#08 Sommer 2013

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Editorial

Null22eins Artishocke e.v.


Editorial

Wer suchet, der findet – sowohl spannende uns! Bei allen, die bisher geholfen haben, Menschen in Köln als auch helfende Hän- null22eins zu etablieren – als Leserinnen und de. Gefühlte Tausend Hände haben in den Leser, als Fans, als Helfer mit Tatendrang. vergangenen beiden Jahren mit angepackt: Und bei allen Unterstützern! Denn auch beim Realisieren eines frischen Magazins, diese Ausgabe hat ihren Weg in den Druck beim Finden toller Themen, beim Verteilen, erst mithilfe vieler kleiner Beiträge in der bei den Vorbereitungen zu unseren Veran- letzten Sekunde geschafft – und damit erneut staltungen u.v.m. Da ist es manchmal nicht gezeigt: Auch kleine Brötchen kann man teinur für die Hauptorganisatoren schwer, den len. Daher werden auch wir weiterhin teilen – und zwar null22eins. Überblick zu behalten. Im ganzen Gewusel der Großstadt gehen manche Dinge verloren. Umso schöner, Viel Spaß beim Lesen! dass alle drei Monate das Ergebnis von so menschlichem Zusammenarbeiten in Köln seine Kreise zieht. Mit der Sommerausgabe 2013 feiern wir unseren 2. Geburtstag. Doch keine Sorge, jetzt kommt nicht der große Rückblick mit Schulterklopf-Blabla. Erstens: Soweit sind wir noch lange nicht. Und zweitens: Das ist nicht unser Stil. Unsere Konzentration richtet sich lieber auf eine weitere Ausgabe null22eins, die mit der gewohnten Transparenz, offenen Ohren für Kritik und Themen, offenen Armen für neue Gesichter sowie mit den gewohnten Aufrufen zur Unterstützung den Kölner Sommer bereichern möchte. Von Juni bis August blicken wir diesmal vor allem über den Tellerrand, lassen kleine Grenzen verschwimmen und präsentieren andere Blickwinkel. Und wir bedanken

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Inhalt

inhalt

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06 Alt | Neu /// Klub Genau e.v.

20 Literatur /// TextSchmiede

08 Werkschau /// CD-COver

22 Fotostrecke /// Madame Rossi

10 Artishocke /// Apfelzett

26 Köln Szene /// RAP in Köln

14 Wissenschaft /// StreetArt Marketing

28 Videokunst /// Play (ampersand)

16 Zwischenraum /// Galerie Display

30 Porträt /// Litfasssäule

18 Handgemacht /// Mr. Shirazy

34 Musik /// Lima

Aus Party-WG wird Kulturförderung mit Raum

Lieber gut gecovert mit guter Musik

Leben trifft auf Lebensalltag

Streetdesigner zwischen Kunst und Kommerz

Mit Raum gegen Berührungsängste

Spontan sein mit dem FREEAK im Gepäck

Ein Schreibdozent über Talent und Handwerk

Kleine Momente, viele Perspektiven

Wortkräftiges im Wandel der Zeiten

Ein Video- und Performancefestival als Pilotprojekt

Die Kraft von Medien und Werbung des Herrn Litfaß

Im Zusammenklang der Sinne


Inhalt

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Impressum

#08 Herausgeber

V.i.s.d.P

Redaktion u. redaktionelle Mitarbeit

36 Musik /// In Köln

When People Had Computers, Tami, Trace, Phasevier, Bazooka Zirkus

38 Kunst /// Tim Kastner

Entmachtung der Stadt – mit Humor und ohne Technik

Fotos

Oliver Blumek, Alessandro De Matteis, AnneSarah Fiebig, Young Hare, Eugen Herber, Denise Oemcke, Madame Rossi, Michael Schiffhorst, Christoph Schulz, Anna Shapiro, Andi Wahle, Julia Ziolkowski, Xul Zolar.

Illustrationen

44 Köln Szene/// Laut Gedacht

Keine Randerscheinung – räumlich und künstlerisch

Titelseite

Rückseite

Druck

51 Ausblick /// im September

Von kleinen Räumen und großen Zielen

Anne-Sarah Fiebig, Robert Filgner, Marie-Luise Hofstetter, Esra Lale, Maike Lautenschütz, Giacomo Maihofer, Şehnaz Müldür, Saskia Rauchmann, Anna Stroh, Britta Wanderer, Christine Willen. Zeinab (Zena) Bala, Stefanie Grawe, Nadine Magner, Elisa Metz, Leo Pellegrino, Stephanie Personnaz, Julia Ziolkowski.

Ein Miniatur-Museum für Kölner Passanten

46 Netzwerken /// offene Signale

Robert Filgner robert@null22eins-magazin.de

Layout

42 Museum /// Bauchladen Mimu

Hemmungslos Diary Slam

artishocke e. V. Genovevastraße 65 • 51063 Köln redaktion@null22eins-magazin.de

Anzeigen

http://

Bankverbindung

Zeinab (Zena) Bala, Robin von Gestern, Elisa Metz, Kirsten Piepenbring. Alessandro De Matteis Madame Rossi

Druckpunkt Medien GmbH Robert-Bosch-Str. 6 • 50181 Bedburg www.druckpunktmedien.de redaktion@null22eins-magazin.de null22eins-magazin.de facebook.com/null22eins issuu.com/null22eins-magazin

artishocke e. V.

Deutsche Skatbank Konto-Nr.: 4680715 • BLZ: 830 654 10 Urheberrechte für Beiträge, Fotos und Illustrationen sowie der gesamten Gestaltung bleiben beim Herausgeber oder den Autoren. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers! Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr.


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Alt | Neu

so isses

Was aus einer funktionierenden Wohngemeinschaft so alles werden kann: Eine WG in Ehrenfeld veranstaltete Konzerte und zeigte Filme unter dem Namen Klub Genau. Der große Andrang am Gang und drei Bands, die einen Proberaum suchten, waren der Grund für die Klub-Verlegung in eine ehemalige Werkstatthalle in Kalk – ein ganz neuer kultureller Ort. Um Künstlern und Musikern einen Raum ohne kommerzielle Zwänge zu bieten, gründete sich Ende 2010 der GENAU e.V. – der „Gemeinnützige Verein zur Förderung des kulturellen Lebens in Köln“. Die Fördermitgliedschaft lockt nun mit freiem Eintritt zu Veranstaltungen wie Ausstellungen, Konzerten, aber auch TischtennisTurnieren oder Radbasteltreffen. Wer‘s genau wissen will, schaue doch einfach mal vorbei.


Alt | Neu

WEITERE INFOS /// KLUB GENAU E.V. www.facebook.com/klubgenau genau-ev.tumblr.com Vietorstr. 59a 51103 Kalk Text /// Britta Wanderer FOTOS /// Denise Oemcke, Young Hare, Xul Zolar, Alessandro De Matteis

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werkschau

„Ein Cover ist das Gesicht eines Albums“, so Alexander Lohners starke these. Der Grafikdesigner und Fotograf gestaltet Alben der Alternativen Musikszene. Sein Stil ist eine Mischung aus surrealistischen Darstellungen, die teils an Propagandaplakate erinnern und durch Ironie Emotionen wecken.


werkschau

Ein Plattenregal kann nach mehr aussehen als nach einem Bandfotoalbum

Lieber gut geCOVERt

Text /// Anna Stroh

Collagenartig setzt Alexander Lohner die Schriftzüge und Figuren zusammen, die er mal selbst zeichnet, mal aus einer gewohnten Umgebung entreißt, entfremdet und unter einem anderen Aspekt sprechen lässt. Sein Interesse an Gestaltung wurde schon in jungen Jahren geweckt. Egal ob Zeichnung, Malerei oder Fotografie, nichts blieb unversucht. Die ersten Werke entstanden bereits während der Schulzeit, als er in einer Punkband spielte. Zu jedem Konzert kreierte er Flyer und Plakate. „Ich sammelte verschiedene Schnipsel, kopierte, scannte, klebte und zeichnete die fehlenden Details nach“, so Alex, der seinen Stil weiterentwickelt, aber seine Wurzeln keinesfalls verleugnet. Nach der Ausbildung zum Grafikdesigner stand auch seine Band in den Startlöchern. Das erste Album sollte raus, also musste ein Cover her. Er setzte sich mit seinen Musikkollegen zusammen und sammelte Ideen für eine CD-Gestaltung. „Jeder

sollte etwas einwerfen. Dabei entstanden die verrücktesten Ideen, die ich versuchte, in ein Ganzes zu verpacken“, erinnert sich Alexander. Damit nahm alles seinen Lauf. Eine Band kennt andere Bands. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Aufträge folgten. „Eigentlich steht das Cover schon, bevor ich anfange zu arbeiten. Denn das wichtigsteWerkzeug sind Texte und Auswahl des Titels. Meine Aufgabe ist es dann, die Botschaft des Albums in Kombination mit dem Musikgenre visuell darzustellen.“ Freunde der alternativen Szene dürfen sich auf weitere Werke freuen, denn so lange es gute Musik gibt, wird Alexander Lohner auch gute Cover machen.

Weitere Infos /// www.alexanderlohner.de

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Artishocke

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Artishocke

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Artishocke


Artishocke

„Apfelzett“ Warum kann man mit einer Fernbedienung für den Fernseher nicht auch die schreiende Nachbarin leise stellen? Warum gilt der I likeButton nicht mal im Straßenverkehr? Und warum, um Gottes willen, kann ich diesen krassen Zufall nicht mit Strg + S speichern? Regelmäßige Computernutzer kennen das Gefühl, die findigen Schnellaktionen über Tastaturkürzel ab und an im echten Leben anwenden zu wollen. Einige Hirngespinste sind auf diesen Seiten zu prägnanten Bild-Beispielen geworden.

Fotos /// aLessandro De Matteis alessandrodematteis.com Make Up /// Carola Bintakies dasgesicht-online.de Models /// STRG N, Apfel O /// Nicola Gelking STRG N /// Marc Bartelt ESC /// Gerburg Krapf-Lumpe ESC /// David Heidkamp Apfel O, STRG C + STRG V /// Marcel Langer ENTF /// Christoph Parkinson STRG A /// Lilli Louise Lenz & Eltern Apfel S /// MaXimilian Voigt Apfel M /// Steven Reinert Outfit /// Anna Krus Polyestershock Vintage Store polyestershock.com Artishocke E.v. Maximilian Voigt, Anna-Sophia Lumpe, Anna Stroh, Marie Luise Hofstetter, Miriam Barzynski, Anne-Sarah Fiebig, Robin von Gestern, Leo Pellegrino, Agata Sakwinski, Britta Wanderer, Claudia Dalchow, Michael Blausand

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wissenschaft

Aufgeklebt:

Streetdesigner zwischen urbaner, zeitgenössischer Kunst und Kommerz

Alle kennen sie, viele lieben sie, für manch andere wiederum gilt sie heute als verpönt: Street-Art, eine Form von Graffiti. Obwohl: Hier fangen die definitorischen Unterschiede schon an. Was ist wie mit wem verwandt? Was ist der Ursprung, was eine Weiterentwicklung? gibt es das in dem Zusammenhang überhaupt?


wissenschaft

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Text /// robert filgner illustration /// kirsten piepenbring Fotos /// julia ziolkowski

Heute leben sogenannte Streetdesigner von ihrer Kunst – oder versuchen es zumindest. Julia Ziolkowskis „Intermediate Projekt“ im Lehrgebiet Typographie und Layout an der Köln International School of Design – also der Fakultät für Kulturwissenschaften der Fachhochschule Köln – ist Kernfragen zum Thema Street-Art auf den Grund gegangen. Einige Auszüge aus der Arbeit des Bachelorstudiengangs „Integrated Design“, um etwas Licht auf Straßen und Häuserwände zu werfen: „Es ist inzwischen bekannt, dass Street-Art heutzutage weitgehend größere kommerziel­le Züge angenommen hat und dadurch immer mehr den illegalen Charakter verliert, dem Street-Art lange Zeit unterlag. Viele Unter­ nehmen beziehungsweise Labels haben das Potenzial von Street-Art erkannt und nutzen dies eigennützig für ihre Imagebildung. Bekannte Street-Artisten können heute damit ihr Leben finanzieren.“

Soviel zum Rahmen „Street-Art ist zu einem Trend geworden, der für Marketingzwecke genutzt wird. Die Industrie, Modefirmen und die Musikbranche nutzen dieses Potenzial, um ihre Produkte zu vermarkten. Street-Art wird inzwischen für CD-Cover, Werbeanzeigen und vor allem in der Textilindustrie genutzt. In der Musikbranche wird die Street-Art-Ästhetik neben

CD-Covern auch häufig für Musikvideoclips oder für Trailer bei Musik­ fernsehsendern verwendet. […]“

Logisch, auf die Ästhetik kommt es an „Firmen wollen im Trend sein. Trends entwickeln sich u.a. durch Künstler, Musiker und eben durch Street-Art-Akteure. Darauf reagieren Menschen, indem sie diesen Trend kopieren und verbreiten. Wenn sich dann Trends in der Gesellschaft verbreitet und etabliert haben, bekommen Firmen dies mit und wollen mehr Kapital erwirtschaften. […] Der Erfolg im Marketing ist immer messbar und bezieht sich auf den Zielerreichungsgrad, die Wirtschaftlichkeit und die Mitteltauglichkeit. Man erreicht höhere Leistungen in den Werbemaßnahmen, je mehr Leute auf die Botschaft reagieren.“

Und das ist auch gut für manche Street-Artisten – oder? „Die Street-Artisten der heutigen Zeit kommen häufig aus den Bereichen Kommunikationsdesign, Grafikdesign und Illustration. Ihre meistverwendeten Techniken sind Kleben, Plakatieren, Sprayen und Malen. […] Zum einen gibt es die Street-Artisten, die nur Aufträge annehmen, die ihrer Meinung nach politisch korrekt sind und ihrer Überzeugung entsprechen. Dann gibt es aber noch die Street-Art-Akteure, die ohne Zögern je-

den Auftrag annehmen. Für viele ist es inzwischen legitim, in kleinen Editionen ihre Motive auf T-Shirts zu drucken, um damit ihre Arbeit zu finanzieren. Auch die Zusammenarbeit mit kleineren Firmen wird größtenteils akzeptiert.“

Wandeln zwischen illegal und legal „Neue Umsetzungsformen und Technologien wie Installationen mit Licht eröffnen sich einem immer breiteren Publikum und entfernen sich immer weiter von der klassischen, illegalen Kunst. Die Entwicklung bleibt nicht stehen. Street-Art wird durch viele innovative Techniken legaler.“ Und so verwundern die Interviewpartner für die Arbeit der Studentin nicht: unter anderem Vertreter des Modelabels „Wesc“, den allgegenwärtigen Bananensprayer Thomas Baum­­gärtel, Vertreter des artrmx e.V. und den Inhaber der ArtyFarty Gallery, Coskun Gueven. Street-Art ist eine Schnittstelle – zwischen Kunst und Kommerz, zwischen Straße und Galerie, zwischen Rebellion und Ästhetik.

Weitere Infos /// die komplette arbeit kann man unter www.juliaziolkowski.de downloaden


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Zwischenraum

Galerie

Display


Kleine Räume schaffen eine Atmosphäre, die Berührungsängste nehmen kann. Genau diesem Umstand fühlen sich drei menschen in Zollstock verpflichtet: DIe Galerie Display ist Raum für Kunst, für Jung, und Alt, für Begegnung und Traumverwirklichung.

Text /// Anne-Sarah Fiebig Fotos /// Andi Wahle, Christoph schulz Weitere Infos /// Galerie Display Hönin­ger Weg 218 b 50969 Zollstock www.galerie-display-koeln.de

Köln ist Kultur, Köln ist Kunst. Und das beweist eine über 1.000 Jahre zurückreichende Geschichte der Kölner Malerei und Kunsthandelszene. Besonders im Hochmittelalter war Köln eine Kunstmetropole von Rang. Die Schule der Altkölner Malerei und die Schildermaler liegen in einer langen Tradition künstlerischen Schaffens. Auch im 21. Jahrhundert verteidigt die Domstadt als Heimatstadt des Zentralarchivs des internationalen Kunsthandels (ZADIK) und Gastgeber der ältesten Kunstmesse der Welt: der ART COLOGNE sowie der Cologne Fine Art und der Art.Fair ihren hohen kulturellen Stellenwert. Seit dem Ende der 1960er Jahre prägt eine überaus aktive Galerienszene das Profil der Rheinmetropole. Als kulturelles Zentrum im nationalen und internationalen Austausch bietet Köln einen Spielplatz für Selbstverwirklichungsprojekte. So auch für Christoph Schulz und Andreas Böll, die sich 2010 mit ihrer eigenen Ausstellung in einem „WhiteCube“ in Zollstock einen Traum verwirklichten. Auf der Suche nach einer Räumlichkeit für eine Darbietung ihrer Fotografie begegnete den

beiden Hobbyfotografen der weiße Würfel in Zollstock – ein ehemaliges Sarglager, das durch seine quadratische Form mit vollverglaster Front an ein Display erinnerte. Aus der Intention heraus, auch anderen lokalen Künstlern und Hobbykünstlern einen Raum zur unkomplizierten Präsentation in der Öffentlichkeit zu bieten, fand die Galerie Display ihren Ursprung. Heute bietet der wandelbare Raum auf 12 qm eine im Zwei-Wochentakt wechselseitige Ausstellungspalette aus Grafik, Fotografie, Malerei und Bildhauerei in Sammelprojekten oder Einzelausstellungen. Die häufige Rotation abwechslungsreicher Ausstellungen resultiert aus dem Hauptanliegen, den Blick des Publikums für die Vielfalt der Kunst zu schärfen. Der unkonventionelle, alternative Kunstraum bietet durch seine Wandelbarkeit auch einen optimalen Spielplatz für Aktionskunst mit medialen und musikalischen Vorführungen. Im Mittelpunkt der periodischen Vernissagen steht der direkte Austausch zwischen Publikum und Künstler, der die Chance hat, sich und seine Kunst zu erklären. „Authentisch und familiär“, beschreibt Lorena Jonas die herzliche Atmosphäre der offenen Abende. Als Kunstgeschichtsstudentin an der Universität zu Köln fand sie schnell Interesse an dem innovativen Projekt „Hautnah“ der beiden Galeristen und repräsentiert heute das dritte Bein im Dreigespann. Ihr Ziel ist es, besonders jungen Menschen Berührungsängste zur Kunstszene zu nehmen. Sie erkannte in der sympathischen Galerie die ideale Plattform

dafür. Warum gerade Köln das richtige Fundament dafür bietet? „Köln ist eine Kulturstadt, die bodenständig geblieben ist“, erklärt Lorena. „Es ist ein zweites Wohnzimmer“, fügt Christoph hinzu. „Eine tolerante Stadt. Ich möchte hier alt werden“, schließt Andreas diese Frage ab. Auch außerhalb des „Displays“ engagieren sich die Traumverwirklicher auf Internetplattformen für den direkten Austausch zwischen Künstlern und Kunstinteressierten. Im Gästebuch bestärken Einträge den positiven Minimalismus, der den besonderen Reiz der Galerie ausmacht. Der große Zuspruch bleibt nicht ungeachtet. Das Trio befindet sich bereits in der Planung eines neuen, innovativen Projektes, das in diesem Sommer das Kulturleben Kölns bereichern soll. Es handelt sich um ein Kunstcafé mit angeschlossenen Galerieräumlichkeiten, in denen Ausstellungen, Lesungen und Musik präsentiert werden soll – natürlich wie immer in unmittelbarer Begegnung von Künstler und Publikum. Und natürlich hautnah. Die nächsten Highlights im Juni sind experimentelle Malerei und „One night stand“ auf der 8. Crossartausstellung.


Omid, alias Mr. Shirazy, der uns auf der ReleaseParty von null22eins im Frühjahr mit auf eine musikalische Weltreise genommen hat, hat mit seinem „FREEAK“ etwas geschaffen, das optisch an eine etwas verrückt aussehende Gitarre erinnert. Ist es aber nicht.

Mit dem

FREEAK

im Gepäck


Handgemacht

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Text /// Marie-Luise Hofstetter Fotos /// Alessandro De Matteis

Omid wurde 1971 als jüngstes Kind einer politisch und gesellschaftlich engagierten Familie im vorrevolutionären Teheran geboren. Im Iran können Jungen ab zwölf Jahren freiwillig zur Armee. Sobald sie 18 sind, werden sie eingezogen. Ein Schulfreund Omids entschließt sich, nachdem er an einem von der Moschee organisierten Waffen- und Trainingscamp für Kinder teilgenommen hat, mit gerade einmal zwölf Jahren für sein Heimatland in den Krieg zu ziehen. „Ich erinnere mich noch genau, wie wir ihn an einem Donnerstag verabschiedet haben. Alle waren wir gespannt, was er an der Front erleben würde“, erzählt Omid. „Am Samstag, keine vollen drei Tage später, kehrte sein lebloser Körper nach Hause zurück.“ Um ein ähnliches Schicksal zu umgehen, beschließt der damals 14-Jährige den Iran zu verlassen, um so der dort geltenden allgemeinen Ausreisesperre für männliche Jugendliche über 14 Jahren zu entkommen. Omids Schwester ist einige Monate zuvor bereits nach Deutschland geflohen und übernimmt die Vormundschaft für ihren zehn Jahre jüngeren Bruder. Dieser spricht zwar anfangs kaum Deutsch, erhält jedoch an einer Bochumer Musikschule zum ersten Mal in seinem Leben die Möglichkeit, selbst Musik zu machen. Dank dieser, erklärt Omid heute, sei er damals in der Lage gewesen, auf nonverbaler Ebene mit anderen zu kommunizieren und so trotz aller sprachlichen und kulturellen Barrieren schnell Anschluss zu finden. Im Iran, erklärt er weiter, war das Praktizieren jeglicher Form von Musik verboten, da sie, wie alles andere Kreative, identitätsstiftend sei. So entwickelt sich aus Omids Interesse für die Musik nach und nach eine ausgewachsene Leidenschaft. Während seiner Zeit in Bochum gründet er seine erste, recht erfolgreiche Band mit zwei anderen iranischen Flüchtlingen und betreibt schließlich sieben Jahre lang eine Schule für elektronische Musik – mit Sitz in jener Musikschule, in der auch er seine ersten musikalischen Gehversuche unternommen hat. Im Jahr 2007 beschließt der Künstler, von Bochum nach Köln zu ziehen, da dort die Nachfrage nach elektronischer Musik sehr viel größer

ist. In der Domstadt angekommen, beginnt er schließlich auf Drängen anderer und mit der Hilfe seines Freundes Michaels mit der Umsetzung einer Idee, die schon lange in seinem Kopf herumgeistert: ein Instrument, das dem Künstler erlaubt, elektronische Musik live zu performen, statt sie nur abzuspielen, und gleichzeitig Visuals, sprich Bilder und Videosequenzen zu steuern. Ein Instrument also, das eine Form der Spontaneität erlaubt, die in der elektronischen Musik normalerweise so nicht denkbar ist. Obwohl weder Michael noch Omid mit dem eigentlich notwendigen Know-how für den Bau eines solch komplexen Gerätes ausgestattet sind, stürzen sie sich gemeinsam auf das Projekt „FREEAK“ – ein audio-visuelles Loopinggerät vom Feinsten. Ursprünglich auf drei Wochen angesetzt, beansprucht die Umsetzung ihres Vorhabens schließlich mehr als ein Jahr, da im Laufe der Entwicklung des „FREEAK“ immer wieder neue, spannende Ideen zutage kommen. Dreizehn Monate nach Beginn des Projekts ist das acrylblaue, elf Kilogramm schwere Instrument der Superlative schließlich fertiggestellt. Inzwischen tourt Omid,

dessen Künstlername heute Mr. Shirazy ist, seit gut fünf Jahren mit dem „FREEAK“ im Gepäck durch die Welt. Zwar hat er sein Ziel erreicht, elektronische Musik zu performen statt nur auszulösen. Somit befindet sich seine eigene Kreativität im ständigen Fluss. Jedoch plant er bereits ein neues, weniger auf ihn persönlich zugeschnittenes Instrument: Es soll allen Elektro-Musikern die Möglichkeit bieten, elektronische Musik zu produzieren, die sich nicht durch Stabilität, sondern vielmehr durch Spontaneität auszeichnet. So soll bei jeder Performance offen bleiben, wohin die musikalische Reise geht. Für die Umsetzung dieses neuen Projekts sucht Omid noch Unterstützung – sowohl kreativer, als auch finanzieller Art. Damit noch mehr Musik Grenzen durchbrechen kann. Aktuelles Album: „Back to Evolution“ Neues Album: „Free Hugs“ Veröffentlichung: Herbst 2013 Weitere Infos /// www.mrshirazy.COM booking@mrshirazy.com


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LITERATUR

Talent oder Handwerk

Textschmiede Text /// Giacomo Maihofer Illustration /// Elisa Metz Weitere Infos /// www.stefankeller.net

Um das Schreiben ranken sich viele Mythen. Schreiben ist ein Talent, eine Begabung: Entweder man kann es oder man kann es nicht. Lernen kann man es jedenfalls nicht, So die Ăœberzeugung vieler Menschen. ein Dozent aus KĂśln gibt Einblicke. er verdient sein Geld mit dem Schreiben. Und damit, es anderen beizubringen.


LITERATUR

Eigentlich wollte er nie schreiben. Als er jung war, wollte Stefan Keller erst Punk-Musiker werden, dann Fotograf. „Schreiben fand ich langweilig. Man sitzt irgendwie alleine irgendwo rum und schreibt irgendwas. Das ist nicht grad aufregend. Aber ich musste ja schreiben. In der Schule, dann im Studium, diese elend langen Hausarbeiten. Dass Schreiben auch etwas Anderes sein kann, entdeckte ich erst viel später.“ Es fing damit an, dass er einen Artikel bei einem lokalen Wirtschaftsblatt einreichte. Von da an schien ihn das Schreiben zu verfolgen. Keller schrieb für den Rundfunk, er schrieb Hörbücher und Theaterstücke, Kurzgeschichten und Pressemitteilungen. „Die Leute in meinem Umfeld haben mir immer gesagt, ich solle etwas mit dem Schreiben machen“, sagt er, „ich schätze, sie hatten recht.“ Heute ist Keller Krimi-Autor. Seine Romane, allesamt in Köln angesiedelt, offenbaren dem Leser die verschiedenen Seiten der Stadt. Ob der Kölner Dom oder das alte

Milieu in den Siebziger Jahren. Keller verarbeitet die Stadt in seinen Erzählungen und transformiert sie. „Wenn ich an Orten bin, versuche ich immer mir vorzustellen: Was ist hier eigentlich passiert? Ich versuche an einem Ort immer die Geschichte zu sehen.“ Aber Keller schreibt nicht nur selbst, er hilft auch anderen Leuten zu schreiben. Die Universität zu Köln hat ihm gleich mehrere Seminare zur Verfügung gestellt, in denen er jungen Studenten vermittelt, wie man einen Roman schreibt. In der ersten Sitzung projiziert er eine vollgeschriebene Tafel an die Leinwand. Es sind Ideen, entstanden aus einem wilden Brainstorming. Neben Basketball steht Doping, steht Jan Ullrich, steht Konkurrenzdruck. Wörter, die nur semantisch verknüpft sind, rausgegriffen werden, eine Geschichte formen. Charaktere erwachen zum Leben. Keller vermittelt den Studenten die Kreativität, sich selbst zu entfalten. Dann gibt er ihnen das Rüstzeug an die Hand, diese Kreativität in eine Form zu pressen. Er lehrt sie die Fachtermini der Dramaturgie: Konflikt, Spannung, Auflösung.

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„Viele junge Leute besitzen das Talent zu schreiben. Aber sie lassen sich allzu leicht abschrecken. Ich kenne das ja selbst von meinem Lektor. Ich sage ihm immer, nach der Korrektur hasse ich ihn für die nächsten drei Tage.“ Denn auch das ist Schreiben: Disziplin, harte Arbeit. Keller selbst setzt sich jeden Tag ein festes Pensum – 4.000 Wörter, drei Stunden. Das versucht er auch seinen Studenten nahe zu bringen. „Am Anfang denke ich nicht lange darüber nach, wenn ich schreibe. Ich tippe erst einmal alles runter. Nach dem ersten Entwurf fängt dann die eigentliche Arbeit an.“ Im Fachjargon nennt man diesen Prozess ReWriting. Passagen werden gestrichen, Sätze und Absätze, Charaktere verändert, Szenen werden hinzugefügt oder herausgenommen. Was am Ende bleibt, ist Fragment, manchmal nicht mehr als die ursprüngliche Idee. In seinen 20 Jahren hat Stefan Keller gelernt, dass Kreativität und Disziplin einander bedingen. Das Eine geht nicht ohne das Andere. Kreativität braucht Kontinuität. Schreiben ist zwar eine Kunst. Erzählen aber bleibt ein Handwerk.


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Fotostrecke

Kleine Momente, viele Perspektiven

Schauplatz Stadt

Eine Dokumentation der Stadt, ihrer Bewohner und von Atmosphäre, Fern der Hektik des Alltags: Madame Rossi möchte urbane Momente neu sehen. Sie rückt Köln in viele Perspektiven und Momente, und in den Fokus ihrer Kamera – hier: Mülheim.

Weitere Infos /// Madame Rossi www.facebook.com/Madame. Rossi.Fotografie www.madame-rossi.de


Fotostrecke

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Fotostrecke


Fotostrecke

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köln szene

Wortkräftig

Rap in seinen Zeiten Rap, HIP-Hop, Poetry-Slam u.v.m. sind Kunstformen aus der eigenen Sprache. Und sehr persönlich. Ein kurzer Ausflug zurück zu den Anfängen und zu heutigen Formen.


köln szene Text /// saskia rauchmann illustration /// robin von gestern

Sprechgesang, auch Rap genannt, ist Teil der Hip-Hop-Kultur, die sich in den 80er Jahren aus den Ghettos der USA ihren Weg in die Welt und somit auch nach Deutschland bahnte. Dort folgte Anfang der 90er Jahre ihre Blütezeit. Viele gute Rapper schafften über die Medien den Sprung zu einem größeren Bekanntheitsgrad und das Niveau stieg stetig an. Rap wurde vielseitiger, entfernte sich jedoch stark von seinen Wurzeln als Sprachrohr der Jugend. So entstanden über die Zeit mehrere Gruppierungen: Die Rapper „der ersten Generation“ warben für den „wahren Rap“, während sich andere wiederum innerhalb ihrer Städte zusammenschlossen und Hymnen für ihre Heimat schrieben. Kritisch wurde es, als sich Anfang des 21. Jahrhunderts auch eine Vielzahl von Rappern bildete, die den sogenannten Gangsta-Rap feierten. Er verbreitete Diskriminierungen, Rassismus und Kriminalität und führte letztendlich dazu, dass viele den Sprechgesang nicht mehr ernst nahmen und die literarische Kunst darin in den Hintergrund verschwand.

Rap lebt, auch in Köln Dennoch setzen sich immer wieder neue talentierte Rapper durch, die hoffen lassen, dass Rap in der Gesellschaft allgemein wieder ernster genommen wird. Denn die Nachfrage ist beständig: ob als Poetry Slams, Workshops in Jugendzentren oder Jams und Videoclips innerhalb der Szene. Es gibt in Köln mittlerweile viele unterschiedliche Ansätze und Rap beschränkt sich längst nicht mehr auf die klassischen Beats. Die Rapper Querfälltein werden zum Beispiel von einer Band begleitet und kombinieren so Rap mit Rock ’n‘ Roll. Noch exotischer ist Waduh. Eine achtköpfige Gruppe, die auf deutsch, spanisch und englisch rappt und singt. Sie werden dabei von Cajon, Saxophon, Bass, Gitarre und Posaune begleitet und es entstehen multikulturelle Rhythmen. Deshalb beschreiben sie ihre Musik gerne als „Backpacker-Trip rund um den Globus“. Etwas klassischer, aber auch interessant sind Mirko Polo und seine Crew aus Longerich. Sie widmen ihrer Heimat ein Liebeslied in eigener Sprache – nämlich auf Kölsch. Und wirklich „back to the roots“ sind die Ehrenfelder Jungs Flo und Jan von ZweiterStock. Sie vereinen die

klassischen Hip-Hop-Beats mit Deutschrap. Dabei ist ihnen besonders wichtig, dass der Inhalt authentisch ist: „Er kann dabei ruhig mal ein bisschen anecken und fragwürdig sein. Jeder hat ja so seine Ecken und Kanten, aber Rap sollte auch Grenzen haben. Mit Gangsta-Rap können wir uns trotzdem nicht identifizieren. Aber mittlerweile gehört auch er dazu.“ Allerdings wünscht Jan sich, „dass Rap allgemein nicht mehr in eine Asi-Schublade gesteckt, sondern im Einzelnen bewertet wird.“ Schließlich macht es nicht nur Spaß. Es ist auch Arbeit. Denn Rap ist auch Poesie. So fühlt sich Flo, der früher bereits Gedichte geschrieben hat, eher mit einer bildlichen Sprache verbunden: „Ich sage nicht: so ist es, sondern nutze lieber Metaphern. Es ist mein Anspruch, die Leute zum Nachdenken anzuregen. Ich möchte niemandem etwas schlicht vor den Kopf knallen.“ Jan hingegen ist Spontaneität wichtig: „Ich mag es, mich einfach mit Leuten zu treffen und zu freestylen. Dabei fehlt uns nur manchmal jemand, der sich mehr mit dem Basteln von Beats beschäftigt. Das haben wir neben dem Studium bisher nicht geschafft.“ Zukünftig möchten die beiden eine gemeinsame EP aufnehmen. Vielleicht ja in einen der Hip-Hop-Studios in und um Köln.

Die nächste Generation Aber auch die Kölner Kids kommen nicht zu kurz, denn das Kinder- und Jugendhaus Boltensternstraße hat ein kleines Tonstudio, dass nach Terminabsprache professionelle technische Unterstützung im Umgang mit Rap bietet. So werden die Kids motiviert, nach neuen Reimen zu suchen und setzen sich bewusst mit Sprache auseinander. Vielleicht fällt es so einigen Schüchternen auch leichter, eigene Probleme des Alltags ernst zu nehmen und zu äußern. Ein weiteres Projekt, durch das Rap als Sprachrohr der Jugend dienen kann.

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Videokunst


Videokunst

Play Ein Video- und Performancefestival – und Pilotprojekt Text /// Maike Lautenschütz Foto /// Oliver Blumek

Die beiden sind sich einig: Geradezu selbstständig entwickelte sich die Idee für das Festival Play am 14. und 15. Juni – und zwar aus dem Zusammentreffen verschiedener Kulturschaffender, die eine gemeine Begeisterung für Kunst in der Urbanität auszeichnet. Mit diesem Kölner Format formen Felicia von Karais und Falko Bürschinger von ampersand zusammen mit dem Kölner Kunstverein CAT Cologne e.V. eine Plattform für den experimentellen Kunstfilm, der in Galerien frappierend selten gezeigt wird. Play fungiert als Bühne für einen vielschichtigen Einblick in die junge, regionale Videound Performance-Szene und spiegelt die kulturelle Verbindung zwischen Köln und Düsseldorf wider. Bewerbungen trafen von der KHM Köln und der Kunstakademie Düsseldorf gleichermaßen ein. Das Kuratorenteam formte sich zwischen Vernissagen und Messen, und schöpfte sein Potential just aus der beruflichen Vielfalt: In Kooperation mit CAT Cologne, der Filmkritikerin Kathrin Häger und Dramaturgin Stawrula Panagiotaki ist das Pilotprojekt mit Arbeiten von Newcomern und preisgekrönten Videokünstlern auch ein Test für die Kölner Kulturlandschaft.

Voyeurismus in Marienburg Über die Idee, ein Video- und Performancefestival in und um eine Galerie auszurichten, sagt Felicia: „Uns zieht diese Gratwanderung an: Sehgewohnheiten beim Publikum durch die Konfrontation von urbanen Gegebenheiten und Videoprojektionen aufzubrechen, um dadurch einen neuen unverbrauchten Zugang zum Medium Video entstehen zu lassen.“ Um die Lücke zwischen Sender und Empfänger zu minimieren, wird auch die räumliche Umgebung der Videoscreens bei Play thematisch aufgegriffen. Da passt es, wenn die Künstlerin Tama Tobias Macht die benachbarte Auslage des Modeladens nutzt und im dort gezeigten Video den Blick auf akribisch gepflegte Privatgärten im gut betuchten Marienburg lenkt. So macht das Schaufenster seinem Namen alle Ehre und in den Zuschauern waltet der Voyeurismus.

Noch ein Festival im Juni? Besteht in Köln denn überhaupt Bedarf an einem Video- und Performance-Festival inmitten des Veranstaltungs-Potpourri? „Es geht um die Konfrontation von Kunst und urbanem Charakter. Ob das innerhalb der Galerieszene klappt, wird sich danach zeigen“, folgert Felicia optimistisch. Doch genau darin liegt das Potential des Festivals, denn Videokunst wird bisher noch viel zu selten unter freiem Himmel gezeigt. Und so will Play einen Impuls geben für Urbanität und öffentliche Kunst – im Staffellauf mit der Street-Art sozusagen, die sich ihren Weg zur ernstzunehmenden Beachtung auch erst bahnen musste. Die Videokunst ist ein noch sehr offenes Feld, das es für Köln nun zu erkunden gibt. Am Festivalwochenende werden übrigens die Nachbarwände auf dem Galeriedach von Ray Vibrations Performance an Overheadprojektoren bespielt, sobald der Tag zur Nacht wird – und das Festival schon längst auf den Startknopf gedrückt hat. Weitere Infos /// Galerie ampearsand Venloer StraSSe 24 50672 Köln www.galerie-ampersand.de

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PORTRÄT

LITFAßSÄULE Am Anfang war die Litfaßsäule

Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Dieses Sprichwort lässt sich wohl auch auf eine Antiquität übertragen, die unter einem Kleid aus Plakaten für unser Auge im Stadtalltag nahezu unsichtbar geworden ist. Dabei findet man dieses Straßenmöbel aus den 1850er Jahren noch heute stark in der Öffentlichkeit vertreten. Seine historische Bedeutung ist enorm, denn am Anfang der uns bekannten populistischen Welt der Reklame stand sie: die Litfaßsäule.

Alles für Nichts! Anfang 2005 zierten 51.000 Litfaßsäulen die Stadtbilder Deutschlands. Zum 125. Jubiläum im Jahr 1979 und zum 150. im Jahr 2005 verschönerte das traditionelle Straßenmöbel sogar Briefmarken der Deutschen Post, vielleicht aus modischer Nostalgie. Ihr Ursprung liegt in Berlin. Ihr Erfindervater aufs Patent: Reklamekönig Ernst Litfaß. Als Erbe eines Buchdruckunternehmens schaffte er es, seinem Vertrieb in den 50er Jahren Erfolg und eine Monopolstellung in Berlin einzubringen. Er scheute die Veröffentlichung anstößiger Autoren nicht – auch Flugblätter der Märzrevolution von 1848 sind in seiner Buchdruckerei hergestellt worden. Mit der Herausgabe des provokanten Witzblattes „Berliner Krakehler“ zog er sogar die Aufmerskamkeit der Politik in Verbindung mit einer Pressezensur auf sich. Intensive Beziehungen zur Berliner Theaterszene und die Herausgabe des „Berliner Tagestelegraph“ als Ratgeber für Unterhaltung und Gastronomie – erstmals durchzogen von Reklameanzeigen in großer Fülle – trieben ihm bald Popularität und den Beinamen „Reklamekönig“ ein. Inspiriert von einem Zitat eines Zirkusunternehmers aus Nordamerika, man müsse „den Leuten alles für nichts versprechen“,

text /// Anne-Sarah Fiebig Fotos /// Anne-Sarah Fiebig, Andi Wahle, Rheinisches Bildarchiv Köln ILLUSTRATIONEN /// ZENA BALA

führte Litfaß die „Sensationelle Reklame“ in Berlin ein, die auf die reine Aufmerksamkeitserregung durch auffallende Bildwerbung anspielt. Seine Chance erkannte Litfaß im aufkommenden Problem einer Überflutung an Anschlagflugblättern während der Industriellen Revolution. Daher unterbreitete er dem Polizeipräsidenten Hinckeldey seine Pläne einer Säule dafür und damit die Idee eines kontrollierten Säulenanschlags und einer daraus resultierenden Zensur gegen das wahllose Plakatieren an Hauswänden. Mit Erfolg: Die alleinige Konzession zur Aufstellung seiner Anschlagsäulen trat 1854 in Kraft. Jedoch entsprang diese Idee nicht seinem Genie: George Sam Harris meldete bereits 1824 in London ein Patent für eine sich drehende, achteckige Plakatsäule auf Rädern an, die von innen erleuchtet wurde und als „Harissäule“ zum Anstecken von Plakaten diente.

Grau-Rot-Schwarz mit Hut In Berlin setzte sich der Weg der Litfaßsäule fort. In einer aufwendigen Werbekampagne wurde den Bürgern die Uniform der zukünftigen Anschlagspediteure präsentiert: grau-rot-schwarz mit Hut und Messingschild – Plakatformate und Anschlagpreise inklusive.


PORTRÄT

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Der Säulenheilige Gegen die populistische Entrüstung über die Formgebung der „Mißschöpfung“ durch die Blätter „Deutsches Museum“, „Deutsches Kunstblatt“ und der „Berliner Morgenpost“ stand das erkennbare Interesse der Berliner Bürger, die sich am 1. Juli 1855 in Scharen um die erste errichtete Anschlagsäule im Format 3,28 x 2,80 Meter tummelten, um der „ErnstLitfaß-Annoncir-Polka“ zu lauschen. Ganz im Gegenteil wurde „Litfaß‘ 150 Kinder“ sogar zu einem beliebten Gassenhauer Berliner Leierkastenmänner und Straßenmusikanten. Ernst Litfaß war plötzlich zum „Säulenheiligen“ avanciert. Nach seinem Tod 1874 erlangten Nauck und Hartmann 1880 die Konzession zum Säulenanschlag und beendeten damit die Ära „Litfaß“. Litfaß‘ historische Bedeutung erkennen wir vielleicht an seiner Grabstätte, die sich auf dem Dorotheenstädischen Friedhof in Ostberlin in unmittelbarer Nachbarschaft zu Heinrich Mann und Berthold Brecht befindet.

Durch Krieg und Frieden In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stickten vorwiegend Werbeaufrufe und Kriegsdepeschen das Kleid der Litfaßsäule. Zweckentfremdet diente sie zuweilen umgestürzt als Barrikade oder Schutzwall während revolutionärer Zustände. In der Weimarer Republik wurde sie Zentrum marktpopulistischer Werbeplakate. Aufrufe von Freiwilligen zu den Fahnen bereicherten vor dem Ersten Weltkrieg ihr Portofolio, während sie in den 20er Jahren wieder ganz im Dienst der Markenartikelindustrie stand. Die größte Anzahl an Litfaßsäulen erreichte Berlin während der nationalsozialistischen Ära, bestückt mit politischen Propagandaplakaten, Hetzaufrufen und Verordnungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm sie die Vermittlerrolle zwischen Bürgern und Behörden ein und verließ den Rahmen des „kontrollierten Säulenanschlags“, da Berliner sie nunmehr als direktes Kommunikationsinstrument benutzten, indem sie neben Tauschangeboten auch Anzeigen klebten. Auch Kinoplakate und Veranstaltungstermine fanden in der Litfaßsäule ihren festen Träger. Noch heute liegt der


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PORTRÄT aktuelle Street-Art-Trend, bei dem Straßenobjekte über Nacht in bunte Kostüme eingehäkelt werden, ist an der Litfaßsäule nicht vorbeigegangen.

Das Runde währt ewig

Seit mehr als 158 Jahren bietet die Anschlagsäule aus Eisenblech mit englisch-grünem Schaft und Palmettenfries Raum für Obrigkeiten, Parteien, Kirchen und Markenartikelhersteller zur Verbreitung ihrer Aufrufe, Verordnungen, Programme oder Produkte. Sie spiegelt nicht nur in den Inhalten ihrer Mitteilungen die Entwicklungsgeschichte der Medien und die der deutschen Geschichte von 1855 bis heute wider. Nach wissenschaftlichen Studien streift unser Blick tagtäglich mindestens einmal eine Litfaßsäule. Und auch wenn sie sich unseren Augenwinkeln oft entzieht und sie heutzutage aus Beton oder Eternit gefertigt wird, kennt jeder die ihr entsprungene Redewendung: „Red‘ doch kein Blech“, Herr Litfaß.

Schwerpunkt ihrer Vermarktung auf Werbebotschaften, fünf Prozent der Fläche werden jedoch noch zu offiziellen Bekanntmachungen genutzt: u.a. Bezirksmitteilungen wie öffentliche Versteigerungen, Hinweise der Kriminalpolizei oder sogar zur Erinnerung an den jährlichen Abgabetermin zum Lohnsteuerjahresausgleich. Dem Aufkommen des Fernsehens und dem daraus resultierenden Kino- und Kinoplakatsterben folgte ein Trend hin zum Plakatanschlagen auf Großflächen à la Hollywood der 60er Jahre. Doch die Litfaßsäule blieb bestehen – in guten wie in schlechten Zeiten.

Innovation Litfaßsäule

Heute bietet das antike Straßenmöbel zweckentfremdet Raum für Dienstleistungen. In Berlin weisen leuchtende Verkehrssäulen den Weg zu Messegeländen und Kongresszentren. In öffnenden Säulen, die man Pillar nennt, sind im Innenraum Terminals oder Telefone installiert. Sie ist Herberge für öffentliche Toiletten oder Gastronomie, wie eine säulenintegrierte Creperie am Kölner Neumarkt beweist. Auch der Konstruktion des Kölner Wasserstandmessers „der Pegel“ diente eine Litfaßsäule als Inspiration. An der Ulrepforte beinhalten Litfaßsäulen Glascontainer. „Säulenheilige“ nennt man in Düsseldorf eine Gruppe Statuen des Künstlers Christoph Pöggeler, der die Litfaßsäule als Sockel für seiner Präsentationen nutzt. Ein neuer Trend führt das Ankleben von innovativen „Ziehzetteln zum Abreißen“ mit sich, an denen Passanten sich unter anderem ein „Lächeln zum Mitnehmen“ abziehen können. Auch der


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Musik

Ä S T H E S SYN

IE

IM NAMEN DER MUSIK

Text /// Esra Lale FOTO /// ANNA SHAPIRO, Eugen Herber


Musik

I

hre Feuertaufe bestanden sie beim Viertel­ finale des Emergenza-Festivals im Un­ derground. Wenn sie weiterhin bei die­ sem großen Live-Bandcontest positiv abschneiden, geht es für die nächste Runde in die Live Music Hall. Ein beachtlicher Ein­ stieg, auf den die Düsseldorfer Jungs Rolf (Gesang), Daniel (Leadgitarre), Kriss (Bass), Sven (Rhythmusgitarre) und Olaf (Schlag­ zeug) – genannt Lima – stolz sein können. Besonders weil die Band aus wahren Freunden besteht, die sich teilweise ihr hal­ bes Leben lang kennen und gemeinsam Mu­ sik machen. Trotzdem oder genau deshalb gaben sie sich jederzeit Raum zur individu­ ellen Entfaltung und so entstand der einzig­ artige Sound Limas: „ein Konsens aus den verschiedenen Charakteren.“ Auch wenn man ihre Musik vorzugsweise in das Genre Pop-Rock einordnen würde, sind sie mehr als eine kategorisierte Musikrichtung – vielfäl­ tiger, ehrlicher und leidenschaftlicher. Denn das Wichtigste bei den Songs ist die Kreation einer „Atmosphäre, sodass es nicht zu glatt ist und nach was Neuem klingt.“ Die Verbindung von poppigen Beats und verzerrten Gitarrenklängen, von hell und dunkel, und die letztendliche Kombinati­

on mit dem rauchigen Gesang ist unterlegt mit appellativen Texten. Doch Lima ist kei­ ne politische Band, die Musiker wollen sich weder in ihrem Sound noch in der Auswahl der Themen festlegen, sondern sich immer weiterentwickeln und bunter werden. Ihre mannigfaltige Musik spricht Mann und Frau, Pop-Hörer und Rocker gleichermaßen an, kurz: ist massentauglich. Sie versuchen nicht gegen den Strom zu schwimmen, wie es viele verkrampft tun. Ihnen ist es wichtig, sich von der Musik in eine Richtung treiben zu lassen und ihr keine Grenzen zu setzen.

Leidenschaft „Wenn wir was tun, dann richtig“, betonen die Bandmitglieder und deuten unter ande­ rem auf die Zeit in den „Rock Or Die“-Stu­ dios in Düsseldorf an. Hier wurden die ana­ log aufgenommen Songs ihrer ersten EP, die den Titel „My Garden“ trägt, wieder und wie­ der eingespielt. Eine sehr intensive Zeit, die vollgespickt war mit gegenseitiger Kritik und Verbesserungsvorschlägen. Doch trotzdem verloren sie nie ihre Maxime, freundschaft­ liche Demokratie untereinander herrschen zu lassen. Alle sind einer Meinung: „Ohne Freundschaft kann keine Leidenschaft ent­

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stehen.“ Inspiriert durch ihren stimmungs­ vollen Sound entschieden sich die Freunde dafür, die Atmosphäre der einzelnen Songs zu visualisieren. So entstand, durch die Zu­ sammenarbeit mit einer Kommunikations­ designerin, das kreative Artwork der EP und der kunstvolle Schriftzug des geheimen Bandnamens.

Synästhesie Die synästhetische Mischung beider Sinnes­ wahrnehmungen, gepaart mit der kollekti­ ven Passion zu ehrlicher Musik, verleiht den Jungs sowohl ihren optischen als auch akus­ tischen Wiedererkennungswert. Lima, eine Band die auf ihre gemeinsame Leinwand mit jedem Song eine andere Farbe streicht und deren visionäres Kunstwerk noch lange nicht fertig ist.

Weitere Infos /// www.LIMA-MUSIC.COM WWW.SOUNDCLOUD.COM/LIMA-MUSIC www.youtube.com/LimaMusicOfficial


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Musik in KÖLN

Hier erhalten Musiker eine Plattform, sich zu präsentieren. Die Talente unterstützen ihren Auftritt und helfen, diese Seite zu produzieren. Interesse? E-Mail an: redaktion@null22eins-magazin.de

Vielfältig

when people had computers 2012 in Köln gegründet, haben WHEN PEOPLE HAD COMPUTERS in diesem Frühjahr ihre Debüt-EP „Odds & Ends“ vorgelegt. Das Konzept: Analoges mit Digitalem in Synthese, ausgewogen angereichert mit Details und Tüfteleien. Ein wummernder Bass, eine Hi-Hat im Off-Beat, Klickklack-Sounds von Schritten, dazwischen Orgeln, leise tönende Posaunen, ein luftiges Saxophon und Gesang, der mal kraftvoll, mal zart aus dem Hintergrund nach vorne rückt. Musikalische Vielfalt, von der man sich auf der diesjährigen C/O Pop überzeugen lassen kann. weitere Infos /// soundcloud.com/whenpeoplehadcomputers www.facebook.com/whenpeoplehadcomputers

Köln-Rap

TAMI

„TAMI“, der mit bürgerlichem Namen Habakuk heißt, macht Deutschrap. Als Sohn eines Bühnenbildners und einer Sozialpädagoging fing der heute 27-jährige Kölner schon im Alter von 13 Jahren mit Freestylen an. Im Jahr 2012 betrat er zuerst als Partner von Tatwaffe (dieFirma) mit ihrem gemeinsamen Projekt „TNT“ die Bildfläche. Im Juni erscheint mit „Zurück in die Zukunft“ seine Debütplatte. Als innovative Idee erscheint „Zurück in die Zukunft“ als T-Shirt-Druck, auf dem ein Downloadlink plus dazugehörigen Code abgebildet sein wird! Deutschrap – persönlich und hörenswert! weitere Infos /// www.facebook.com/tami.offiziell

60er mit rock und mehr

Trace

Das sind fünf Wahlkölner, die 60er Jahre Sound mit modernem Indie Rock kombinieren und dabei gekonnt mit unterschiedlichen Genres und Songtypen spielen. Die englischen Lyrics widmen sich zeitlosen Alltagsthemen oder aktueller Sozialkritik. Trace pendeln zwischen kraftvollem Garage Sound und eingängigen Balladen. Verschiedene Einflüsse wie die Rolling Stones oder die Libertines kollidieren hier und prägen den erfrischenden Sound, der seit einigen Jahren existierenden Band. Ihr Album „Minus the Donkey“ ist seit Mai über das Label KlangApartment auf den gängigen Download Portalen zu erwerben. weitere Infos /// www.trace-band.de www.facebook.com/trace.musik


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Jazz, aber anders

PhaseVier

konsequent oldschoolig

BAZOOKA ZIRKUS

Die Kombination von Violine, Violoncello und Kontrabass mit einer Stimme eröffnet Möglichkeiten, Jazz im weitesten Sinne einmal anders zu hören. Filigran, durchlässig, ohne Rhythmusinstrument – eine bewegliche Kammermusik, die trotzdem Groove, Improvisation und freie Elemente enthält. Dabei nimmt sich phase :: vier neben traditionellem Liedgut besonders auch eigenen Kompositionen an, die von der Liebe zum Jazz, zur Musik allgemein und zur Melodie geprägt sind. Mit einem Höchstmaß an spielerischer Kreativität entwickelt sich ein musikalischer Kosmos, den man gern auf sich wirken lässt. Und: in einem spartenübergreifenden Projekt trifft die Band auf Elektronik und Tänzer – eine interessante Kombination. weitere Infos /// www.youtube.com/Watch?v=jVZDWnYzGUc www.youtube.com/watch?v=qVQngXUqjTQ

Einfach konsequent. Nachdem das erste Bazooka Zirkus-Album „Kurze Hose, Holzgewehr“ nur auf CD das Licht der Welt erblickte, wurde am 10. Mai der Nachfolger „Der Gang vor die Hunde“ (fast) nur auf Vinyl veröffentlicht – standardmäßig in rot-transparent plus ein paar wenige Exemplare in schwarz. Um letztendlich doch keine Randgruppen ausschließen zu wollen, wird es eine 200 CD-umfassende Hand voll Comapct Discs als „Small Edition“ im Digifile für die letzten CD-Junkies unter der Sonne geben. Die CD wird ausschließlich im RilRec-Onlineshop und auf BZ-Konzerten erhältlich sein, während die LP wie gewohnt über BROKEN SILENCE vertrieben wird. Aus Koblenz, Neuwied und Köln stammen die fünf Musiker, die sich seit 2009 unter dem Banner ihrer Liebe zum oldschooligen Hardcore zusammengefunden haben. Und dass diese Herren teilweise seit rund 15 Jahren in unterschiedlichen Konstellationen Musik machen, lässt sich leicht heraushören: Hier sind keine Anfänger am Werk. Auf ‚Der Gang vor die Hunde‘ wird gekonnt (nicht nur) geholzt, dass es nur so eine Freude ist. Mit kräftigen, meist deutschsprachigen Texten huldigen die überwiegend schmissig-schnellen Songs der Ära von US-Größen wie Bad Brains, Bold oder Suicidal Tendencies. Natürlich haben Bazooka Zirkus mehr auf dem Kasten, als nur Retro-Sound wiederzukäuen, und so gibt sich das Feuerwerk aus Punk-, Rock- und HardcoreRiffsalven, knallendem Bass und hämmerndem Schlagzeug frisch und unverbraucht und trägt seine ganz eigene Handschrift. Dabei nehmen sich Bazooka Zirkus selbst nicht zu ernst und lassen reichlich lakonischen Humor durchblicken. weitere Infos /// www.youtube.com/watch?v=MAfxP-ephJs www.facebook.com/bazookazirkus


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Kunst

Entmachtung der Stadt

Tim Kastner stellt durch seine kunst die Sozialstrukturen städtischer Gesellschaften infrage – mit einem von jeglicher technischer Neuerung ungetrübten, humorvollen Blick auf Details.


Kunst

Er kehrt den virtuellen Abfällen unserer Zeit den Rücken zu, ist hartnäckiger Social Media-Verweigerer und sieht darin eher einen Zwang als eine Vereinfachung (weil Modernisierung) des sozialen Miteinanders – was auch immer dieser Ausdruck heute noch bedeuten mag. Erneut müssen wir auf Baudrillard stoßen, der unerbittlich wissen will: Ist der Mensch überhaupt „ein soziales Wesen“?

Parallelgesellschaften

Die Stadt reproduziert sich selbst. Sie speist sich aus der eigenen Unersättlichkeit, dargebracht von ihren Bewohnern, die besessen davon sind, ihre städtische Gleichgültigkeit in einem ewigen Strudel der modernen, sinnentleerten Kommunikation hin- und her zu tauschen – von Profil A zu Profil B, ständig erreichbar, niemals offline, immer was zu sagen. Das Netzwerk ist schon lange zu einem Kampftrupp der Gleichschaltung mutiert, der sich lauernd hinter Instagram-Kundgebungen mit Retrofarbfilter und nicht enden wollenden WhatsAppKonversationen versteckt. Diesem System kann man sich nicht entziehen. Aber man kann es im bloßen Sinne der Sichtbarmachung entlarven. In einer Ehrenfelder Wohnung, zwischen selbst gezimmerten Möbeln und der eigenen Gedankenwelt entsprungenen Skulpturen, geht der Künstler Tim Kastner genau dieser Verpflichtung nach.

Ein Störfaktor in der Masse Eine Pflicht gegen sich selbst, ein unüberwindbarer Drang, das scheint seine Art des Schaffens tatsächlich für den 29-Jährigen zu sein. „Ich würde verrückt, wenn ich keine Kunst machen würde“, sagt er. Und nach einer kurzen Pause, lachend: „Meistens ist es ja andersrum.“ Vor dem Wahnsinn feit Kastner sich, indem er sehr strukturiert an seine Arbeiten herangeht. Er verfolgt mit jedem Werk ein festes Konzept, ist dabei sehr gewissenhaft, skizziert, verwirft, plant neu. In allen Skulpturen steckt millimetergenaue Arbeit. Nicht weil das Ergebnis sonst nicht funktionieren würde, sondern weil der gelernte Schreiner es einfach nicht anders haben will. Eine Berufskrankheit, wie er erklärt. Die Präzision beim Möbelbauen greift auch auf die künstlerische Arbeit über. Allerdings in unterschiedlichen Ausprägungen. So dürfen die unzähligen Papiercollagen und Malereien, die seine Küche bevölkern, auch mal etwas weniger exakt in ihrer Ausfertigung sein. „Bei den Leinwänden stört es mich nicht, wenn sie technisch nicht ganz sauber sind – wahrscheinlich, weil Malerei nicht mein Hausmetier ist“, schildert er. „Ein Bild hängt halt nur an der Wand. Aber eine Skulptur kannst du umrunden, verschiedene Perspektiven einnehmen. Als wärst du auf der Straße.“ So weit die beiden Pole seiner Kunst auch voneinander entfernt sein mögen, den Aspekt des öffentlichen Raums haben sie gemein. Mitunter scheint der Künstler die Beschäftigung mit der, wie der Soziologe Jean Baudrillard sie bezeichnete, „kritischen Masse“ der Großstädter geradezu herausfordern zu wollen. Kastner will ausschließlich die realen Spuren der Menschen im Alltag wahrnehmen.

Dort, wo der Einzelne in der Masse verschwindet, schleicht sich ein Zweifel an der klaren Bejahung dieser Frage ein, den trotzige Versuche des Gegenbeweises nur erstarken lassen. Nicht als Ausstiegsstrategie, aber vielleicht doch als Sinnbild tauchen in Tim Kastners Arbeiten öfter sehr unbeliebte Bewohner der Stadt auf: Tauben. „Auf meinem Dachboden wohnen welche, die höre ich jeden Tag. Und irgendwie hat das was von einer Gesellschaft in der Gesellschaft“, erläutert er das wiederkehrende Motiv. Mit ihren auseinanderdriftenden Konnotationen haben diese Tiere etwas unangenehm Menschliches, das der Künstler mit wenigen Pinselstrichen, Papier und ein bisschen Kleister einzufangen vermag. Dieserart werden die auf eine großformatige Leinwand platzierten, als Akteure des christlichen Kreuzigungsnarrativs gezeigten Vögel zu beunruhigenden Spiegelbildern menschlichen „Sozial“-Verhaltens.

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Kunst

Letztlich wird diese Wirkung auch über eine ordentliche Dosis Humor transportiert. Offenbart sich der Witz hier im starr bis dummen Blick der abgedruckten Tauben, so ist es im nächsten Werk das YouTube-Zeichen für ladende Videos, das eine Frau in die Verzweiflung treibt. Titel: „Der Schrei 2.0“.

Was nicht alles verlorenging Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht weiter, den Endzwanziger über sich selbst sagen zu hören, dass er kein Kind der neuen Zeit sei. Nicht nur in der Festsetzung seiner Motive, sondern auch anhand der Hilfsmittel für seine Kunst wird dies deutlich. „Ich werde immer mit Holz arbeiten, so wie man es vor 100 Jahren gemacht hat“, sagt er. „Und dadurch habe ich auch immer ein Thema.“ Dahinter steckt mehr Pragmatismus denn verträumte Materialbewunderung. Holz ist eben günstig und das ist für den Studenten wichtig. Die Qualität des Materials hingegen:


Kunst

„Ist mir voll egal.“ Beton, Fliesen, Voll- und Abtönfarbe sind die Waffen seiner Wahl. „Das hält mich auch näher am Stadtthema. Fliesen kennst du aus der U-Bahnstation, auf Zement gehst du täglich. Auch wenn ich das Geld dafür hätte, würde ich nicht damit anfangen, teure Acrylfarbe statt der billigen Wandfarbe aus dem Baumarkt zu verwenden.“ Eine leise Vermutung drängt sich auf: Möglicherweise wäre es treffender, dem Künstler nicht die altmodische Aura zu attestieren, die sich so leicht in seine standhafte Ablehnung technischer Neuerungen hineinlesen lässt. Möglicherweise hat er durch seinen vor jedem Massendenken, jeder Ver- und Benetzung geschützten Blick auf die Stadt erkannt, was sie verloren hat und wiederfinden sollte: „[...] die schwerwiegendste Entmachtung – die alle anderen zusammenfaßt – die der Andersheit“ (J.B. 2000). Text /// Şehnaz Müldür Fotos /// anna shapiro, Eugen Herber, michael schiffhorst Weitere infos /// www.intim-artwork.com Jean Baudrillard: Die Stadt und der HaSS. In: Ursula Keller (Hg.): Perspektiven metropolitaner Kultur. Frankfurt 2000, S. 130–141.

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EXKLUSIV BEI »TODD« BRÜSSELER STR.72

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Museum

MIMU Zwei kreative unterwegs für passanten: Das Mimu Köln bringt Kunst auf die strasse.

Wenn du nicht in eines der 50 Museen in Köln gehst, um dir die Kunst anzuschauen, dann kommt das 51. eben zu dir: Auf diese Idee kamen Rudolf Holzenthal (59) und Henning Schlüter (53) vor einigen Jahren auf einer Vernissage. „Du kannst im Vorfeld einer Vernissage viel Werbung machen oder auch nicht. Wie viele Leute in deine Ausstellung kommen, ist oft nicht vorhersehbar“, sagt Schlüter und führt weiter aus: „Wir möchten aber gerne mit den Menschen ins Gespräch kommen, über unsere Kunst und über Gott und die Welt reden.“ Und so arbeitete das Kreativ-Duo etwa ein Jahr lang an einem tragbaren, straßentauglichen Museumskonzept. Es sollte auf


Museum

schau“. Das Miniatur-Museum Köln: MIMU. So ganz offiziell ist es noch nicht als 51. Museum beim Kölner Kulturamt gelistet. Diese Idee wird vielleicht noch in die Tat umgesetzt. „Die gemalten Bilder sind alle Originale, nur im ganz kleinen Format“, so Holzenthal und öffnet die rote Holzkladde, die er wie einen Bauchladen vor sich her trägt. Das MIMU zeigt Kunst im Visitenkartenformat – zum Anschauen und Anfassen. Ausgestellt werden: Malerei, Polaroidfotos und Wortspiele. Damit sind beide Künstler aktionsweise in Köln und überregional unterwegs. Sie waren beispielsweise am Dom, in Schulen oder zu Ausstellungen in Rodenkirchen, Aachen, aber auch in New York zu Besuch.

rige Passanten wie Kinder, Jugendliche und Nicht-Kölner lassen sich dagegen schnell für das MIMU begeistern. Davon erzählt auch das Gästebuch, in dem sich alle Besucher verewigen können. Die internationalen Einträge enthalten keinen einzigen kritischen Kommentar. „Dabei sind wir doch gar nicht kritikscheu“, sagt Schlüter mit einem Augenzwinkern. Beide Künstler unterstützen sich gegenseitig in ihrem Schaffen und Ausstellen und wollen in Zukunft noch enger zusammenarbeiten: „Wir planen, gemeinsam abwechselnd an einem einzigen Bild zu arbeiten – und sind jetzt schon gespannt, was dabei heraus kommen wird.“

Jugendliche, Beamte und Frauen besuchen das MIMU am liebsten Das MIMU ist auf jeden Fall ein Blickfang und so kommen beide Künstler schnell mit den Passanten ins Gespräch. Vor dem Dom allerdings auch mit den patrouillierenden Mitarbeitern des Ordnungsamts, die ein wenig Probleme hatten, den Bauchladen in eine bestimmte Schublade zu stecken. Neugiejeden Fall zum Anfassen sein, denn in keinem anderen Museum sind die ausgestellten Bilder mehr als nur zum Greifen nah und darüber hinaus. Holzenthal und Schlüter sind semiprofessionelle Künstler, die sonst an größeren Formaten arbeiten. Rudolf Holzenthal ist hauptberuflich Dozent an einer Fachschule und schafft Kunstwerke mit Ölfarben, manchmal arbeitet er auch Zeitungsausschnitte und Fotografien mit ein. Henning Schlüter ist Krankenpfleger und hält es bei der Kunst eher abstrakt mit Öl oder Acryl.

Miniaturkunst zum Anschnuppern Nach rund zwölf Monaten Arbeit eröffnete im Jahr 2009 Kölns „Erste Mobile Bilder-

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Text /// Christine Willen Fotos // madame Rossi

Weitere Infos /// www.mimu-koeln.de


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Kรถln Szene

Weitere Infos /// www.facebook.com/DiarySlamKoeln


Köln Szene

Ob Oscar Wilde je damit gerechnet hätte, dass es in Mode kommt, aus den eigenen autobiografischen Aufzeichnungen vor Publikum zu lesen, sei dahingestellt. Tatsache ist jedoch, dass der Trend Diaryslam aus Großbritannien zu uns nach Deutschland schwappte. Zunächst in Hamburg, später in weiteren Großstädten und jetzt auch in Köln wird in lockerer Atmosphäre aus privaten Tagebüchern vorgelesen. Aufregend lautet das Stichwort: Die vorgetragenen Passagen sind überwiegend aus der Jugend – Vor-, Früh-, Hoch- oder Spätpubertät melden sie sich tragisch, komisch und herrlich direkt zu Wort und bieten beste Unterhaltung. Die Gründerin der Kölner Diaryslam-Lesungen, Julia Pasternak, hat eine solche Veranstaltung einmal in New York live erlebt und dachte direkt, dass die offenen Kölner bestimmt auch dafür zu begeistern wären. So fanden die ersten beiden Lesungen im Ehrenfelder Café Franck statt, einer kleinen und gemütlichen Location, ganz wie Julia es sich gewünscht hatte. Die Karten für die Veranstaltungen waren schnell reserviert und es haben sich genügend Leser angemeldet – überwiegend Frauen, aber auch ein Mann, der aus alten Liebesbriefen rezitierte. Literaturgeschichtlich betrachtet ist die Voraussetzung für das Schreiben eines Tagebuches, das eigene Ich zum Thema machen zu wollen und Beobachter seiner Selbst zu sein. Gerade in der Jugendzeit ist die Entdeckung und Festigung der eigenen Persönlichkeit das vorherrschende Thema, und das durchzieht die vorgetragenen Texte wie ein roter Faden. Heute sind die Leser aber über das schwierige Alter längst hinaus und können durch diesen zeitlichen Abstand mit dem Publikum über die mehr oder weniger genialen Ergüsse lachen – und gelacht wird viel an diesen Abenden. Egal welcher Generation die mutigen Leser entstammen, die Probleme und Gedanken ähneln sich, ob sie jetzt in den 70ern, 80ern oder 90ern formuliert wurden. ‚Ist das nicht peinlich?‘, wird vielleicht der ein oder andere denken. Im Gegenteil sagt etwa Anna-Sophia Lumpe, die schon zweimal gelesen hat und sogar viel Bestätigung und Erleichterung aus den Vorträgen gezogen hat: „Ich war damals immer sehr unsicher und fühlte mich abgelehnt – der Diaryslam ist auch ein bisschen eine Befreiung für dieses kleine Mädchen, das sich manchmal in ihr Tagebuch eingeweint hat und jetzt herauslassen darf, was sie damals verletzt hat.“ Auch scheint das Publikum sehr mitzugehen. Es wird durchaus lautstark kommentiert oder zwischendurch mal geklatscht. Der ursprünglich Gedanke eines Wettbewerbs hingegen ist in Köln gar nicht erst aufgetaucht. „Ich würde am liebsten aus dem Fenster springen. Natürlich erst, nachdem ich Mama runtergeworfen habe“ oder „Wir haben vor, auch so gegen Drogen und so zu singen, das wird total geil“ sind nur zwei Formulierungsperlen von vielen, die niemanden unberührt lassen. So kam es bereits vor, dass der Gründerin Julia nach dem Vortrag aus dem eigenen Tagebuch, in dem sie nach ihrem ersten Teenager-Trinkgelage die Alkoholika auflistete, ein 15-Jähriger bei ihr fast ehrfürchtig nachfragte: „Hast du das echt alles getrunken?“ Übrigens ist auch das Publikum aufgerufen, die eigenen Werke mitzubringen, manchmal kann noch ein Leser spontan eingeschoben werden. Das nächste Mal Vorleseabend und Therapiestunde in einem wird es am 19. Juli im Café Franck geben - hört hört! text /// Britta Wanderer Foto /// Alessandro De Matteis

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Offene Signale Elf Straßenbahnlinien machen Köln und das Umland mobil. Eine von ihnen, die Linie 7, führt in westlicher Richtung bis nach Frechen. Sie verbindet dortiges KunstSchaffen mit dem Rhein. Rund um die Strecke der Strassenbahn beleben ein neues Atelierhaus – das Kunstzentrum Signalwerk – und eine umgenutzte Werkhalle namens „Rarehouse“ die Stadt am Rande Kölns. Ein Rundgang durch ein ehemaliges Bahngelände.

Text /// Robert Filgner Fotos /// alessandro de matteis

„Gearbeitete Freizeit“, treffender kann der Wandel durch Frechens neues kreatives Zentrum rund um alte Gebäude vergangenen Eisenbahnbetriebs nicht beginnen. Christian und Aneta leben ihr kreatives Potential mehrmals in der Woche in ihrem „Rarehouse“ aus. Direkt neben der Kletterhalle und der kulinarischen „Ringlok Lounge“ haben sie sich ihr Reich für Ausgefallenes, Altes, Rustikales und manchmal Einzigartiges geschaffen. Dass die beiden ihre künstlerischen Haupttätigkeiten – Christian als Fotograf und Aneta als Modedesignerin – hier mit diesem Freizeit- und Wohlfühlgedanken verknüpfen kommt nicht von ungefähr. Sie


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verwirklichen sich auf dem Gelände des ehemaligen Betriebswerks der Köln-Frechener Bahn ganz nach ihren eigenen Überzeugungen. Und dazu gehört eben der Wohlfühlfaktor und kein verkrampftes Hinterherlaufen von Trends oder anderen Erwartungen. Hier läuft man freitags und samstags nicht einfach durch eine etwas schäbigere Möbellagerhalle. Nein, bei einem kleinen Frühstück und Kaffee trifft man sich, bestaunt so manches Lieblingsstück unter den angebotenen Antiquitäten und tauscht sich aus – auch mit weiteren Kreativen der nächsten Umgebung.

Ein Künstlerhaus in Frechen Denn direkt um die Ecke wirken 24 Künstler und Künstlerinnen unterschiedlicher Sparten. Sie beleben das „Kunstzentrum Signalwerk“ und nutzen die Gastfreundschaft im „Rarehouse“ nicht nur für persönliches Entspannen. Der ein oder andere unter ihnen konnte bereits die außergewöhnlichen räumlichen Möglichkeiten in der wunderschönen alten Halle für sich selbst nutzen. Aber auch zum Netzwerken bietet diese familiäre Stimmung beste Voraussetzungen. Und genau das wollen die Künstler des Signalwerks. „Unser Kunstzentrum ist zunächst ein Arbeitsort für Künstler verschiedenster Stilrichtungen. Wir möchten aber auch mit kulturellen Ver-

anstaltungen an die Öffentlichkeit treten und zum festen Bestandteil der hiesigen Kulturszene werden“, sagt Nathaly Deges. Sie steht beispielhaft für viele der 24 Kunstschaffenden, die von Köln zugezogen sind. Seit der Gründung im Jahr 2010 hat der Mangel an bezahlbaren Ateliers in Köln das neue Haus für viele Künstler attraktiv gemacht. Auch die Gefährdung anderer Künstlergemeinschaften in Köln, wie zuletzt auf dem Nippeser Clouth-Gelände, rücken das gar nicht so ferne Frechen plötzlich noch viel näher an die Domstadt. Ein Unterschied bleibt dennoch: Die Atmosphäre im herausgeputzten alten Verwaltungsgebäude wirkt anders. Das liegt einerseits an der Durchmischung der Sparten und Generationen. Die Fotografin Mechthild Roth-Reinecke schwärmt von analogen Zeiten und gewährt Einblicke in echte Schätze

der fototechnischen, aber auch ihrer persönlichen Vergangenheit. Daneben steht Nathaly Deges, die auf vielen ihrer Acryl-Gemälde Augenblicke der Moderne in England festhält und dabei von ihren noch frischen Erinnerungen aus ihrer Zeit als Studentin in Liverpool schöpft. Das so genannte „Haus 2“ teilt sich Mechthild mit Sabine Di Martino, die mit ihren farbenprächtigen Stimmungsbildern realistische Momente gänzlich überformt. Doch viel wichtiger ist, dass die beiden sich ebenfalls den Kaffee teilen können und nebenbei sogar voneinander lernen. Und das schließlich steht für die meisten der Bewohner des Signalwerks im Mittelpunkt. Daher öffnen einzelne Künstler im Wechsel ihre Ateliers auch bewusst und seit Juni an jedem ersten Samstag im Monat der Öffentlichkeit. Nathaly bemerkt dazu: „Die ersten gut besuchten Atelierhausöffnungen zeigten, dass


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auch vor den Kölner Toren ein kunstinteressiertes Publikum da ist. Inzwischen sprechen sich solche Aktionen auch in der weiteren Region um und erreichen immer mehr Besucher.“ Es braucht gar nicht der Vergleiche zwischen Köln und Frechen, um Kunstschaffende auch außerhalb der Telefonvorwahl 0221 zu betrachten. Denn es sind schließlich die Menschen, die aus dem ihnen Gegebenen das für sie Beste herausholen wollen. Und dafür haben ein paar kreative Köpfe in Frechen inspirierende Wege eingeschlagen. Obwohl, einen Vergleich nehmen wir dann doch heran: Denn es war die Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn, der die Signalwerker und das „Rarehouse“ ihre Räumlichkeiten letztlich verdanken, über die die Industrie von Ehrenfeld, Nippes und auch Niehl – also Ford – ihren Weg in die Welt nahm. Okay, das ist vielleicht zu hoch zu gegriffen. Doch eine Idee, die auch heute um die gesamte Welt reist, entstammt dem berühmtesten Bewohner des Kunstzentrums – Gunter Demnig. Auch wenn man diesen eher selten auf einen Kaffee vor Ort antreffen kann.

Weitere Infos /// www.kunstzentrum-signalwerk.de www.rarehouse.eu Weitere Infos /// Polyestershock Vintage Store GeisselstraSSe 14 50823 Ehrenfeld polyestershock.com www.facebook.com/pages/ Polyestershock-VintageStore/127472383979581


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Ausblick

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Es geht sehr klein

Micro Galerie Leben und Arbeiten wird hier besonders wörtlich genommen. Martin Schmitz liebt seine Galerie und er liebt es ebenso diese zu teilen – gleich mehrere Schlagworte, die in der kreativen Szene sehr beliebt sind. In seiner Atelier-Wohnung finden regelmäßig kleine Ausstellungen und Events statt. Egal ob Foto, Malerei, Digitaldruck oder Musik – die schönen Gemäuer aus dem Jahr 1890 bieten jedem der will ein kleines gemütliches Ambiente. Sogar Fremden, die in Köln eine Übernachtung suchen – und schon immer einmal in einer offenen Badewanne mitten im Raum verweilen wollten. Im Herbst betrachten wir einen Mikrokosmos auf der Mülheimer Freiheit.

Es geht noch größer

Artishocke null22eins lebt von engagierten Freiwilligen, die ihren Beitrag für die Kölner Magazin- und Kulturlandschaft leisten. Dahinter steht der ehrenamtliche Verein artishocke e.V. Das ehrgeizige Projekt, ein Printmagazin für eine Stadt mit einer vielfältigen Medienszene herauszugeben, ist nur durch das freiwillige Mitwirken zahlreicher Schreiber, Gestalter, Fotografen, Illustratoren und mutiger Talente möglich. Wir sind stets offen für neue Gesichter. Und wir wollen weiter wachsen: Daher suchen wir stets Unterstützer, die helfen die Druckkosten und perspektivisch Versand- und weitere Kosten zu decken – auch eine feste Räumlichkeit würde unseren Arbeitsabläufen und geplanten Projekten neue Impulse geben. Neben Spenden und Anzeigen zur Finanzierung unseres Magazins schlagen wir noch in diesem Jahr einen weiteren Weg ein: Die Fördermitgliedschaft in unserem Verein! Jeder kann sich damit seine Ausgaben sichern – ob Kultureinrichtungen, Cafés, Netzwerk-Ort oder andere Läden, aber auch du als Leser. Für einen Mindestbeitrag – nach oben gerne offen – wollen wir ein Abo-System etablieren, das die gewünschte Anzahl an Magazinen an deinen / euren Ort sichert. Und uns weiter wachsen lässt. Mehr dazu demnächst auf unserer bald neu gestalteten Website sowie auf allen anderen Kanälen.

null22eins #04

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Null22eins Artishocke e.v.

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