

STRAUSS/SIBELIUS

TONKÜNSTLERORCHESTER
Katharina Hörmann . Emilia Hoving
mo 08/04
19.30 Uhr
Großer Saal
Festspielhaus St. Pölten
Gesamtdauer: ca. 1 Std. 50 Min. (inkl. Pause)
Einführung mit Martin Först
18.30 Uhr, Kleiner Saal
Künstlerische Leiterin Festspielhaus St. Pölten: Bettina Masuch


PROGRAMM
Oboe
KATHARINA KRATOCHWIL Dirigentin
EMILIA HOVING
LOTTA WENNÄKOSKI (*1970)
«Verdigris»* (2015)
11
RICHARD STRAUSS (1864 – 1949)
Konzert für Oboe und kleines Orchester D-Dur (1945)
Allegro moderato –Andante –Finale. Vivace – Allegro
25 ’ PAUSE
JEAN SIBELIUS (1865 – 1957)
Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 43 (1901/02)
Allegretto
Tempo andante ma rubato
Vivacissimo – Lento e soave –Finale. Allegro moderato
45 ’
Bitte beachten Sie, dass die tatsächliche Spieldauer von diesen Angaben geringfügig abweichen kann.
*Österreichische Erstaufführung am 5. April 2024 in Baden
LOTTA WENNÄKOSKI
«Verdigris»
Eine musikalische Umsetzung von Grünspan? – Lotta Wennäkoski fordert die Neugier schon mit dem Titel «Verdigris» heraus. Was vor allem chemisch bewanderten Musikhörerinnen und Musikhörern ein Begriff sein dürfte, bedarf vielleicht einer kurzen Aufklärung:
«Verdigris» ist der Name für verschiedene Kupfer-Acetate, die man vor allem als Kupfer(II)-Acetat oder umgangssprachlich eben als Grünspan kennt. Es geht also um jene grünen bis grünlich-blauen Kupfersalze, die man als Farbstoffe bzw. Ablagerungen auf Metallen, insbesondere als Edelrost, kennt. Diese Ablagerungen vergleicht die Komponistin mit Schichten, die bereits Vorhandenes überlagern, und so sieht sie ihre Musik in «Verdigris» als Schichten, die der vorhandenen Musikgeschichte nun hinzugefügt werden.
Im Konkreten gilt dieser Teil der Geschichte dem musikalischen Geist von Wennäkoskis Landsmann Jean Sibelius. Den Ausgangspunkt bildete ein Auftrag des Scottish Chamber Orchestra, dessen Ergebnis 2015 anlässlich des 150. Geburtstages von Sibelius Bezug auf den finnischen Nationalkomponisten nehmen sollte. Die Herausforderung für die Komponistin bestand nun darin, dem Geist des nordischen Titanen gerecht zu werden und doch zugleich ihrer eigenen musikalischen Ausdrucksweise treu zu bleiben; eine Aufgabe, die sie als alles andere als leicht betrachtete. Nachdem ihr bewusst wurde, dass die Symphonien sie in keine passende Richtung führen würden, erinnerte sie sich bald der 1892 entstandenen, bis heute ungebrochen modern anmutenden Tondichtung «En Saga» (Eine Sage). So konnte sie vor allem die konzentrierte Energie dieses Stücks als auch gewisse musikalische Gesten sehr gut mit ihren eigenen Ideen in Einklang bringen, etwa die Arpeggien der Streicher und den –
auch aus der Popmusik geläufigen – Backbeat-Rhythmus. –«Also, w arum nicht eine Fortsetzung der Märchengeschichte!» (Wennäkoski).
Wurde Sibelius’ Stück seinerzeit noch als «zu kapriziös» kritisiert, so will Wennäkoski mit ihrer Fortschreibung so kapriziös wie möglich erscheinen. Mit dem Titel verweist die Komponistin darauf, dass ihre Musik eine Überlagerung von Elementen darstellt, die Sibelius ihr hinterlassen hat, wobei sie in keinem Moment ihre eigene Sprache hintanstellt. Selbst ihre teils impressionistisch anmutenden Klangfarben zeigen zwar Parallelen zur auch für Sibelius Einflüsse liefernden französischen Musik, wirken aber letztlich wie eine neue – heutige – Patina, die über Vertrautes aus vergangener Zeit gelagert wird. Ganz kurz, fast wie ein Schatten, blitzt gegen Ende des knapp elfminütigen Stücks das prägnante Hauptmotiv aus «En Saga» auf, wird ebenso kurz Sibelius’ «Andante festivo» zitiert – ein im musikalischen Finnland populäres Stück, das auch beim Begräbnis des Komponisten erklang.
Bleibt als Anregung zum Hören von «Verdigris» dieselbe, die Sibelius einst für sein Werk gab: «Sagas Musik gibt Stimmungen wieder und – warum nicht – verschiedene Phasen in einer Sage, zu welchen jeder Zuhörer einen ‹Inhalt› dichten kann.»
Christian Heindl
Der Autor arbeitet als freier Kulturjournalist in Wien. Er publizierte musikwissenschaftliche Beiträge, Lexikoneinträge, Programmheftbeiträge und Booklettexte; daneben geht er einer internationalen Vortrags und Jurytätigkeit nach. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Musik des 20. Jahrhunderts, Musik im Exil, nationale Schulen und Musik für Kinder.
ENTSTEHUNG 2015 — URAUFFÜHRUNG am 28. Oktober 2015 in Edinburgh mit dem Scottish Chamber Orchestra unter der Leitung von Tuomas Hannikainen ÖSTERREICHISCHE ERSTAUFFÜHRUNG mit dem Tonkünstler-Orchester am 5. April 2024 in Baden
Porträt Lotta Wennäkoski
Nicht nur in Finnland, auch international hat sich Lotta Wennäkoski seit Längerem einen Ruf als eine der interessantesten Komponistinnen ihrer Generation erarbeitet. 1970 in Helsinki geboren, betrieb sie ursprünglich Studien in Violine, Musiktheorie und Ungarischer Volksmusik am Budapester Béla-Bartók-Konservatorium. Anschließend setzte sie ihre Ausbildung an der Sibelius-Akademie in Helsinki fort, wo Eero Hämeenniemi, Kaija Saariaho und Paavo Heininen ihre Kompositionslehrer waren. Zudem studierte sie auch ein Jahr bei Louis Andriessen in Den Haag.
Seit der Jahrtausendwende fand ihre Musik zunehmend Eingang in die Festivals und Konzertprogramme Neuer Musik. Schlüsselwerke für ihren Durchbruch waren das Orchesterstück «Sakara», das Esa-Pekka Salonen 2003 mit dem Philharmonischen Orchester Helsinki aus der Taufe hob, sowie die szenische Arbeit «N! (Woman’s love and life)», die im selben Jahr beim Helsinki Festival gezeigt wurde. Viele ihrer Stücke wurden in der Folge für nationale und internationale Musikpreise nominiert, auf
©«
ES IST IMMER TOLL, WENN DAS EIGENE INSTRUMENT
SO PROMINENT VERTRETEN IST. SOLOKONZERTE FÜR OBOE SIND SELTEN AUF DEN PODIEN, DESHALB IST DAS OBOENKONZERT MEIN LIEBLINGSSTÜCK HEUTE. ES IST SO DUFTIG INSTRUMENTIERT, DASS SICH DIE SOLOPARTIE MÜHELOS ENTFALTEN KANN. ICH SPIELE DAS ENGLISCHHORN, DENN EINE ZWEITE OBOE HAT RICHARD STRAUSS NICHT VORGESEHEN. »
Theresia Melichar
Oboistin im TonkünstlerOrchester seit 2009
RICHARD STRAUSS
Konzert für Oboe und kleines Orchester D Dur Allegro moderato –Andante –Finale. Vivace – Allegro
Richard Strauss betrauerte in den letzten Kriegsmonaten die Zerstörung seiner geliebten Opernhäuser in München, Wien und Dresden, die für ihn als Symbole der zivilisierten Kultur galten. Die allgemeine Zerrüttung, die depressive Stimmung und wohl auch ein gewisses Maß an Selbstmitleid goss er in seine «Metamorphosen»: ein trauriger Abgesang auf eine versinkende Kultur und – so meinen es einige zu hören – eine beginnende Selbstreflexion über ein Leben, in dem es neben grandiosen Triumphen und kühnen Geniestreichen auch Opportunismus und Bequemlichkeit gegeben hatte.
In einem merkwürdigen Verhältnis zu den «Metamorphosen» steht das Oboenkonzert, das kurz darauf entstand. Am 30. April 1945 verübte Adolf Hitler im Bunker unter der Berliner Reichskanzlei Selbstmord; am gleichen Tag rollten amerikanische Panzer im bayerischen Garmisch ein, das kampflos übergeben wurde. Als die Soldaten die Villa von Richard Strauss am Ortsrand erreichten, trat der Hausherr heraus und stellte sich vor, worauf ein Musik liebender Offizier augenblicklich für Ruhe und Respekt sorgte. Man machte sich miteinander bekannt, und die Amerikaner wurden als Gäste in das Haus gebeten. Am Abend hing am Eingang zum Grundstück das offizielle «Off Limits»Schild, das allen nachrückenden Soldaten die Beschlagnahme und Plünderung untersagte. Strauss atmete auf und notierte: «Ein totaler Sieg des Geistes über die Materie.»
In den folgenden Wochen wurde der Komponist von zahlreichen neugierigen GIs aufgesucht, darunter war auch der damals 24-jährige John de Lancie aus Chicago, der im Zivilberuf Oboist
war und später als Leiter des berühmten Curtis Institute of Music in Philadelphia bekannt wurde. Neben weiteren Gesprächsthemen erkundigte sich De Lancie bei Strauss, ob er, der Komponist großartiger Hornkonzerte, eigentlich nie daran gedacht hätte, ein Solokonzert für die Oboe zu schreiben. Strauss verneinte kurz angebunden, überlegte es sich in den kommenden Wochen aber doch anders, denn am 6. Juli telegrafierte er seinem Biografen Willi Schuh: «Oboenconzert 1945 / angeregt durch einen amerikanischen Soldaten / (Oboer aus Chicago)».
Mit dem Oboenkonzert in die Schweiz
War es echtes Interesse, oder hatte Strauss eine Gelegenheit erkannt, den amerikanischen Besatzern zu schmeicheln? Was auch immer die richtige Antwort auf diese Fragen sein mag –Strauss arbeitete mit Freude an seinem neuen Stück, das ihn von den Sorgen des Alltags ein wenig ablenken konnte. Um den Entbehrungen der Nachkriegszeit und den Entnazifizierungsverfahren zu entfliehen, reiste Richard Strauss im Oktober 1945 mit seiner Frau Pauline in die Schweiz. Außerdem waren Strauss’ Tantiemenzahlungen in den von Alliierten besetzten Ländern eingefroren worden, und er musste sich Sorgen um sein finanzielles Auskommen machen. Er bezog sein neues Quartier im Hotel Verenahof in Baden bei Zürich und machte sich an die Fertigstellung der Partitur seines Oboenkonzerts.
Die Eidgenossen machten es Strauss nicht leicht, Ablehnung und Häme schlug ihm aus der Presse und im öffentlichen Leben entgegen. Am 24. Jänner 1946 wurde er von Paul Sacher eingeladen, der letzten Probe des Collegium Musicum vor der Uraufführung seiner «Metamorphosen» beizuwohnen. Beim öffentlichen Konzert am folgenden Tag blieb Strauss fern; die Musik wollten die Schweizer zwar, den Mann hinter der Musik mochten sie aber nicht anschauen. In diesem Klima also legte Strauss letzte Hand an sein letztes Instrumentalkonzert an.
CD TIPPS
Richard Strauss «Ein Heldenleben», Suite aus der Oper «Der Rosenkavalier» TON1001 Tonkünstler-Orchester, Yutaka Sado, erschienen 2016 im Tonkünstler-Eigenlabel
Die Uraufführung des Konzerts am 26. Februar 1946 mit Volkmar Andreae am Pult des Tonhalle-Orchesters Zürich und Marcel Saillet als Solisten ging unter glücklicheren Umständen vonstatten als die Weltpremiere der «Metamorphosen» einen Monat zuvor. Die Veranstalter hatten Strauss im Abonnementkonzert des Orchesters der Zürcher Tonhalle einen Platz in den letzten Reihen zugewiesen, von dem aus er der Weltpremiere seines jüngsten Werks beiwohnen durfte. Eine Besucherin, die ihren Platz in der ersten Reihe des Saals hatte, erkannte den Komponisten und bot ihm noch vor Beginn des Konzerts an, mit ihr Plätze zu tauschen. Und so konnte Strauss nicht nur der Uraufführung von einem gebührenden Platz aus beiwohnen, sondern durfte auch auf eine wohlwollendere Aufnahme beim Publikum hoffen.
Alexander Moore
Der Autor studierte an der Musikuniversität Wien und am Institut für Kulturkonzepte. Nach Stationen als Radioredakteur, Pressesprecher der Oper Graz, Produktionsleiter am Brucknerhaus Linz, Dramaturg des TonkünstlerOrchesters und des Grafenegg Festivals und als Generalsekretär der Jeunesse, gründete er 2014 «MusiConsulting» und arbeitet für renommierte Kulturinstitutionen in Österreich und Deutschland.
ENTSTEHUNG 1945 — URAUFFÜHRUNG am 26. Februar 1946 in Zürich unter der Leitung von Volkmar Andreae, Solist: Marcel Saillet — VOM TONKÜNSTLERORCHESTER ZULETZT AUFGEFÜHRT im Oktober 2015 in Wien und St. Pölten, Solist: Albrecht Meyer, Dirigent: Yutaka Sado
Die aus Tulln an der Donau stammende Oboistin KATHARINA KRATOCHWIL tritt erstmals mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich auf. Für dieses Gastspiel qualifizierte sie sich im Rahmen der Kooperationsvereinbarung mit der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK), die das Ziel hat, junge Musikerinnen und Musiker auf zukünftige Tätigkeiten in renommierten Orchestern vorzubereiten. So können Mitglieder der Orchesterakademie des TonkünstlerOrchesters ihre ersten beruflichen Schritte mit einem Masterstudium an der MUK verknüpfen, während die besten Instrumentalstudierenden der MUK als Solistinnen und Solisten beim Tonkünstler-Orchester gastieren.
JEAN SIBELIUS
Symphonie Nr. 2 D Dur op. 43 Allegretto
Tempo andante ma rubato
Vivacissimo – Lento e soave –Finale. Allegro moderato
Jean Sibelius’ Ruf als finnischer Nationalkomponist beruht auf mehreren Annahmen, von denen sich nicht alle bestätigen lassen. Er war der erste finnische Komponist, dessen Musik internationale Beachtung fand, und dem es gelang, sich im Kanon mit seinen Zeitgenossen andernorts Gehör zu verschaffen. Soweit die Tatsachen. Was die angebliche «Begründung einer nationalen Schule» oder ähnlich anmutende Spekulationen anbelangt, so muss man diesen eine klare Absage erteilen.
Ideen und Motive im italienischen Rapallo gesammelt
Insbesondere im Zusammenspiel mit Edvard Grieg, dem gemeinsam mit Jean Sibelius gern die Botschafterfunktion der skandinavischen Musikkultur zugeschrieben wird, sollte man die unübersehbaren Unterschiede zwischen den beiden Komponisten würdigen. Sibelius ließ sich zwar in manchen seiner Werke gern vom finnischen Nationalepos «Kalevala» inspirieren, benannte Tondichtungen nach mythischen Gestalten und umgab sich mit künstlerischen Inhalten, die seiner unmittelbaren Umgebung entsprangen. Niemals aber war es seine Absicht, einen spezifisch «finnischen Tonfall» zu erfinden oder gar Folklore in seine Musik einfließen zu lassen. Er verstand sich selbst als aus Finnland stammender «Player» im internationalen Musikgeschehen –ebenbürtig mit den Größen seiner Zeit und ohne patriotische Bekenntnisse, wenn es um das Wesen seiner Musik ging. Und auch wenn manche seiner Zeitgenossen es nur zu gern gehabt hätten, wenn sich in seiner Musik mehr «Programm», mehr «Revolution» hätten finden lassen, Sibelius ließ es sich nicht
nehmen, seine Ideen selbst zu finden und zu entwickeln. Diese Qualität findet sich unter anderem in den sieben erhaltenen Symphonien von Jean Sibelius wieder.
Den Sommer und Frühherbst des Jahres 1901 verbrachte Jean Sibelius auf dem Land, wo er bei seiner Schwiegermutter zu Gast war und sich ganz dem Komponieren widmen konnte. Auf seiner Agenda standen zwei Kompositionen: ein Werk nach Motiven aus Dantes «Göttlicher Komödie», das nie realisiert wurde, und die zweite Symphonie. Ideen und Motive für seine neue Symphonie hatte Sibelius schon im Winter und Frühjahr des Jahres 1901 bei einem Aufenthalt im italienischen Rapallo gesammelt.
« MEINE MUSIK HAT
NICHTS, ABSOLUT NICHTS
VON ZIRKUS; WAS ICH
ZU BIETEN HABE, IST KLARES, KALTES WASSER.
»
Jean Sibelius
1911 in einem Brief an Rosa Newmarch
Der erste Satz, Allegretto , eröffnet mit einem freundlichen, bukolisch anmutenden Thema. Die sonnige Atmosphäre des Satzes ist Schauplatz einer locker aufgebauten Einleitung der Symphonie, in dem Sibelius sich weniger dem strengen Aufbau und der traditionellen Abfolge widmet, sondern spielerisch mit mehreren musikalischen Gedanken experimentiert. Besonders einprägsam sind das heiter schaukelnde Eröffnungsthema, das vor allem rhythmische Impulse gibt, und das etwas wehklagende zweite Thema mit der fallenden Quinte, das als Keimzelle für die weiteren Entwicklungen dient.
Der zweite Satz, Tempo andante, ma rubato , zeigt schon deutlich die Abkehr von der hochromantischen Tradition. Das schier endlose Umherwandern von Pizzicato-Bässen im tonalen Niemandsland nimmt erst Gestalt an, als sich die Holzbläser mit
einer choralartigen Melodie darüber heben. Die gesamte erste Hälfte des Satzes wird von streng wirkenden Tuttisätzen dominiert, aus denen sich schemenhaft das fallende Quintenthema abzeichnet. Nach einer kurzen Generalpause folgt eine momentane, süße Erinnerung an den ersten Satz, in die sich schon bald rotierende Streicherbewegungen hineinbohren. Auch wenn Sibelius kein «Programm» hinter diese Musik gelegt hatte, kann man es seinem Freund Robert Kajanus nicht ganz verübeln, der das Andante als «flammenden Protest gegen all die Ungerechtigkeit» beschrieb.
Unruhiges Tempo, elegische Kraft
Im dritten Satz, Vivacissimo , stehen einander zwei denkbar gegensätzliche Partner gegenüber. Zunächst erklingt eine eilige und unruhig zitternde Triolenfigur. Ein paar abgehackte Themenfetzen werden von der Flöte und der Oboe vorgetragen, doch kaum etwas davon bleibt bestehen. Einen radikalen Stimmungswechsel bringt dann ein friedvoller Bläsersatz mit sich, der sich beruhigend im Bewusstsein niederlässt. Die nervöse Triolenfigur platzt hier wie ein Störenfried herein, und nun entspinnt sich ein musikalischer Wettstreit der beiden Kräfte. Unruhiges Tempo auf der einen Seite, elegische Kraft auf der anderen. Wie kaum anders zu erwarten, steht am Ende eine Synthese der beiden ehemaligen Kontrahenten: Die rotierende Triolenfigur wird – etwas verlangsamt – zur Triebfeder für neue melodische Bewegungen, die sich immer mehr aufbauschen und den Weg für das Finale freimachen, das attacca einsetzt.
Der vierte Satz, Allegro moderato , führt nacheinander die wesentlichen Merkmale der vorangegangenen Sätze auf und setzt darüber ein neues, punktiertes Thema, das die Grundlage für praktisch alle musikalischen Entwicklungen ist und eine Ableitung des Eröffnungsthemas aus dem ersten Satz darstellt. Sibelius zieht hier alle Register seiner Kunst, insbesondere die
CD TIPP
Jean Sibelius
2. Symphonie und «Finlandia»
Tonkünstler-Orchester, Yutaka Sado, TON2003; erschienen im Februar 2017 im Tonkünstler-Eigenlabel
geschickte Instrumentierung verleiht dem Satz immense Tiefe und Strahlkraft. Durch das durchgezogene punktierte Motiv des Themas, das sich einmal strahlend über alles erhebt, dann wieder eingetrübt über den entschleunigten Rollbewegungen der Triolen dahinschleicht, entsteht der Eindruck von Persistenz und einer fast unerbittlich magnetischen Kraft.
Das Finale der Symphonie reißt sich langsam, aber sicher von diesem Strudel los und wendet sich einer majestätisch-festlichen Stimmung zu. Die fallende Quint, die im Lauf der Symphonie in mehreren Erscheinungsbildern aufgetreten ist, wird nun absolut, strahlend hell und klar gespielt. Feierliche Blechbläsersätze über einem flächigen Tremolo der Streicher und wuchtigen Paukenschlägen dominieren die letzten Takte der Symphonie und hinterlassen das Gefühl von erhabener Größe.
Alexander MooreENTSTEHUNG 1901/02 — URAUFFÜHRUNG am 8. März 1902 mit dem Helsinki Philharmonic Orchestra unter der Leitung des Komponisten VOM TONKÜNSTLER ORCHESTER ZULETZT AUFGEFÜHRT im Februar 2017 in London, Nottingham und Leeds, Dirigent: Yutaka Sado
Aller guten Dinge sind bekanntlich drei, in diesem Fall finnischen Ursprungs: EMILIA HOVING steht zum ersten Mal am Pult des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich. Für ihr Debüt wählte sie mit der zweiten Symphonie von Jean Sibelius eines seiner bekannteren Werke aus. Das ebenfalls von der Dirigentin vorgeschlagene Stück «Verdigris» aus der Feder der 1970 geborenen Komponistin Lotta Wennäkoski nimmt direkten Bezug auf die Musik Sibelius’ und verbindet das Konzertprogramm geschickt mit dem klassischen Motto «Durch Nacht zum Licht».
Katharina Kratochwil Oboe

Katharina Kratochwil, geboren 1998 in Tulln an der Donau, begann ihre musikalische Laufbahn an der Oboe mit dem Unterricht bei Eva Griebl-Stich. Nach dem Abschluss ihres Bachelorstudiums bei Thomas Höniger setzt sie ihre Ausbildung aktuell bei Ernest Rombout und Harald Hörth an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien fort. Sie gewann mehrere erste Preise beim Wettbewerb «Prima la Musica» sowie beim Nachwuchswettbewerb für Wiener Oboe. Im Rahmen diverser Meisterkurse bildete sie sich bei renommierten Musikerpersönlichkeiten wie Mathilde Lebert, Ivan Podyomov, Gregor Witt, David Walter, François Leleux und Albrecht Mayer weiter und nahm an der Angelika Prokopp Sommerakademie der Wiener Philharmoniker teil.
Professionelle Erfahrungen sammelte Katharina Kratochwil als Substitutin in zahlreichen Wiener Orchestern, etwa beim ORF Radio-Symphonieorchester Wien, bei den Wiener Symphonikern, an der Volksoper Wien und im Orchester der Wiener Staatsoper. Beim Webern Symphonie Orchester der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien gastierte sie im Februar 2023 mit dem Oboenkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart als Solistin. Von September 2021 bis Juni 2023 war sie Akademistin bei den Wiener Philharmonikern. Nach einem gewonnenen Probespiel ist Katharina Kratochwil seit November 2023 als Solooboistin an der Wiener Volksoper tätig.

Emilia Hoving, geboren 1994, Gewinnerin des finnischen Kritikerpreises 2021 als beste Newcomerin, hat sich zu einer der gefragtesten jungen finnischen Dirigentinnen der Gegenwart entwickelt. Sie studierte an der Sibelius-Akademie in Helsinki bei Sakari Oramo und Atso Almila und begann 2015 ein Dirigierstudium bei Jorma Panula. Ihre Positionen als Assistentin von Hannu Lintu und danach von Mikko Franck eröffneten ihr eine Reihe von Engagements. Sie tritt international mit Orchestern wie dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, dem Luxembourg Philharmonic, dem BBC Symphony Orchestra, dem Yomiuri Nippon Symphony Orchestra sowie dem Philharmonia Orchestra London auf. Sie dirigierte im Wiener Konzerthaus und gab ihr Deutschland-Debüt mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France in der Berliner Philharmonie. Im November 2023 dirigierte sie das Orchester erneut in Paris bei der Uraufführung von Jean-Louis Agobets «Nucleus».
Die Spielzeit 23–24 steht im Zeichen einer Reihe weiterer Debüts bei bedeutenden Orchestern, darunter die Göteborger Symphoniker, das Netherlands Radio Philharmonic Orchestra, das Royal Philharmonic Orchestra, das Bournemouth Symphony Orchestra und das Orquesta Sinfónica de Tenerife. Außerdem arbeitet Emilia Hoving mit dem Helsinki Philharmonic Orchestra zusammen, um Werke selten gespielter finnischer Komponistinnen und Komponisten aufzuführen.
Tonkünstler Orchester Niederösterreich
Chefdirigent Yutaka Sado

Das Tonkünstler-Orchester mit seinen Residenzen im Musikverein Wien, im Festspielhaus St. Pölten und in Grafenegg ist einer der größten und wichtigsten musikalischen Botschafter Österreichs. Eine fast 75-jährige Tradition verbindet das Orchester mit den Sonntagnachmittags-Konzerten im Wiener Musikverein. Das Festspielhaus St. Pölten wurde von den Tonkünstlern im Jahr 1997 eröffnet; auch in Grafenegg treten sie als Residenzorchester auf. Den Kernbereich der künstlerischen Arbeit bildet das traditionelle Orchesterrepertoire von der Klassik über die Romantik bis zur Musik des 20. Jahrhunderts. Alternative Programmwege der Tonkünstler werden von Musizierenden, Publikum und Presse gleichermaßen geschätzt.
Musikerpersönlichkeiten wie Walter Weller, Heinz Wallberg, Miltiades Caridis, Fabio Luisi, Kristjan Järvi und Andrés OrozcoEstrada waren Chefdirigenten des Orchesters. Seit der Saison 15–16 wird es von Yutaka Sado geleitet, Fabien Gabel folgt ihm 2025 nach. Tourneen führten die Tonkünstler zuletzt nach Großbritannien, Deutschland, Tschechien, Japan und ins Baltikum. Zahlreiche CD-Aufnahmen spiegeln das vielseitige künstlerische Profil des Orchesters wider. Im 2016 gegründeten Eigenlabel erscheinen bis zu vier CDs pro Jahr als Studioproduktionen und als Live-Mitschnitte, zumeist aus dem Musikverein Wien.
Ausführliche Orchesterbiografie: tonkuenstler.at
Tonkünstler Orchester Niederösterreich
KONZERTMEISTER/IN Lieke te Winkel, Alexander Gheorghiu, Vahid KhademMissagh 1. VIOLINE Gyula Szép, Alois Wilflinger, Susanne Masetti, Gerhard Fechner, Martha Wagner, Ines Miklin, Xuan Ni, Teodora Sorokow, Maria Fomina, Sophie Gansch, Sophie Kolarz-Löschberger, Yaromyr Babskyy, Maria Winkler, Aleksandra Martinoska, Elisabeth Gansch, ALaura-Maria Waldauf 2. VIOLINE Julia Mann, Natalia Sagmeister, Kora Lemberg, Dog˘a Altınok, Liselotte Murawatz, Dora Huber, Gerald Hinterndorfer, Judith Steiner, Isabelle Reinisch, Yuka Bartosch-Murakami, Noriko Takenaka, Evelina Ivanova-Peham, Stephanie Grandpierre, Veronika Wincor, Angelika Wimmer, ATaiga Sasaki VIOLA *Gertrude Rossbacher, **Nikita Gerkusov, Philip Nolte, Martin Fuchs, Christian Knava, Robert Stiegler, Peter Ritter, Susanne Stockhammer, Stefan Sinko, Victoria Fónyad-Eitzinger, Terez Brandl, Liudmila
Kharitonova VIOLONCELLO *Georgy Goryunov, Laura Szabó, Martin Först, Martin Dimov, Thomas Grandpierre, Sebastian Dozler, Iris-Meongwon Cho, Ion Storojenco KONTRABASS Michael Seifried, Ern˝o Rácz, Bernhard Binder, Mathias Kawka-Rona, Simon Pennetzdorfer, Johannes Knauer, Lukas
Palfy-Ströcker FLÖTE Walter Schober, Heidrun Lanzendörfer, Birgit FluchLatini OBOE Barbara Ritter, Andreas Gschmeidler, Johannes Strassl, Theresia Melichar KLARINETTE Helmut Wiener, Christoph Moser, Kurt Franz Schmid, Stefan Vohla, A Valentin Lemberg FAGOTT Gottfried Pokorny, Szabolcs Sz˝oke, Andor Csonka, Barbara Loewe HORN Christoph Peham, Jonas Rudner, Sebastian Kolarz-Löschberger, Markus Hartner, Michel Gasciarino, Klaus Höpfler, AKatharina Paul TROMPETE Thomas Bachmair, Patrick Hofer, Thomas Lachtner, Josef Bammer POSAUNE Andreas Eitzinger, Gabriel Antão, Erik Hainzl, Wolfgang Gastager
TUBA Michael Pircher HARFE Miriam Ruf
PAUKE Gunter Benedikt, Margit Schoberleitner SCHLAGWERK Bence Kulcsár, Joachim Murnig, AJinwei Zhang
A Orchesterakademie des Tonkünstler-Orchesters
Instrumente zur Verfügung gestellt von der *Dkfm. Angelika Prokopp Privatstiftung: Viola Giovanni Rota, 1809 Violoncello Joannes Florenus Guidantus, 1720
**Oesterreichischen Nationalbank: Viola Giovanni Paolo Maggini, Brescia, frühes 17. Jahrhundert
GESCHÄFTSFÜHRUNG Frank Druschel, Johannes Sterkl, Barbara Sorgner (Assistenz) ORCHESTERDIREKTOR Samo Lampichler ORCHESTER UND BETRIEBSBÜRO Fateme Beytollahi, Julia Eder, Roswitha Wallisch-Gepart, Irmtraud Madl (Orchesterinspektion) DRAMATURGIE UND PRESSE Ute van der Sanden MARKETING Edith Schweitzer, Viktoria Bauer MUSIKVERMITTLUNG Sara Franchini, Sara Gregoricˇ, Veronika Prünster NOTENBIBLIOTHEK Nikolaus Blach (Leitung), Viola Deme, Caroline Stevenson ORCHESTERLOGISTIK Emil Zitarevic (Leitung), Nenad Djordjevic, Christian Pehatschek VERKAUF Sandra Feichtinger, Doris Moutesidis, Kerstin Pachschwöll KARTENBÜRO Inga Freuis (Leitung), Tijana Adamovic, Sylvia Bestenlehner, Sonja Hanl, Melanie Hochwart, Myriam Khouri, Romana Köstler, Annemarie Nocker, Johanna Pobenberger, Pia Ruthensteiner, Lea Schwarz, Martina Wagerer


NEUE VORSTELLUNGEN
Nähe verbindet. Damals wie heute. Unsere Niederösterreichische Versicherung.
Aufdrehen!
Jeden vierten Freitag des Monats ab 21.03 Uhr auf Radio Niederösterreich:
«TONKÜNSTLER»
Der perfekte Audio-Guide! Eine musikalische Programmvorschau für vier Wochen mit ServiceInformationen, CD-Aufnahmen der Tonkünstler und BackstageGeschichten über das Orchesterleben aus erster Hand.









Die aktuelle Sendung ist zum Nachhören auf noe.orf.at/player verfügbar.














MODERNE OPER UND VOGELGESANG

MILO RAU . HÈCTOR PARRA . TONKÜNSTLER JUSTICE
Musik/Theater/Vokal Kongo, 2019: Ein mit Schwefelsäure beladener Tanklaster rammt einen Bus. Aus dem Ereignis entwickelt Regisseur Milo Rau mit Komponist Hèctor Parra ein elegisches Werk über das Schicksal eines Dorfs. Ein vielschichtiger Opernabend, präsentiert von einem hochkarätigen Ensemble.
di 30/04
mi 01/05
EUR 20-69
In Kooperation mit Tangente St. Pölten

PIERRE-LAURENT AIMARD . BIRGIT MINICHMAYR Katalog der Vögel
Musik/Lesung Mit seinem Zyklus Catalogue d’oiseaux führt Komponist Olivier Messiaen das Publikum tief in die Welt des Vogelgesangs. Wie viele der darin enthaltenen 77 Vogelarten sind heute noch zu hören? Pianist Pierre-Laurent Aimard und Schauspielerin Birgit Minichmayr setzen das Werk mit Texten zur Welt der Vögel in einen neuen Kontext.
mi 01/05
EUR 34
In Kooperation mit Tangente St. Pölten
-
April 2024
do 11
18.00 Uhr
do 11
Pleyel-Foyer
PROGRAMMPRÄSENTATION
Festspielhaus Saison 2024/2025
Eintritt frei, Anmeldung unter karten@festspielhaus.at
TIPP Ab 17.00 Uhr: Führungen durch das Festspielhaus und benachbarte Kulturinstitutionen
YARON HERMAN
19.30 Uhr Kleiner Saal Alma Musik/Jazz
fr 12
FOUAD BOUSSOUF
19.30 Uhr Großer Saal Fêu
Tanz
TIPP Ab 17.00 Uhr: Robert Menasse zu Gast im Gesprächsformat Salon D
mo 15
TONKÜNSTLER-ORCHESTER
19.30 Uhr Großer Saal Strauss/Mozart/Brahms Musik/Klassik
fr 19
CANADIAN BRASS
19.30 Uhr Großer Saal Musik/Blech
di 30
MILO RAU . HÈCTOR PARRA . TONKÜNSTLER
20.00 Uhr Großer Saal JUSTICE Musik/Theater/Vokal
Mai 2024
mi 01
PIERRE-LAURENT AIMARD . BIRGIT MINICHMAYR
12.00 Uhr Kleiner Saal Katalog der Vögel Musik/Lesung
mi 01
MILO RAU . HÈCTOR PARRA . TONKÜNSTLER
19.30 Uhr Großer Saal JUSTICE Musik/Theater/Vokal
Weitere Termine im Mai sowie unser gesamtes Saisonprogramm 2023/2024 finden Sie auf www.festspielhaus.at.
IMPRESSUM Herausgeber Niederösterreichische Kulturszene Betriebs GmbH, Kulturbezirk 2, 3100 St. Pölten, T: +43(0)2742/90 80 80, www.festspielhaus.at. Für den Inhalt verantwortlich Thomas Gludovatz, Andreas Gremel. Künstlerische Leiterin Bettina Masuch. Musikkuratorin Constanze Eiselt. Koordination Gülcan Simsek. Redaktion Kern Markus Hennerfeind, Ute van der Sanden. Redaktion Umschlag Stephanie Serles, Julia Dorninger. Gestaltung Kern parole, München. Fotos Nancy Horowitz (Umschlag innen), Carole Pardodi (JUSTICE), Julia Wesely (Pierre-Laurent Aimard). Druck Walla GmbH. Produziert in Wien. Termin-, Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten. Fotografieren, Ton- und Videoaufzeichnungen nicht gestattet. Preis des Programmheftes: EUR 2,90.


Ö1 Club. In guter Gesellschaft.
Mit Kunst, Kultur und Wissenschaft. Ermäßigungen bei 600 Kulturpartnern in ganz Österreich und mehr.
Alle Vorteile für Ö1 Club-Mitglieder auf oe1.ORF.at/club
Karten & Information
+43 (0) 2742/90 80 80 600
karten@festspielhaus.at
www.festspielhaus.at
Hier geht’s zum Programm: