No. 02 – 2015
DIRK BUDACH und die Psychologie der Nacht JAMES UND DAVID ARDINAST CHRISTOPH STRENGER MARCUS TROJAN STEPHANIE THATENHORST AYHAN DURAK
FOR THOSE WHO MOVE THE NIGHT
IN HA LT
„ES GIBT KEINE SECRET PLACES MEHR“
MarcUS TROJAN, Berlin Seite 26
„WER ZU UNS KOMMT, DER WILL NICHT SCHLAFEN“
CHRISTOPh STRENGER, Hamburg Seite 10
DER ERFOLG DES ARENENPRINZIPS
STADTENTWICKLER DER ANDEREN ART
DIRK BUDACH, KOln
David und JAMES ARDINAST,, ,Frankfurt
Seite 34
Seite 4
„WER ES LEISE WILL, KANN ZU HAUSE ESSEN “
STEPHANIE THATENHORST, MUnchen Seite 18
11 FRAGEN AN…
Ayhan Durak, MUnchen Seite 43
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André Schmidt-Carré Guido Walter
Ngoc Le-Tümmers (Art Direktion) Heike Wagner Patrick Tümmers
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EDI TO RIAL liebe Shaker, liebe Mover, die zweite Ausgabe ist immer die schwierigste, sagt man unter Medien leuten. Das stimmt für uns aber nicht. Sie war leichter – weil unsere Auftaktzeitung schon für einigen Eindruck gesorgt hatte und unsere Interviewpartner uns bereits kannten. In diesem Sinne – hier sind sie, die Gastrounternehmer, deren Konzepte und Ideen uns dieses Mal begeistert haben. Wir starten unsere Reise diesmal zur Lunchzeit in Frankfurt: Shaker trifft die Brüder James und David Ardinast. Mit ihrem Fine-Dining-Restaurant Stanley Diamond haben sie die Gastroszene im Frankfurter Bahnhofsvier tel entscheidend verändert. Und nach einem Aperitif im Hamburger east mit dem Gastronomen Christoph Strenger, geht es weiter zum Dinner nach München: Stephanie Thatenhorst ist momentan die Powerfrau der dortigen Gastroszene. Gemeinsam mit ihrem Partner Florian Thatenhorst sorgt sie für reichlich Bewegung im oft etwas verschlafenen München. Uns hat sie verraten, wie das geht – und was sie künftig vorhat. Kleiner Tipp: Es hat mit Architektur zu tun. Nächste Etappe unserer Deutschlandreise: Berlin. Dort nimmt Marcus Trojan mit dem neu eröffneten House of Weekend gerade eine neue Ziel gruppe in den Blick. Und in Köln treffen wir den Clubbetreiber Dirk Budach, der seinen Fokus nun bald auch auf Ibiza richten wird. Sie sehen: Auch dieses Mal haben wir wieder mutige Unternehmer und ihre Projekte gefunden, die Standards setzen können und sollen. Vielleicht inspirieren diese Sie ja auch.
Ihr roter Bulle
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STADTENTWICKLER DER ANDEREN ART Porträt — André Schmidt-Carré Fotos — Oliver Mark
JAMES UND DA VID AR DINAST
Seit mehr als zehn Jahren krempeln die Brüder David (li.) und James (re.) Ardinast erfolgreich das Frankfurter Bahnhofsviertel um. Nicht zuletzt dank ihrer Restaurants, Clubs und Events kann man in dem Rotlichtviertel mittlerweile gediegen ausgehen.
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Zweideutiges Rotlicht
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Weiße Tischdecken mit akkurat gefalteten Ser vietten. Wände aus schwerem dunklem Mar mor. Der Kellner mit grauer Schürze wartet nur darauf, nach zwei getrunkenen Schlucken Mine ralwasser wieder nachzuschenken. Dazu klim pert dezent Jazzmusik aus den Boxen. Hinter der Bar lassen sich durch die rot getönte Pano ramascheibe die Köche bei der Arbeit erahnen. Der Blick wandert hinaus auf die Straße, die Front aus Glasschiebetüren ist komplett geöffnet. Ge wöhnlich blickt man aus solchem Ambiente auf irgendeinen Prachtboulevard oder zumindest auf einen artig gepflegten Kiesparkplatz. Ir gendwas mit malerisch-ländlicher Kulisse im Grünen eben. Hier aber nicht: Hier fällt der Blick auf Mehrfamilienhäuser, von deren ver blassten Jugendstil-Fassaden an vielen Stellen der Putz bröckelt. Das Restaurant Stanley Diamond liegt nämlich in der Ottostraße, am Ran de von Frankfurts berüchtigtem Bahnhofsviertel: „Viele haben uns gewarnt, hier ein FineDining-Restaurant aufzumachen“, sagt Inhaber James Ardinast. „Aber solche Gegensätze ma chen einen Laden doch gerade erst spannend.“ STILBRUCH ALS MARKENZEICHEN James Ardinast muss es wissen. Der 43-Jährige und sein vier Jahre jüngerer Bruder David sind seit mehr als zehn Jahren elementarer Teil des Wandels im Frankfurter Bahnhofsviertel. Vom Rotlichtbezirk hat sich die Gegend zum ange sagtesten Quartier der Stadt entwickelt. Ihr De büt im Bahnhofsviertel hatten die beiden mit ei 7
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nem gehobenen Burger-Laden. Dann kam das Lido: Der Club residierte in einem abrissreifen Haus und war als Gastspiel für einige Wochen gedacht, doch dann gastierten dort fast zwei Jahre lang internationale DJ-Größen. Bevor die Off-Location geschlossen wurde, zählte der La den zu den Top-Locations der Frankfurter Clubszene. Zwischenzeitig hatten die Brüder auch ein Plattenlabel und das preisgekrönte Modelabel Sopopular für junge Herren aufgemacht. „Beim Modelabel haben wir uns wieder rausge zogen“, sagt David Ardinast. „Das wurde ein fach zu viel.“ Stattdessen konzentrieren sich die Brüder auf die Gastronomie: Derzeit betreiben James und David drei Restaurants im Bahnhofsviertel, un ter dem Label IMA World machen sie zudem Catering und organisieren Events. Im vergan genen Jahr haben die beiden entschieden, sich aus dem Tagesgeschäft zurückzuziehen. „Man verliert sonst einfach den Überblick“, sagt Da vid. Er organisiert nun Arbeitsabläufe und Per sonalwesen, James konzentriert sich auf Neu geschäft und Marketing. „Controlling und Qualitätssicherung machen wir zusammen“, sagt James. „Und Änderungen an der Speise karte sind ebenfalls Chefsache.“ Ein eigens ein gestellter Food-and-Beverage-Manager schult die Mitarbeiter und handelt mit Lieferanten Rahmenverträge aus. Mit Red Bull arbeiten die Brüder schon seit vielen Jahren zusammen. „Die Kollegen sind hier in Frankfurt in der Sze ne gut vernetzt, wir kennen uns ewig“, sagt James. Bei Events wie dem Straßenfestival
100 Yards und der jährlichen Geburtstagsparty der IMA World ist Red Bull regelmäßig als Sponsor mit an Bord. Dass die Brüder sich aufs Bahnhofsviertel konzentrieren, hat einen wichtigen Effekt auf die Zielgruppe: „Durch die Wahl des Viertels selektieren wir unsere Gäste automatisch“, sagt David. „Zu uns kommen Leute, die eine gute Zeit haben wollen und denen gemeinsam ist, dass sie niemandem etwas beweisen müssen.“ Das gilt auch im neuen Stanley Diamond trotz gehobener Preisklasse: „Bei uns repräsentiert niemand. Am einen Tisch sitzt ein Bankenvor stand und daneben vielleicht ein Pärchen in T-Shirt und Turnschuhen“, sagt David. „Diese Mischung schafft Energie, und das macht das Stanley Diamond zu einem Ort, wo man sich gerne aufhält und abends auch mal stundenlang zusammensitzt.“ Das gastronomische Konzept: gehobene Kü che ohne Schnickschnack, aber eben perfekt zu bereitet. Molekulartrend und Fusion-Experi mente bleiben draußen, für Spannung und Kurzweil sorgen Ambiente und Publikum. James wirft einen Blick auf die Speisekarte und bestellt Zander auf Risotto mit Gürkchen. 13 Uhr, die richtige Zeit für einen gepflegten Lunch. Es ist noch ruhig im Stanley Diamond, wenige Tische sind besetzt. Den Mittagstisch gibt es erst seit ein paar Tagen, Werbung dafür haben die Brüder keine gemacht. „Wir machen unseren Job, der Rest kommt dann von ganz al lein“, sagt David. „Beim letzten Laden haben sie uns so schnell die Bude eingerannt, dass wir mit der Arbeit gar nicht hinterherkamen.“ ERFOLGSKONZEPT Der Erfolg ist kein Zufall. War er auch nie, aller dings hat sich die Herangehensweise der Brüder verändert. Sie entwickeln gastronomische Kon zepte heute anders: „Als wir vor 13 Jahren anfin gen, haben wir Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen“, sagt James Ardinast. So wie den Entschluss, aus der Werbebranche auszu steigen und gemeinsam ihren ersten Laden aufzumachen. James war zum Studieren nach Boston gegangen, sein Bruder hatte es in Lon don bis zum Head-Bartender der angesagten Brown’s Bar gebracht. Später waren beide wie der nach Deutschland zurückgekehrt und in der Werbebranche gelandet. „Irgendwann hatte ich dann keine Lust mehr, zehn Stunden am Tag für jemand anderen zu arbeiten, und habe David angerufen. Er war sofort dabei“, erinnert sich James. „Wir hatten immer vor, eines Tages un ser eigenes Ding zu machen.“ Ganz so spontan geht es heute nicht mehr zu. Dafür ist das Rad, das die beiden drehen, zu groß geworden. Die Brüder beschäftigen rund 60 Mitarbeiter, mit Aushilfen gerechnet stehen doppelt so viele Be schäftigte auf der Gehaltsliste. Am Konzept des Stanley Diamond haben die Brüder ein ganzes Jahr lang gefeilt. „Der Bauch ist immer noch wichtig, aber die Ratio ist deutlich häufiger da bei, das ist ein sich schrittweise abwechselnder Prozess“, sagt James. Einige Dinge haben sich nicht verändert: „Die Liebe zum Detail ist wichtig, wenn ein Laden richtig gut werden soll“, sagt James. Die Stühle im Stanley Diamond etwa sind gut gepolstert und gehen halb als Sessel durch. Das sieht nicht nur schick aus: Man kann auf ihnen gleicherma ßen gut essen und sich danach entspannt zu rücklehnen. Die Gäste sollen Sitzfleisch entwi
ckeln, auch weil die Geräuschkulisse dank der Tischdecken stimmt: „Wir haben es ohne aus probiert, aber das Scheppern von Tellern und Geschirr auf den nackten Tischen hat uns ein fach nicht gefallen.“ Und die rote Tönung der Panoramascheibe zur Küche hinter der Bar ver hindert, dass das grelle Licht abends die Stim mung stört. Weiteres Erfolgsrezept: „Du musst eine Geschichte zu erzählen haben“, sagt James Ardinast. Paradebeispiel dafür ist das vor drei Jahren eröffnete Maxie Eisen, ebenfalls wie das Stanley Diamond nach einem jüdischen Mafioso benannt. Das Lokal auf der Münchener Straße wenige hundert Meter entfernt mitten im Bahn hofsviertel ist auf Pastrami spezialisiert. Pastrami ist eine Technik, bei der Fleisch wochen lang gepökelt und geräuchert wird, um es haltbar zu machen. Ursprünglich von jüdischen Einwanderern in die USA exportiert, ist Pastra mi in den USA längst zur Delikatesse geworden. Pastrami-Läden wie das Katzʼs Delicatessen in New York haben Kultstatus, seit Meg Ryan alias Sally dort für ihren Freund Harry einen FilmOrgasmus inszeniert hat. Vor drei Jahren haben die Ardinast-Brüder ge meinsam mit ihrem langjährigen Freund und Teilhaber Oskar Melzer den Laden in Frankfurt eröffnet. Der Name Maxie Eisen steht nur in Türklingel-Größe dran, von außen geht der La den im Trubel mittendrin im Bahnhofsviertel fast unter. Die unscheinbare Fassade trügt: Mit dem Pastrami-Imbiss haben es die Brüder be reits in die New York Times geschafft und ihren Beitrag dazu geleistet, dass Frankfurt als einer der angesagtesten Orte des Planeten gilt. Briti sche Journalisten vergleichen das Bahnhofsvier tel mit dem Meatpacking-District in New York und dem Soho in den 1970er-Jahren: „Das ist zweifelsohne übertrieben, aber der Vergleich freut uns natürlich“, sagt Ardinast. Der Enkel von Maxie Eisen höchstpersönlich war bereits zu Gast. Derzeit planen die Brüder mit Kompa gnon Melzer nach gleichem Vorbild ein Restau rant in Berlin. „Das werden wir dann aber an ders nennen“, sagt James. „Wir wollen keine Kette aufmachen.“ Die Kosher Nostra dürfte noch ausreichend Namenspatrone parat halten. An dieser Stelle kommt in Interviews spätes tens die Frage, wie all das mit ihrer eigenen jü dischen Herkunft zusammenhänge. Die Brüder müssen da fast lachen. Nein, ihre Konzepte ste hen in keiner besonderen jüdischen Tradition, stellt James klar: „Das wird gerne so gesehen, ist uns aber nicht weiter wichtig.“
David Ardinast: Geboren in Frankfurt 1975 Einstieg in die Gastronomie in London 1992, Head-Bartender in der Brown’s Bar Rückkehr nach Deutschland 1995 1998–2000 Ausbildung zum Werbekaufmann und anschließende Anstellung bei der Agentur Melle, Pufe in Berlin (bis 2002)
James Ardinast: Geboren in Frankfurt 1972 Studium an der Hospitality School in Boston 1991–1995 Rückkehr nach Deutschland, Job in Werbeagentur als Kontakter, Leiter Marketingabteilung Einzelhandelsunternehmen
LÄSSIGER PERFEKTIONISMUS Draußen vorm Stanley Diamond hat mittlerweile ein warmer Sommerregen eingesetzt. Die aus gefahrene orangerote Markise hält die weiß gedeckten Tische auf dem Bürgersteig trocken, ebenso die blauen Stoffstühle aus den 1960erJahren, die Mitbetreiber Oskar Melzer günstig in Berlin erstanden hat. Ein denkbar großer Kontrast zu den maßgefertigten sesselartigen Stühlen drinnen. So lässig kombinieren sonst nur Restaurants in Mailand und Turin gediegenes Marmor-Ambiente mit farbenfrohem Vintage. Noch so ein Erfolgsfaktor: bei allem Perfektionis mus im richtigen Moment locker zu bleiben. „Man muss so einen Laden leben lassen, das ist ja kein Gemälde“, sagt Ardinast. Im Hintergrund singt Frank Sinatra sein „I did it my way“ – er würde wohl noch auf einen oder zwei Drinks bleiben. 8
Business A la Carte hed Qualitätssic „Controlling un sagt “, wir zusammen rung machen an n t. Änderunge James Ardinas s e sind ebenfall der Speisekart auf or ein Gericht Chefsache. Bev s us e erscheint, m der Speisekart Genuss-TÜV. es durch den
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„WER ZU UNS KOMMT, DER WILL NICHT SCHLAFEN“ Interview — Guido Walter Fotos — Oliver Mark, Felix Gemein, Pascal Kerouche
CHRIS TOPH STREN GER Für den Unternehmer Christoph Strenger begann alles mit einer kleinen Bar mitten in Hamburg. Jahre später besitzt er ein Gastroimperium mit 60 Millionen Euro Umsatz. Konzeptionelle Experimente und die Begeisterung für Neues sind die Codes zu Strengers Erfolg.
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Säulen ragen zwischen den 230 Tischen bis zur Decke auf. Sie wirken wie Baumstämme aus einer anderen Galaxie. Das Restaurant des east, in Hamburg nahe der Reeperbahn gelegen, besitzt gigantische Ausmaße. Es wirkt trotzdem gemütlich. Das muss man bei so einer Fläche erst mal schaffen. Gelungen ist dies dem Designer Jordan Mozer, dessen „erzählende Idee“ das gesamte east durchzieht. Asien goes Backstein, sozusagen. Am Sushi-Tresen bereiten Ngima Sherpa und Lobsang Lamal gerade Sashimi frisch zu. Wer als Gast oben an der langen Bar entlangflaniert, erreicht nach einigen Schritten die Aufzüge, die ihn zum Schlafen in den Hotelbereich mit seinen 128 Zimmern bringen. Oder zum Tanzen in den Club uppereast im vierten Stock. Eine solche Kombination aus Bar, Restaurant und Eventflächen wie das east gibt es in Deutschland kein zweites Mal. Die alte Eisengießerei, die viele Jahre leer stand, ist das Herzensprojekt von Christoph Strenger, 54, einem der erfolgreichsten Gastronomen hierzulande. 1989 eröffnete der gebürtige Ostwestfale eine kleine Bar in Hamburg-Ottensen. Heute, 26 Jahre später, ist Strenger Chef eines kleinen Gastroimperiums mit insgesamt 25 Restaurants und Bars inklusive der Restaurantkette Bolero und über 1.000 Mitarbeitern. Aus ein paar tausend Mark Umsatz 1989 wurden im Geschäftsjahr 2014 über 60 Millionen Euro netto. Und Strenger hat noch viel ambitioniertere Pläne, wie er im Interview mit Shaker berichtet.
deutschen Metropolen steigen die Touristenzahlen in Hamburg am stärksten. Und dann stehen noch die Chan cen gut, die Olympischen Spiele in die Stadt zu holen. Du hast mit vielen Konzepten an vielen Standorten Erfolg gehabt. Gibt es ein Lieblingsprojekt? CS
Wenn es eine Erfolgsformel gibt, dann hat sie mit den Menschen zu tun, die fur uns arbeiten.
Deine Gastronomiekonzepte stehen für Gegensätze. Du entwickelst Konzepte für Studentenbars ebenso wie für glamouröse Clubs. Gibt es eine Erfolgsformel, die für alle Projekte gilt? CS
Wenn es eine Erfolgsformel gibt, dann hat sie mit den Menschen zu tun, die für uns arbeiten. Dass wir dafür die Richtigen aussuchen, die motiviert sind und sich bei uns wohlfühlen. Natürlich geht es auch um Kreativität, zum Beispiel bei der Standortwahl. Du musst das richtige Gefühl dafür haben, was in einem bestimmten Stadtteil funktioniert und was nicht. Mit der Ausnahme der Kette Bolero vervielfältigen wir auch nicht ein Konzept, wie es Vapiano oder aktuell Hans im Glück machen. Deine Gastronomiephilosophie schlägt sich in dem Begriff „Burning desire of return“ – „brennendes Verlangen, wieder zurückzukommen“ nieder. Was ist der wichtigste Auslöser, um Gäste zu begeistern?
CS
Zunächst mal stammt der Begriff „Burning desire of return“ nicht von mir. Ich habe den irgendwann mal vor 20 Jahren in den USA gehört und dachte: Genau das ist es. Wenn man an einem Abend ein schönes Restauranterlebnis hatte, dann hat man auch Lust, da wieder hinzu gehen. Wenn alle Dinge, die der Gast erwartet, mehr als erfüllt werden, dann ist das Ziel erreicht. Klar, Fehler passieren. Manche Gäste nehmen dir das übel, andere geben dir eine zweite Chance.
Du bist seit über 25 Jahren im Gastronomiebereich tätig. Hast du immer noch ausgefallene Ideen, um Gäste anzulocken? CS
Das ist ein ganz wichtiger Faktor, gerade im east. Einer der Partner ist der Besitzer der Immobilien, er war auf der Suche nach einer Idee. Mit Jordan Mozer haben wir dann einen außergewöhnlichen Innenarchitekten gefun den. Uns zieht es gewissermaßen ans Wasser. Vom Rooftop-Restaurant clouds im 23. Stock der Tanzenden Türme an der Reeperbahn hat man einen tollen Blick über den Hafen, und unser Restaurant coast by liegt auch direkt am Wasser. Es sind schon besondere Plätze, die wir uns aussuchen.
CS
Wir arbeiten hart und sind sehr, sehr bodenständig. Mein Partner Roland Koch und ich kommen aus Ostwestfalen. Unsere Freundschaft ist ein wichtiger Faktor. Wir haben nie über die Stränge geschlagen, sind sehr normale Men schen geblieben. Wenn man sich akribisch um die Dinge kümmert, dann sind sie auch erfolgreich. Es ist immer genau dann falsch gelaufen, wenn ich mich für ein Pro jekt nicht wirklich interessiert habe und mich nicht ge nügend eingebracht habe. Zum Beispiel beim Alsterpalais in Hamburg …
CS
Was spricht sonst noch für den Standort Hamburg? CS
Neue Ideen fliegen mir nicht zu, die muss ich mir schon erarbeiten. Ich habe auch ein Alter erreicht, in dem man nicht mehr mit dem Kopf durch die Wand rennt. Viele Ideen finde ich in New York oder Kopenhagen. Auch in Berlin kann man einiges lernen. In Kapstadt im Winter gibt es im Getränke- und Foodbereich viele Dinge zu entdecken. Du probierst viel aus, wagst auch mal Konzepte, die sich andere nicht zutrauen. Meistens geht es gut. Warum eigentlich?
Du hast immer gute Locations in trendigen Lagen. Wie wichtig sind da gute Beziehungen zu Immobilienpartnern? CS
Das east ist schon das außergewöhnlichste und zeitauf wendigste Projekt. Ich lebe ja auch selbst hier im Gebäu de. Das ist schon so eine Art Lebenswerk für einen klei nen Gastronomen wie mich, der 1989 seinen ersten Laden aufgemacht hat. Damals hätte ich nicht mal an satzweise gedacht, mal so was Gigantisches zu betreiben.
Die vielen schönen Gebäude hier. Zudem ist die Affinität der Hamburger zur Gastronomie hoch. Viele Gäste sind in der Lage, viel Geld auszugeben. Hamburg ist eine gute Mischung. Rauer als München, edler als Berlin. Von allen
Genau. Das Projekt ist mittelmäßig in die Hose gegan gen. Ich hatte die Verantwortung an Menschen gegeben, von denen ich dachte, dass die das können. Leider ein Irrtum. Ich hätte mich selbst darum kümmern müssen. Ob die Idee, ein altes Krematorium zu einem Restaurant umzubauen, die richtige war, ist fraglich. Aber wir hatten Glück. Der Vermieter hat uns aus dem Vertrag gelassen. Geld verloren haben wir trotzdem. Gibt es für einen Gastronomen überhaupt die Möglichkeit, Chancen und Gefahren im Vorhinein abzuschätzen?
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Nach dem Dinner im SushiRestaurant treffen sich die Gäste des east in Yakshi’s Bar, um die Partynacht zu starten.
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Multikulturelle Raumgestaltung Stararchitekt Jordan Mozer verbindet Elemente europäischer und asiatischer Kultur in Form organischer Säulen und einer mittig platzierten Sushi-Bar, die zur offenen Kommunikation einlädt.
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Die gibt es nicht. Irgendjemand hat mir mal gesagt: ,Man, bist du mutig.‘ Aber das bin ich gar nicht. Ich habe einfach keine Angst vor Misserfolg. Das ist fast schon naiv, ich weiß. Aber wenn was nicht klappt, dann nehme ich es locker.
ohne Zwischenhändler, wie zum Beispiel auch bei Red Bull. Natürlich stößt das Konzept auch an seine Grenzen, ich kann Nachos nicht in den gleichen Bünden kaufen wie etwa Sushi.
Wie kann sich das east noch steigern?
Kannst du etwas zum Stand der Kooperation mit Red Bull sagen?
Das east wird sich immer ändern. Wir haben einen Re launch geplant für 2016, es wird große Veränderungen geben. Die Zimmer bauen wir komplett um, und wir erreichen eine viel höhere Qualität, mit viel Glas im Badbereich und neuen HD-Fernsehern. Wir investieren fast eine Million Euro in die Zimmer. Über weitere De tails kann ich noch nicht reden, aber es wird etwas ganz Neues, Cooles werden.
CS
Welche Drinks von Red Bull sind im east die beliebtesten? CS
Wie viel Prozent deiner Ideen setzt du auch um? CS
Bestimmt über 50 Prozent. Das nächste Riesenprojekt ist die Gastronomie für die Elbphilharmonie, das ich zu sammen mit Jürgen Nordmann mache. Eine ganz schöne Herausforderung, wir tüfteln daran schon acht Jahre. Wenn ich es richtig verstehe, ist das east für dich ein Herzensprojekt. Du bist dafür sogar wieder in den operativen Bereich gewechselt.
CS
Ja. Ich hatte mich eine Zeit lang aus der Geschäftsleitung rausgezogen, weil ich immer mehr mit Architekten, Pla nern und Lieferanten zu tun hatte. Aus der Erfahrung mit dem Alsterpalais heraus entstand aber der Wunsch, mich wieder voll einzubringen. Ich dachte: Wenn ich mich jetzt nicht persönlich kümmere, dann geht das den Bach run ter. Immerhin ist das east für ein Gastronomieprojekt ziemlich groß, eines der größten in Deutschland über haupt. Da wollte ich schon selbst dabei sein. Wenn es nicht klappt, bin ich dann auch selber schuld.
Das east ist kein Hotel mit Gastronomie, sondern umge kehrt. Das ist ein völlig anderes Konzept als bei anderen Hotels. Wir machen auch fast 70 Prozent des Umsatzes mit der Gastronomie, andere Hotels machen 80 Prozent mit dem Logis. Das war von Anfang an so geplant. Wir wollten die Gäste in die Welt des east führen, bevor sie überhaupt eine Rezeption zu sehen bekommen. Sie sol len sich ruhig mal nicht zurechtfinden. Die Mitarbeiter sind auffallend freundlich. Ist das ein Punkt, auf den du besonders achtest?
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Gäste werden anspruchsvoller, setzen hohe Qualität als Standard voraus. Wie kann man dieses Niveau halten oder sogar übertreffen? CS
Freut mich, wenn das so empfunden wird. Es funktio niert aber nur, wenn es den Mitarbeitern gut geht. Wenn ich jemanden nicht ausreichend bezahle, kann ich ihm keine gute Stimmung mit auf den Weg geben. Mir ist es wichtig, auf alle Kollegen zuzugehen. Letztens habe ich die Mitarbeiter in mein Sommerhaus an der Elbe zu einem Barbecue eingeladen. Die sehen dann: Der mag uns wirklich. Das ist gut angekommen. Wenn die Mitar beiter sehen, dass ich alles für sie tue, dann tun sie auch alles für mich. Behandele deine Mitarbeiter gut, dann behandeln sie auch deine Gäste gut. Ein Vorteil der Größe ist, dass man im Verbund einkaufen kann. Wie behältst du die Kosten im Griff ?
Als Energydrink haben wir nur Red Bull im Angebot. Bei mir ist es so: Wenn es gute Produkte gibt, möchte ich nicht darauf verzichten. Red Bull ist ein gutes Produkt, da müssen wir nicht drüber reden. Wenn es was Neues gibt, probieren wir das auch aus. An der Bar im east ha ben wir zum Beispiel die Red Bull Edition in den Rich tungen Cranberry, Limette, Heidelbeere und Tropische Früchte im Angebot. Cranberry und Heidelbeere laufen am besten.
Das nachste Riesenprojekt ist die Gastronomie fur die Elbphilharmonie..“
Was ist deine Philosophie für das east? CS
Seit wir uns kennen, läuft alles perfekt. Bei Red Bull habe ich schon den Eindruck, die denken an uns. Red Bull war auch immer großzügig mit Sponsoring, das macht schon Spaß. Ich selber bin ja Red-Bull-süchtig gewesen. Ich musste das absetzen (lacht).
Zum Beispiel mit etwas, was ich „Überraschungsquali tät“ nenne. Das sind kleine Aufmerksamkeiten, mit denen ein Gast überhaupt nicht rechnet. Wenn jemand ein nettes Gespräch an der Rezeption hatte, bekommt er mal ein Upgrade. Oder der Barkeeper sagt, den letzten Cocktail gibt es aufs Haus. Das gilt aber nicht nur für die Gäste, sondern auch für die Mitarbeiter. Alle Neuen kriegen eine Führung durchs Haus. Von mir persönlich. Das Innendesign des east stammt von Jordan Mozer. Hast du Vorbilder, die dich beim Design des east inspiriert haben?
CS
Wir machen das schon seit Jahren mit anderen Partnern so, dass wir große Mengen gemeinsam einkaufen. Direkt 15
Definitiv Ian Schrager. Er ist bekannt geworden durch das Studio 54 in New York. Dann bekam er Probleme mit der Steuer und wanderte in den Knast. Als er raus kam, wollte er die Hotelbranche revolutionieren. Er war dann der Erste, der Design-Hotels gemacht hat.
Von Schrager stammt das Konzept, Hotels auch für lokale Gäste attrak tiv zu machen. Wie geht so etwas? CS
Schrager hatte die Grundidee dazu. Ich packe tolles De sign in ein Hotel, packe dazu noch eine tolle Gastrono mie, die auch die Locals anspricht. Genauso ist das east. Unsere Gäste kommen auch aus Hamburg und Umge bung. Wer zu uns kommt, der will hier nicht schlafen, der will hier sein. Das ist ein Riesenunterschied. Man muss das Haus nicht verlassen, weil hier schon alles ist. Wir haben einen Sportclub, einen Wellnessbereich, eine schö ne Bar und ein Restaurant. Man kann draußen sitzen oder sich auf der Terrasse oben in die Sonne legen. Wenn man dann doch vor die Tür will, ist man mitten auf der Reeperbahn.
Gastrokonzepte werden zunehmend auf die Babyboomer zugeschnitten. Ist für die heute 40- bis 50-Jährigen Fine Dining das neue Ausgehen? CS
Eine Dinnerparty sozusagen. Zehn Freunde am Tisch, ein paar gute Drinks und gutes Essen.
Gibt es Hotels, die für das east Pate standen? CS
Vor allem die Entwürfe von Ian Schrager. Das Hotel Grammercy Park in New York oder das Sanderson in London. Deren Zeit ist zugegebenermaßen etwas vorbei, aber in Deutschland gibt es solche Konzepte wie das east eben kaum. Ein Restaurant von der Größe der Buddha Bar in Paris zusammen mit einem Hotel, so was hat selbst Schrager nicht gemacht.
Klar. Wobei auf uns der Begriff „Casual Fine Dining“ noch besser passt. Du kannst dir nicht jeden Tag SterneGastronomie leisten. Die Gäste wollen einen schönen Abend haben und einen coolen Wein trinken. Das darf nicht zu teuer sein. Die Leute wollen nett bedient werden und andere hübsche Menschen sehen, die wollen keine zehn Gänge oder sogar 32 wie im Noma in Kopenhagen. Aber du hast natürlich Recht, Leute in unserem Alter gehen nicht mehr so gern in Clubs. Die gehen in ein coo les Restaurant und wollen einen schönen Abend erleben.
CS
Genau so habe ich das am liebsten. Früher war ich jedes Wochenende im uppereast, unserem Club oben. Heute gehe ich alle zwei Monate rein. Mein Leben hat sich ver ändert. Clubs werden weiterhin bestehen, aber die Gene ration 35 aufwärts orientiert sich um. Für die gibt es neue Dining-and-Drinking-Konzepte, wie sie zum Bei spiel in Berlin das Soho House oder das Restaurant Grace im neuen Zoo-Hotel verkörpern. Kannst du uns etwas über deine neuen Projekte erzählen?
CS
Das east wird sich immer Andern. Wir haben einen Relaunch geplant fUr 2016, es wird grosse Veranderungen geben.
Ganz wichtig wird für uns wie schon erwähnt die neue Gastronomie in der Hamburger Elbphilharmonie, die wir mit Jürgen Nordmann unter der Marke Störtebeker betreiben werden. Wir haben ein Hauptrestaurant, ein Deli auf der Dachterrasse und noch einen kleinen Ort, an dem man Veranstaltungen machen kann. Das Störtebeker wird ein Restaurant mit nordischer Küche werden. Nordisch im Sinne von Skandinavisch und Norddeutsch zugleich. Kannst du uns etwas über dich persönlich erzählen?
CS
Im Restaurant steht Sushi im Mittelpunkt … CS
50 Prozent aller Speisen bei uns sind Sushi. Die Karte ist heute aber mehr Mainstream als speziell Asiatisch. Die ursprüngliche Philosophie haben wir ins coast transfe riert, um es als das „Edel-east“ zu etablieren. Das east selbst ist etwas bodenständiger geworden. Ngima Sherpa hat das im Griff, er ist seit acht Jahren hier.
Deine erste Bar war das Brooklyn in Hamburg-Ottensen ... CS
Wenn es um japanisches Essen geht, macht gerade das Zuma von Rainer Becker in London Furore. Für dich ein Vorbild? CS
Ich bin gebürtiger Ostwestfale, bin in Halle in Westfalen zur Schule gegangen. Ich hatte eine sehr behütete Kind heit, bin mit meinen Eltern viel gereist. Ein guter Schüler war ich nie, außer im Sport. Nach Hamburg bin ich durch meine Bundeswehrzeit gekommen. Da habe ich den Nor den kennen und lieben gelernt. Übrigens bin ich heute Fan von beiden Vereinen, HSV und St. Pauli. Aber dem HSV bin ich doch mehr verbunden, als Aufsichtsratsvor sitzender beim HSV Handball.
Mit dem Zuma will ich mich nicht messen, das ist noch eine ganz andere Liga. Sowohl von der Einrichtung als auch von den Speisen. Sie haben jetzt auch eine Filiale in der Madison Avenue in New York, die hat schätzungswei se 20 Millionen Dollar gekostet. Dafür baue ich ein gan zes east hin. Rainer Becker ist einer der besten Gastrono men der Welt, ich bin froh, dass ich ihn kennengelernt habe und auch privat Kontakt zu ihm habe. 16
Ich habe schon während meines BWL- und GeographieStudiums in der Gastronomie gearbeitet. Abends habe ich dann gesehen, wie meine Chefs vom Squash kamen und an der Bar noch was getrunken haben. Da dachte ich mir, das ist ja easy, das kannst du auch. Was für ein Irr tum. Als ich meinen ersten Laden hatte, musste ich da immer hinter dem Tresen stehen. Aber es lief bombig. Ich hatte schon während des Studiums fünf Restaurants in Bremen und Hamburg. 1994 habe ich dann aufgehört zu studieren und mich auf die Gastronomie konzentriert. Ich hatte mein Ding gefunden.
Der Club uppereast l채dt die Hotel- und Restaurantg채ste zu sp채ter Stunde zum stilvollen Tanzen und Vergn체gen ein.
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„WER ES LEISE WILL, KANN ZU HAUSE ESSEN“ Interview — Alexander Gutzmer, Esther Naemi Bergmann Fotos — Oliver Mark
STEPHA NIE THATEN HORST Stephanie Thatenhorst betreibt mit Mann und Schwager das wohl angesagteste Steakhouse Münchens: das Theresa. Auch fünf weitere Lokalitäten gehören zu dem kleinen Imperium. Das Erfolgsprinzip der erklärten Foodies: Perfektionismus – aber nur da, wo er wirklich Sinn macht.
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Martini-Mekka richt nicht nur ein Die Theresa Bar versp dern auch eine ausgefeiltes Design, son historie. So gibt Zeitreise in die Cocktail Drinks aus den es neben ausgewählten r Daisy“ auch den 60ern wie „Champagne 1884 bis 1953 „Martini“-Timetable von cken wie mit liquiden Schmuckstü „Vieux Carré“.
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Schöne Geschichten beginnen in München be kanntlich gern in Biergärten. Wir wissen das aus der Fernsehwerbung. Und auch die gastro nomische Erfolgsstory von Stephanie und Mar kus Thatenhorst startete vor rund 17 Jahren mit einem „Biergarten“. Im Kaisergarten, genauer gesagt. Markus betrieb den Kaisergarten schon eine Zeit lang, als dann Jahre später Stephanie dort zu jobben begann. Kurze Zeit danach heira teten die beiden. Eines der gastronomischen Po werpärchen, die heute München prägen, hatte sich formiert. Und dieses ist bis heute immer wieder für eine gastronomische Innovation gut. Nach dem Kaisergarten eröffneten die beiden im Jahr 2005 ge meinsam mit Markus’ Bruder Florian die Bar Freebird und 2008 die Trattoria Seerose, bis heu te einer von Münchens Promi-Italienern und Refugium der kulinarischen Italienliebe. 2011 kam das Theresa Restaurant und Grill dazu, 2013 das Occam Deli (wie die Seerose im Stadtteil Alt-Schwabing gelegen) und 2015 der Ableger des Theresa, die Bar gleichen Namens, direkt nebenan. Dem Gesetz der Serie nach ist also 2017 der nächste Coup zu erwarten – oder, Frau Thaten horst? „Da bleibe ich mal vorsichtig“, sagt sie, mit leicht hintergründigem Lächeln. „Man soll zwar nie nie sagen. Aber eigentlich habe ich meinem Mann erst mal ein Eröffnungsverbot er teilt.“ Wir sitzen im Theresa. Um uns herum ziehen die Hipster der Stadt in Münchens im mer noch angesagtestes Steaklokal ein. Es ist Sommer, und die Stadt schwitzt. „Ich liebe die se Atmosphäre, das macht eine Metropole lo cker“, sagt Steffi Thatenhorst. Zwischendurch gibt sie immer mal ein paar Anregungen an ihre Leute. „Ich bin definitiv eine Teamspielerin.“ Und das Team wächst. 150 Angestellte haben die Thatenhorsts heute. Noch schaffen es die drei, den Überblick zu behalten. Aber das kann auch mal kippen. Eine echte Gefahr im Gastrogeschäft, glaubt die am Chiem see geborene Unternehmerin. „Lokale wie das Theresa differenzieren sich auch über ihr Perso nal.“ Klingt schlüssig. Zumal Lokalitäten wie das Theresa oder auch das im Stil eines New Yorker Deli gehaltene Occam keine alltäglichen Restaurants darstellen, sondern mit sehr klaren Konzeptideen daherkommen. Die müssen dann
Architekten als GastroUnternehmer Ist es ein Trend? Vielleicht. Fest steht jedenfalls: Stephanie Thatenhorst ist nicht die einzige Architektin, die den Weg in die Gastronomie gefunden hat. Hier weitere Beispiele: 1. Rudi Kull und Albert Weinzierl betreiben in München das Brenner, das Emiko und die Pizzeriakette Riva. 2. Mark Roh und Linh Vu gehört in Berlin der TrendImbiss Ban Ban Kitchen. 3. Romano Gritti gründete in Garmisch-Partenkirchen das Restaurant Lode del Doge. 4. Die beiden Münchner Architekten Sascha Arnold und Steffen Werner haben ihr eigenes Architekturbüro; daneben nennen sie nicht nur einen Club (Bob Beaman) und eine Bar (James T. Hunt) ihr Eigen, sondern sogar ein eigenes Hotel: das angesagte Flushing Meadows in der Fraunhoferstraße. 5. David Chipperfield Architects – der weltbekannte britische Architekt eröffnete in Berlin jetzt die Chipperfield Kantine, die auch externen Besuchern offen steht.
aber auch vom Personal verstanden werden. Eine solche Idee ist zum Beispiel die fast schon radikale Offenheit in der Innenraumgestaltung. Sowohl in der Seerose als auch im Theresa blickt der Gast beim Reinkommen quasi direkt in die Küche bzw. in den einsehbaren Reifekühl schrank fürs Fleisch und den offenen Holzkoh legrill. In der Theresa Bar ist die Küche verglast
hausenmäßig kuschelig. Stuckdecken und Fas sadenornamente sucht man an dem 1960er-Jah re-Bau in der Theresienstraße vergebens. „Ge nau dieser Charakter gefiel uns. Wir wollten bewusst etwas Tolles in einer scheinbar unspek takulären Immobilie inszenieren.“ Das ist ihr gelungen. Und die angesagte Restaurant-BarKombi funktioniert nicht nur. Sie verbreitet
„Wir wollen mit unseren Häusern auch die Atmosphäre in der Stadt ein wenig prägen und verändern.“
und es gibt einen begehbaren Rotweinkühl schrank. Das Occam verzichtet hingegen kom plett auf den klassischen Bar-Tresen. Die Bar keeper stehen an einem offenen Tisch links neben dem Eingang wie in der Küche zu Hause. Da ist bei jedem Privatfest ja auch immer die beste Stimmung. Also wurde dies zum Konzept gemacht. „Wir hatten schon Barkeeper, die ge sagt haben: Das können wir nicht. Das sind dann halt nicht die richtigen Leute für uns“, for muliert Thatenhorst klar. ARCHITEKTUR IM FOKUS Der Wunsch nach Klarheit und Transparenz ist ohnehin ein Charakterzug der freundlichen Dunkelhaarigen. Das mag auch mit ihrer akade mischen Herkunft zu tun haben: Sie hat nämlich Architektur studiert. Und Architekten liegt be kanntlich viel an Klarheit, Konzepttreue und Funktionsorientierung. Bis heute betreibt die Gastronomin übrigens weiter ihr Architekturbüro. Und sie will es sogar wieder stärker in den Vordergrund rücken. „In den nächsten Jahren möchte ich wieder mehr als Architektin arbeiten. Das operative Gastro nomiegeschäft ist so oder so mehr das Ding meines Mannes und meines Schwagers.“ Ihr Büro expandiert – schon jetzt musste sie gerade zwei Architekten anstellen. Widerwillig, wie sie schmunzelnd sagt. Ihre Expertise im Gastrobe reich kommt ihr als Architektin zugute. „Ich kann sicherlich eher beurteilen, ob eine Raum anordnung sich als Bar oder Restaurant eignet, als ein reiner Entwurfsarchitekt.“ Einige Aufträge für ihr Büro kommen logischerweise aus dem Gastronomiebereich. Was ihr Mann dazu sagt? „Den stört das nicht – solange ich nicht gerade in München neue Locations konzipiere.“ Das macht Sinn. Denn gerade München haben die Restaurants der Thatenhorsts definitiv ihren Stempel aufgedrückt. Man erkennt ihre Hand schrift – und würde das eben auch bei Fremd aufträgen für die Architektin Thatenhorst tun. Übrigens spielt die Architektur auch bei den beiden Theresas als der bekanntesten Marke neben dem Kaisergarten eine große Rolle. Und zwar auf eine überraschende Weise. Fast un münchnerisch wirkt das Gebäude des Restau rants nämlich weder ultraschick noch haid21
auch eine Aura lässiger Urbanität, die Kreativi tät vor Geltungsdrang setzt. Dieser Geist ist et was, das dem oft etwas selbstgefälligen Mün chen sicher guttut. Übrigens ein Gedanke, der für Thatenhorst zu guter Gastronomie heute dazugehört. Erfolgrei che Gastrounternehmer arbeiten parallel auch immer am Bild und dem Leben in ihrer Stadt mit. Und sie sind sich dessen auch bewusst. „Wir wollen mit unseren Häusern auch die At mosphäre in der Stadt ein wenig prägen und verändern. Meine Familie und ich reisen viel und sammeln Ideen aus aller Welt. Mit diesen kann man München noch ein wenig metropoli taner machen.“ Doch der Blick in die Weltstädte in Asien oder den USA reicht nicht. Es braucht immer auch die stimmige lokale Adaptation. Und damit die gelingt, muss die Designsprache schlüssig sein. Das trifft auf das Theresa zu, ebenso wie auf die Bar, die sich stark im Duktus der 1960er-Jahre präsentiert. „James Bond 006“ (das sechste Gastroobjekt der Thatenhorsts), wie das Archi tekturmagazin Baumeister schrieb. Hier ist je des Detail auf die Grundidee abgestimmt, von der dunklen Holzvertäfelung bis hin zu den schweren Teppichen und den organisch ge schwungenen Lampen. Für diese Klarheit in der Aura nehmen die Betreiber sogar in Kauf, in den Sommermonaten geschlossen zu haben. „Schwere Teppiche und 35 Grad – das passt nicht“, so Thatenhorst. Recht hat sie. Dieser konsequente Blick auf das Konzept und seine Grenzen verdeutlicht, dass die Thaten horsts ihre Restaurants ein Stück weit führen wie Marken. Und zwar wie erfolgreiche Marken. Die Orientierung an der Welt der Marken bedeutet nicht, dass alles vereinheitlicht wird. Sondern dass man die eigenen Markenwerte versteht – und aus ihnen gute Produkte und Services ablei tet. Dieser Logik folgend, kann es dann eben wirklich „Theresa zwei“ geben. KONZEPTE WEITERENTWICKELN Und vielleicht demnächst sogar „Theresa drei?“ „Denkbar ist das“, so Thatenhorst. Vorerst nutzt sie das Prinzip Marke aber anderweitig zur Ver breiterung des eigenen Portfolios. Das Occam S.24 Deli startet demnächst ein eigenes
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s s u n e G t f if r t n ig Des
am Werk war, etischer Gourmet Dass hier ein ästh n Dingen wie an so essenzielle bemerkt man auch ühlen der Bar n Hockern und St den maßgefertigte , aber ebenso g zum Entspannen – gemütlich genu zen. äßig darauf zu sit stilvoll, um 007-m
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BioFleischkonsum steigt Mit dem Ansatz, qualitativ hochwertige Fleischgerichte anzubieten, liegt das Theresa offenbar im Trend. Zwar ist bio noch ein Nischenprodukt, doch die Deutschen essen von Jahr zu Jahr mehr Biofleisch. Im Jahr 2014 stieg der Umsatz von Biorotfleisch um etwa sechs Prozent, der Umsatz von Biogeflügelfleisch sogar um fast 25 Prozent. Ein leichtes Umsatzminus von vier Prozent verzeichneten 2014 jedoch Fleisch- und Wurstwaren. Marktentwicklung bei einzelnen Bioprodukten (in %) 14%
geflugel
25% 2% 5%
Rotfleisch Fleisch- und wurstwaren Absatzwachstum
6% 2% -5% -4% 2% Umsatzwachstum
Bioanteil am Gesamtumsatz
Quelle: AMI Analyse auf Basis des GfK-Haushaltspanels.
Shopkonzept. „Wir haben unser eigenes Salz. Und mit dem Weingut Philipp Kuhn legen wir eine eigene Weinselektion auf.“ Solche Projek te funktionieren nur dann, wenn der visuelle Auftritt aller Angebote zueinanderpasst. Es geht um eine Stimmigkeit im Design. Für die se sorgt auch die Sprache sämtlicher Grafiken, von Logos über das Design der Speisekarten. Dafür verantwortlich zeichnet jeweils die De signerin Kerstin Weidemeyer vom Münchner Büro Weidemeyer und Keller. „Kerstin versteht uns. Wir sprechen eine Sprache. Das ist essen ziell für unsere Konzepte“, so Thatenhorst an dieser Stelle sehr entschieden und perfektio nistisch. Dieses Stück Perfektionismus, man könnte auch sagen diese Liebe zum Detail, macht die Gastrophilosophie der Thatenhorsts aus. Sie sind perfektionistisch – aber nur an der richti gen Stelle. „Die Atmosphäre muss stimmen, aber bei uns muss es durchaus nicht immer
Sixties Feeling
ke durchdesignt Bis in die letzte Ec rst, n Steffi Thatenho sind die Läden vo er bei einer ganz die stilistisch imm n. klaren Linie bleibe
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supergeleckt zugehen.“ Eine sinnvolle Ein schränkung: Gewollt glatte Gastrokonzepte funktionieren heute nicht mehr. Die Menschen wollen Spitzenservice und eingehaltene Pro duktversprechen, schätzen aber auch den ge zielten Regelbruch. So kann dann eben eine noble Bar wie das Theresa in einem unpräten tiösen Hinterhof residieren. Und so ist es auch kein Problem, dass die Gäste im Restau rant recht eng an extrem langen Tafeln sitzen und einander fast auf die Teller schauen. Und auch die Lautstärke, zu der dies zwangsläufig führt, stört Steffi Thatenhorst nicht. Sie gehört sogar zum Konzept. „Unsere Läden sind laut. Wir nennen es Rock’n’Roll. Wer es leise will, kann ja auch zu Hause essen“, ruft sie mir zu, während nebenan gehandwerkt wird. Und auch im Kaisergarten, dem Ort, an dem alles begann und der zwischendurch immer mal wieder sanft redesignt wird, ist es bis heute ja immer noch laut.
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„ES GIBT KEINE SECRET PLACES MEHR“ Interview — Guido Walter Fotos — Oliver Mark
MARC JAN
US TRO
Seit 20 Jahren ist Marcus Trojan im Berliner Nachtleben aktiv. Mit dem House of Weekend hat er jetzt den Nachfolger seines legendären Clubs Weekend eröffnet. Was aber gibt es zu lernen, wenn eine Club-Idee ihr Haltbarkeitsdatum überschritten hat – und dies gleichzeitig die Geburtsstunde eines neuen Konzepts wird?
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Ein angenehm kühler Wind geht an diesem Abend auf der 17. Etage des Hochhauses nahe des Alexanderplatzes, im Herzen des alten Ostberlin. Für Marcus Trojan, 41, ist es immer das schönste Kompliment, den Gesichtsausdruck eines Gastes zu sehen, der die Dachterrasse des House of Weekend zum ersten Mal betritt. Der Blick auf die Skyline Berlins ist wahrlich atemberaubend. Wenig erstaunlich, dass die Terrasse im 17. Stock mit ihrem Blick in diesem Sommer ein Publikumsmagnet war. Die größte Touristenattraktion, gleich nach dem Brandenburger Tor. Das ergab eine repräsentative Umfrage unter allen Hostels in Berlin. In den Loungeecken sitzen Gäste in kleineren Gruppen. Gönnen sich ein paar Cocktails zum Feierabend. Dazwischen tanzen einige. Früher, als der Club noch Weekend hieß, war man hier oben auf der Dachterrasse quasi gezwungen zu tanzen. Aus den Boxen dröhnte es volle Pulle, Sitzgelegenheiten gab es kaum. Heute geht es ruhiger zu. Man genießt seinen Steakburger und den Blick auf Berlin vom bequemen Sessel aus. Dinnerparty statt abtanzen. Ausgehen war in Berlin-Mitte immer wichtig. Jetzt geht es auch um Niveau. Die große Clubwanderung Richtung Friedrichshain und Kreuzberg ist fast abgeschlossen. Marcus Trojan kann davon ein Lied singen. Neben Heinz „Cookie“ Gindullis zählt er zu den Clubmacher-Legenden Berlins. Dabei zählt Trojan nicht zu denen, die sich mit Nostalgie lange aufhalten. Der gebürtige Ulmer hat die Zeichen der Zeit erkannt. Mitte wird schicker, klar. Doch das House of Weekend soll ein Club sein, in dem sich nicht nur Hipster wohlfühlen, wie Trojan im Gespräch mit Shaker klarmacht.
ckenden Festivals mithalten, welche die Gagen für die DJs extrem hochgetrieben haben. Ich konnte das über die Getränkepreise nicht mehr auffangen, und irgendwann war der Punkt erreicht, wo ich mir gesagt habe: Ich ma che das nicht mehr mit. Hinzu kam, dass der Club nach zehn Jahren hätte renoviert werden müssen. So wurde aus dem Weekend das House of Weekend. Was war die bedeu tendste Veränderung? MT
Das Wichtigste war, dass die Terrasse nun eine komplett andere Funktion hat. Früher war sie als Clubterrasse angedacht, hatte aber dafür das falsche Soundsystem. Wenn es nachts zu laut war, konnte sich da kein Mensch mehr hinsetzen und unterhalten. Schall fällt immer, und wenn er spät fällt, beschwert sich die Nachbarschaft. Heute ist das kein Problem mehr. Wir haben 30 Lautspre cher installiert, mit höchstens zwei Metern Abstand zu jedem Platz. Wir müssen nicht mehr voll aufdrehen. Die Leute haben ohnehin mehr Spaß, wenn es nicht zu laut ist. Ab einer gewissen Lautstärke kannst du dich eben nur noch mit dem unmittelbaren Nachbarn unterhalten. Wenn man von hier oben rüberblickt, sieht man die Roof Top-Bar des Soho House, eines Member-Clubs in Prenzlauer Berg. Hat dich das Konzept inspiriert?
Ich muss nicht einen auf Kreuzberg und Underground machen, wenn ich es nicht mehr bin.“
MT
Nicht wirklich. Das Soho House hat mir nur gezeigt, dass man umdenken muss, wenn man sich in diesem Bezirk bewegt. Der Lebensstil und damit die Bedürfnisse sind jetzt anders. Die Leute sitzen halt lieber, und es ist inter nationaler geworden. Ein ganz anderes Publikum eben. Wenn du ein erstes Fazit für das House of Weekend ziehst – geht das Konzept auf ?
MT
Stimmt es, dass du dein neues House of Weekend als Fünfsterneclub für Berlin-Besucher, also für Touristen positionieren möchtest?
Ja. Wir sind wesentlich rentabler geworden, weil wir die Kosten im Vergleich zu den letzten Jahren minimiert haben. Wir haben generell mehr Gäste als früher, auch, weil wir im Sommer sieben Tage die Woche aufhatten. In den Wintermonaten haben wir nicht weniger Gäste als früher, sparen aber wahnsinnig viel an DJ-Kosten. Der Flaschenverkauf funktioniert auch gut. Als Gastronom bin ich natürlich sehr daran interessiert, wie ich eine weitere Umsatzsteigerung pro Gast erziele.
So habe ich das nicht gesagt. Ich meinte das eher in Be zug auf die heutige Situation in Berlin. Die durch die Gentrifizierung eine ganz andere ist als vor zehn Jahren. Als ich angefangen habe, war Mitte der Trendbezirk. Die einzige Gegend, in der es Clubs mit elektronischer Musik Du sagst: Das Publikum hat sich verändert. Auch die Ausgehgewohnheiten? gab. Der Tresor war in Mitte, das WMF und das Cookies. Kreuzberg hat damals für diese Szene keine Rolle ge MT Ab einem gewissen Alter ist Essen gehen das neue Ausge spielt. Heute hat sich die Jugendkultur Richtung War schauer Brücke verzogen. Mitte ist ein Bezirk für kapital hen. Ich bin da keine Ausnahme. Ich werde bald 42 Jahre. Da gehe ich lieber mit Freunden essen. In ein Restaurant. kräftigere Menschen geworden. Fünfsternehotels Da bleibe ich dann meistens auch sitzen und gehe nicht entstehen hier, nicht in Kreuzberg. Mein Ansatz war es, mehr in den Club. Hinzu kommt, dass ich verheiratet serviceorientierter zu werden für Gäste, die sich gern in bin. Da gibt es auch keinen Anlass mehr für ein späteres Mitte aufhalten. Wenn ich mit dem House of Weekend Nachtleben. Beim House of Weekend ist es auch so, dass eine Terrasse mit einer Aussichtsplattform habe, muss ich nicht einen auf Kreuzberg und Underground machen, das Essen in den Vordergrund rückt. Wir machen jeden Tag um sechs Uhr abends auf. Wir wollen das zwar nicht wenn ich es nicht mehr bin. After Work nennen, aber klar ist auch, dass du um diese Das alte Weekend war dennoch eine Institution in Berlin. Hast du es Zeit wenigstens eine kleine Karte anbieten musst. Wer schweren Herzens zugemacht? um acht Uhr einen Burger kriegt, der bleibt eher noch drei Stunden länger sitzen. Teil des Konzepts ist es, dass MT Natürlich. Sich von seinem Ursprungsclub zu verabschie wir Kreditkarten-Lesegeräte einsetzen und einen EC- den, war ein harter Schritt. Das war immerhin das erste Automaten im Flur haben. Wer den nicht hat, darf sich Baby in diesem Haus, viele Stammgäste waren traurig, nicht wundern, wenn er keinen Champagner verkauft. auch viele DJs. Viele waren auch erst im Nachhinein traurig, weil sie erst dann sahen, was sie verloren hatten. Die Outdoor-Location im 17. Stockwerk erfordert ein spezielles Gastro konzept. Was sind da die Fallstricke? Wir konnten irgendwann kaum mehr mit den flächende MT
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MT
Definitiv das Essen. Das ist outdoor schon tricky. Wir haben in Bezug auf das Wetter keine Planungssicherheit, was die Karte auf drei, vier Gerichte wie Steakburger oder klassische Burger reduziert. Bei einer lang anhal tenden Schönwetterperiode können wir die Karte erwei tern. Das bleibt aber schwer kalkulierbar.
MT
Du hast auch im Innenbereich einiges umgekrempelt. Was waren deine Ideen dazu? MT
Wir haben den Fokus komplett auf die Terrasse gelegt, die mussten wir erst sanieren. Am Sonntag hatten wir früher noch einen Fremdveranstalter drin. Davon muss ten wir uns verabschieden, weil wir keinen zweiten Dancefloor hatten. Der Rest war Arbeit am Detail. Wir haben Säulen blank geschlagen, den Barbereich erhöht, einige weitere Lounges angedeutet.
Siehst du irgendwas Neues, Innovatives? MT
Als Clubbetreiber in Berlin muss man sich immer neu erfinden, um dauerhaft in der ersten Liga mitspielen zu können. Was hat sich für dich als Clubmacher mit der Zeit geändert? MT
In der Pionierzeit der 90er und Anfang der 2000er war alles noch viel idealistischer. In den Kellern fing es da mals an, und von da aus ging es in eine Professionalität über. Beim letzten Cookies, beim WMF und beim Weekend konnte man die Entwicklung schon ganz gut ablesen. 2004 war dann die Zeit, als das Watergate und das Berghain zu großen Clubs wurden, die Bar 25 kam dann dazu. Das war die beste Zeit, in der sogar die Opinion Leader von New York aus nach Berlin kamen. So um 2006 wurde dann Kreuzberg das Maß aller Dinge. Jetzt sind wir in der Phase, in der es bei Clubs keine Innovation mehr gibt, sondern nur noch Abklatsch. Die Holzbudenbauer von der Bar 25, die damals diese Marktlücke entdeckt haben, bauen heute auch in Bochum so ein Ding hin.
Es gibt keine Berliner Szene mehr. Die gab es vor zehn, 15 Jahren, als es noch die Verteiler für diese Corporate Partys gab. Da war die Crowd noch nicht so groß, und man hat durch das Feiern kompensiert, dass man sonst nicht so viel auf der Pfanne hatte. Heute regt sich jeder zugezogene Festivalgänger, der seit drei Monaten in Ber lin wohnt, über Touristen auf. Vor zehn Jahren gab es fast keine Festivals und vor allem gab es kein Facebook. Da hast du den In-Club überhaupt nicht gefunden. Jetzt führt dich Google Maps direkt zum Eingang. Früher konnte man manches länger geheim halten. Heute gibt es keine Secret Places mehr.
Der Haubentaucher ist innovativ und was Neues. Das Badeschiff war auch so ein Ding, bei dem jeder gesagt hat, ich schwimme hier mitten in der Spree, cool. Früher haben sie über das Weekend gesagt: Jetzt gibt es mal einen Club in so einem Bürogebäude, wow. Und das E-Werk war die Mutter aller Techno-Clubs. Manche Clubbetreiber fordern sogar schon eine Art Bestandsschutz für ihre Läden ...
MT
Wir haben den schon. Wir sind jetzt denkmalgeschützt. Aber sonst ist das auch Glückssache. Die King Size Bar musste schließen. Die Bravo Bar besteht noch, weil der Besitzer vom Haus keinen Bock hat, es zu sanieren. Zusammengefasst: Ist Berlin noch die coolste Stadt der Welt?
MT
Ab einem gewissen Alter ist Essen gehen das neue Ausgehen.“
Ich finde das immer noch. Weil du hier einfach mal ein megaentspanntes Leben hast. Alles ist immer noch be zahlbar, du hast wahnsinnig viele Möglichkeiten. Nir gends sind die Gäste so entspannt wie in Berlin, andere deutsche Großstädte sind mir zu kleinkariert oder zu teuer. Natürlich hätte ich lieber ein schöneres Wetter hier. Für meinen Lebensstil könnte ich mir keine andere Stadt vorstellen. Dass wir jetzt eine ganz andere Ausrich tung haben als in den 1990er-Jahren, finde ich nicht schlimm. Die Stadt entwickelt sich schon in die richtige Richtung. Berlin wird langsam normal, die Brachflächen der Nachwendezeit verwandeln sich in Geschäftsviertel, immer mehr Menschen wohnen und arbeiten im Zentrum. Wie lange bist du eigentlich schon im Geschäft mit Clubs und Cocktails?
MT
Klingt nach Ausverkauf. Zuletzt wurde dem Haubentaucher vorgeworfen, das Berlin-Klischee nur noch zu reproduzieren. MT
Angefangen habe ich mit 18 Jahren. Ich habe fertig stu diert, fürs Fernsehen gearbeitet und in der Partyszene mitgemischt. Selbstständig bin ich in dem Bereich seit 15 Jahren. Aktiv im Nachtleben sogar schon seit 25 Jah ren. Ich habe sechs, sieben Disco-Generationen gesehen. Da sieht man schon, wie sich bestimmte Szenarien wie derholen. It-Girls kommen und gehen. Mir war es darum wichtig, mit dem House of Weekend einen klaren Cut zu machen. Ich hatte jahrelang mit dem gleichen Personal gearbeitet, mich aber dann entschieden, mich komplett neu zu orientieren. Diese neue Mentalität konnte ich den alten Leuten nicht mehr vermitteln. Es ist auch nicht gut, wenn du ein paar Veteranen behältst, die dann den Neuen ständig erzählen, dass früher alles besser war.
Ich finde den Vorwurf ein bisschen unfair. Der Erfolg gibt ihnen recht, bei schönem Wetter gehen die Leute da hin und haben ihren Spaß. Die haben wenigstens mal was versucht und einen Pool in einen Club gebaut. Wie sinn voll das ist, wenn nebenan Luxuslofts hochgezogen wer den mit Bewohnern, die es nicht so geil finden, wenn nachts die Musik laut wird, sei dahingestellt. Wenn es darum geht, etwas zuerst zu machen, ist Berlin immer Du und dein Partner seid aus Süddeutschland, richtig? noch richtungsweisend. Schau dir die Food Markets in MT Kreuzberg und Friedrichshain an. Ja. Ich komme aus Ulm, bin aber seit 22 Jahren in Berlin. Davor habe ich 20 Jahre in meiner Heimat gelebt, habe also Von denen sich der Berliner Szene-Mensch auch so langsam verabschiedet ... die längste Zeit meines Lebens in Berlin verbracht. S.33 29
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g n a f n a u e N s t e e m ie g l a Nost ch wie vor das im 17. Stock ist na Der Roof Garden Heute fungiert er use of Weekend. Herzstück des Ho fläche, sondern r als Outdoor-Tanz . jedoch nicht meh ionales Publikum tspot für internat Ho r te nn pa ts en als
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25 Jahre Nachtleben – nach sieben Clubgenerationen, die Marcus Trojan mitbekommen hat, war ihm nach einem absoluten Cut: neues Personal, neues Konzept, bye-bye Weekend!
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Was sind deine Pläne für die nächsten fünf bis zehn Jahre?
wird älter, die Leute werden gelassener. Aus dem Ding zwischen 25 und 35, wo man sich profilieren und gucken muss, wo man steht, ist man längst rausgewachsen. Die Prioritäten ändern sich total. Du überschaust die Dinge, bist nicht mehr so aufgeregt.
Ich bin offen für alles, habe aber keine konkreten Pläne. Kann sein, dass wir demnächst noch ein paar Eventflä chen mehr haben, weil das derzeit sehr gefragt ist. Wenn jemand eine Idee hat, bin ich immer aufgeschlossen. Ich sehe mich aber nicht mehr als den großartigen Gastrono Man nimmt sich selbst nicht mehr so ernst ... men, der einen Club nach dem anderen aufmacht. Ich will nur noch Läden haben, die nicht von meiner Person MT Genau. Ich bin froh, im House of Weekend einen neuen abhängig sind. Als ich angefangen habe, stand ich vier jungen Clubmanager zu haben, der noch eine Riesenbe mal die Woche hier am Tresen. Freunde, die mich sehen geisterung für alles hat. Ich muss heute mit meinem wollten, konnten ziemlich sicher sein, mich hier zu tref Erfahrungsschatz nicht mehr in der ersten Reihe stehen. fen. Gastronomie ist intensiv, das muss man schon lie Ich kann auch als Mentor die Ideen von anderen weiter ben. Heute schalte ich lieber ein paar Gänge runter. Ich entwickeln. Klar, einen harten Kern gibt es immer noch, hätte nichts dagegen, auch mal zu Hause zu bleiben und die den Hals vom Partymachen einfach nicht vollkriegen mich um ein Kind zu kümmern. können. Die Silver-Surfer. Muss jeder für sich selbst wissen. Ich muss nicht mehr nachts um die Clubs ziehen. Was machst du in deiner Freizeit? Ich gehe am Samstag lieber mit acht Freunden ins Grill Royal, das ist immer eine lustige Nummer. Ich gehe auch MT Ich bin seit vier Jahren leidenschaftlicher Tennisspieler. gern ins Borchardt. Dort sitzt du bequem und es ist nett. Ich gehe auch gern auf Reisen. Demnächst will ich mal nach Argentinien und Chile. Dann bin ich weitgehend im Kannst du etwas über die Zusammenarbeit mit Red Bull sagen? Bilde, was die Welt angeht. MT
Clubbing und Nachtleben haben viel mit Jugend zu tun. Was bedeutet es für jemanden wie dich, der so intensiv dabei war, älter zu werden? MT
MT
Irgendwann kriegt man einen philosophischen Ansatz. Du klärst für dich, was dir wichtig ist. Der Freundeskreis
Foto: House of Weekend
MT
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Die läuft sehr gut. Wir haben Red Bull Cola in der Exklu sivität, die auch gut nachgefragt wird. In den letzten zehn Jahren hat uns Red Bull immer unterstützt, auch wenn es mal eng war. Und das Schöne bei Red Bull ist, dass die überhaupt nicht arrogant sind.
DER ERFOLG DES ARENENPRINZIPS Interview — Alexander Gutzmer Fotos — Felix Gemein
DIRK BUD ACH
Angefangen hat alles im legendären Kölner Club Königswasser. Heute geht ohne Dirk Budach auf dem Kölner Ring nichts. Budach lebt vor Ort soziales Unternehmertum. Vor allem aber sorgt der Mann für gute Vibes – demnächst auch auf Ibiza.
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Flamingo Royal der Kรถlner InnenDer stylische Club in age an das moderne stadt ist eine Homm Miami South Beach.
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Ich sitze in einem unscheinbaren Bürohaus in der Kölner Innenstadt. Drei Hip-Hop-Musiker begrüßen mich, sie halten mich für einen Entscheider im Nachtleben. Der kommt aber erst kurz darauf zur Tür rein. Dirk Budach hatte gerade noch parallel zwei Termine zu koordinieren und ein wenig Trouble mit einem Club. Die gute Laune lässt er sich davon aber nicht verderben. DB
Hi. Schieß los.
DB
Der Trendscout sitzt am Frühstückstisch ... DB
Alles klar. Dirk, du bist von Haus aus Rechtsanwalt, betreibst heute aber Innenstadtdiscos in Köln. Ein beeindruckender Wandel ... DB
Danke. Das ist aber nicht so bemerkenswert, sondern der normale Werdegang vieler Gastronomen: Du jobbst in einem Club, das erweckt in dir die Leidenschaft, und wenn du Mut und etwas Glück hast, dann übernimmst du ihn oder machst deinen eigenen. Bei mir war es das Königswasser hier in Köln. Das war damals ein Melting Pot, da tauchten Künstler jeder Couleur auf. Irgendwann bekam der Chef, ein Goldschmied, eine Professur außer halb Kölns angeboten, und da das Königswasser damals unser Zuhause war, blieb mir nichts anderes übrig, als den Club zu übernehmen (lacht).
... komplett. Ich hatte etwas Geld an der Hand und Lust auf Nachtleben. Und ich hatte ein Superteam. Der Laden selbst widersprach übrigens allen Regeln der Gastrokunst, die große runde Theke etwa war total unsinnig. Im Königswasser ging es um die Musik. Zum Beispiel hat der damals noch unbekannte Musiker Gentleman dort von mir seinen eigenen Reggae-Abend bekommen und aufgelegt. Aber er war nicht der Einzige, der dort seine Karriere gestartet hat.
So sieht es aus. Und zwar nicht nur was Musik anbelangt. Sie scannt auch, wie meine Läden sich im Netz und in den sozialen Medien präsentieren. Gestern sagte sie zu mir: Papa, der Instagram-Account vom Nachtflug ist cool. Aber das Flamingo Royal hat nicht genug Follower. Darauf höre ich. Wie oft schaust du in deinen Clubs selber nach dem Rechten?
DB
Regelmäßig, aber nicht jeden Tag. Wenn ich in den Club komme, wirkt das halt doch immer ein bisschen so, als hole da ein Daddy sein Töchterchen ab (lacht). Hast du im Clubbereich Vorbilder?
DB
Ohne Gastrowissen ... DB
Du wirst lachen – ganz viel durch meine zwölfjährige Tochter. Die hält mich auf dem Laufenden, was bei Kids gerade angesagt ist.
Nein. Ich schaue mich um, aber mehr, um breitere kulturelle Trends aufzugreifen, nicht, um Clubkonzepte zu imitieren. Gibt es den perfekten Clubraum?
DB
Ehrlich gesagt glaube ich, dass das Design oder die Far bigkeit von Räumen überschätzt wird, zumindest im Clubbereich. Wichtig ist, dass der Gast sich wohlfühlt. Dafür müssen die Musik und die Atmosphäre und das Team vor Ort stimmen.
Vermisst du die Arbeit als Rechtsanwalt? DB
Ein bisschen was mache ich ja noch. Ich arbeite im Be reich Mediation. Die klassische, forensische Juristerei mit ihrer Konfliktorientierung nervt mich aber eher. Ich finde, man muss sich nicht streiten. Ich sehe meine Auf gabe als Jurist darin, Streit zu beenden und ihn nicht zu forcieren.
Du musst verstehen, wie Menschen sich darstellen wollen –und, allgemeiner, wie sie ticken.
Kannst du als Gastronom etwas vom Rechtswesen lernen? DB
Ja. Es geht in beiden Bereichen immer um Eitelkeiten. Du musst verstehen, wie Menschen sich darstellen wollen – und, allgemeiner, wie sie ticken. Und das macht erfolgreiche Discos aus?
DB
Auch, aber nicht nur. Am wichtigsten ist ein Gefühl für den Zeitgeist. Du musst global herumgucken und schnell mit kriegen, wenn sich ein neuer Trend entwickelt. Clubs funk tionieren heute ja nicht isoliert, sondern sind abhängig von der Welt da draußen. Und Trends wechseln heute schneller als noch vor zehn, 20 Jahren, gerade in der Musik.
Heißt das, es ist egal, wie ein Club aufgebaut wird? DB
Zum Beispiel? DB
In den vergangenen Jahren wurde die schwarze Musik immer stärker: Hip-Hop, R&B. Aber kommerzieller House kommt gerade wieder. Und Pop wird immer ein Thema bleiben, gerade für Frauen. Klingt kundig. Wie bleibst du, was neue Musikströmungen bei ganz jungen Leuten anbelangt, up to date?
Nein, es gibt bestimmte Grundregeln. Am Ende reüssiert das Arenenprinzip der Römer: Die Arena kommt in die Mitte. Drumherum stehen Schaulustige, in der Arena kämpfen die Gladiatoren. Also: Tanzfläche ins Zentrum. Eine zweite oder dritte Ebene kann, muss aber nicht sein. Das heißt, viele Gastronomen legen zu viel Wert auf eine ausgefeilte Architektur?
DB
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Zumindest ist ihnen der visuelle Effekt zu wichtig.
S.41
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Die angesagtesten Drinks im GastroKosmos des Dirk Budach 1. Wodka Red Bull. Die Wodkaindustrie sollte Red Bull ständig danken 2. Bier. Der Evergreen 3. Champagner. Wird immer populärer
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Das Arenenprinzip n Vorbild Frei nach dem römische g die flu cht Na befindet sich im . tte Mi r Tanzfläche in de
Dirk Budachs Lieblingsdrinks 1. Kein Drink. Ich trinke tatsächlich nur selten 2. Gin Tonic 3. Champagner Rosé
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ob ein Laden cool und angesagt ist, entscheidet final doch der Gast und nicht dessen Macher.
Wir hatten auch eine Phase, in der wir gedacht haben, dass Architektur und Style im Vordergrund stehen müs sen, und haben unter anderem mit weiß gekachelten Räumen gearbeitet. Das hat die Gäste aber eher an Kran kenhäuser oder Galerien erinnert. Beides nicht cool.
DB
Könntest du überall in Köln Erfolg haben? DB
Sicher nicht. Es gibt Viertel oder Richtungen, in denen ich kläglich versagen würde. Wir können gehoben kom merziell und da fühlen wir uns auch zu Hause.
Das sind natürlich Forderungen an andere. Was macht ihr denn selbst für mehr Sicherheit? DB
Auf eurer Website schreibt ihr, Discos hätten heute einen faden Beige schmack. Was meint ihr damit? DB
Schau doch in die Presse: Discotheken werden meist negativ besprochen. Es geht immer um Drogen, Prostitu tion, Schlägereien oder Rocker, die über den Ring fahren. Das gibt es natürlich auch alles, aber nicht nur. Die jähr lich Millionen zufriedener und friedlicher Gäste sind jedoch keine Schlagzeile. Du selber hast eine Sicherheitsinitiative unter Gastronomen am Kölner Innenstadtring gestartet. Eine Imagekampagne im eigenen Interesse?
DB
DB
Das glaube ich nicht, eher besser. Hier funktioniert der Überwachungsstaat – und das meine ich an dieser Stelle mal absolut positiv. Gerade Schwerkriminalität ist heute besser überwachbar. In dieser Richtung müssen wir weiterarbeiten. Ich plädiere deshalb auch für Polizisten als Türsteher.
Zum Beispiel achten wir bei der Auswahl des Sicher heitsdienstleisters auf absolute Transparenz der Mit arbeiter. Wir haben uns rechtlich verpflichtet, unsere Türsteher zu melden. Sie müssen ein Führungs- und IHK-Zeugnis vorlegen. Wir haben uns des Weiteren verpflichtet, einen Türsteher nicht mehr zu beschäfti gen, sobald er straffällig wird. Das macht das Nachtleben sicher. Eine andere Frage ist natürlich, ob man die Aura um einen Begriff wie „Disco“ wiederbeleben kann. Man denkt da eben an die 1970er und John Travolta. Als cool gelten heute aber andere Konzepte wie Clubs oder Musikbars.
DB
Ich will damit ein wenig meinem Selbstverständnis als sozialer Unternehmer nachkommen. Wir haben in dieser Ordnungspartnerschaft die Polizei, die Ordnungsbehörde und Ring-Gastronomen an einen Tisch geholt. Wir setzen uns für eine höhere Polizeipräsenz und mehr Transparenz, etwa durch Bildüberwachung, ein. Die Eltern schicken uns ja letztlich ihre Kinder. Wir wollen, dass sie zumindest relativ ruhig schlafen können. Ist die Kriminalität im Nachtleben schlimmer geworden in den letzten Jahren?
Ja, aber dies ist aus nachvollziehbaren gesetzlichen Gründen nicht möglich. Früher war das übrigens mög lich. Aber es gibt noch andere Wege für mehr Sicher heit. Ich sähe zum Beispiel gern eine Polizeiwache auf dem Ring.
Ach, das ist doch alles nur Name-Dropping. Das Flamingo Royal nannte sich, bevor wir dort eingestiegen sind, in seiner Subline „Boutique Club“. What a Quatsch! Klar sind die glamourösen Discozeiten der Achtziger vorbei. Aber ob ein Laden cool und angesagt ist, entscheidet final doch der Gast und nicht dessen Macher. (In dem Moment klingelt sein Handy). Oha, die Dominanz des Handys. Ist das auch ein Faktor, der euch zu schaffen macht? Dass die Leute zu sehr durch ihre Smartphones abgelenkt sind, um überhaupt noch richtig zu feiern?
DB
Das mag es geben, aber nicht so sehr bei uns. Unsere Läden hier in Köln haben so dicke Wände, dass du da eh oft keinen Empfang hast (lacht). Wenn man dich so reden hört, spürt man, dass die Stadt Köln dir am Herzen liegt. Bist du ein Lokalpatriot?
DB
Hast du das in eurer Initiative vorgeschlagen? 41
Irgendwie schon. Köln ist eine Superstadt für Musikun ternehmer. Hier gibt es innovative Bands und Musiker und echt gute Clubs. Als Neubewohner wie als Unterneh mer findest du schnell Anschluss. Aber hier findet im
Clubbereich auch kein Söldnertum der Gäste statt wie in anderen Städten. Kölner Clubs leben recht lange. Liegt das auch an den Besuchern? Sind die Kölner treuer als die Berliner? DB
Ein Club ist der Mikrokosmos der Gesellschaft.
Ja, ich glaube schon. Der Kölner ist im positiven Sinne ein bisschen spießig. Das musst du als Betreiber wissen. Der Club muss nicht auf dem neuesten Styleniveau sein, selbst Hässlichkeit tolerieren die Kölner, wenn der Club Herz und Seele hat. Aber wenn du etwas an der Optik änderst, kann es schon gut sein, dass du damit den Köl ner verschreckst. Allem positiven Spießertum zum Trotz wirkt Köln auf mich groß städtischer als etwa München. Und das, obwohl München größer ist.
DB
Das stimmt. Dafür habt ihr die Berge und den FC Bay ern (lacht). Und international? Welche Städte inspirieren dich?
DB
Paris und Rom. Da fahre ich viel rüber und schaue ganz genau hin, was sich da tut. Das Stadtleben und die Kunst dort inspirieren mich. Clubmachen heißt, Impressionen auf der Straße zu suchen, die Men schen, die Street-Art, die Mode aufzugreifen. Ein Club ist der Mikrokosmos der Gesellschaft.
Kontrolliert ihr denn eure Gäste? DB
Ist es heute schwerer oder leichter als früher, im Clubgeschäft Erfolg zu haben? DB
Schwerer. Früher gab es erstens weniger Clubs und zwei tens weniger behördliche Auflagen. Viele Clubs existie ren nur noch durch den Bestandsschutz. Würde man heute versuchen, diese Clubs neu zu bauen, wäre dies unbezahlbar, wenn es überhaupt gestattet würde. Man darf nur noch sehr wenig. Die Städte wollen in den Zent ren eigentlich keine Discos mehr konzessionieren.
Lass uns noch über die Zukunft sprechen. Was sind deine nächsten Pläne? DB
Dabei redet die Politik doch immer darüber, die Innenstädte zu beleben. DB
Aber anders. Man will nette Fußgängerzonen, kein Nachtleben. Letzteres bedeutet immer Probleme. Und klar, am Morgen danach sehen die großen Ausgehmei len in Deutschland ja auch nicht so schön aus. Der Club, Keimzelle für Bierleichen?
DB
So wird es gesehen. Dabei sind wir nicht wirklich das Problem. Sondern eine ganz andere Entwicklung, die ich für grausam halte: jene hin zu immer mehr Kiosken und Supermärkten, die bis in die Nacht Alkohol verkaufen. Die sind so billig, dass insbesondere die jungen Gäste sich da schnell vor dem Discobesuch ihren Alkohol kau fen, um „Vorzuglühen“. Dann kommen sie bereits stark angetrunken an unseren Betrieben an, wo wir ihnen dann natürlich den Eintritt verwehren. So hemmungslos wür den sie sich gar nicht bei uns betrinken können, denn dafür haben sie in den meisten Fällen gar nicht das Geld.
In einem Wort: Ibiza. Wir sind an einem neuen Hotelpro jekt beteiligt, dem 7Pines, in der Cala Codolar. Das wird definitiv der neue Hotspot, ein 5-Sterne-Hotelresort, in dem wir den Club- und Beachbereich gestalten und be treiben werden. Zielgruppe sind die Ü-30-Besucher, all diejenigen, die Ibiza und all die legendären Clubs wie das Pacha, Amnesia, Blue Marlin und Ushuaïa kennen, aber das noch Exklusivere, Speziellere suchen. Alleine der Sonnenuntergang im 7Pines ist so spektakulär, dass man ihn nicht verpassen darf. Wird es DJs geben?
DB
Ja, wir werden täglichen Clubbetrieb inklusive Live-DJ haben. Aber wir denken nicht an David Guetta & Co. Kleiner und feiner wird es?
DB
Das klingt zu wertend. Was Guetta und Co. machen, ist Champions League. Wir denken nicht ganz so groß, aber sind uns definitiv des musikalischen Anspruchs der Insel mehr als bewusst. Come and see :-). Kommt auch in Deutschland etwas Neues?
DB
Eure Forderung? DB
Man kann nicht jeden Gast kontrollieren, aber wir haben verschärfte Ausweiskontrollen im Eingangsbereich und die Stadt Köln attestiert uns hier eine Vorbildposition.
Ich finde, man sollte den Alkoholausschank an Kiosken und in Supermärkten ab 19 Uhr verbieten. Und da geht es mir nicht um einen unliebsamen Wettbewerb, sondern wirklich um den Jugendschutz. Ich behaupte, 80 Prozent der Kioske und auch viele Supermärkte fragen nicht nach einem Ausweis. 42
Ja. Mich beschäftigt schon länger die Idee eines nicht urbanen Hotspots. Früher war das mal Sylt. Wir arbeiten an einem neuen Resort am Fleesensee zwischen Berlin und Hamburg mit. Wir wollen dort eine spannende neue Location entwickeln, die den Ansprüchen Ibizas nahekommt. Denn Deutschland braucht dringend einen neuen „Place2B“ und eine neue Oase, die allen internationalen Ansprüchen gerecht wird.
11 FRAG EN AN
Ayhan Durak ist Inhaber des Trend-Clubs Heart und des Lenbachs & Söhne in München. Zudem betrieb er bis 2011 den legendären Münchner Club Baby!.
Ayhan Durak
Clubbetreiber, München 01
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Dein Erfolgsgeheimnis?
Schlimmster Fehler eines Managers?
Sehr wichtig finde ich es, mich nie zu voreiligen Entscheidungen hinreißen zu lassen, sondern immer erst einmal darüber zu schlafen. Sowohl meine Intuition als auch eine rein sachliche Bewertung der Sache führen zu meiner endgültigen Entscheidung.
Unzuverlässigkeit und wenn man keine klare Linie verfolgt, die auf Qualität und Nachhaltigkeit basiert. Das beinhaltet auch, wie man mit seinem Umfeld umgeht.
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Inspirierendste Persönlichkeit der Gastroszene?
Das spannendste Nachtleben der Welt findet man in ...
In der Gastronomie bewundere ich den Mut und das Engagement von Wolfgang Nöth. Der Gründer des Kunstpark Osts war in den 90ern für große Veränderungen und Vielfalt im Münchner Nachtleben verantwortlich.
In der heutigen globalen Zeit ist die Auswahl und das Angebot überall ähnlich. Meine Highlights waren jedoch Hongkong und Istanbul.
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Dein Rückzugsort?
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Ich liebe es, in das Dorf zu reisen, aus dem ich stamme. Ein 1.000-Mann-Dorf, das mit Natur und Tieren im Einklang ist. Da hole ich meine Eier noch direkt von den Hühnern. Da komme ich runter, und es erdet mich; das totale Kontrastprogramm zu dem, was ich wöchentlich hier erlebe.
Inspirierendste Persönlichkeit außerhalb der Gastroszene?
Bastian Schweinsteiger: Basti ist für mich eine große Inspiration und Bereicherung für die Stadt Mün chen. Es ist bemerkenswert, mit welchem Ehrgeiz er, trotz der vielen Rückschläge insbesondere nach dem Finale dahoam, zurückkam und doch Champion wurde. Und: Trotz seiner Erfolge und Popularität ist er auf dem Boden geblieben und sozial engagiert.
10 Dein Traumprojekt?
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Da ich natürlich ein türkischer Bürger bin und Istanbul liebe, würde ich sehr gerne in Istanbul oder am Strand an der Ägäis was aufbauen. Ein schönes Restaurant mit Bar in Istanbul oder ein Boutiquehotel mit Beachclub am Meer wären großartig.
Wein oder Bier?
Ganz klar Wein. 05 Pop oder Hip-Hop?
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Pop. Hat mehr Bandbreite und spricht mich mehr an.
Dein nächstes Projekt?
Da sind wir mittendrin. Ab Herbst 2015 wird unser Heart zu Hearthouse. Weitere Räume auf zwei Stockwerke verteilt mit diversen Konzepten kom men hinzu. Die Besonderheit: Wir werden der erste Membersclub in München sein.
Foto: DNA Gastronomie GmbH
06 Wichtigste Tugend als Manager?
Geduld und Gradlinigkeit. Ich gehe sehr positiv und unvoreingenommen an die Sachen ran.
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