen Straches linke Hand im Bild hat. Natürlich ist dieser systematische Versuch, in eine Kernwählerschaft der ÖVP einzudringen, ein politisch motiviertes Manöver und nicht das Ergebnis einer religiösen Besinnung in der FPÖ. Doch es ist eben mehr als ein Wort auf einem Plakat. Und vor allen Dingen ist eine Entwicklung, die nicht nur die ÖVP im Auge behalten sollte.


Politik. Macht. Bilder. FPÖ

Sturm der Liebe. 18. August 2013

Letzten Montag (12. August 2013) hat die FPÖ ihre ersten Wahlkampfplakate vorgestellt. Exklusiv für neuwal.com erklärt Stefan Bachleitner, was die freiheitlichen Strategen bewogen haben könnte, dabei auf den Begriff “Nächstenliebe” zu setzen.

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Oh, Du mein Ă–sterreich

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Politik. Macht. Bilder. ÖVP

Wem es entgangen sein sollte: Vor ein paar Tagen wurden die ersten Großplakate präsentiert, auf denen Michael Spindelegger zu sehen ist. Das Verblüffende daran ist allerdings, dass sie nicht von der ÖVP stammen, sondern von den NEOS.

befinden sich etwa 65 Prozent der Bevölkerung und 71 Prozent der Arbeitsplätze in Österreichs Ballungsräumen), gibt es das Sujet für die „Optimisten“ auch als Mutation – mit einer Stadtansicht, die treffenderweise vom Wiener Stephansdom aus aufgenommen wurde.

Die ÖVP hingegen beschränkt sich in ihrer ersten Plakatwelle darauf, typisch österreichische Landschaftsbilder zu zeigen, die mit Aussagen darüber verbunden werden, wem dieses Land gehört. Da gibt es den „Entdecker“, der in einen See springt (und laut ÖVP-Erklärung für „Wissenschaft, Forschung und Technologie“ stehen soll), den „Optimisten“ im Heißluftballon („Reformen“), einen „Tatkräftigen“ im Traktor („Aufstiegschancen“) sowie zwei „Weltoffene“ beim Wandern („Europapartei/Exportnation“). Diese Österreicheigentümer werden auf den ÖVP-Sujets allerdings eher in Bilddetails versteckt oder sind gänzlich unsichtbar, denn die Hauptrolle auf den Plakaten gehört nicht den Menschen, sondern der Landschaft.

Tourismus-Plakate? In den Medien wurde schon mehrfach kommentiert, dass eine solche Werbelinie auch von unserer nationalen Tourismusorganisation, der Österreich Werbung, stammen könnte. Ich halte das allerdings für einen äußerst unfairen Vorwurf – gegenüber der Österreich Werbung. Denn die beschränkt sich schon längst nicht mehr darauf, bloß die touristische „Hardware“ Österreichs zu plakatieren, also die Berge und Seen (für Outdoor-Touristen) sowie die Sehenswürdigkeiten und Kulturangebote (für Städtetouristen). In ihrer Markenführungsstrategie und den darauf aufbauenden Kampagnen rückt sie vielmehr die Emotionen des Gasts in den Mittelpunkt, was sich im Fokus auf das „Ankommen“ und „Aufleben“ der Österreichreisenden ausdrückt. Womit wir bei der Frage wären, warum die ÖVP solche Bilder plakatiert. Die Erklärung dafür könnte vergleichsweise einfach sein: Regelmäßig vor dem 26. Oktober veröffentlichen heimische Meinungsforschungsinstitute medientaugliche Umfragen zum hiesigen Nationalgefühl. Darin wird auch traditionell die Frage gestellt, worauf „die ÖsterreicherInnen besonders stolz sein können“ – und kontinuierlich belegt die

Wohl um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, in ihrer Kampagne damit etwas zu „ländlich“ zu wirken (immerhin

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„landschaftliche Schönheit“ dabei den Spitzenplatz (in den vergangenen beiden Jahren sahen das z. B. 85 % von 400 Befragten so). „ Der Standard“ brachte im vergangenen Herbst einen Beitrag dazu, in dem dieses Selbstbild präzise auf den Punkt gebracht wurde: „Es sind die touristischen Klischees, die Identität vermitteln.“ Im Vergleich: Laut dieser Umfrage war 2012 nur ein Prozent der Österreicher stolz auf das internationale Ansehen unserer Politiker. Das dürfte der ÖVP wohl die Entscheidung erleichtert haben, was sie auf ihren Plakaten zeigen soll.

Gefühlvolle Berge Könnten die ÖVP-Sujets singen, würden sie zweifelsohne „I am from Austria“ dudeln. Wenn man hier eine werbliche Strategie unterstellen möchte, dann noch am ehesten unter Bemühung des Country-of-OriginEffekts, der besagt, dass Marken „durch den Transfer von positiven Imagekomponenten eines Landes auf die eigene Marke“ profitieren können. (Das Problem dabei ist, dass so etwas außerhalb der eigenen Landesgrenzen, wo ein Land viel stereotyper und klischeebehafteter betrachtet wird als im Inland, im Regelfall besser funktioniert als im Ursprungsland.) Es ist offensichtlich, dass die ÖVP durch die hübschen Landschaftsbilder in Verbindung mit positiv besetzten Schlagworten nicht darauf aus ist, eine Botschaft zu setzen,

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sondern ein Gefühl vermitteln will. Hier soll Optimismus ausgestrahlt werden (insbesondere der Optimismus, Erster werden zu können), hier sollen Entdeckungslust und Tatkraft mit der ÖVP verbunden werden (so taufrisch, wie es nach 26 Jahren Regierungsbeteiligung eben geht) und hier soll Weltoffenheit signalisiert werden (die u. a. zur Abgrenzung von der Ausländerfeindlichkeit der FPÖ und vom Anti-EU-Kurs Stronachs dient). Das Vermitteln dieser Emotionen gelingt allerdings nur begrenzt, weil Berge und Seen zwar hübsch anzusehen sind, aber im Gegensatz zu Menschen kaum Gefühle transportieren. Und wie das alles mit dem Versuch zusammenpasst, sich als angriffige Herausforderer der Kanzlerpartei zu etablieren (Stichwort: „abgesandelt“), darüber kann man bei der Betrachtung dieser Sujets nur rätseln. Das von der ÖVP nach ihrem guten Start ins Wahljahr ausgerufene, aber sich in den Umfragen nicht so recht abzeichnen wollende „Kanzlerduell“ unterstützt die erste Plakatwelle nur insofern, als sie uns sagen will, dass Österreich der ÖVP gehört – schließlich ist davon auszugehen, dass sie sich als würdige Repräsentantin der plakatierten „Tatkräftigen“, „Optimisten“ etc. in der österreichischen Innenpolitik sieht. Irgendwie auch verständlich, dass sie diese Ansage nicht im Klartext formulieren will. Fazit: Als Sommerplakate mit ausreichendem Abstand zur Wahl hätten diese „feelgood“-Motive vielleicht eine gewisse Wirkung entfaltet, doch in der aktuellen Wahlkampfphase hat die ÖVP damit zwei Chancen vertan: Weder tragen diese Plakate dazu bei, ihrem Spitzenkandidaten ein Profil zu verpassen, das zum kommunizierten Anspruch auf die Kanzlerschaft passt, noch gelingt es ihr damit, Themen zu setzen, mit denen sie die politische Debatte entscheidend beeinflussen kann. Ihre nächste Welle muss deutlich besser sein, wenn das „Jahr der ÖVP“ nicht schon am 29. September enden soll.


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Oh, Du mein Österreich 25. August 2013

Exklusiv für neuwal.com ist Stefan Bachleitner der Frage nachgegangen, was uns die ÖVP mit ihrer ersten Plakatwelle sagen will. http://neuwal.com/index.php/2013/08/25/oh-du-mein-osterreich/

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Bitte gib mir nur ein Wort

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Politik. Macht. Bilder. SPÖ

Hinten sicher stehen, die Räume eng machen, in kritischen Phasen Tempo aus dem Spiel nehmen – Hauptsache keine Tore kassieren und auf die Abspielfehler des Gegners warten, um dann rasch in die Offensive umzuschalten: Im Fußball würde man die Wahlkampfstrategie der SPÖ wahrscheinlich „Catenaccio“ nennen – ein erprobtes, zwar nicht mehr ganz so zeitgemäßes, aber durchaus effektives Spielsystem (das wohl nicht rein zufällig von einem Österreicher entwickelt wurde).

angeschlagenen SPÖ-Mannschaft gebracht. Im Gegensatz zur ÖVP, die durch hausgemachte Schnitzer (Bienen, Jugendstrafvollzug, abgesandelte Studien etc.) ihr Momentum verloren hat, zeichnet sich die SPÖ seit einigen Monaten durch Fehlervermeidung aus – fehlende Offensive inklusive. Die Beschränkung des Intensivwahlkampfs auf den September (die Urlaubsmonate sind ein lähmendes Gift für jede Kampagne) sowie die Wahlkampfkostenbegrenzung kommen dieser Taktik der „ruhigen Hand“ entgegen.

Es liegt an der Logik der Führungsposition, dass die SPÖ ihren Wahlkampf – trotz des kämpferisch wirkenden Plakatauftritts – eher defensiv anlegt bzw. anlegen kann. Wer vorne ist, hat kein Interesse an einem langen, harten Wahlkampf. Wer Kanzler ist und bleiben möchte, muss danach trachten jeden Schlagabtausch zu vermeiden, der einen Mitbewerber zum (gar chancenträchtigen) „Herausforderer“ aufwerten könnte. Konflikte werden nur dort eingegangen, wo sie die eigenen WählerInnen mobilisieren (Stichwort „12Stunden-Tag“) und vielleicht den angenehmen Zusatznutzen haben, der Opposition die Show zu stehlen. Doch ansonsten geht es darum, den Ball flach zu halten – denn im Match gegen die ÖVP reicht der SPÖ ein Unentschieden um an der Tabellenspitze zu bleiben.

Agenda Setting mit Takahashi-Plakaten Die minimalistische Plakatkampagne der SPÖ ist ein sichtbarer Ausdruck dieser Grundlinie. Das beste Beispiel dafür sind die Ein-Wort-Plakate der ersten Welle, auf denen nur „Arbeit“, „Bildung“ oder „Pensionen“ zu lesen war. Ein Wort in weißer Schrift auf rotem Grund, daneben klein das SPÖ-Logo, sonst nichts – keine Forderung, keine zusätzliche Botschaft. Diese an der Takahashi-Methode angelehnten Sujets lassen so viel offen, dass sie nur wenig Angriffs- aber viel Projektionsfläche bieten. Das ist cleverer als es auf den ersten Blick wirkt. Denn statt vollmundig Wahlkampfversprechen abzugeben, die angesichts des krisenbedingten Unmuts vieler WählerInnen rasch als unglaubwürdig

Deshalb steht das „Team Kanzler“ tief in der eigenen Hälfte, was für die meisten Zuschauer zwar etwas langweilig sein mag, doch Catenaccio ist nun mal nicht erlebnissondern ergebnisorientiert. Statt mit überraschenden Offensivkombinationen Risiken einzugehen, hat Wahlkampfleiter Norbert Darabos wieder Ruhe und Ordnung ins Spiel der im Frühjahr einigermaßen

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abgestempelt worden wären, hat sich die SPÖ mit diesen Sujets darauf konzentriert, Themen ins Spiel zu bringen. Diese Methode nennt man Agenda Setting. Die Idee dahinter: Wenn man nicht beeinflussen kann, was die WählerInnen zu einzelnen Themen denken, muss man sich darauf konzentrieren, zu beeinflussen, worüber sie sich Gedanken machen. Und wenn das rote Kernthemen wie „Arbeit“, „Bildung“ und „Pensionen“ sind, dann ist das weitaus besser für die SPÖ als wenn es z. B. um Themen wie „Staatsschulden“, „Integration“ oder „Umweltschutz“ geht. (Das ist natürlich relativ inhaltsbefreit, aber Begriffe wie „Optimismus“ zu plakatieren ist eigentlich noch unpolitischer.) In ihrer zweiten Plakatwelle setzt die SPÖ nun auf zwei Worte: „Gegen Lohnkürzungen“, „Gegen Pensionskürzungen“ und „Gegen Schwarz-Blau“ sind die (abwehr)kämpferischen Losungen, über die sich die WählerInnen, wenn es nach der SPÖ geht, in den nächsten vier Wochen Gedanken machen sollen. Auch hier gilt: Diese Bedrohungsszenarien eignen sich mit Sicherheit besser als irgendwelche Wahlversprechen, um SPÖ-affine WählerInnen zu emotionalisieren und an die Wahlurnen zu bringen.

Corporate Design meets Arbeiterpartei Die Optik der Plakate zielt voll darauf ab, diesen WählerInnen die SPÖ als „Partei der Arbeit“ zu präsentieren (eine

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Selbstbeschreibung, die sie übrigens heuer bereits rund um den symbolträchtigen 1. Mai plakatiert hat). Mit dem roten, fahnenartigen Hintergrund nutzt die SPÖ das älteste Symbol der Arbeiterbewegung und verweist damit auf ihre historische Tradition (und einstige Stärke). Auch so kann man eine Defensive zur kämpferischen Haltung und Nostalgie zum Zukunftsversprechen stilisieren. Selbst die auf ihren Plakaten verwendete Schrift passt zu dieser Retromantik, stammt sie doch aus den 20er- und 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Was der SPÖ bei dieser Linie zugute kommt: Die Signalfarbe Rot kommt nicht nur bei den KernwählerInnen (die sich selbst gerne als “Rote” bezeichnen) gut an, sondern ist aufgrund ihrer Leuchtkraft und Auffälligkeit eine hervorragende Plakatfarbe. Es gibt schließlich einen Grund, warum die wichtigsten Hinweisschilder im Straßenverkehr damit arbeiten: weil sie dadurch weniger leicht übersehen werden. Auf dieses Erscheinungsbild setzte Faymann bereits bei der Nationalratswahl 2008 und die konsequente Beibehaltung dieser Gestaltungslinie ist in diesem Wahlkampf ein nicht unwesentlicher Vorteil. Denn bei den SPÖ-Plakaten erkennt man (wieder im Gegensatz zu den ÖVP-Sujets) die Absenderin bereits, bevor man das Logo identifiziert oder den Text gelesen hat – auch wenn der Spitzenkandidat nicht darauf zu sehen ist. Neben der SPÖ schaffen das in diesem Wahljahr nur die Grünen und – bereits mit einigen Abstrichen – die FPÖ. Dabei ist das handwerklich eines der wichtigsten Prinzipien der Kommunikation: Ohne „Corporate Design“ kein einheitliches Erscheinungsbild, ohne einheitlichen Auftritt kein stabiles Bild in der Öffentlichkeit und ohne stabiles Bild weniger Vertrauenswürdigkeit – so einfach ist das. Zwar führt die hohe Wiedererkennbarkeit dazu, dass Kampagnen leichter persifliert werden können, doch aus kommunikationstechnischer Sicht sind


Politik. Macht. Bilder. SPÖ

solche Persiflagen der beste Beweis dafür, dass sich das optische Erscheinungsbild etabliert hat. Die unsichtbare Hand Womit wir beim letzten Element der SPÖPlakate wären – den Faymannsujets. In jeder der beiden Wellen bilden drei Wort-Sujets (in der Regel im 16-Bogen-Format) das Spielbein der Kampagne, während ein Faymann-Motiv (in der Regel im größeren 24-Bogen-Format) deren visuelles Standbein ist. Der zentrale Claim dabei lautet „Mit sicherer Hand für Österreich“.

unterstrichen dabei Faymanns Rolle als Bundeskanzler. In der ersten Plakatwelle, die ihn in kämpferischer Rednerpose und mit entsprechenden Ansagen zeigt, wird Faymann hingegen stärker als Parteiführer in Szene gesetzt, wie hier bereits in der Analyse von Petra Bernhardt und Andreas Pribersky festgestellt wurde. In der zweiten Welle werden nun das kanzlerhaftere Bildmotiv und der staatstragende Claim („für Österreich“) mit dem parteitypischen roten Hintergrund kombiniert – und die verschiedenen Rollen Faymanns damit in einem Motiv gebündelt. Das ist alles nicht sonderlich überraschend oder innovativ, aber wenigsten handwerklich eine saubere Arbeit. Einzig der Umstand, dass man auf einem Plakat mit dem Slogan „Mit sicherer Hand für Österreich“ keine Hand sieht, irritiert dabei ein wenig, denn der Glaube an die unsichtbare Hand gehört eigentlich nicht zu den politischen Prinzipien der Sozialdemokratie.

Eingeführt wurde das Motiv der „sicheren Hand“ mit dem einzigen Sujet der diesjährigen SPÖ-Kampagne, das aufgrund seines blaugrauen Hintergrunds aus der Reihe tanzte. Das Eröffnungsplakat mit dem Slogan “Stürmische Zeiten. Sichere Hand.” sollte wohl weniger rote KernwählerInnen mobilisieren, sondern Faymann als Staatenlenker positionieren, der die Geschicke des Landes im Griff hat. Die Farbe, der Text und der staatstragende Auftritt mit rot-weiß-roter Krawatte

Eine klassische Text-Bild-Schere. Doch die Kanzlerhand dürfte wohl dem konsequenten Minimalismus dieser Sujets zum Opfer gefallen sein, die in selbstbewusster Manier sogar darauf verzichten, den Namen des Abgebildeten auf die Plakate zu schreiben. Beides wird wohl den meisten BetrachterInnen nicht auffallen – was der beste Beweis dafür ist, dass die Crew der betreuenden Werbeagentur Demner, Merlicek & Bergmann etwas von ihrem Geschäft versteht.

Bitte gib mir nur ein Wort 1. September 2013

Diesmal widmet sich Stefan Bachleitner den Kampagnensujets der SPÖ. Exklusiv für neuwal.com analysiert er, wie Ein-Wort-Plakate wirken sollen. http://neuwal.com/index.php/2013/09/01/bitte-gib-mir-nur-ein-wort/

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Politik. Macht. Bilder. Dramaturgie

Die perfekte Welle

Seit ich vor sieben Wochen begonnen habe, die Wahlplakate der (im Parlament vertretenen) Parteien zu analysieren, haben diese ein paar neue Sujets präsentiert, so dass es mir sinnvoll erscheint, diesmal ein parteiübergreifendes Update vorzunehmen. Dabei möchte ich mich vor allem mit der Frage befassen, welche Strategien hinter dem Auswechseln der Motive stehen könnten. Die Dramaturgie der Plakatwellen kann nämlich so einiges über das WahlkampfDrehbuch einer Partei verraten. Das Begriffe wie „Drehbuch“ oder „Dramaturgie“ dabei eine gewisse Rolle spielen, ist kein Zufall, denn so wie ein Film oder ein Theaterstück können auch Kampagnen als (mehr oder minder spannende) Erzählungen betrachtet werden, die einem gewissen Aufbau folgen.

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Eine Grundregel dabei lautet, dass der Höhepunkt einer Kampagne möglichst nah am Zeitpunkt der Stimmabgabe liegen muss – schließlich dienen sie ja der maximalen Mobilisierung von WählerInnen. Eine Kampagne, die zu stark anfängt und ihre Wirkung dann nicht mehr steigern kann, ist vergleichbar mit einem Marathonläufer, der sich die Strecke schlecht eingeteilt hat und dem nach einem guten Start auf den letzten Kilometern die Puste ausgeht. Aus diesem Grund muss jede Wahlkampagne danach trachten, sich schrittweise zu steigern. Zu gängigen Mitteln der Inszenierung zählen dabei z. B. eine Intensivierung des Werbedrucks (mehr Präsenz), eine gesteigerte Frequenz der Sujetwechsel (mehr Tempo), eine zunehmende Fokussierung auf den/die SpitzenkandidatIn (mehr Personalisierung), eine Verlagerung von


Politik. Macht. Bilder. Dramaturgie

brancheneinheitlichen HalbmonatsRhythmus, d. h. gewechselt wird am Beginn und in der Mitte eines Monats. Konkret bedeutet das z. B., dass es in der verbleibenden Zeit bis zur Wahl nur mehr eine einzige Möglichkeit gibt, ein neues Plakatsujet zu bringen – rund um den 16. September (in der Praxis kann die Auswechslung ein paar Tage dauern und erfolgt somit zwischen dem 14. und dem 18. September). Bei den City Lights ist die Flexibilität etwas höher, da diese wöchentlich getauscht werden, vielen Großflächen lassen sich hingegen nur monatsweise buchen. Anders gesagt: Auch wenn wir erst in die Schlusskurve des Wahlkampfs einbiegen, für die PlakatmacherInnen ist er bereits vorüber, denn aufgrund der Vorlaufzeiten müssen die letztmöglichen Sujets bereits in der Produktion sein. Womit der Zeitpunkt für einen kurzen Überblick über die Weiterentwicklung der verschiedenen Plakatkampagnen gekommen ist:

rationalen Argumenten hin zu gefühlsbetonten Botschaften (mehr Emotion), die stärkere Betonung der Wahlaufforderung (mehr Appell) oder eine Zuspitzung der werblichen Botschaft (mehr Prägnanz). Die verschiedenen Plakatwellen haben die Funktion, diese dramaturgische Steigerung sichtbar zu machen. In diesem Sinn darf keine Plakatwelle „schwächer“ als die vorangegangene sein, wenn sie ihre Wirkung nicht verfehlen soll. Und aus diesem Grund gehört der Aufbau einer Kampagne, deren Gliederung in Phasen, Wellen oder – um in der Bühnensprache zu bleiben – verschiedene Akte zu den zentralen (werbe-)strategischen Entscheidungen jeder Wahlkampfregie. Ein Sujetwechsel will dabei gut überlegt sein, den zum einen braucht jedes Plakat eine gewisse Zeit, bis es seine volle Werbewirkung entfalten kann und zum anderen sind Produktion, Distribution und Montage in der Außenwerbung ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor. Nicht zuletzt wegen dieses Aufwands ist Plakatwerbung mit einer gewissen Vorlaufzeit verbunden, was dazu führt, dass zahlreiche Entscheidungen im Zusammenhang mit einem Sujet lange bevor es affichiert wird getroffen werden müssen.

Team Stronach Sehr konsequent, aber ein wenig einfallslos präsentiert sich dabei bislang das Team Stronach. Die (hier abrufbare) zweite Plakatwelle unterscheidet so gut wie nicht von der ersten, mit der vergleichsweise früh auf eine totale Personalisierung gesetzt wurde. Die dramaturgische Steigerung beschränkt sich mehr oder minder auf die zusätzliche Aufforderung „Jetzt!“, die sich als aktivierender Appell mit nur fünf Buchstaben in zahlreichen Wahl-

Der Grundtakt der Plakatkampagnen wird dabei von der Werbewirtschaft vorgegeben, denn in Österreich erfolgen die Buchungen in einem

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Politik. Macht. Bilder. Dramaturgie

kampagnen einer hohen Beliebtheit erfreut. War das schon alles? Ich glaube nicht. Vorgestern habe ich zufälligerweise ein Rolling Board mit einem neuen Motiv gesehen (leider ist es auf der Webseite des Team Stronach noch nicht zu finden), bei dem es sich um die dritte und abschließende Welle handeln könnte. Dabei wurde ein Bild eingesetzt, das eher an die Schlussszene des sehr aufwändig gestalteten Stronach-Kampagnenspots angelehnt war und mit der knappen Zuspitzung „Jetzt! Frank“ versehen wurde. Im Vergleich zu den vorigen Plakaten wurde dabei ein weniger distanzierter Bildausschnitt gewählt, womit Stronachs Gesicht – wie bei einem Zoom – in der letzten Welle deutlich größer und damit auch im Stadtbild dominanter werden würde.

Dieser zurückgehaltene Auftritt der Hauptfigur ist ein dramaturgischer Trick, der zwar etwas zu Lasten der persönlichen Präsenz geht, aber den Vorteil hat, den/die SpitzenkandidatIn in Zeiten hoher Unzufriedenheit mit dem politischen Personal anfangs aus der Schusslinie zu nehmen. Gleichzeitig wird damit die Möglichkeit geboten, die Personalisierung im Kampagnenverlauf kontinuierlich zu steigern – es würde mich daher nicht wundern, wenn diese personelle Zuspitzung sowohl bei den Grünen als auch bei der ÖVP in einer dritten Welle verstärkt wird. Die Grünen

BZÖ Das BZÖ hat die optische Grundlinie ihrer Sommerplakate auch in ihrer (hier abrufbaren) zweiten Welle beibehalten, auffällig ist allerdings der Wechsel zu einem etwas säuerlich-angefressen wirkenden Gesicht des Spitzenkandidaten. Immerhin lässt sich damit eine gewisse emotionale Verbindung zu bestimmten WählerInnengruppen aufbauen: Schließlich sind akute Zukunftsängste etwas, was das BZÖ mit vielen WählerInnen gemeinsam haben dürfte. Team Stronach, BZÖ, SPÖ und die Grünen Die Orangen und das Team Stronach zählen neben der FPÖ und der SPÖ zu jenen Parteien, die ihre Spitzenkandidaten bereits in der ersten Plakatwelle präsentiert haben. Die ÖVP und die Grünen haben sich hingegen dafür entschieden, ihre/n Spitzen-kandidatIn erst in der zweiten Welle vorzustellen.

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Zu den eher interessanten Plakatmotiven dieses Wahlkampfs zählen die Aufnahmen, für die sich die Grünen in ihrer (hier zu sehenden) zweiten Plakatwelle entschieden haben. Auf den Sujets steht Glawischnig nicht gerade im Mittelpunkt des Geschehens, sondern wird beim lockeren Kontakt mit anderen Menschen – großteils Kindern – gezeigt. Solche Bilder „auf Augenhöhe“ erzählen kleine Geschichten und sollen eine authentische, menschliche Seite von KandidatInnen zeigen. Die Motive der Grünen entsprechen damit noch am ehesten jener zeitgemäßen Bildsprache, die von der aktuellen Agentur der ÖVP in ihrem letzten Wahlkampf für den Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit verwendet wurde. Umso seltsamer ist, dass es bei Spindelegger nur für Kampagnenbilder gereicht hat, die zwar durchaus sympathisch sind, aber dennoch gestellt wirken (dazu unten mehr). FPÖ Die FPÖ konnte sich mit dem eigenwilligen „Nächstenliebe“-Leitmotiv ihrer ersten Welle zwar eine gewisse Aufmerksamkeit sichern, hat damit aber

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auch – wie bereits erläutert – einen kommunikativen Spagat hingelegt, der bei einigen Kernwähler Irritationen ausgelöst haben könnte. In ihrer zweiten Welle setzt sie nun wieder auf Altbewährtes und arbeitet mit mehr oder minder markig-holprigen Reimen. Kombiniert wird das mit einem möglichst groß abgebildeten Konterfei ihres Spitzen-kandidaten, der uns diesmal direkt anlächelt. Nach dem Ergebnis monatelanger Vorbereitungen sieht das nicht aus, man könnte sogar fast den Eindruck haben, die FPÖ hat diesen Wahlkampf bereits abgehakt und begnügt sich damit, ihrem größten Konkurrenten Frank Stronach noch möglichst viele Redegelegenheiten zu wünschen, da diese ihm mehr Stimmen kosten als die Plakatkampagne der FPÖ. ÖVP Im Gegensatz zu den SPÖ-Plakaten, wo das Wort K-Wort gar nicht vorkommt, präsentiert die ÖVP in ihrer zweiten Welle einen lächelnden Spindelegger als „Kanzler“ für die Entdecker, Optimisten, Tatkräftigen und Weltoffenen, denen laut der ersten Plakatserie Österreich gehört. Hier wird der Vizekanzler im Kontakt mit einer „weltoffenen“ (?) Pensionistin, einem „tatkräftigen“ Arbeiter, (hoffentlich) „optimistischen“ Jugendlichen und „entdeckungsfreudigen“ Kindern gezeigt. Die Grundüberlegungen dahinter dürften nicht so viel anders wie bei den aktuellen Sujets der Grünen gewesen

sein, doch die Schwäche hinter den ÖVPSujets offenbart sich im direkten Vergleich: Im Gegensatz zu den Glawischnig-Bildern lässt Spindelegger die auf seinen Plakaten abgebildeten Menschen zu Statisten werden, indem er just im Moment der Bildaufnahme keinen (Blick-)Kontakt mit ihnen hat und seine Augen in fast allen Sujets auf uns Betrachter/innen richtet. Das soll zwar dazu beitragen, uns in die jeweilige Szene zu holen, verringert aber die emotionale Kraft der Sujets. SPÖ Über die Mechanik der Faymann-Sujets habe ich schon in der vergangenen Woche geschrieben, darum möchte ich mir hier nur auf das Wesentliche beschränken: Die SPÖ setzt in ihrer zweiten Welle vor allem auf die Warnung vor „Schwarz-Blau“, „Pensionkürzungen“ und „Lohnkürzungen“ – allesamt Bedrohungsbilder, die zur Emotionialisierung und damit auch zur Mobilisierung SPÖ-affiner WählerInnen beitragen dürften. Die Darstellung des Kanzlers wird hingegen als stabiler Anker der Kampagne nicht verändert. Faymann wird also nicht nur mit „sicherer Hand“ plakatiert, sondern gibt auch visuell den „ruhenden Pol“ der SPÖ-Kampagne ab. Nicht sonderlich innovativ, aber aus kampagnentechnischer Sicht eine saubere Lösung.

Die perfekte Welle 8. September 2013

Exklusiv für neuwal.com widmet sich Kampagnenexperte Stefan Bachleitner diesmal den „dramaturgischen“ Strategien hinter den verschiedenen Plakatwellen der Parteien. http://neuwal.com/index.php/2013/09/08/die-perfekte-welle/

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Politik. Macht. Bilder. NEOS, Piraten und KPÖ

Außerdem. Über NEOS, Piraten und die KPÖ

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Politik. Macht. Bilder. NEOS, Piraten und KPÖ

In den letzten Wochen habe ich mich ausschließlich den Plakatkampagnen der im Parlament vertreten Parteien gewidmet. Zahlreichen UserInnenwünschen entsprechend möchte ich mich daher diesmal jenen drei Parteien zuwenden, die nicht zu dieser exklusiven Runde zählen, aber es dennoch geschafft haben, bei der bevorstehenden Nationalratswahl bundesweit anzutreten – den NEOS, der Piratenpartei und der KPÖ.

Vom Logo (mit der für Dialog stehenden Sprechblase, die von der jungen Partei bei jeder Gelegenheit eingesetzt wird) bis zum Zapfenstreich verpassen die NEOS keine Gelegenheit, neue Duftmarken in der politischen Kommunikation zu setzen. Sogar die Schrift ist bei ihnen neu – sie verwenden die 2012 entwickelte „Pluto Sans“.

NEOS Beginnen möchte ich dabei mit den NEOS (kurz für: „Das neue Österreich“), die in einem Wahlbündnis mit dem Liberalen Forum antreten und deren Wahlchancen ich bereits im April ausführlicher analysiert habe. Die Newcomerpartei hat inzwischen bewiesen, dass sie ihr Handwerk versteht. Neu, frisch, anders – das drücken die NEOS nicht nur mit ihrem Namen, sondern auch in ihrer Kampagne aus, der sie eine unverwechselbare Gestaltungslinie verpasst haben. Die Farbwahl mag zwar etwas gewöhnungsbedürftig sein, ist aber durchaus schlüssig, denn von allen im Parteienspektrum noch nicht besetzten Farben ist Pink die mit Abstand auffälligste. Sie ist die laute Schwester des harmlosen Rosa und steht spätestens seit 1931, als die italienische Modeschöpferin Elsa Schiaparelli mit ihrem Markenzeichen „Shocking Pink“ zu arbeiten begann, für schrille, starke Auftritte – man denke nur an die gleichnamige Sängerin.

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Auf ihrer ersten Plakatwelle hielten die beiden SpitzenkandidatInnen Matthias Strolz und Angelika Mlinar zwei Pappfiguren von Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger unter dem Arm (hier übrigens ein Video, das einen kurzen Einblick in das PlakatFotoshooting bietet). Die PolitikwissenschaftlerInnen Petra Bernhardt und Andreas Pribersky haben die bildpolitische Strategie hinter diesem Motiv in ihrem dieswöchigen Beitrag auf neuwal.com bereits so präzise auf den Punkt gebracht, dass ich ihren Ausführungen nicht hinzufügen kann: 37


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Allein durch die breite Streuung der Plakate dürften die Portraits der Spitzenkandidaten von SPÖ und ÖVP damit etwa jenem mit vergleichbaren Stilmitteln gestalteten Portrait des BZÖSpitzenkandidaten Josef Bucher einiges von seiner Wahrnehmbarkeit entziehen. Der in einem Plakat und Spot der NEOS daraus gezogene Schluss, dass diese beiden den öffentlichen Raum und die Berichterstattung beherrschenden Figuren erst einmal aus dem Blickfeld gebracht werden müssten, um Platz für politische Alternativen zu schaffen, hat deshalb einiges für sich. Auf dem Plakat der NEOS werden Werner Faymann und Michael Spindelegger deshalb auch als farblose Pappfiguren sprichwörtlich „hinausgetragen“.

Die NEOS wissen, dass es für eine Partei zu wenig ist für ihr Programm gelobt zu werden, sondern vielmehr darum geht, sich vom politischen Mitbewerb sichtbar zu unterscheiden. Umso konsequenter setzen sie auf Sujets mit entsprechenden Kernbotschaften. Ihr zentrales Leitmotiv ist dabei das „mutige Anpacken“ – das nicht vor den Spitzen der Republik zurückscheut. Die NEOS stilisieren sich so als ergebnisorientierte „UmsetzerInnen“, die ein Gegenangebot zum politischen „Stillstand“ im Land darstellen, wo ihrer Auffassung nach die

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Scheu vor heiklen Entscheidungen dominiert. Dabei geht es ihnen, wie sie insbesondere in ihrer zweiten Welle verstärkt betonen, um „die Jungen“ (was übrigens, sofern man Meinungsumfragen glauben möchte, bei älteren Generationen gar nicht schlecht ankommt). Ihre Forderungen nach einer Modernisierung des Bildungssystems oder „enkelfiten“ Pensionen passen genau in dieses Bild.

Sichtbar wird in ihren (bis zum Wahlaufruf handwerklich einwandfreien) Plakaten auch, dass das Netz in der Kommunikationsarbeit der NEOS eine große Rolle spielt. Auf den zentralen Sujets wird daher nicht nur auf ihre Webseite, sondern auch auf Facebook und Twitter hingewiesen. Und wie Olja Alvir aufmerksamerweise bemerkt hat, sind die NEOS die erste Partei, die ihre KandidatInnen mit Twitter-Handles plakatiert. Womit wir bei einem Thema angekommen wären, das sich als Überleitung zur nächsten Partei geradezu anbietet. Piraten ohne Internet Ganz im Gegensatz zu ihrem Ruf hat auch die Piratenpartei in diesem Wahlkampf eine überaus professionelle Plakatlinie präsentiert. Alle Elemente


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eines klassischen Corporate Designs sind dabei vorhanden: Eine gemeinsame Schrift (die 1997 entwickelte „Conduit“ passt optisch sehr gut zum Charakter der Piraten) (Korrektur: die Piraten verwenden die offensichtlich an die „Conduit“ angelehnte EigenbauHausschrift „Politics Head“), ein durchgängiges Farbsystem, das mit einem aufmerksamkeitsstarken Komplementärkontrast (Violett und Gelb) arbeitet, die einheitliche Verwendung sekundärer Stilelemente (in diesem Fall die leicht geneigten Balken mit weißen Rahmen, die den Text betonen) sowie eine einheitliche Tonalität. Die Piraten setzen dabei konsequent auf das „Du“-Wort und appellieren mit Sätzen wie „Informiere dich selbst“ auf die Eigenverantwortung ihrer WählerInnen, während Angst und Misstrauen („Auch du wirst überwacht“) die vorherrschenden Emotionen sind.

Thematisch setzen die Piratenplakate auf die netzpolitischen Kernthemen der jungen Partei. Da wird zum Schutz der Freiheit aufgerufen, Edward Snowden als „Held“ bezeichnet oder direkte Mitbestimmung „auch zwischen den Wahlen“ versprochen. Der Hang zu paradoxen Aussagen und Appellen wie z. B. „Vertraue keinem Plakat“ (auf einem Plakat) oder „Kannst dich wieder

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hinlegen“ sind ein weiteres Markenzeichen der Sujets. Hiermit soll zum Nachdenken angeregt werden, ohne Antworten vorzugeben.

Strategisch kann das als eine Form von Agenda Setting betrachtet werden, die auf die Schaffung von Problembewusstsein abzielt. Schließlich müssen die Piraten bei ihrer Positionierung weniger erklären, wofür sie stehen, sondern vielmehr dafür sorgen, die WählerInnen für jene Fragen zu sensibilisieren, mit denen sich ihre Partei befasst. Wo dieses Problembewusstsein nicht gegeben ist, kann das politische Angebot der Piratenpartei nicht verstanden werden. Generell fällt auf, dass die Piraten darauf bedacht sind, nicht anonym zu bleiben, sondern mit verschiedenen Sujets auf Personalisierung setzen – was bei einer Partei, die sich nach eigener Beschreibung „basisdemokratisch organisiert“ nicht gerade selbstverständlich ist. Das sieht zwar optisch ein wenig nach „klassischer Politik“ aus, hat sich aber in der politischen Kommunikation bewährt – weil „gesichtslose“ Parteien rasch kalt und unpersönlich wirken. Darüber hinaus können die Piraten so zeigen, dass sie ein junges Team haben (und sie


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dürften mit ihrem Teamplakat „Keine Zukunft ohne uns“ auch bewusst darauf geachtet haben, die Frauen in ihren Reihen sichtbar zu machen). Bemerkenswert an den Plakaten der Piraten ist allerdings, dass sie – im Gegensatz zu allen anderen Parteien – nicht auf das Internet verweisen: Keine URL, kein QR-Code, keine E-MailAdresse, nix mit Twitter oder Facebook. Vielleicht brauchen die Piraten das nicht, weil ihre Zielgruppe ohnehin gut genug mit Google umgehen kann, um sie im Netz zu finden. Interessant ist es aber dennoch, dass ihre Plakate keine Signale an die WählerInnen senden, über das Netz mit der Partei in Kontakt zu treten.

KPÖ im Retro-Look Womit wir bei der KPÖ angekommen wären. Die Kommunistische Partei Österreichs bestreitet ihren gesamten Wahlkampf mit nur drei Sujets, die gestalterisch mit einem gewissen RetroStil arbeiten. Als Font wurde die Condensed-Variante der um 1908 von Hermann Hoffmann für die H. Berthold AG entwickelten Reklameschrift „Block“ gewählt, die sich in den 1920er-Jahren großer Beliebtheit erfreute.

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Die Illustrationen sind in Schwarz-Weiß gehalten, etwas gerastert und wurden im Stil eines Zeitungsausschnitts oder einer Collage auf das Sujet gelegt, wie auch die Schatten unter den Ausschnitten andeuten sollen. In Verbindung mit den leicht nach links geneigten Slogans wirkt das fast so, als wären die Plakate in guter, alter Handarbeit – mit Hilfe von Schere und Klebstoff – entstanden. Auch inhaltlich erinnern die Sujets eher an die Schwerpunkte der Außerparlamentarischen Opposition in den 1960er-Jahren als an die Gegenwart. Die Weltkugel, auf der Afrika im Mittelpunkt und Europa am Rand abgebildet ist, steht für das Streben nach Entkolonialisierung und internationaler Solidarität. Das Megafon ist ein Symbol für Demonstrationen und Protestkultur. Einzig der Verweis auf die Bankenrettung stellt einen Bezug zur aktuellen Krise des kapitalistischen Systems dar. Die KPÖ möchte mit diesen Stilmitteln wohl eine gewisse Grundsatztreue signalisieren, die nicht danach trachtet, modern zu wirken, sondern sich gezielt von politischen Trends abgrenzt bzw. die Zeitlosigkeit der kommunistischen Ideologie unterstreichen möchte. So gesehen, ist die Plakatgestaltung der KPÖ also durchaus stimmig.


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Einzig die Wahl der Farben ist in meinen Augen nicht optimal. Um im Stadtbild nicht unterzugehen, setzt die KPÖ auf die beiden Signalfarben Gelb und Rot. Das ist zwar im Sinne der Auffälligkeit verständlich, sorgt aber dafür, dass die KPÖ ihre Botschaften im wahrsten Sinne des Wortes „entwertet“, da es sich dabei um die Optik von Billigangeboten handelt. In der Werbung wird die Farbkombination Gelb-Rot nämlich bevorzugt dort eingesetzt, wo es um Niedrigstpreise geht. (Es lässt sich trefflich darüber streiten, warum das so ist, aber letztlich sind WerberInnen wie auch KonsumentInnen darauf konditioniert, gelb-rote „Kauf mich“Botschaften mit Schnäppchendeals zu verbinden.) Weniger ist oft mehr: Statt sich an die Farbwelt der kapitalistischen Konsumgesellschaft anzulehnen, hätte sich die KPÖ besser auf zwei Farben – Gelb und Schwarz – beschränken sollen. Ihre Sujets wären damit nicht weniger auffällig, aber stilistisch konsequenter geblieben. Doch die GestalterInnen der KPÖ haben es wohl nicht über ihr Herz gebracht, auf die Farbe Rot zu verzichten.

Zum Anderen setzen sie mit der Botschaft „Arbeiter statt Milliardär“ ein klares Zielgruppensignal, das in diesem Fall sogar eine Differenzierung zu Frank Stronach ermöglicht, der bei ProtestwählerInnen – einer wichtigen WählerInnengruppe für die KPÖ – zu punkten versucht. Und last, but not least vergessen sie auch nicht auf den entscheidenden Handlungsappell an ihre WählerInnen, indem sie auf ihren Plakaten ein Wahlkreuz abbilden. Apropos Steiermark: Dort arbeiten auch die Piraten mit anderen Mitteln. Statt Plakaten stellen sie dort Pappfiguren von Menschen in Morphsuits auf, die Tafeln mit der Aufschrift „Menschen statt Plakate“ in Hände halten. Eine Aktion, die im Ansatz durchaus klug ist, weil sie versucht, aus einer Schwäche eine Stärke zu machen und dabei ein Differenzierungsmerkmal zu anderen

Andere Wege In der Steiermark setzt die KPÖ übrigens auf andere Sujets, wie ich dankens-

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werterweise von Benedikt Narodoslawsky erfahren habe. Die steirischen Kommunisten sind die mit Abstand erfolgreichste Landesorganisation der KPÖ und ihre Plakate – so schlicht sie auch wirken mögen – geben Hinweise darauf, woran das liegen könnte. Zum Einen arbeiten sie mit Personalisierung und geben der KPÖ damit sprichwörtlich „ein Gesicht“.

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Parteien aufbaut. Durch die konkrete Ausgestaltung wurde dieser Idee aber viel von ihrer potenziellen Wirkung genommen. Wer „Menschen statt Plakate“ schreibt, sollte auch Menschen zeigen – und nicht anonyme Gestalten. Das hätte weitaus sympathischer, weil persönlicher gewirkt und wäre nebenbei eine gute Gelegenheit gewesen, die Menschen hinter dem anonymen Gebilde “Piratenpartei” bekannter zu machen. Die Aufsteller machen zwar optisch etwas her, aber die Text-BildSchere schmälert den Effekt. Apropos Morphsuits: Die sind eine der wenigen Innovationen in diesem Wahlkampf und wurden neben den Piraten auch von den NEOS entdeckt.

Die Bilder – wie dieses hier vom Wahlkampfauftakt der NEOS – sprechen in punkto Auffälligkeit für sich. Die in knalliges Pink gehüllten Personen brauchen nur die gleichen Requisiten wie auf den Wahlplakaten der NEOS zu tragen (die oben erwähnten Pappfiguren von Werner Faymann und Michael Spindelegger), um deren Kernbotschaft in aufmerksamkeitsstarke Straßenaktionen wie diese hier zu übersetzen. Ein gelungenes Beispiel dafür, wie Kleinparteien sich mit begrenzten Mitteln wirksam in Szene setzen können – und das ist in deren Kampagnen doppelt wichtig.

Außerdem. 15. September 2013

Stefan Bachleitner analysiert exklusiv für neuwal.com die Plakatkampagnen der diesjährigen Nationalratswahl. Dabei geht es diesmal um jene Parteien, die (noch) nicht im Parlament vertreten sind, aber bundesweit antreten. http://neuwal.com/index.php/2013/09/15/auserdem-uber-neos-piraten-und-die-kpo/

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Politik. Macht. Bilder. Finale? FAQs!

Finale? FAQs!

Nachdem ich inzwischen die Plakatkampagnen aller bundesweit antretenden Parteien besprochen habe, bleibt eigentlich nicht mehr viel zu sagen. O.k., die SPÖ hat im Finish noch ein maximal staatstragendes Kanzlersujet vorgelegt (mehr rot-weißrote Österreich-Symbolik geht kaum) und die ÖVP versucht sich in der Schlussphase nochmals in KernwählerInnen-mobilisierung, aber plakattechnisch ist der Wahlkampf dennoch bereits gelaufen.

mir in den vergangenen Wochen häufiger gestellt wurden – die eine oder andere Antwort dazu findet man z. B. in diesem Artikel der Tiroler Tageszeitung (bei dieser Gelegenheit vielen Dank für die Fragen, Simon Tartarotti). Wer zusätzliche Fragen hat, soll diese bitte hier als Kommentar hinterlassen – ich antworte gerne. Auch über Gegenthesen zu meinen Ansichten freue ich mich, denn nur so kann ich etwas Neues über Plakate lernen.

Darum möchte ich die abschließende Folge meiner Serie dazu nutzen, eine Reihe von Fragen zu beantworten, die

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Viel Spaß jedenfalls „Plakat-FAQs“.

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mit

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Stimmt es, dass Plakate bloß der Motivation von FunktionärInnen dienen? Nein, aber sie haben einen großen Einfluss darauf. Plakate sind in Österreich einer der sichtbarsten Teile jeder Wahlkampagne. Ist eine Partei hier – aufgrund einer niedrigen Plakatdichte oder schwacher Sujets – wenig präsent, kann das deren WahlhelferInnen

Lassen sich mit Plakaten WählerInnen überzeugen? Nein, zumindest nicht direkt. Ein paar Worte auf einem Wahlplakate alleine haben meines Erachtens kaum einen Einfluss darauf, ob und welche Partei jemand wählt. In einer stimmigen Gesamtdramaturgie können sie aber Welche Funktion haben Wahlplakate dann? Die größte Stärke von Plakaten besteht darin, rasch viel Sichtbarkeit aufzubauen, was beim schnellen Aufbau von Bekanntheit und beim Agenda Setting helfen kann. Dabei ist der „Mere-Exposure-Effekt“ wichtig, dessen Grundregel lautet: je bekannter,

Warum spielen Plakate in Österreich eine große Rolle, aber z. B. bei US-Wahlen so gut wie keine? Österreich ist ein relativ kompaktes „Plakatland“ mit einer – im internationalen Vergleich – überdurchschnittlichen Plakatdichte. Die USA sind hingegen ein Flächenstaat, wo der Wahlkampf von den elektronischen Medien dominiert wird. Das ist einer der Gründe, warum das Internet bei USWahlen eine größere Rolle spielt. Noch wichtiger ist in US-Kampagnen aber die

Wie schädlich wäre es für eine Partei, auf Plakate zu verzichten? Auch der Plakatwahlkampf folgt der Logik des politischen Wettbewerbs. Sich durch Nicht-Präsenz positiv vom Rest der Parteien unterscheiden zu wollen, ist in etwa so, als würde man versuchen, auf einer Party positiv aufzufallen, indem man nicht hingeht – diese Strategie geht nur

Kann man in Österreich auf Plakate verzichten und trotzdem Wahlen gewinnen? Man kann, aber nur selten. Die SPÖ hat bei den diesjährigen Landtagswahlen in Kärnten gezeigt, dass es möglich ist, auch ohne Plakate eine Wahl zu gewinnen – doch die Situation in Kärnten war eine sehr besondere. Im öffentlichen Raum weniger sichtbar zu sein als die Mitbewerber ist in den meisten Wahlkämpfen ein Nachteil. Die SPÖ Kärnten hat dieses Manko u. a. durch viele Aktionen an Verkehrsknotenpunkten

Kann man mit guten Plakaten eine Wahl entscheiden? Eher nicht. Plakate sind für mich so etwas wie die „Kulisse“ für das „Theater“ des Wahlkampfs. Eine gute Bühne trägt viel dazu bei, die AkteurInnen richtig in Szene zu setzen – ohne ein ansprechendes Stück und adäquate ProtagonistInnen kann aber das beste Bühnenbild nicht wirken. Bei einer knappen Wahlentscheidung kann es aber natürlich bedeutsam werden, im

Warum gibt es eigentlich so viele DreieckStänder? Dreieckständer haben für die Parteien einen großen Vorteil: Sie müssen für diese Flächen nichts zahlen, sondern brauchen sich bloß um die Plakate, die Ständer, die Beklebung sowie das Auf- und Abbauen zu

Was zählt bei der Gestaltung von Plakaten? Wahlplakate müssen im „Vorbeifahren“ gelesen werden könnten, da gilt die Regel „weniger ist mehr“. Botschaft und Absender sollten jedenfalls rasch erfassbar sein. Wer mehr als fünf Wörter

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Wer entwirft die Wahlplakate und wer entscheidet, was eine Partei plakatiert? Die meisten Parteien heuern für die Entwicklung von Plakaten eine Werbeagentur an, aber einige (wie z. B. die FPÖ) sparen sich die Agenturhonorare und entwerfen ihre Sujets im eigenen Haus. Das entsprechende „Briefing“ – also die Vorgaben für die jeweilige Plakatkampagne – fallen in der Regel in den Aufgabenbereich der Kampagnenleitung. Die

Lassen sich mit Plakaten überhaupt politische Botschaften vermitteln? Schon, aber nur begrenzt. Mit Plakaten kann man eine Position auf den Punkt bringen, aber kaum erklären. Für die „vertiefenden“ Argumente eigenen sich z. B. Inserate und elektronische Medien besser. Darum halte ich es übrigens für Geldverschwendung, Plakatsujets als Vorlagen für größere Printinserate zu Können Parteien von schlechten Plakaten der Konkurrenz profitieren? Wer schlechte Plakate macht, wirft Geld beim Fenster hinaus und macht sich im schlimmsten Fall lächerlich – davon profitieren natürlich die MitbewerberInnen, zumindest indirekt. Am peinlichsten ist wohl, wenn eine Partei erst nach der Affichierung ihrer Plakate feststellt, dass ihr frischer Slogan bei der Wahl davor von einer anderen Partei verwendet wurde. Genau das ist der SPÖ in der Stadt Salzburg im

Warum sind auf den meisten Wahlplakaten PolitikerInnen zu sehen? „Köpfe“ zu zeigen ist meines Erachtens nicht zwingend erforderlich, aber angesichts der zunehmenden Personalisierung von Politik wollen die meisten Parteien natürlich die Bekanntheit und das Profil ihrer SpitzenkandidatInnen stärken. Nur wenn diese ausreichend profiliert sind, können sie in den Medien oder bei Wahlkampfauftritten ihre volle Wirkung

Apropos Sättigung: Nerven Wahlplakate die WählerInnen nicht? Zumindest nicht mehr als andere Formen politischer Werbung. Obwohl Plakate den öffentlichen Raum okkupieren, belegen verschiedene Studien, dass sich die meisten Menschen durch Plakate weniger gestört fühlen als z. B. durch TV- oder Radiowerbung. Die Erklärung dafür ist, dass bei „statuarischen Medien“ wie dem Plakat der/die RezipientIn entscheidet, ob und wie intensiv er/sie sich mit der Werbebotschaft auseinandersetzt. Oder, um es mit Loriot zu sagen: „Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort

Warum gibt es Plakatwellen? Aus zwei Gründen: Zum Einen haben Wahlplakate eine gewisse Wirkungskurve, denn bei entsprechend dichten Kampagnen haben die meisten Menschen das jeweilige Sujet nach etwa zwei bis drei Wochen ausreichend oft gesehen. Hängen Plakate zu lang, kann sich so eine kontraproduktive Sättigung einstellen. Schon alleine deshalb müssen Parteien bei einer mehrmonatigen Kampagne die Motive austauschen. Zum Anderen können die Parteien durch mehrere Plakatwellen eine gewisse Dramaturgie inszenieren, die Sind Plakate im Internet-Zeitalter nicht überholt? Österreichische Wahlkampagnen werden in ihrem Werbemix auch in absehbarer Zukunft Außenwerbung als fixen Bestandteil vorsehen. Vielleicht sind das eines Tages nicht mehr gedruckte Plakate, sondern digitale Flächen – aber es wird

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Was kosten Plakatkampagnen? Auf jeden Fall viel Geld. Die genauen Kosten hängen davon ab,

Wie wichtig ist das „Corporate Design“ für eine Partei? Sehr wichtig, weil der/die AbsenderIn durch das einheitliche Erscheinungsbild rascher erkannt wird – was bei Plakaten doppelt wichtig ist. Hinzu kommt, dass keine Partei ohne optisch konsistenten Auftritt ein stabiles und entsprechend vertrauenswürdiges Bild in der Öffentlichkeit erzeugen kann. Durch die hohe Wiedererkennbarkeit können Kampagnen zwar leichter persifliert werden, aber WahlkampfmanagerInnen können sich über dieses „Adbustering“ in der Regel freuen – weil damit belegt wird,

a) wie viele Plakatflächen man b) in welcher Größe c) für wie lange d) an welchen Standorten bucht – „gute“ Plakatflächen z. B. an Verkehrsknotenpunkten kosten mehr als andere – und e) wie oft man dabei das Sujet wechselt. (Wir sprechen hier nur von den kommerziellen Flächen für große Mehrbogenplakate und nicht von Dreieckständern, siehe dazu die nächste Frage.). Mit 2.000 ordentlichen Flächen ist man bundesweit ganz gut präsent, 4.000 Flächen sind für eine Partei in einem Nationalratswahlkampf aber keine Seltenheit. In einem „normalen“ Monat kann eine solche Präsenz schnell mal eine halbe Million Euro oder mehr kosten, selbst wenn man die Rabatte für Parteien einrechnet. In den Sommermonaten Juli

Finale? FAQs! 22. September 2013

Exklusiv für neuwal.com analysierte der Wahlkampfexperte Stefan Bachleitner in den vergangenen Wochen die Plakatkampagnen der diesjährigen Nationalratswahl. Sein letzter Beitrag beantwortet nun (hoffentlich fast) alles, was Sie schon immer über Wahlplakate wissen wollten. http://neuwal.com/index.php/2013/09/22/finale-faqs/

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