Max Schlup. Architekt_Leseprobe

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Max Schlup Architekt architecte

Herausgegeben von / publié par : Architekturforum Biel / Forum de l’architecture de Bienne Stadt Biel, Baudirektion, Abteilung Hochbau /  Ville de Bienne, Département des constructions, Direction des travaux publics Berner Heimatschutz, Regionalgruppe Biel-Seeland / Ligue bernoise de patrimoine, groupe régional de Bienne-Seeland BSA Ortsgruppe Bern / FAS section Berne SIA Regionalgruppe Biel / SIA groupe régional Bienne-Jura

mit Texten von / avec des textes de : Franz Füeg Jürg Graser Christian Penzel Christoph Schläppi Martin Tschanz

Niggli


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Inhalt 6 Einleitung (→ Franz Füeg) 16

Notizen zu Leben und Werk (→ Jürg Graser)

10 Bauten 32 Wohnhaus Lüthi, Biel 48 Umbau Konfektionsgeschäft Naty, Biel 60 Kirchgemeindehaus Farel, Biel 80 Wohnhaus Schlup, Biel Befreites Wohnen über dem Bielersee (→ Jürg Graser) 116 Primarschule Champagne, Biel Das Schulhaus als städtisches Haus (→ Martin Tschanz) 152 Kongresshaus und Hallenbad, Biel Fügung, Folgen und Kunstgriffe (→ Christian Penzel) 210 Schulgebäude Eidgenössische Turn- und Sportschule, Magglingen 230 Wohnheim Mutter und Kind, Biel 244 Gross-Sporthalle End der Welt, Magglingen Anmut im Understatement (→ Christoph Schläppi) 278 Gymnasium Strandboden, Biel 310 Im Gespräch mit Max Schlup (→ Martin Tschanz) Konstruktion interessiert mich schon … 338

Werkverzeichnis

← Max Schlup (links) mit den Mitarbeitern Teddy Schwander und Roland Hirt über dem Arbeitsmodell des Farelhauses /  Max Schlup (à gauche) avec ses collaborateurs Teddy Schwander et Roland Hirt autour de la maquette d’étude de la Maison Farel


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Table de matière 12 Introduction (→ Franz Füeg) 24

Considérations sur la vie et l’œuvre

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10 Constructions Maison Lüthi, Bienne Transformation du magasin Naty, Bienne Maison paroissiale Farel, Bienne Maison Schlup, Bienne Une habitation libérée au-dessus du lac de Bienne (→ Jürg Graser) Ecole primaire de la Champagne, Bienne L’école comme édifice public (→ Martin Tschanz) Palais des congrès et piscine, Bienne disposition, enchaînements et stratagèmes (→ Christian Penzel) Bâtiment principal de l’Ecole fédérale de gymnastique et de sport, Macolin Immeuble d’habitation Mère et Enfant, Bienne Grande salle de sport de la Fin du Monde, Macolin La grâce en toute modestie (→ Christoph Schläppi) Gymnase du Pré de la Rive, Bienne

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(→ Jürg Graser)

Une conversation avec Max Schlup (→ Martin Tschanz) La construction m’intéresse vraiment … 338

Catalogue des œuvres


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Was man wissen und können muss Ce qu’il faut savoir et pouvoir (→ page 12)

→ Franz Füeg Lehre als Bauzeichner bei Hans Bracher in Solothurn; eigenes Büro seit 1953; Aufnahme in den BSA 1957, in dessen Ortsgruppe Bern erfolgte die Bekanntschaft mit Max Schlup; Redaktor von Bauen + Wohnen 1958 –1961 und einzelner Ausgaben in den folgenden Jahren; Ehrenmitglied des Bundes Deutscher Architekten; Gastprofessuren unter anderem in Paris und Wien; Professor für Architektur an der ETH Lausanne 1970 –1987; Dr. h.  c. der ETH Zürich 2006 Apprentissage de dessinateur chez Hans Bracher à Soleure, propre bureau depuis 1953, admission à la FAS en 1957 où il fait la connaissance de Max Schlup au sein de la section bernoise ; rédacteur de Bauen + Wohnen 1958 –1961 et ultérieurement de quelques numéros particuliers ; membre d’honneur du Bund Deutscher Architekten ; professeur invité entre autre à Paris et à Vienne ; professeur d’architecture à l’EPFL 1970 –1987 ; Dr. h. c. de l’EPFZ 2006


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Einleitung / Introduction

Max Schlup hat gelernt, was man wissen und können muss, um ein Haus zu bauen und damit Architektur zu schaffen. Das war zu der Zeit, als der Maurer die Wände meist mit Backsteinen gemauert hat, der Dachstuhl vom Zimmermann aufgerichtet und vom Dachdecker mit Ziegeln gedeckt wurde. Hat der Stahl für die Armierungseisen gefehlt, dann unterblieb der Bau der Betondecken und die Baustelle musste ruhen. Es war Krieg. Mit dem Frieden begann eine damals noch nicht zu erahnende neue Zeit. Am bescheidenen Anfang stand ein winziger Kühlschrank in der Küche. Mit dem Geld der Alters- und Hinterbliebenenversicherung, konnten ständig mehr Witwen darauf verzichten, Zimmer an die Jungen zu vermieten. Diese mussten sich eine Wohnung suchen. Der Nachbar baute sich eine kleine Werkstatt. Dann schon bald die zweite. Und unversehens hatte er beide durch eine Fabrik ersetzt. Wie die Einheimischen verlangten auch die jungen Menschen aus Kalabrien und Sizilien nach einer Unterkunft. An jedem neuen Tag fuhren mehr VW-Käfer auf den Strassen. Und immer stärker regte sich der Stolz der Gemeindeväter, ihren Nachkommen ein neues Schulhaus zu bauen. So und ähnlich ist es gewesen am Beginn des neuen Friedens. Erfahrungen aus dem technischen Arsenal des Krieges und neue Produkte aus der Forschung und der technischen Entwicklung setzen einen Wandel des Bauens in Gang. Wer also wissen wollte, wie jetzt ein Haus gebaut und damit Architektur geschaffen werden könnte, musste den Wandel mit Neugier und ebenso mit kritischem und praktischem Verstand verfolgen. Schulhäuser und Fabriken werden ständig grösser und verändern beinah über Nacht Orte und Landschaft. Wie von den technischen Neuerungen lässt sich Max Schlup auch von dieser Dimension des Bauens herausfordern. Und bald verwandelt er beides in das Ganze seiner Werke. Auf dem Höhepunkt wird er die Landschaft in die Bauwerke modellieren und die Bauwerke mit Formen und Farben dergestalt in die Landschaft einbinden, dass sie oft kleiner erscheinen, als sie wirklich sind. Aber zunächst war es das Angebot des Baumarkts, das den Architekten manche Lösungen in die Hände gab, an die vorher nicht zu denken war. Im Verlauf der Jahre zeigte sich, welche Neuerungen Max Schlup mit besonderem Interesse aufgenommen hat und welchen er sich verschloss. Wo ihm das inzwischen herkömmlich gewordene Angebot nicht genügte, entwickelte er mit den Spezialisten neue Produkte und neue Lösungen alter Probleme, und er lässt nach Maschinen suchen, die fähig sind, das Wünschbare zu produzieren. Eine Besonderheit in Max Schlups Werk werden jetzt grossflächige Gläser. Ich kenne, jedenfalls in europäischen Regionen, kein Werkverzeichnis von Bauten, in denen Gläser von so grossem Format in derart grosser Zahl eingebaut sind. Die grossen Glasflächen wirken, weil sie sprossenlos sind, unscheinbar. Dieses Unscheinbare lässt dem Auge das Innere eines Hauses beinahe übergangslos mit dem Aussen verbinden. Oder anders: Das grosse und sprossenlose Glas lässt das räumliche Verbinden von Innen und Aussen, genauer vom Dunkeln zum Hellen aufscheinen. Diese Wirkung könnte der Anlass zu einem der Gedankenspiele sein, die Max Schlup beim Suchen nach Lösungen begleiten. Denn nun geschieht oft, dass bedeutende Elemente seiner Architektur wie unbedeutend, unscheinbar werden und das Unscheinbare sich zugleich mit der Sensation einer gegensätzlichen Wirkung verbindet.


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Mit neuen Bautechniken hat sich auch eine andere Vorstellung entwickelt, wie Räume aussehen können, nämlich als etwas, das sich nicht bloss durch seine Abschlüsse bestimmt, sondern auch durch seine Öffnungen, die den einen Raum in einen anderen übergehen lassen. Zwar macht dieses Phänomen schon die europäische Stadt des Mittelalters und Projekte der russischen Revolutionsarchitektur zu Prototypen fliessender Räume. Nun aber geben eben Glas, aber auch Apparaturen, die Luft- und Wärmeströme steuern, den Antrieb, sich fliessende Räume auch im Inneren der Häuser und ihre Verbindung mit der Aussenwelt vorzustellen. Etwa ein Jahrzehnt nachdem Max Schlup sein Büro eröffnet hat, zeigen sich in seinen Häusern und in der Landschaft dieser Häuser Raumfolgen von unterschiedlicher Spielart. Daran haben nicht nur die grossen Glasflächen einen wichtigen Anteil, sondern auch besondere Raumkombinationen. Eindrücklich ist die Anordnung von zwei übereinander liegenden und niedrigen Geschossen, die beide mit einem dritten und doppelt so hohen Raum verbunden sind, der durch seine Höhe auch die beiden niedrigen Geschosse räumlich verbindet. Mit einfachen Mitteln ist damit eine ungewöhnliche Raumfolge geschaffen. Vielleicht hat aber Max Schlup entdeckt, dass Reichtum, wenn er wuchert, auch irritieren kann. Jedenfalls setzte er diese raffinierte Raumkomposition nach dem Bau des Kongresshauses nur noch zurückhaltend ein. Dieses Kongresshaus ist eine elementare Raumkomposition. Die Räume sind den Augen sichtbar verbunden. Und dort, wo die Ohren durch Geräusche und Töne gestört werden, sind sie durch Gläser getrennt. Bertil Galland hat die Komposition als «mariage de l’eau et de la musique» bezeichnet.1 Und zugleich auch als «monstre», ein Eindruck, den die ungemein vielen Funktionen erzeugen, «un centre tout à la fois social, administratif, sportif, gastronomique, touristique et culturel, dont le coeur – le foyer – est toujours ouvert». Zum Eindruck des monstre gehört auch die skulpturale Form des Hochhauses. Da ist der kräftige und gewaltig in die Höhe strebende Rahmen, der aber nur die eine Hälfte des gesamten Volumens umfasst. Da sind die beiden quadratisch geteilten und feingliedrig wirkenden Flächen, dem kräftigen Rahmen gegenüber etwas vorgeschoben und auf Stützen einem zweigeschossigen Unterbau aufgesetzt. Die Gliederung dieser quadratischen Flächen unterscheidet weder Decken noch Brüstungen und Fenster. Die Grösse der gesamten Geste mag auf Le Corbusier oder Niemeyer hinweisen, nicht aber auf deren lateinisches Flair. Die Architekturtheorie jedenfalls hat keine verbindlichen Elemente, um le monstre in der Sammlung ihrer Ismen unterzubringen (eine Annahme des Autors, und von Max Schlup wahrscheinlich mit Schmunzeln quittiert). Im Jahr der Eröffnung, 1966, hat René Fell prophezeit: «Dans cinquante ans, nos descendants nous féliciteront d’avoir osé cette folie».2 Einer völlig anderen Raumkomposition begegnet der Besucher der Gymnasiumsbauten am See. Seitdem Biel besteht, sind sich See und Stadt nie wirklich nahe gekommen. Eine starke Verbindung ist erst entstanden, als Max Schlup den Zugang zu den vier Gebäuden des Gymnasiums zugleich als Allee zum Ufer geschaffen hat. Diese Anordnung präsentiert 1 – Feuille d’Avis de Lausanne, 30. Juni 1967, Seite 54. 2 – René Fell, «Le Palais des Congrès», in: Neues Bieler Jahrbuch, 1966, Seiten 73 –78.


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Einleitung / Introduction

sich derart natürlich, dass sie nicht als eine der tatsächlich meisterhaften Lösungen wahrgenommen wird. Dieses gilt auch für die Art und Weise, wie die Gebäude den Aussenräumen und der gesamten Parklandschaft gespannt und locker zugeordnet sind. In jenen Jahren, als das Gymnasium gebaut wurde, ist weltweit nur wenig Vergleichbares entstanden, bei dem sich Intelligenz und Anmut gleicherweise verbinden. Wer seine Augen dem Genuss eines weiteren Stücks Architektur von rhythmischer Eleganz und kraftvoller Wirkung aussetzen möchte, tut dies am besten sitzend am Holztisch im CentrePasquArt. Gegenüber, jenseits der Strasse, auf einem schmalen und langen Grundstück, steht der lang gestreckte und auf Stützen gestellte Bau von Mutter und Kind. Ein gebäudelanger Korridor teilt die oberen Geschosse in zwei Hälften. Das Raumkonzept machte es relativ einfach, die veränderten Ansprüche einzupassen, als das Haus für ledige Mütter zu einem Kinderhort umgestaltet wurde. Geht man die Tessenbergstrasse hoch, dann kommt man zwischen einer sechzig Zentimeter hohen Bruchsteinmauer und einem hohen und dennoch kaum wahrnehmbaren Betonkubus zum Eingang eines parcours spatial. Diesem gehört meine ganze Bewunderung. Ein schmaler Weg zwischen den Kronen eines Laubwaldes an steilem Hang zur Linken und niedrigen und überwachsenen Bruchsteinmauern bergseits führt auf ein scheinbar kleines graues Haus mit brauner Tür und in einen kleinen, niedrigen und dunkeln Raum. Nach links tritt man dann in helles Licht, wendet sich – an der Küche vorbei – nach rechts, hat vor sich ein breites Stück Wiese, deren Hintergrund eine je nach Jahreszeit hohe Pflanzung und nach rechts, am Hang, eine freistehende geschosshohe Mauer begrenzt. Kaum beachtet auf diesem Weg bleibt zunächst der Wohnraum, unbeachtet ein kleiner Raum mit Fernseher und unbeachtet zunächst auch ein Sitzplatz im Freien. Hat nicht auch Frank Lloyd Wright, mit anderem Aufwand zwar, diese unscheinbaren Eingänge geschaffen, die ins helle Licht des Inneren führen? Und hat nicht Le Corbusier dem Wohnraum seiner Mutter am Genfersee ein ähnliches Raumereignis im Freien vorgelagert? Inzwischen aber ist der kleine Weg an der Tessenbergstrasse durch fremde Eingriffe verändert und sein Raum durch scheinbar unscheinbare Eingriffe zerstört. Sportler kennen die Einrichtungen der Eidgenössischen Sportschule in Magglingen, eingerahmt von Jurawäldern zwischen 800 und 1000 Meter über Meer. Wenigen ist die Architektur der Bauten vertraut. Auffällig auf halber Höhe steht die erste und wohlproportionierte Sporthalle, 1947 nach den Plänen von Werner Schindler und Edy Knupfer sorgsam mit Bruchsteinen und Holzkonstruktionen errichtet; sie erinnert an eine Verbindung von Scheune und Stall. Unauffälliger am Waldrand der Juralandschaft stehen die beiden Hallen von Max Schlup, am unauffälligsten gar die gewaltig grosse Gross-Sporthalle. Sie ist weniger als dreissig Jahre nach der ersten fertig gestellt worden. Wie schafft es Max Schlup, die mächtigen Dimensionen in das beinahe Unscheinbare zu verwandeln? Wieder sind es, wie schon anderswo, das grosse und gleiche Format der Gläser der vier Fassaden, ihre Proportionen und die dünnen Sprossen. Und statt mit einer imposanten Tragkonstruktion die tatsächlich grossen Spannweiten zu demonstrieren, wird sie hier unter den Händen des Architekten und seines Ingenieurs auf eine beinahe filigrane Lösung reduziert. Bedeutsamer noch ist der


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Umgang mit dem Gelände. Der ursprüngliche Hang ist bis auf seine halbe Höhe abgetragen und in eine ausgreifende Plattform verwandelt. Auf dieser steht, dem Auge sichtbar, die Halle, auf halber Höhe also zwischen der weiträumigen grünen Jurawiese mit der roten Laufbahn und der Geländekante des verwitterten Kalkgesteins im Hintergrund mit dem dunkeln Jurawald: eine in allen Teilen monumentale Inszenierung. Aber ein Zugang zur Plattform, der dieser Monumentalität entsprechen würde, fehlt. Die Eingänge finden sich vielmehr am Fuss der Böschung, auf der ursprünglichen Ebene der Wiese also, und zugleich auf der Ebene des Bodens dieser Halle, die zu einem Drittel ins Erdreich versenkt ist. So präsentiert sich die dem Sport geweihte Anlage auf der Juraweide am End der Welt mit allen primären Eigenschaften des Monumentalen – denen aber Max Schlup jeden Zug ins Prätentiöse verwehrt. Eine Störung ist heute zu erkennen: der Rhythmus einzelner Tannen überspielt den Rhythmus der mehr als neunzig Meter langen Ostfassade. Während der Jahre sind die Bäume derart mächtig geworden, dass dieses Zusammenspiel jetzt gestört ist. Drei Tannen verdecken das nördliche Ende der Fassade fast völlig, und zwei oder drei beeinträchtigen ihren Atem auch in der Fassadenmitte. Max Schlup wollte stets Abstand, also Raum zwischen seinen Bauten und den Skulpturen. Es wäre schön, wenn dieser auch zwischen dem Haus und den Bäumen so zurückgegeben wird, wie er ursprünglich bestanden hat.


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10 Bauten 10 Constructions 01 W ohnhaus Lüthi, Biel (→ Seite / page 32) Maison Lüthi, Bienne 02 U mbau Konfektionsgeschäft Naty, Biel (→ Seite / page 48) Transformation du magasin Naty, Bienne 03 K irchgemeindehaus Farel, Biel (→ Seite / page 60) Maison paroissiale Farel, Bienne 04 W ohnhaus Schlup, Biel (→ Seite / page 80) Maison Schlup, Bienne rimarschule Champagne, Biel (→ Seite / page 116) 05 P Ecole primaire de la Champagne, Bienne 06 K ongresshaus und Hallenbad, Biel (→ Seite / page 152) Palais des congrès et piscine, Bienne 07 S chulgebäude Eidgenössische Turn- und Sportschule, Magglingen (→ Seite / page 210) Bâtiment principal de l’Ecole fédérale de gymnastique et de sport, Macolin 08 W ohnheim Mutter und Kind, Biel (→ Seite / page 230) Immeuble d’habitation Mère et Enfant, Bienne 09 G ross-Sporthalle End der Welt, Magglingen (→ Seite / page 244) Grande salle de sport de la Fin du Monde, Macolin 10 G ymnasium Strandboden, Biel (→ Seite / page 278) Gymnase du Pré de la Rive, Bienne

→ Kurztexte von Christoph Schläppi im Dialog mit Lukas Bögli, Jürg Graser, Urs Külling, Olaf Dolfus und Reto Mosimann Brefs textes de Christoph Schläppi en dialogue avec Lukas Bögli, Jürg Graser, Urs Külling, Olaf Dolfus et Reto Mosimann


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04 Wohnhaus Schlup, Biel Maison Schlup, Bienne

Bauherrschaft: Ida und Max Schlup, Ort: Tessenbergstrasse 8, Biel BE, Projekt: 1957, Fertigstellung: 1959 Maître de l’ouvrage : Ida et Max Schlup, Site : 8, route de la Montagne de Diesse, Bienne BE, projet : 1957, Achèvement des travaux : 1959


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Wohnhaus Schlup, Biel / Maison Schlup, Bienne

Das Terrain liegt hoch über dem Seeufer – unmittelbar am Übergang der privilegierten Bauzone von Vingelz zu den Rebbergen des bekannten Weinbaugebiets am Bielersee. In der Wahl des schroffen Geländevorsprungs mit eskapistischem Pathos lag der erste, entscheidende Entwurfsakt. Im Bestreben, Umgebung und Gebäude als Einheit zu verschmelzen, legte Max Schlup einen Parcours über Parzelle und Haus. Diesen hat er mit der Spirale eines Schneckenhauses verglichen, die zuinnerst beim Cheminée endet (Der Weg wurde nachträglich mit einer Aussentreppe kurzgeschlossen). Von innen nach aussen durchgehende Räume und ihre Übergänge prägen die Szenografie. Die Regie der Raumfolgen, Aus- und Durchblicke bedient sich mehrerer Deckendurchbrüche, besonders eindrücklich jener über dem Wohnraum und der Terrasse, der expressiv von einem Baum durchwachsen ist. In vielen Motiven erweist sich das Haus als direkter Abkömmling des Hauses Lüthi, beispielsweise in der Organisation und Staffelung der Geschosse hangabwärts, der seitlichen Loggia an der Südfassade oder dem verglasten Unterbau. Anders hingegen ist die soziale Vision einer Lebensgemeinschaft mit einem modernem Rollenverständnis, die der Architekt dem Raumprogramm zugrunde legte: Der offene Grundriss, die Absenz von Bedienstetenzimmern, die Beschränkung auf ein Treppenhaus sind auf die Bedürfnisse der modernen Kleinfamilie mit autonomen Akteuren zugeschnitten. Der integrale Denkansatz, die Inszenierung der Raumfolgen und Durchblicke, die Reflexion, Reduktion und Exposition der Struktur, die Materialität des Betons, des Glases, der Natursteinböden und des Holzes sowie die emphatische Lektüre des Kontexts zeichnen das Wohnhaus als ein Hauptwerk des Architekten aus. Im Ausdruck ist es weniger als tektonische Einheit, denn als räumliche Matrix zu verstehen. In der geklärten Formensprache und im Spiel mit dem Raum hat Max Schlup seine eigene Sprache gefunden.


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Le terrain domine largement les rives du lac – à la limite entre la zone résidentielle privilégiée de Vigneule et le fameux vignoble du lac de Bienne. Le premier acte de conception décisif réside dans le choix de l’abrupt et spectaculaire ressaut de terrain. Dans un souci de fusionner en une entité la maison et son environnement, Max Schlup a dessiné un parcours englobant la parcelle et la maison. Il a comparé ce dernier à la spirale d’une coquille d’escargot qui s’achève à l’intérieur à la cheminée (Le chemin a par la suite été raccourci par un escalier extérieur). Des espaces continus entre l’intérieur et l’extérieur et leurs transitions caractérisent la mise en scène où les enchaînements spatiaux, des vues traversantes ou vers l’extérieur sont engendrées par plusieurs ouvertures des dalles, notamment celle, particulièrement impressionnante, qui située au-dessus du salon et de la terrasse est traversée de façon expressive par un arbre. Par plusieurs aspects, cette maison descend directement de la maison Lüthi : par exemple par l’organisation et le décalage des étages dans la pente, par la loggia latérale en façade sud ou encore par la partie inférieure vitrée. Tout autre est par contre la transcription sociale d’une vie de couple avec une répartition moderne des rôles que Max Schlup a insufflée au programme : le plan ouvert, l’absence de chambres de service et la cage d’escalier unique répondent précisément aux besoins d’une famille nucléaire moderne constituée de membres autonomes. L’approche globale, une mise en scène des enchaînements spatiaux et des vues traversantes, la réflexion, la réduction et la manifestation de la structure, la matérialité du béton, du verre, des sols en pierre naturelle et du bois, mais aussi la lecture emphatique du contexte font de cette maison une œuvre majeure de l’architecte. Dans l’expression, il s’agit moins d’une unité tectonique que d’une matrice spatiale. C’est dans ce langage formel épuré et ce jeu avec l’espace que Max Schlup a trouvé son propre langage.


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06 Kongresshaus und Hallenbad, Biel Palais des congrès et piscine, Bienne

Bauherrschaft: Einwohnergemeinde Biel, Ort: Zentralstrasse 60, Biel BE, Wettbewerb: 1956, Fertigstellung: 1966 Maître de l’ouvrage : Municipalité de Bienne, Site : 60, rue Centrale, Bienne BE, Concours : 1956, Achèvement des travaux : 1966


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Kongresshaus und Hallenbad, Biel / Palais des congrès et piscine, Bienne

Seit den Dreissigerjahren ist das Terrain des ehemaligen Güterbahnhofs am südlichen Abschnitt der Zentralstrasse ein Entwicklungsgebiet. 1956 packte die Stadt Biel ihren Bedarf für eine Vielfalt öffentlicher Nutzungen in ein Wettbewerbsprogramm. Einzigartig war die Kombination einer Tonhalle mit einem Hallenbad, zu dessen Bau sich die Gemeinde gegenüber der eidgenössischen Turn- und Sportschule verpflichtet hatte. Der lange Prozess bis zur Einweihung 1966 geht auf zahlreiche nachträgliche Programmerweiterungen zurück. Diesen Zusatzansprüchen ist das Heranreifen des gewaltigen Hängedachs zu verdanken, welches das Aufeinandertreffen der so unterschiedlichen Nutzungen in eine wahrzeichenhafte Grossform packt. Bereits im Wettbewerb hatte Max Schlup eine Komposition von Hauptbaukörper und Turm vorgeschlagen, welche auf sakrale, aber auch zeitgenössische öffentliche Bauten wie den UN-Hauptsitz in New York Bezug nahm. Dem realisierten Gebäude wohnt die Ambivalenz des Solitärs inne, der gleichzeitig die bestehende Randbebauung und die straffen städtischen Alignements respektiert. BesucherInnen betreten die Anlage über eine Freitreppe und eine erhöhte offene Vorhalle. Als Abkömmling des Palazzo Comunale der Renaissance eröffnet diese eine eindrückliche Folge öffentlicher Räume. Der Weg führt durch den Windfang in die überhöhte Haupthalle des Foyers, am Treppenpodest der Zwischenebene und am Hallenbad vorbei und endet im Konzertsaal, dem Herzstück des Gebäudes. Die Transparenz zwischen den Gebäudeabschnitten und die Staffelung von Ebenen in die Horizontale und Vertikale sind für Max Schlups Werk typische Elemente. Sie kommen am Kongresshaus auf einzigartige Weise dem Forums­ charakter der vielfältig ineinanderspielenden Bereiche entgegen. Der besonderen Geltung des Bauvorhabens entsprach Max Schlup mit der expressiven, auch technisch anspruchsvollen Konstruktion. Das Kongresshaus gilt unbestritten als kongeniales Hauptwerk des Architekten.


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Depuis les années 1930, le terrain de l’ancienne gare de marchandises situé dans la partie sud de la rue Centrale est une zone en développement. En 1956, la ville de Bienne a rassemblé des équipements publics variés dans un programme de concours. La combinaison d’une salle de concert et d’une piscine couverte – pour la construction de cette dernière la municipalité s’était engagée envers de l’Ecole fédérale de gymnastique et de sport – était unique en son genre. Le long processus menant en 1966 à l’inauguration s’explique par de nombreuses extensions ultérieures du programme. Ces fonctions supplémentaires ont rendu possible la lente maturation de l’impressionnante toiture suspendue qui a permis de fédérer des fonctions si différentes au sein d’une forme emblématique. Dès le concours, Max Schlup avait proposé une composition faite d’un corps de bâtiment principal et d’une tour qui faisait référence à des bâtiments contemporains sacrés, mais aussi publics comme le siège principal de l’ONU à New York. Le bâtiment réalisé a l’ambivalence d’un édifice solitaire qui respecte toutefois l’îlot existant et les alignements stricts. Les visiteurs pénètrent dans le complexe par un dispositif d’escalier et de parvis couvert surélevé. Digne descendant du Palazzo Comunale de la Renaissance, il propose une suite impressionnante d’espaces publics. Le parcours mène du sas d’entrée au hall principal de grande hauteur du foyer, par les escaliers au niveau du palier qui correspond à l’étage intermédiaire et jouxte la piscine couverte, pour aboutir à la salle de concerts, point d’orgue du bâtiment. La transparence entre les parties du bâtiment, ainsi que l’échelonnement des plans horizontaux et verticaux sont typiques pour l’œuvre de Max Schlup. Dans le cas du Palais des congrès, ces principes de composition correspondent exceptionnellement bien au caractère de forum né de l’interaction des différents secteurs. Max Schlup a répondu à la signification particulière du projet par une architecture expressive et ambitieuse aussi sur le plan technique. Le Palais des congrès reste sans conteste l’ouvrage majeur de l’architecte.


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Kongresshaus und Hallenbad, Biel / Palais des congrès et piscine, Bienne

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1 Überbauungsvorschlag für das Areal des heutigen Kongresshauses (Verwaltungsgebäude), Stadtbauamt Biel 1931 / Proposition de lotissement pour l’aire de l’actuel Palais des congrès (bâtiment administratif), Office de l’urbanisme Bienne 1931 2 Gegenvorschlag der Gruppe BIA (Vereinigung Bieler Ingenieure und Architekten) / Contre-projet du groupe BIA (association des ingénieurs et architectes biennois) 3 Planungsvorschlag City-Süd, Modellfoto 1964, Stadtplaner Richard Kuster / Proposition de planification City-Sud, photo de maquette 1964, Richard Kuster, urbaniste de la ville 4 Kongresshaus und Hallenbad, Wettbewerb 1956, Max Schlup / Palais des congrès et piscine couverte, concours 1956, Max Schlup 5 Perspektiven Hallenbad, Foyer, grosser Saal, Broschüre Projekt mit Kostenvoranschlag 1958, Max Schlup / Perspectives piscine couverte et foyer, grande salle, brochure du projet avec devis 1958, Max Schlup 6 Flugaufnahme 1966 / vue aérienne 1966


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16 Längsschnitt  / Coupe longitudinale, 1) Eingangsvorplatz / Parvis d’entrée, 2) Foyer / Foyer, 3) Galerie / Galerie, 4) Konzertsaal / Salle de concert, 5) Bühne / Scène, 6) Schwimmbad / Piscine, 7) Umkleideräume / Vestiaires 17 Q uerschnitt / Coupe transversale, 8) Küche / Cuisine, 9) Lehrschwimmbecken / Piscine d’initiation, 10) Gymnastiksaal / Salle de gymnastique, 11) Vereinssaal / Salle des sociétés, 12) Terrasse / Terrasse, 13) Büroturm / Tour de bureaux


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36 Teilmontiertes Hängedach, Betonrippen mit innenliegendem Spannkabel und aufliegenden Betondachplatten / Toiture suspendue partiellement montée, nervures en béton avec câble de suspension intégré et plaques de toiture en béton superposée 37 Schalarbeiten eines Betonfangeträgers / Travaux de coffrage d'un sommiers d’ancrage 38 Schalung Hängedach / Coffrage de la toiture suspendue 39, 41 Rohbau / Gros-oeuvre 40 Knoten Hängedach, Stützen, Fangeträger / Noeud toiture suspendue, piliers et sommier d’ancrage


Max Schlup Architekt architecte Wie kein anderer Architekt hat Max Schlup (1917–2013) das Bild der Stadt Biel geprägt. Seine Bauten beeindrucken durch ihre souveräne Platzierung in der städtischen und natürlichen Topografie genauso wie durch ihre konstruktive Durcharbeitung. Trotz der Ausstrahlung seiner Bauten ist sein Schaffen wenig bekannt. Ausgehend von zehn exemplarisch vorgestellten Bauten und fünf umfangreichen Essays, breitet dieses Buch das umfangreiche Werk aus und situiert es in der Zeitgeschichte. Comme aucun autre architecte, Max Schlup (1917–2013) a marqué l’image de la ville de Bienne. Ses bâtiments impressionnent tant par leur implantation souveraine dans la topographie urbaine et naturelle, que par la plénitude de leur construction. Malgré le rayonnement de ses bâtiments, son œuvre est peu connue. Au travers de la présentation de dix édifices exemplaires et de cinq essais exhaustifs, ce livre dévoile cette œuvre foisonnante et la situe dans son contexte historique. Herausgegeben von / Publié par Architekturforum Biel / Forum de l’architecture de Bienne Stadt Biel, Baudirektion, Abteilung Hochbau / Ville de Bienne, Département des constructions, Direction des travaux publics Berner Heimatschutz, Regionalgruppe Biel-Seeland / Ligue bernoise de patrimoine, groupe régional de Bienne-Seeland BSA Ortsgruppe Bern / FAS section Berne SIA Regionalgruppe Biel / SIA groupe régional Bienne-Jura ISBN-978-3-7212-0786-6


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