Gartenstory März 2015

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Gartenbesuch

Marlene, die Gärtnerin

mit sanfter hand

Heute besuchen wir Marlene Pusinelli im schwäbischen Siebenbrunn. Ihre Garten-Philosophie: bloß nichts übertreiben, bloß keine gewollte Kunst. Hier erwacht der Frühling wohltuend entspannt. Text: STEPHANIE LAHRTZ Fotos: Nicole Lautner

Der erste Eindruck: weitläufig, wohltuend ungekünstelt. Am Haus rankt Waldrebe, rechts ein Winterschneeball, dazwischen der schlichte Zugang. Freier Blick über die Wiese bis hinüber zur Skulptur – einem Steinbock. Links: Blausternchen schimmern in der Frühlingssonne, sie blühen bis April.

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So natürlich, so schön. Eine heitere gelbe Frühlingsgesellschaft, leuchtende Narzissen, locker eingerahmt von wackeren Anemonen. Unten: Vicki, helles Fell, rabenschwarze Augen, Mischling, schaut, was im Garten los ist.

E

in lichtes Auenwäldchen, murmelnde Bachläufe, eine Handvoll verstreuter Felder und mittendrin Marlene Pusinellis Reich, das ist Siebenbrunn. „Hier im Auengebiet des Lech befanden sich früher sieben Trinkwasserbrunnen für Augsburg. Und die gibt es noch immer.“ Da es auch heute noch Wasserschutzge­ biet ist, dürfen weder Gifte oder Kunstdün­ ger noch belastende Substanzen im Garten verwendet werden. „Aber das würde ich so­ wieso nicht hernehmen. Wenn eine Pflanze bei mir nur mit Chemie überleben könnte, dann würde ich sie gar nicht haben wollen.“ Ihre Philosophie: „Ein Garten soll für mich die Ausgewogenheit des Lebens zei­ gen, nicht gewollte Kunst sein.“ Auf der Wiese leuchten Narzissenbü­ schel. Sanft wiegen sie ihre zartgelben oder weißen Köpfe in der noch kühlen Frühlings­ brise. Oder die kleinen Inseln aus blauen Traubenhyazinthen. Und ganz besonders die Kissen mit weißen, rosa oder hellviolet­ ten zarten Blütenglöckchen der Frühlings­ anemonen, sie künden alle vom Neubeginn. „Das sind meine Waldvögelein“, sagt Marlene. „Ich nenne sie so. Denn diese Blu­ men sind mir aus dem nahen Auenwald ➻

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60 cm für die Kaiserkrone Die Kaiserkrone aus der Familie der Lilien ist wählerisch. Marlene Pusinelli: „Sie benötigt sehr luft- und wasserdurchlässigen Boden. Sie stammt aus dem Orient, fühlt sich in Lehm oder schwerem Boden gar nicht wohl.“ Um sie gesund zu erhalten, muss die Gärtnerin sie vereinzeln. Nach der Blüte die großen Wurzelknollen ausgraben und vorsichtig teilen. „Ich mach das schon, wenn drei Pflanzen nebeneinander entstanden sind. Die drücken sonst die Wurzelknollen zusammen, beschädigen sich gegenseitig.“ Dann werden die Kindle in der großen Wiese an einem sehr sonnigen Platz eingesetzt. „Bitte tief graben, sie müssen 60 cm tief im Boden stehen, sonst verkümmern sie.“ Blüte­zeit bis Mai; Höhe: 50 cm bis 1,5 m.

Krokusse, buttrig gelb, ihre Botschaft: Freut euch, die Sonne kommt näher. Oben: verspielt, ganz eigen, die Korkenzieherhasel. Zu ihren Füßen die Kaiserkronen, sie entfalten neues Leben. Links: bezugsfertig mit Stiege – ein hängendes Häuschen.

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Sie lehnt sich zurück, sie lächelt zufrieden. Marlene Pusinelli auf ihrem Lieblingsplatz im Garten. Philosophie: Ein Garten soll bei ihr ausgewogen, „nicht gewollte Kunst“ sein. Rechts: Sumpfdotterblumen und gefiederte Frühlingsgefühle im Teich.

Die violetten Küchenschellen zeigen aller Welt, wie schön sie sind. Hallo Bienen, wo seid ihr? Oben: Idylle rund ums Haus, frische Pfingstrosentriebe mitten im Narzissenfeld. Links davon: Kaminholz, die Holzbank vor der hellen Mauer, die sanft die Sonnenstrahlen reflektiert.

einfach so zugeflogen.“ Am Teich leuchten uns dicke Kissen aus satt­gelbem Schar­ bockskraut und Sumpfdotterblumen entge­ gen. Sie haben gerne feuchte Füße und wurzeln daher im seichten Teichrand. Der Teich wird vom Brunnenbach ge­ speist. „Der kommt auch aus dem Wald. Er hält das ganze Jahr eine gleichbleibende Temperatur, immer so um die 14 Grad. Das hat gleich zwei Vorteile für mich: Im heißen Sommer gibt es erfrischende Kühlung bis hin zur nahen Bank unter der Birke, einem meiner Lieblingsplätze. Im Winter friert er nie zu, ich kann also zu jeder Jahreszeit das fröhliche Plätschern genießen.“

der Pusinelli-Garten in Siebenbrunn O

Garage N

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Wohnhaus W

Staudeninsel

Beerengarten Gewächshaus

schönheit, die man fühlen kann

Forsythie Gartenhäuschen

Teich

alter Ahorn illustration: julia lammers

Vom Bänkchen aus kann man nicht nur den Teich mit seiner kleinen Insel, die Wiese und die Erlen- und die Pappelgruppe da­hinter gut überblicken. Man sieht auch die über und über mit ihren kleinen gelben Blüten geschmückte Forsythie im hinteren Garten, dem „wilden“ Teil. Und man sieht das fri­ sche Grün der Birken und Weiden. Und den blauen Teppich aus Sternchenblumen. „Hier pflege ich eigentlich nichts mehr, das ist für mich wie eine Waldlichtung. Es blüht, was kommt.“ Es ist wunderhübsch, und dann noch diese Zugaben: das vielstimmige Vo­ gelgezwitscher, das Murmeln des Brunnen­ bachs, die Sonnenstrahlen, die angenehm übers Gesicht streicheln. Jetzt einfach nur die Augen schließen, zuhören, fühlen. Wir öffnen die Augen und sehen eine gelbe Kaiserkrone. „Das sind meine Stin­ ker“, erklärt die Gärtnerin lächelnd. „Vor

wilder Gartenteil Brunnenbach

Brunnen Bank unter Birke

kleines Haus

vielen Jahren habe ich mal ein paar davon in die Wiese gesetzt, seitdem wandern sie. Man hatte mir gesagt, die würden Wühl­ mäuse vertreiben. Ob das wirklich stimmt? Egal, ich liebe die Blütengehänge.“ Nur den Geruch, nicht sehr angenehm, den schätzt sie nicht. Auch in den Beeten rund ums Haus ist schon das neue Leben erwacht. Pfingst­ rosen strecken ihre jetzt noch rötlichen Spitzen durch die Erde. Mohnstauden und die noch geschlossenen Blätterbündel der Fetten Hennen stoßen daneben ans Licht. Um die Füße der Rankhilfen aus Holz oder Schmiedeeisen schlängeln sich erste Triebe von Clematis und Rosen. Und in den son­ nenverwöhnten Blumeninseln in der Wiese tragen die Rosenbüsche schon ganz kleine sanftgrüne Blättchen. Hier suchen sogar schon die allerersten, besonders vorwitzigen Bienchen Nahrung: Sie tanzen von Gänseblümchen zu Schlüs­ selblume und zu Primeln und wieder zu­ rück. Sicher ist was Leckeres für sie dabei. Bevor wir gehen, will uns Marlene Pusi­ nelli noch ein für sie besonders wichtiges Fleckchen zeigen, die Steinbocknische. Vor dunklen, aufragenden Eiben steht ein gut einen halben Meter hoher Steinbock aus Muschelkalk. „Mein verstorbener Mann war Steinbock. Und ein begeisterter Bergsteiger. Als Erinnerung an ihn hat mir ein Künstler das Tier geschaffen, hier für den Garten. Denn eigentlich wollte vor allem mein Mann schon immer einen großen Garten.“ Marlene Pusinelli lächelt wehmütig. „Ich bin ihm dankbar für diesen Wunsch.“ 3

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