Programmheft | 22.06. Jeremy Nedd

Page 1

JEREMY NEDD . IMPILO MAPANTSULA blue nile to the galaxy around olodumare
22 JUNI 2024
„Ein gutes kollektives Verständnis trägt die Arbeit, es lässt Raum für Freiheit, für Inspiration, aber dennoch gibt es so etwas wie ein Fundament, das ich für sehr wichtig halte.“

JEREMY NEDD

JEREMY NEDD .

IMPILO MAPANTSULA

blue nile to the galaxy around olodumare

sa 22/06

19.30 Uhr

Großer Saal

Festspielhaus St. Pölten

ÖSTERREICH-PREMIERE

Dauer: ca. 1 Stunde (keine Pause)

Bewegte Einführung mit Leonie Humitsch

18.45 Uhr, Vorplatz (bei Schlechtwetter im Kleinen Saal)

Künstlerische Leiterin Festspielhaus St. Pölten: Bettina Masuch

JEREMY NEDD .

IMPILO MAPANTSULA

blue nile to the galaxy around olodumare

KONZEPT UND CHOREOGRAFIE Jeremy Nedd

PERFORMANCE UND CHOREOGRAFIE Sibongile

Mathebula, Sicelo Xaba, Thomas Motsapi, Bonakele Masethi, Sello Modiga

TECHNISCHES MANAGEMENT UND LICHTDESIGN

Thomas Giger BÜHNENBILD Laura Knüsel

SOUNDDESIGN Fabrizio Di Salvo, Rej Deproc

KOSTÜME Tara Mabiala

DRAMATURGIE Anita Helena Recke

PRODUKTIONSMANAGEMENT Caroline Froelich

TOURING Arina Frölich

TECHNISCHES TOUR-MANAGEMENT Chiara Leonhardt

Premiere 24. Mai 2024, Centre Culturel Jaques Franck / Belgien im Rahmen des Kunstenfestivaldesarts mit Kaiitheater

Eine Produktion von Atelier Rej in Kooperation mit Kunstenfestivaldesarts, Tangente St Pölten, ARSENIC – Centre d’art scénique contemporain, Kampnagel International Summer Festival, Kaserne Basel, SPIELART Theaterfestival.

Programm und Besetzung 4

„Du weißt die Zukunft ist ein viel besserer Wegweiser für die Gegenwart als die Vergangenheit denn man muss die Vergangenheit kennen, um die Gegenwart zu verstehen aber ... wenn wir uns unsere Gegenwart und unsere Zukunft neu vorstellen wollen, sollten wir damit beginnen, uns unsere Vergangenheit neu vorzustellen auch wenn historisches Denken in der Gegenwart der einzige Weg ist, um dann vorwärts zu gehen und ...”

GESPROCHENER TEXT IN BLUE NILE TO THE GALAXY AROUND OLODUMARE

5

SPACE IS THE PLACE

Auf der

Suche

nach

afrikanisch-

diasporischen Kontinuitäten

Blue nile to the galaxy around olodumare – mit diesem programmatischen Titel begibt sich der Choreograf und Tänzer Jeremy Nedd auf die Suche nach Kontinuitäten der afrikanischen und Schwarzen Diaspora erneut in Zusammenarbeit mit dem globalen Kollektiv Impilo Mapantsula. Nach der ersten gemeinsamen Arbeit The Ecstatic (2019), in der die Praxis des praisebreak (eine Form des ekstatischen Tanzes zu GospelMusik) in US-amerikanischen Kirchen im Vordergrund der künstlerischen Auseinandersetzung stand, folgte 2023 how a falling star lit up the purple sky, in dem der Choreograf das Genre des Westerns einer spekulativen Neubetrachtung unterzog. Als logische Fortführung entstand nun Jeremy Nedds neuestes Stück, das sich in seinem spekulativ-afrofuturistischen Zugang nahtlos in die Werkreihe einfügt.

Die kraftvolle Tanzform Pantsula dient dabei erneut als grundlegendes Medium, um zu erforschen, was aus der Begegnung und dem Aufeinanderprallen verschiedener historischer und zeitgenössischer Realitäten entstehen kann. Ähnlich den verschlungenen Wegen des blauen Nils, zeichnet Jeremy Nedd mit Impilo Mapantsula diverse kollektive, aber auch persönliche Erfahrungen nach. Galaktische und kosmische Themen treffen dabei, wie bereits im Titel mit der Yoruba-Gottheit Olodumare angedeutet, auf spirituelle und spekulative Motive. Zentral bleibt jedoch die Beschäftigung mit dem vielfältigen Potential des Pantsula.

Pantsula, das wörtlich aus Zulu übersetzt so viel

6
Werkeinführung

wie „watscheln wie eine Ente” bedeutet, entstand in den 1950er und 1960er Jahren in den südafrikanischen Townships als Form des Widerstands gegen das oppressive Apartheidsregime. Pantsula ermöglichte den Tänzer:innen in einer impliziten Form des Protests ihren ansonsten unterdrückten Identitäten Ausdruck zu verleihen. Charakteristisch für Pantsula ist die rhythmische, synchronisierte, präzise und scharfkantige Beinarbeit mit einem Bewegungsvokabular, das sich aus Elementen diverser afrikanischer Tänze, Stepptanz aber auch Breakdance und Hip-Hop speist. Ein wichtiger Teil der Gesamtästhetik ist dabei der emotionale Ausdruck über Stimme und Mimik sowie durch die oftmals farbenfrohen Kostüme der Tänzer:innen. Weit mehr als nur eine Tanzform, wirkt Pantsula vielmehr als kulturelles Phänomen, das in Südafrika zu einem wichtigen Ausdruck der Jugendkultur wurde.

Auch Jazz – die klangliche Inspiration für blue nile to the galaxy around olodumare – war einst in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung eine Ausdrucksform des Widerstandes. Mit dem südafrikanisch-britischen Musiker Bheki Mseleku sowie der US-amerikanischen Musikerin Alice Coltrane wählte Jeremy Nedd für die musikalische Untermalung seiner Performance zwei Jazz-Künstler:innen, die in ihren Werken häufig spirituelle oder kosmische Motive aufgriffen. Dabei lassen nicht nur die Geburtsorte der Künstler:innen Parallelen zu der Konstellation von Jeremy Nedd und Impilo Mapantsula ziehen, sondern

Werkeinführung 7

auch deren improvisatorische Praxis: Ebenso wie Bheki Mselekus und Alice Coltranes künstlerische Arbeit u. a. durch die Improvisation am Piano geprägt war, ist Jeremy Nedds kreativer Schöpfungsprozess tief in der Gruppenimprovisation verankert. Mit dem Œuvre der Musiker:innen möchte der Choreograf eine Art „kosmische Klang-Landkarte“ (Jeremy Nedd) für seine gemeinsame Arbeit mit Impilo Mapantsula aufmachen. Die zentralen Motive des Kosmos und der Galaxie lassen sich schließlich im Konzept des Afrofuturismus wiederfinden, das Ausgangspunkt der Arbeit zu blue nile to the galaxy around olodumare ist. Der Begriff selbst stammt aus der Feder des Literaturkritikers Mark Dery, der ihn in den 1990er-Jahren in seinem Essay Black to the Future als literarischen Genrebegriff aufbrachte. Der Ausdruck umfasst heute jedoch weit mehr als ein Genre und bezeichnet ebenso eine Widerstandsbewegung, aber auch ein theoretisches Konzept, das aktivistische Elemente beinhaltet. Während Science-Fiction häufig mit einem westlich geprägten Verständnis von Technik, Innovation und Fortschritt, sowie mit dem Erschließen neuer Welten und Planeten in Verbindung gebracht wird, versuchen afrofuturistische Zugänge, diese Kontinuitäten neu zu denken.

Einer der wohl wichtigsten Bezugspunkte für viele Vertreter:innen des Afrofuturismus ist dabei der JazzMusiker Sun Ra. Im Jahr 1941 in Alabama geboren, stellte der Musiker und Konzeptkünstler sich oftmals als Außerirdischer dar, um auf seine von Unterdrü-

Werkeinführung 8

ckung geprägte Lebensrealität als Schwarzer Mensch in den USA hinzuweisen. Sein Weg, dem omnipräsenten Rassismus zu begegnen, bestand im Schaffen neuer, fiktionaler Narrative, die als Gegenpol zu den rassistischen Strukturen seiner Zeit wirkten. In seinem vielzitierten Film Space is the Place (1974) greift der Künstler das Motiv der Zeitreise auf, befreit Schwarze Menschen aus der Gewalt eines „Overseers” und flieht mit ihnen anschließend von der Erde zu einem neuen Planeten im Weltraum.

Das von Sun Ra aufgebrachte Sujet der Zeitreise wurde damit für das Konzept des Afrofuturismus besonders wichtig, verkörperte es doch einen Akt des Widerstands und gleichsam einen Versuch der Neuschreibung Schwarzer Geschichte und Zukunft. Afrofuturismus möchte westliche Traditionen in Frage stellen, die als universal angenommen werden und dabei neue Blickwinkel und Denkräume jenseits eines vornehmlich weißen und eurozentrischen Kontexts aufmachen. Gegebene Kontinuitäten werden dabei in Frage gestellt, um neue Narrative von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu finden.

So erscheint Jeremy Nedds Rekurs zur Praxis der Improvisation vor diesem Hintergrund letztlich unabdingbar: Ohne Experiment kann keine Neuschreibung von Narrativen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geschehen.

Werkeinführung 9

DIE SCHÖPFERISCHE

KRAFT DER IMPROVISATION

Jeremy Nedd im Gespräch

Du hast in Ensembles an der Semperoper in Dresden und in Basel getanzt, also mit einem Ballett-Hintergrund zu tanzen begonnen, dann aber angefangen, nach neuen Bewegungsformen zu suchen. Wie sah diese Reise für dich aus?

Ich habe schon immer auch andere Formen der Bewegung praktiziert, ich bin einfach in einer Ballettcompagnie gelandet. (lacht) Um ehrlich zu sein, habe ich mich selbst nie wirklich als Balletttänzer gesehen, aber ich befand mich in den Strukturen der Compagnien. Als ich mich entschied, meine eigene Arbeit zu machen, war ich mir nicht sicher, wie ich meine Choreografien aufbauen wollte und ob sie zum Ballett passten. Das war für mich immer eine Frage, bei der ich hin und her gerissen war. Ich wollte eine andere Bewegungssprache finden, mit der ich kommunizieren kann, und mich mit vielen verschiedenen Arten der Bewegung auseinandersetzen. Ich war neugierig zu sehen, was es neben dem Ballett im westlichen Kontext noch geben kann ... Ich denke, viele Menschen machen genau das, was man an einem spezifischen Ort machen kann. Wenn man aber anfängt, über seine eigene Arbeit nachzudenken, ist es spannend, sich einmal ganz konsequent und konkret damit zu befassen, was es überhaupt bedeutet, Tanz zu kreieren.

Wie bist du speziell auf Pantsula und Impilo Mapantsula gestoßen? Du hast ja bereits zwei Stücke mit

11
Interview

dem Kollektiv geschaffen und für dein neuestes Werk blue nile to the galaxy around olodumare erneut mit ihnen und mit dem Bewegungsvokabular von Pantsula gearbeitet.

Ich habe sie 2017 zum ersten Mal getroffen. Kurz nachdem ich das Ballett Basel verlassen hatte, bekam ich eine dreimonatige Residenz, um nach Johannesburg zu gehen, in die Pantsula-Kultur einzutauchen und zu lernen. Ich bin ursprünglich durch die Musikvideokultur darauf gestoßen und hatte seitdem ein Auge darauf geworfen: Es ist virtuos, wunderschön und präzise. Es hat etwas, das vertraut erscheint, aber es ist auch sehr schwierig, jemanden zu treffen und all dem näher zu kommen. Ich habe Impilo Mapantsula dann über einen Freund kennengelernt, und wir haben uns sofort verstanden. Seitdem haben wir drei Stücke zusammen geschaffen. Es war eine schöne, lehrreiche Zusammenarbeit und ein Austausch, den ich sehr geschätzt habe. Ich hatte nicht erwartet, dass daraus so viel entstehen würde – aber hier sind wir. (lacht)

In deiner Methode der Bewegungsrecherche hebst du die Bedeutung von Techniken der Improvisation besonders hervor. Wie gehst du an die Arbeit mit einem Kollektiv heran, wie kreiert ihr gemeinsam?

Die Improvisation spielte bereits eine große Rolle in den letzten Stücken, die ich geschaffen habe. Ich inte-

12 Interview

ressiere mich generell für Bewegungspraktiken, die aus sozialen Räumen oder aus sozialen Tänzen entstehen. Aus einer gemeinsamen Sprache, einer gemeinsamen Phrasenarbeit, einem gemeinsamen Ansatz, kann etwas sehr Schönes wachsen. Mit etwas Übung kann man dann auch improvisieren und in einem gemeinsamen Raum arbeiten. Ein gutes kollektives Verständnis trägt die Arbeit, es lässt Raum für Freiheit, für Inspiration, aber dennoch gibt es so etwas wie ein Fundament, das ich für sehr wichtig halte. Bei Pantsula ist die Improvisation bereits ein großer Teil des Tanzes – es ist wie Freestyle. Mir ging es darum, dem, was schon da ist, Raum zu geben und zu sehen, wie weit wir es innerhalb dieses Universums, das wir in den letzten Stücken geschaffen haben, vorantreiben können. Bewegungsfreiheit, Ausdrucksfreiheit, aber auch ein gewisses Grundgerüst sind für mich sehr wichtig, nicht nur eine choreografische Vorgabe, sondern ein Modell, um über das Leben nachzudenken.

Ein weiteres Denkmodell, das in diesem Stück hervorsticht, ist das Konzept des Afrofuturismus. Dieser Begriff bezieht sich auf ein theoretisches Konzept, aber auch auf ein Genre und auf eine Widerstandsbewegung. Wie verstehst du diesen Begriff, und wie arbeitest du damit?

Afrofuturismus nimmt verschiedene Räume ein, es ist ein Genre, ein theoretisches Konzept und manifes-

13
Interview

tiert sich auf viele unterschiedliche Arten. Ich komme immer wieder gerne auf das Zitat von Sun Ra zurück: „Space is the Place“. Ich habe es nie so aufgefasst, als ginge es darum, in den Weltraum zu fliehen. Das, was wir hier tun, ist eher ein Beanspruchen von Raum. Es ist eine Art, über eine Zukunft nachzudenken. Bei allen Projekten, die wir bisher gemacht haben, habe ich mich einer spekulativen Denkweise bedient, um die Zukunft neu zu betrachten. Es ist auch eine Art des Nachdenkens darüber, was mit unserer Geschichte und unseren Kontexten passiert, die Verbundenheit zwischen mir als Schwarzem Amerikaner und ihnen als Schwarze Südafrikaner:innen. Für mich ist es immer interessant, diese Dinge und Prädispositionen mit den Konzepten, an denen wir arbeiten, zu verbinden, Nähe herzustellen und zu sehen, was aus dieser Aneinanderreibung entsteht. Und in dieser Hinsicht sind Theater und Performance interessant, weil sie Prädispositionen sind, aber auch bestimmte Dinge katalysieren können. Alles, was wir mit diesem Stück geschaffen haben, worüber wir nachgedacht und spekuliert haben, ist auf ein gewisses afrofuturistisches Streben zurückzuführen.

Ich habe den Eindruck, dass der Titel blue nile to the galaxy around olodumare bereits sehr reich an Referenzen und metaphorischer Bedeutung ist. Inwiefern spiegeln diese Referenzen die wichtigsten Themen deines Projekts wider?

Interview 14

Um ehrlich zu sein sind es eigentlich nur zwei zusammengefügte Alice Coltrane-Songs. (lacht) Ich wünschte, ich könnte etwas anderes sagen. Für mich ist es aber durch den blauen Nil und die Galaxie um Olodumare, einer Art Yoruba-Gottheit, auch ein visueller Titel. Der Weltraum, das Spirituelle und die Wissenschaft ergeben in meinen Arbeiten ein interessantes Bild der drei Kooperationen mit Impilo Mapantsula, die im Dialog miteinander stehen und jeweils ineinander übergehen. Das letzte Projekt hieß how a falling star lit up the purple sky, es hatte also auch kosmische Themen und führt zu dem, wo wir jetzt sind.

Du hast die Inspirationen aus Wissenschaft und Technik erwähnt, und du bezeichnest dich selbst auch als Science-Fiction-Fan. Was fasziniert dich an diesem Genre?

Was mich daran interessiert, ist, dass sie in Wirklichkeit nicht ganz so fiktiv ist, wie man es von Science-Fiction erwarten würde. Es macht immer Spaß, ältere Texte zu lesen und dann zu sehen, wo wir jetzt stehen. ScienceFiction kann eine Art Prophezeiung oder eine Warnung sein, sie kann einen unvorbereitet treffen. Die beste ihrer Art ist jedoch augenöffnend und gibt Aufschluss darüber, wo man sich jetzt befindet. Es geht nicht um einen Zugang zum Jahr 2000 oder 3000: Es geht um das Hier und Jetzt, das mag ich daran.

15
Interview

Deine musikalischen Inspirationen für dieses Stück sind Alice Coltrane und Bheki Mseleku. Jazz ist bekannt für seine tiefen Wurzeln in der afrikanischen Diaspora und für die Möglichkeit, ein breites Spektrum an Erfahrungen auszudrücken. Wie siehst du Jazz als Medium, um sowohl kollektive als auch deine persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen an diese Musiker:innen zum Ausdruck zu bringen?

Ich höre schon sehr lange Jazz, ich habe das Gefühl, schon mein ganzes Leben lang. Jazz ist sehr kollektiv, er begann als Musik im Widerstand und steht immer noch nahe zu Widerstandsbewegungen und Gegenkultur. Jazz ist wirklich ein erstaunliches Beispiel für Schwarze Ausdruckskraft und Genialität, und deshalb fühle ich mich sehr von ihm angezogen.

Hast du bei dieser Arbeit mit der Musik begonnen oder mit der Recherche von Bewegung und Improvisation – oder ist das etwas, das zusammengehört?

Beide Künstler:innen, Alice Coltrane und Bheki Mseleku, haben ein sehr reichhaltiges Œuvre. Ich strebe nicht danach, ihrem großen Gesamtwerk in diesem Stück gerecht zu werden, das wäre auch gar nicht machbar. Es war daher nicht leicht, die Musikauswahl zu treffen. Ich habe bei der Zusammenstellung darauf geachtet, dass die Musikstücke sowohl ein lebendiges Bild der Virtuosität der Jazz-Künstler:innen zeichnen,

18 Interview

andererseits aber auch noch genug Raum für die Tanzform des Pantsula bieten. Es war mir auch wichtig, dass nicht alles nur in einem Rhythmus abläuft. Nicht immer in klare Beats zu verfallen ist wirklich eine Herausforderung, aber ich denke, genau das verleiht dem Tanz und der Musik eine ganz neue Ebene.

Inwiefern weist die Improvisation im Tanz und speziell im Pantsula Parallelen zur Improvisation in der Jazzmusik auf?

Es kommt darauf an, dass man sein Instrument, seinen Körper und seine Partner:innen versteht, dass man ihnen vertraut und offen ist für das, was sie anbieten. Ich habe ein sehr minimales formales Verständnis von Musik. Es geht mir vielmehr darum, zu begreifen, was man hört und was man sieht. Im Kontext von Musik oder Jazz geht es um Timing, also zum Beispiel zu verstehen, dass eine Person vielleicht bald ihr Solo beenden wird und man vielleicht zu einem Loop-Teil zurückkehren wird. Obwohl nicht gesprochen wird, versteht man sich trotzdem – man kommuniziert auf eine andere Art und Weise.

Was wir choreografisch und mit der Bewegung machen, ist, eine ähnliche Praxis zu entwickeln: Eine Praxis, bei der man versteht, dass man bewusst durch Bewegung kommuniziert. Es ist wie die Improvisation im Jazz ein Modell, das sehr interessant ist, da man

Interview 19

lernen muss, in vielerlei Hinsicht offen für Improvisation und offen für das Unbekannte zu sein. Man muss gleichermaßen auch bereit sein, darauf zu reagieren und mit dem zu improvisieren, was einem in den Weg gestellt wird. Das sind die Parallelen, die ich sehe und genau das ist es auch, was mich interessiert.

Die ersten beiden Arbeiten, die wir zusammen gemacht haben, waren sehr formal. Es waren sehr strukturierte Choreografien, es war immer klar, was als nächstes passieren würde. Aber nun ist es so, dass wir in Brüssel fünf Shows getanzt haben, und obwohl die Songs und die Struktur dieselben sind, war es jeden Abend anders. Es gibt natürlich einige Ähnlichkeiten und Vereinbarungen auf dem Weg und dieselbe Musik, aber was dazwischen passiert, passiert dazwischen. Das war sehr lohnend, bereichernd und auch motivierend.

Wie würdest du die Bewegung, die Sprache der Bewegung in diesem Stück beschreiben?

Die Bewegung an sich ist dieselbe, es ist immer noch Pantsula. Woran wir jedoch gearbeitet haben, war, wie wir auch andere Eigenschaften von Pantsula hervorheben können. Pantsula ist sehr virtuos, es ist eine starke, präzise, kraftvolle Bewegungsform. Einmal eine andere Seite davon zu beleuchten, war eine Bereicherung: Pantsula kann auch ein bisschen weicher sein,

20 Interview

ein bisschen mehr off-beat, auch zwischen den Beats. Man könnte fast sagen, ein bisschen mehr „jive-like“, sodass ein Kontrast entsteht. Also, es ist irgendwie das Gleiche, aber doch ganz anders. (lacht)

Interview (Auszüge) & Übersetzung aus dem Englischen: Laura Kisser

Interview 21

JEREMY NEDD

Der Tänzer und Choreograf Jeremy Nedd (*1985) wuchs in Brooklyn (New York) auf und lebt derzeit in Basel in der Schweiz. Jeremy Nedd hatte Engagements an der Semperoper in Dresden (2010-2012) und am Ballett Basel (2012-2016), bevor er in Bern seinen Master in Expanded Theater an der Hochschule der Künste absolvierte.

Jeremy Nedd präsentierte und realisierte seine bisherigen Produktionen in diversen Tanzhäusern, u. a. in der Kaserne Basel, im ROXY Birsfelden, im Arsenic in Lausanne, im Palais de Tokyo in Paris und an den Münchner Kammerspielen. Als Gastperformer ist er mit dem Schauspielhaus Zürich verbunden, wo mit Trajal Harrell zusammenarbeitete. Im Jahr 2023 erhielt Jeremy Nedd den Schweizer Preis der darstellenden Künste.

BIOGRAFIEN

IMPILO MAPANTSULA

Das globale Tanzkollektiv Impilo Mapantsula widmet sich – wie der Name bereits verspricht – ganz dem Pantsula. Mit dem Ziel, die Tanzform, die während des Apartheidsregimes in Südafrika als Widerstandsbewegung entstand, in einen zeitgenössischen Bühnenkontext zu überführen, unterstützt die Gruppe das lebendige Vermächtnis von Pantsula und setzt sich für aufstrebende Tänzer:innen ein.

Impilo Mapantsula schafft Lernmöglichkeiten und unterstützt das künstlerische Schaffen und die künstlerische Entfaltung durch Bildungs-, Kunst- und Berufsprogramme, wobei der Schwerpunkt auf der Schaffung von Arbeitsplätzen, internationalen Kooperationen und Austauschprogrammen liegt. Die Subkultur Pantsula ist nicht nur historisch bedeutsam, sondern vor allem auch im heutigen Südafrika wichtiger Teil der Jugendkultur und umfasst neben Tanz eine eigene Ästhetik, die von Mode, Sprache und Musik bis hin zur Lebensphilosophie reicht. All diese Elemente werden in den Performances der Tanzgruppe aufgegriffen, verarbeitet und in Begegnung mit anderen Tanzformen gebracht. In Zusammenarbeit mit Jeremy Nedd hat Impilo Mapantsula bereits die beiden Werke The Ecstatic sowie how a falling star lit up the purple sky auf die Bühne gebracht.

BIOGRAFIEN

TANZGEWALTIGER SAISONSTART & THEATRALES PANORAMA

A.I.M BY KYLE ABRAHAM

Cassette Vol. 1

Tanz Die neue Saison im Festspielhaus St. Pölten wird von niemand geringerem als dem Choreografen Kyle Abraham eingeläutet: Mit seinem neuen Werk lädt der Tänzer und Choreograf zur Auseinandersetzung mit Konzepten der Erinnerung ein und begibt sich dabei auf die Suche nach seinen eigenen Tanzanfängen und der Musik seiner Jugend.

fr 20/09

EUR 12-49

In Kooperation mit Tangente St. Pölten

ÖSTERREICH-PREMIERE

PHILIPPE QUESNE . VIVARIUM STUDIO

Der Garten der Lüste

Performance In einer Retrospektive der über 20-jährigen

Zusammenarbeit mit Vivarium

Studio setzt sich der Theatermacher Philippe Quesne mit dem 500 Jahre alten Gemälde Der Garten der Lüste von Hieronymus Bosch auseinander – ein humorvolles Spiel mit den Ängsten, Utopien und Dystopien unserer Zeit.

fr 27/09

sa 28/09

EUR 12-49

In Kooperation mit Tangente St. Pölten

ÖSTERREICH-PREMIERE

SHUTTLE-BUS aus Wien

Demnächst im Festspielhaus St. Pölten
SHUTTLE-BUS aus Wien

Juli 2024

fr 05

DOMPLATZ OPEN-AIR: TONKÜNSTLER & FRIENDS

20.00 Uhr Domplatz China Moses/Myles Sanko & Best-of Bernstein St. Pölten Musik/Open-Air

so 07

DOMPLATZ OPEN-AIR:

17.30 Uhr Domplatz FEVER RAY/ARLO PARKS/HVOB/SALAMIRECORDER & St. Pölten THE HI-FI PHONOS Musik/Pop

September 2024

fr 20 A.I.M BY KYLE ABRAHAM

19.30 Uhr Großer Saal Cassette Vol. 1 Tanz/Urban

fr 27

PHILIPPE QUESNE . VIVARIUM STUDIO

19.30 Uhr Großer Saal Der Garten der Lüste sa 28 Performance

19.30 Uhr

Oktober 2024

fr 04

JOANA TISCHKAU

19.30 Uhr Bühne Yo Bro sa 05 Tanz

19.30 Uhr

mi 09 PAT METHENY

19.30 Uhr Großer Saal Dream Box/MoonDial Tour Musik/Jazz

do 10

MNOZIL BRASS

19.30 Uhr Großer Saal Jubelei – 30 Jahre Mnozil Brass Musik/Blech

fr 11 MIGHTY OAKS

19.30 Uhr Großer Saal Live 2024 Musik/Folk/Pop

mo 14

TONKÜNSTLER-ORCHESTER

19.30 Uhr Großer Saal Sibelius/Lutosławski Musik/Klassik

Unser Saisonprogramm 2024/2025 finden Sie auf www.festspielhaus.at.

Kalendarium
- 50 % FÜR ALLE UNTER 26
HVOB SALAMIRECORDER & THE HI-FI PHONOS © Vic Aron © Andreas Jakwerth ARLO PARKS FEVER RAY
© Alex Waespi DOMPLATZ OPEN-AIR 07 JULI 2024 PRESENTED BY
© Nina Andersson

Politische Zeitumstellung?

ticktacktick

ticktackti

So tickt das Super wahljahr: DER STANDARD begleitet Sie mit Analysen, Recherchen und Hintergrundberichten zu den bevorstehenden Wahlen in Österreich, der EU und den USA . Vertrauen Sie auf Qualitätsjournalismus und akribische Berichterstattung in dieser wegweisenden Zeit.

abo.derStandard.at

Der Haltung gewidmet.

ck ck k tack tic ck
t ck ti k ti a ack tick ti ck ti
Bildtitel Festival für Gegenwartskultur 30.4.–6.10.2024 TangenteSt.Pölten 27.6.–30.6. Hands Made
Begüm Erciyas − 30 % beim Kauf von mind. 3 Veranstaltungen 27.6–7.7. Wasteland Installation / Environment Susanne Kennedy, Markus Selg, Debit The Great Simplification 27.6. + 28.6. Haribo Kimchi Theater / Performance (Weltpremiere) Jaha Koo
Performance

Ab sofort Tickets sichern für über 50 Produktionen von

William Kentridge, Dada Masilo, Anne Teresa De Keersmaeker, William Forsythe, Sidi Larbi Cherkaoui, Wim Vandekeybus, Jérôme Bel & Estelle Zhong Mengual, Klangforum Wien / Weronika Pelczynńska / Elizabeth Ward, Korea National Contemporary Dance Company, Alexander Vantournhout und vielen mehr

V ienna International Dance Festival
2024 11.8. 11.7. –
Art Direction, AI & Design: Cin Cin, Creative Studios; Photos: Doris Himmelbauer; 3D Background: Tobias Raschbacher; Performers: BEX, Adil Embaby, Nicola Schößler; Makeup & Hair: The Christoph, Christoph Haider

TEAM FESTSPIELHAUS

Elke Cumpelik Büroleitung Geschäftsführung, Thomas Gludovatz, Andreas Gremel Geschäftsführer, Bettina Masuch Künstlerische Leiterin

KÜNSTLERISCHES PRODUKTIONSBÜRO

Christina Aksoy, Constanze Eiselt Leitung, Musikkuratorin, Prokuristin, Sophie Pachner, Katharina Schober-Dufek Stv. Leitung

KULTURVERMITTLUNG & OUTREACH

Marlies Eder, Gabrielle Erd Leitung, Leonie Humitsch, Margit Mössmer Stv. Leitung, Thomas Svistunov

MARKETING & VERKAUF

Julia Bieder Datenbankmanagement, Julia Dorninger Redaktion & Publikationen, Lilly Feichtinger Praktikantin Marketing, Laura Kisser Redaktion & Publikationen, Sophie Kronberger Online Marketing, Lisa Lampeitl Werbung, Kooperations- & Medienmanagement, Derya Polat Chefkassierin, Andreas Prieling Stv. Leitung & Presse, Ulli Roth Gruppen & Key Accounts, Gülcan Simsek Leitung

TECHNIK & HAUS

Herbert Baireder Stv. Technische Leitung, Beleuchtungsinspektor, Ahmet Bayazit Hausorganisation, Vermietungen, Erhard Biegler Bühnentechnik, Andreas Dröscher Technische Leitung, Handa Firat Reinigung, Lotte Forstner Chefbilleteurin, Christian Hahnl-Bichler Tonmeister, Ilona Hiesberger Hausorganisation, Gerlinde Högel Portierin, Monika Holzgruber Reinigung, Matous Horinek Bühnentechnik, Eren Karabulut Haus- & Betriebstechnik, Münevver Karabulut Leitung Reinigung, Ayben Karadag Portierin, Oliver Klenkhart Bühnentechnik, Michaela Kogler-Troll Portierin, Bernd Neuwirth Cheftonmeister, Nürgül Polat Reinigung, Katarzyna Rausch Portierin, Martin Schmidt Beleuchtungstechnik, Robert Sommer Stv. Beleuchtungsinspektor, Samantha Suppinger Bühnentechnik, Aynur Tuna Reinigung, Jürgen Westermayr Bühnenmeister

IMPRESSUM

Herausgeber, Verleger und Medieninhaber Niederösterreichische Kulturszene Betriebs GmbH, Kulturbezirk 2, 3100 St. Pölten, T: +43 (0) 2742/90 80 80, www.festspielhaus.at. Für den Inhalt verantwortlich Thomas Gludovatz, Andreas Gremel. Künstlerische Leiterin Bettina Masuch. Musikkuratorin Constanze Eiselt. Redaktion Laura Kisser Fotos Zivanai Matangi (Cover, S. 10), Isabel Machado Rios (S. 10), Jean-Marc Virgin (S. 16-17), Philip Frowein (S. 22), Alexander Diaz (S. 24, links), Martin Argyroglo (S. 24, rechts). Druck Walla GmbH. Produziert in Wien. Termin-, Programmund Besetzungsänderungen vorbehalten. Fotografieren, Ton- und Videoaufzeichnungen nicht gestattet. Preis des Programmheftes Euro 2,90

Team & Impressum 30

Alle Vorteile für Ö1 Club-Mitglieder auf oe1.ORF.at/club Mit

Ö1 Club. In guter Gesellschaft.

Mit Kunst, Kultur und Wissenschaft. Ermäßigungen bei 600 Kulturpartnern in ganz Österreich und mehr.

freundlicher Unterstützung von creativcommons.org, alamy.com, Österreichische Nationalbibliothek und Heinz Bachmann

Karten & Information

+43 (0) 2742/90 80 80 600

karten@festspielhaus.at www.festspielhaus.at

Hier geht’s zum Programm:

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.