WINTER 2011/12 2011
#02 KÖLNER KULTUREN MAGAZIN | WWW.NULL22EINS-MAGAZIN.DE
FREIEXEMPLAR | WERT 3 EURO
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EDITORIAL
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Editorial
EDITORIAL
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RAUM KULTUR PERSPEKTIVE KÖLN Nähere Betrachtungen von Räumen, von Ereignissen, von Menschen haben einen Vorteil: Sie liefern neue Erkenntnisse. Die Oberflächen von „Dingen“ sind zwar oft schon sehr interessant. Tiefere Einblicke führen den Betrachter aber zum wahren Sein, ermöglichen eine feste Bindung. null22eins betrachtet Räume, Menschen und Geschehnisse in Köln gerne mit dem anderen Blick – auch wieder vertreten in verschiedenen Inhalten dieser Ausgabe.
Sehr verbunden fühlen wir uns mit dieses Heftes nutzt Räume, die manchmal dem Winter-Heft erneut allen Beteilig- untergehen, gerne nur am Rande wahrten und ehrenamtlichen Machern die- genommen werden oder schlicht und erses Magazins. Das artishocke-Netzwerk greifend noch zu neu sind, um größere wächst, die Facetten der Interessierten „Bühnen“ der Öffentlichkeit zu erklimmen. werden breiter. Besonders zu erwähnen Dabei kommt dann doch ein Mehrwert seien aber auch die Menschen, die mit für das kulturelle Leben in Köln zustande. ihrer Unterstützung unsere Erstausgabe Und nebenbei ein unterhaltendes und anim September ermöglichten. Über die sprechendes Magazin. Crowdfunding-Plattform startnext hatUnd warum nun diese Zeilen? Wir ten wir unsere Herbst-Ausgabe zur Finan- suchen weiterhin engagierte Leute, inzierung vorgestellt. teressierte Unterstützer, die mit dieser Namentliche Erwähnung haben sich zweiten offiziellen Ausgabe den Zweck hierbei Nicole Ankelmann, Robert Funke, von null22eins verstehen und an etwas Christoph von Krüchten, Leonardo Pel- Neuem teilhaben oder mitwirken wollen. legrino, Adam Polczyk, Lothar Stöteknuel In diesem Sinne geben wir Köln nun und André Voigt verdient. Sie haben mit eine weitere Ausgabe null22eins an die ihren Spenden einen wesentlichen Bei- Hand und freuen uns auf Reaktionen, trag zur Veröffentlichung von null22eins neue Kooperationen und jede Menge geleistet. Nochmals vielen Dank dafür. Raum für neue Ideen. Nun könnte man die Idee, null22eins – das Kölner Kulturen Magazin in die Welt zu rufen, oberflächlich betrachtet als Wagnis, als Zeitverschwendung oder fernab von Realitäten sehen. Warum ein weiteres Magazin, gedruckt, ohne großen Partner und ohne großen Hintergrund? Gerade wer sich die Idee dahinter genauer anschaut, wird den Sinn aber doch verstehen. null22eins ist kein neuer Veranstaltungskalender für die Vielzahl Kölner kultureller Attraktionen. null22eins sieht sich auch in keiner Konkurrenz zu bestehenden, etablierten Medien. Das Prinzip
Viel Spaß beim Lesen! null22eins
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INHALT
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KÖLNER KULTUREN MAGAZIN | WWW.NULL22EINS-MAGAZIN.DE
Nr Zwei
06 ALT | NEU /// EBERTPLATZ – URSPRUNG MIT ZUKUNFT?
20 GALERIE /// OBJEKTDESIGN
08 KÖLN-SZENE /// VORSTADTPRINZESSIN
22 FOTOSTRECKE /// ANSICHTEN IM ROTLICHT
10 NETZWERKEN /// BOTTLED CITY
26 ZWISCHENRAUM /// WORKSHOPS AM BRÜSSELER PLATZ
Kalksche Seele mit Inhalt und Gefühl
Don`t Consume The City, Be Part Of It
Aufbäumen gegen die Gravitation
Arbeitsplatz Bordell
12 WISSENSCHAFT /// STIMMEN AUS DEM JENSEITS
28 WE ARE CITY /// GIOVANNIS LIEBLINGSORT
14 PORTRAIT /// JENS PUSSEL
30 MUSIK /// MÜLGRIME RADIO
Gerahmte Geschichten
Ab nun fest bei uns: Kölner Plätze von Kölnern im Portrait
Neue Klänge aus dem Rechtsrheinischen und ein neuer Wettstreit namens Laptop Battle
32 KONZERTPREVIEWS Bodi Bill Henry Rollins Skrillex
34 SPORT /// FABULOUS SKATERS Glitzer auf zwei Kufen
18 WERKSCHAU /// LE BEAT
André Kniepkamp hats gerne einfach
36 KUNST /// BLOOOM
Vor Ort bei der „creative industries art show“ und dem BLOOOM-Award by WARSTEINER
INHALT
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Impressum 38 KULTUR /// SEEMANN TATTOOS Reduktion statt Reproduktion
Herausgeber
V.i.s.d.P
artishocke e.V. Genovevastr. 65, 51063 Köln redaktion@null22eins-magazin.de Robert Filgner, robert@null22eins-magazin.de Şehnaz Müldür, sehnaz@null22eins-magazin.de
40 MUSEUM /// ST. URSULA UND DIE HUNNEN Ein Rundgang durch Kirche, Geschichte und Legenden – Kölns schrecklich romantische Seite
44 INTERVIEW /// AXEL BRANDT
Ein Mindmapping durch Vergangenheit und Gegenwart
46 BÜHNE /// KUNST GEGEN BARES
Gib mir deine Kunst, ich geb dir was ins Schweinchen
Redaktion u. redaktionelle Mitarbeit
Jens Alvermann, Nicole Ankelmann, Charlotte Braun, Robert Filgner, Katarina Fritzsche, Janina Lenz, Şehnaz Müldür, Jasmin Nasrollahi Azad, Annika Olbrisch, Adam Polczyk, Michael Remy, Stephan Strache.
Layout
Christian Beauvisage, Athenea Diapoulis, Helena Kasemir, Nathalie Metternich, Leo Pellegrino, Julia Ziolkowski.
Fotos
Coverfoto Druck
Anzeigen http://
Bankverbindung
David Chudiceck, Alessandro De Matteis, Athenea Diapoulis, Simon Hariman, Janina Lenz, Anna Shapiro, Judith Uhlig. Anna Shapiro Druckhaus-Köln, Robert-Bosch-Str. 6, 50181 Bedburg www.druckhaus-köln.de Telefon: 0221. 204322 25 redaktion@null22eins-magazin.de null22eins-magazin.de facebook.com/null22eins issuu.com/null22eins-magazin artishocke e.V. Deutsche Skatbank, Konto Nr.: 4680715, BLZ 830 654 10
Redaktions- Ausgabe #02: November 2011 schluss
49 BÜHNE /// TEDXKOELN 50 AUSBLICK /// IM MÄRZ
Urheberrechte für Beiträge, Fotos und Illustrationen sowie der gesamten Gestaltung bleiben beim Herausgeber oder den Autoren. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers! Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr.
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TEXT: ROBERT FILGNER FOTOS: JUDITH UHLIG Mit Vernunft und Gefühl für Raum und Zeit – hoffentlich auch in Zukunft. Kein anderer Kölner Ort war so vom Geist seiner Zeit geprägt wie der Ebertplatz. Vom „Deutschen“ Prachplatz zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ort der Kunst, dem Platz für Galerien und heute ergrautem Verfall. Noch vor zwanzig Jahren ging es hier schön und ziemlich belebt her, unter anderem einem Ansatz von Wolfgang Göddertz zu verdanken. Von ihm stammt auch die Installation der „Wasserkinetischen Brunnenanlage“ am Ebertplatz im Jahr 1977: Dynamik und klare Geometrie im Einklang mit Nutzen und Erleben. Vielen Dank, Herr Göddertz für die bildliche Unterstützung. Und viel Glück für die Zukunft, dass Ihr Werk wieder mit alter Kraft erglänze. Ebertplatz: Quo vadis, du Großraum zwischen Ring und Rhein, zwischen Nord und Mitte...?
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KREATIVES MILIEU EBERTPLATZ
URSPRUNG MIT ZUKUNFT?
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KÖLN-SZENE
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TEXT: ROBERT FILGNER, JANINA LENZ FOTOS: JUDITH UHLIG, JANINA LENZ
Vorstadtprinzessin
STAMMTISCH MIT KÖLSCH, KUCHEN UND KUNST
„ICH BIN ETWAS KRITISCH, WAS DIE AUSSAGE UNSERES OBERBÜRGERMEISTERS BETRIFFT, MIT KALK GINGE ES NUN VORAN – O-TON VOR ZWEI JAHREN: ‚KALK KOMMT!‘“ KATHARINA KOHOUT WÜRDE SICH ZWAR WIRKLICH MEHR LEBEN UND MEHR KONKURRENZ IN IHREM VEEDEL WÜNSCHEN, BLEIBT ABER REALISTISCH GENUG, UM DIE SITUATION RUND UM IHREN LADEN RICHTIG EINZUSCHÄTZEN. „NAJA, ZU VIEL KONKURRENZ SOLLTE ES AUCH NICHT WERDEN. UND EIN NEUES EHRENFELD IM RECHTSRHEINISCHEN WILL ICH AUCH NICHT.“
2007 hat sie zusammen mit Annette Leyendecker die Vorstadtprinzessin eröffnet – eigentlich geboren aus einer Schnaps- oder besser gesagt Wodka-Idee. Und von Beginn an mit Konzept: Platz und Raum für Kunst und Kultur. Neben Fotound Kunst-Ausstellungen, Skulpturen und viel Musik haben Katharina und Annette auch die legendären Tatort-Abende in das altehrwürdige Gebäude direkt an der S-Bahn-Haltestelle Trimbornstraße geholt. Und von Beginn an funktionierte ihr einfacher Umgang mit Kultur und Kneipenleben. „Wir haben uns selten Gedanken gemacht, wirkten dadurch häufig etwas unprofessionell“, sagt Katharina. Das ist bis heute so geblieben. „Gerade das macht aber auch den Charme hier
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WEITERE INFOS Raum und Atmosphäre für Ideen – in der Vorstadtprinzessin fühlen sich Gäste und Künstler gleichermaßen wohl.
aus“, fügt sie schmunzelnd hinzu. Und man kommt nicht um den Gedanken herum, dass die Wohlfühlatmosphäre auch ein Stück mit dem Charakter der 32-Jährigen zu tun haben könnte, die mittlerweile, nachdem sich Annette etwas vom Tresen zurückgezogen hat, das prägende Gesicht der Vorstadtprinzessin ist. Wenn ein Gespräch gerade wichtig ist und länger dauert, dann muss ein Gast auch schon mal auf seine Bestellung warten. Stören tut sich daran keiner. Es ist das Konzept von Individualismus und gemütlicher Wohnzimmeratmosphäre, dass auch Jordis und Laura schätzen. Die beiden 21-jährigen Studentinnen veranstalteten am 30. Oktober 2011 das erste Kleidercafé in der Vorstadtprinzes-
sin. Es war der erste Event des Open Globe Köln, eines Zusammenschlusses von politisch Engagierten, die sich gegen den Kaufrausch einsetzen möchten: „Die Vorstadtprinzessin ist super. Hier kommen die Leute hin, ohne dass man viel Werbung machen muss.“ Die Stammgäste Nina, Thomas und Sven (alle 33) brauchen auch kein Werbung: Sie haben die liebevoll persönlich eingerichtete Kneipe längst zu ihrem zweiten Zuhause erklärt. Mindestens zwei- bis dreimal pro Woche finden sie den Weg zur Vorstadtprinzessin. Chantal (29) erklärt, wieso: „Vorher sind wir von Kalk auf die andere Rheinseite geflüchtet, weil es hier nicht so schön war. Jetzt ist das definitiv anders, die Vorstadtprinzessin hat wirklich viel bewirkt.“ Der Ruf des ewig schlechten Stadtteils Kalk habe sich enorm gebessert, meint auch Sven: „Ich wollte so schnell wie möglich wieder aus Kalk wegziehen. Jetzt habe ich mir meine neue Wohnung gezielt in Kalk gesucht, dass hätte ich vorher nie gedacht.“ Ein Grund dafür sei der tolle Zusammenhalt,
Trimbornstraße 27, Köln-Kalk www.vorstadtprinzessin.de
der durch die immer netten und persönlichen Gespräche in der Vorstadtprinzessin entsteht. „Ich würde sonst in keine Kneipe alleine gehen. Hier ist das kein Problem, denn irgendein Gesicht kommt einem immer bekannt vor“, sagt Nina. Die Gäste beschreiben, wofür die „Prinzessin“ wirklich steht. Hier bringt man sich auf den neuesten Stand, weit über Klatsch und Tratsch hinaus. Man tauscht sich über die Zukunft von Kalk aus, über die Zukunft des Autonomen Zentrums, was passiert auf den Industriebrachen – Veedels-Verfall und Veedels-Verblendung. Ein Hauch von politischem Engagement schwebt immer in diesem „Wohnzimmer“, wo jeder willkommen ist und jeder mitreden kann. Das alles ist auch Katharina zu verdanken – eine echte „kalksche“ Seele met Hätz und Sünner-Kölsch.
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NETZWERKEN
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TEXT: CHARLOTTE BRAUN ILLUSTRATION: BOTTLED CITY
DON’T CONSUME THE CITY, BE PART OF IT
„Bottled City“
1 Verwandle deine
Initiative in ein Er
WIE MIKROPRAKTIKA ZU EINEM ECHTEN WERTETAUSCH FÜHREN KÖNNEN. Wien galt viele Jahre als die „Konsumstadt“ schlechthin. Doch wenn wir unsere Stadt Köln mal etwas näher betrachten, fällt auf, dass auch sie das Potential hat, mit ihrem Angebot an Luxusgütern und Unterhaltungsveranstaltungen zu protzen. Teure Textilien und andere kostspielige Produkte wie Schmuck und Möbel sind hier längst keine Seltenheit mehr. Wir, Menschen, Bewohner und Touristen zugleich, sorgen dafür, dass die Konsum- und Luxusgüterproduktion in Köln immer weiter voranschreitet. Einkaufen gehen, Shoppen und unzählige andere Freizeitaktivitäten gehören zu unserem Alltag. Ganz selbstverständlich befriedigen wir unseren Hunger nach Abwechslung und Unterhaltung. Dabei ist der Konsum einer Stadt viel mehr als die Befriedigung eines Bedürfnisses. Es ist ein gesellschaftliches und kulturelles Ereignis. Doch macht es nicht viel mehr Sinn, seine Stadt nicht nur zu konsumieren, sondern auch Teil von ihr zu werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Projekt „Bottled City“. Initiatorin Maya Wiseman ist der Ansicht, dass reines Konsumieren schnell langweilig wird. Auch wenn wir uns immer öfter dazu entscheiden würden, aktiv an etwas teilzunehmen, seien die Möglichkeiten, eine aktive Rolle bei der Verbesserung der Stadt zu spielen, schwer zu finden. Nur selten könnten interessierte Bürger eine Initiative vor Ort unterstützen oder mit lokalen Experten sprechen und über tagesaktuelle Probleme diskutieren. Diesen Zustand möchte die gebürtige Kanadierin ändern und hat deshalb die Initiative ins Leben gerufen. Maya erklärt: „Durch ‚Bottled City‘ soll es für Personen einfacher werden, an
Projekten vor Ort teilzunehmen und sich Leuten und Städten anzuschließen. Wenn unsere Idee Erfolg hat, wird es in Zukunft so einfach sein, sich in einer Stadt zu engagieren, wie eine Tasse Kaffee zu bestellen.“ Die Idee klingt verlockend und vielversprechend. Doch kann es wirklich so einfach sein, Teil einer Stadt zu werden? Ist es so leicht, das „einfache“ Konsumieren hinter sich zu lassen? Die Aktionistin ist von ihrem Projekt und seiner Durchsetzungsfähigkeit überzeugt. „Mein Konzept bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, ihre Kölner Initiative oder Aktion in ein Erlebnis zu verwandeln. Mithilfe von ‚Bottled City‘ können sie Aufmerksamkeit erregen und Menschen finden, die ihnen zur Hand gehen. Sie können ihr Wissen weitergeben und Gästen einen tieferen Einblick in die Stadt gewähren.“
Workshop – sich sehen und erkennen Ein erster Workshop zu diesem Thema fand am 25. Oktober 2011 in der Dingfabrik in Köln-Deutz statt. Initiatorin Maya lud Men-
2 Erzähle der Welt davon
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3Beteilige Interessierte an deiner Initiative
rlebnis
4 Setze dein Erlebnis um
schen ein, die Teil einer interessanten Gruppe waren oder über spezielles lokales Wissen verfügten. Während des Workshops sollten sich die Teilnehmer darüber bewusst werden, was sie mit ihrem Projekt genau erreichen wollen und wie sich neue Teilnehmer einbringen können. Spielerisch näherten sich die teilnehmenden Kölner verschiedenen Fragen. Auf bunten Karten hielten sie beispielsweise fest, welche Ressourcen ihrem Projekt derzeit zur Verfügung stehen und wie weitere Interessierte helfen können, die Ziele der Gruppe zu erreichen. Am Ende musste sich jeder darüber klar werden, was für ihn die wichtigsten Merkmale, Ressourcen und Ziele seines Projektes sind. Für diese wurden Szenarien entwickelt, die aufzeigen sollten, welche Möglichkeiten der kurzfristigen Teilnahme (Mikropraktika) von Kölner Gästen bestehen. Maya erklärt: „Es ist wichtig, sich zu fragen, wo man seine Skills anbieten kann. Zudem sollte man sich überlegen, wer die Ressourcen nutzen will. Die Stadt und auch der Besucher sollen einen gleichwertigen Nutzen aus dem Projekt ziehen können.“ Natürlich müssen dafür bestimmte Kriterien erfüllt sein. Laut Maya wird eine Plattform benötigt, über die
sich die Leute mitteilen können. Es muss bekannt sein, wer etwas kann und seine Skills anbietet, ebenso wer da ist und etwas machen möchte. So könnten beispielsweise Coworking Spaces Räume zur Verfügung stellen.
Macher und Teilnehmer zu gleichen Teilen Mikropraktika, die erfolgreich angelaufen sind, bekommen die Chance, auf der Internetseite von „Bottled City“ über ihr Projekt zu schreiben. Durch Fotos oder kleine Videos sollen Interessierte einen Einblick erhalten. Außerdem besteht die Möglichkeit, mit den Initiatoren in Kontakt zu treten. „Unser Ziel ist, Formate zu entwickeln, die die Macher und Teilnehmer zu gleichen Teilen bereichern. Wenn wir Städte erfahren, sollen wir nicht nur konsumieren, sondern auch etwas aufbauen können. Es soll zu einem echten Wertetausch kommen“, erklärt Maya.
WEITERE INFOS www.bottled.at
collaborate@bottled.at
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WISSENSCHAFT
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ÜBER AKUSTISCHE MEDIEN UND IHRE OKKULTEN SCHATTEN
STIMMEN AUS DEM JENSEITS
T EXT: ANNIKA OLBRISCH ILLUSTRATION: ION WILLASCHEK
KÖRPERLOSE GEISTERSTIMMEN, GEHÖRT UND AUF PAPIER GEBANNT: GASTAUTORIN ANNIKA OLBRISCH LIEFERT EINBLICKE IN IHRE WISSENSCHAFTLICHE ABSCHLUSSARBEIT ÜBER DIE OKKULTISTISCHEN WURZELN HEUTIGER TECHNISCHER MEDIEN. Medien sind Mittler. Während der Medienbegriff in diesem Punkt konstant ist, hat die Art der Vermittlung, die er beschreibt, einen enormen Wandel erfahren: Bevor Medien im Sinne der noch jungen Medienwissenschaften als „Gesamtheit der Kommunikationsmittel“ (Schanze, Pütz 2002) aufgefasst wurden, stellten sie als Mittelspersonen Verbin-
dungen zwischen Diesseits und Jenseits her. Dem heutigen Medienbegriff geht also der parapsychologische voraus. Dennoch lassen heutige Definitionen des Medienbegriffs seine okkultistischen Wurzeln meist außer Acht oder nehmen sie nur am Rande zur Kenntnis. Zu gegensätzlich scheinen die Rollen, die spiritistische und technische Medien erfüllen. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die „magischen Kanäle“ (McLuhan 1968) seit ihrer Erfindung in mehrfacher Hinsicht eng mit dem Okkultismus verknüpft sind: Medienkommunikation ist immer auch Geisterkommunikation und umgekehrt. Dies zeigt sich besonders im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, also in den Hochzeiten des technischen Fortschritts und der Entwicklung neuer Medientechnologien. Zwar ist die Vorstellung von der Trennung zwischen einem sterblichem Körper und einer unsterblichen Seele
nicht neu. In dieser Zeit des Umbruchs entsteht jedoch ein neuer Geisterglaube, der sich von früheren Formen fundamental unterscheidet: Geister „offenbaren“ sich nicht länger einzelnen „Sehern“, sondern können nun mithilfe eines Mediums gezielt kontaktiert werden – die Geisteroffenbarung wird zur Geisterkommunikation. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass akustische Medien besonders zur spiritistischen Nutzung einladen. Dies liegt unter anderem in den Besonderheiten des Höraktes begründet: Kulturhistorisch gesehen ist Hören immer schon metaphysisch konnotiert und wird in erster Linie dem Glauben zugeordnet. So spielt der Hörakt vor allem in den monotheistischen Religionen eine entscheidende Rolle, in denen die Botschaft des unsichtbaren Gottes vom Gläubigen auf akustischem Weg empfangen wird. Durch die spezifische Anatomie des Ohres – im
WISSENSCHAFT
Gegensatz zum Auge lässt es sich nicht verschließen – gilt Hören darüber hinaus primär als passiv und affektgebunden. Das Ohr scheint daher für unsichtbare, nicht materielle Signale besonders empfänglich. So ist es kein Zufall, dass die Geschichte des Spiritismus mit akustischen Signalen beginnt: Im amerikanischen Hydesville sind im Hause der Geschwister Fox im Jahr 1848 Klopfgeräusche zu hören, die als Kontaktversuche aus dem Jenseits gedeutet werden und weltweit für Aufsehen sorgen. Die Verbindung zur Medientechnik ist auch bei dieser noch auf personale Medien angewiesenen Geisterkommunikation offensichtlich: Nur wenige Jahre zuvor fand der erste Testbetrieb des von Samuel Morse entwickelten elektromagnetischen Schreibtelegrafen statt. Auch die akustischen Speicher- und Übertragungsmedien wie Telefon, Phonograph, Radio und Tonband knüpfen an das metaphysische Potential des Höraktes an und spitzen es noch weiter zu, indem
sie die Stimme erstmals von der Präsenz des Körpers lösen: Durch die Möglichkeit der Aufzeichnung und der Übertragung verliert die Stimme die ihr innewohnende Leiblichkeit und wird zum Phantom. Die Apparate lassen Tote sprechen und erschaffen darüber hinaus körperlose (Geister-)Stimmen, die – für das Auge nicht wahrnehmbar – räumliche Distanzen mühelos überwinden. Im Zuge der Popularisierung des Tonbands lässt dies in den 1960er Jahren ein spiritistisches Massenphänomen entstehen: Die Tonbandstimmenforschung. Es handelt sich bei dem von Friedrich Jürgenson entdeckten Phänomen der Tonbandstimmen um Geräusche innerhalb einer Tonbandaufnahme, die als Botschaften aus dem Jenseits gedeutet werden können. In der Hoffnung auf einen Jenseitskontakt verwandeln noch heute zahlreiche Tonbandstimmenforscher weltweit ihre heimischen Wohnzimmer in Tonstudios. Dass sich technische und insbesondere
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akustische Medien zu Geistermedien entwickeln, ist demnach nicht die Ausnahme, sondern die Regel: Die Telegraphie lehrte die Geister das Morsen, das Telefon schuf körperlose (Geister-)Stimmen, die seitdem durch die Kommunikationsnetze spuken, seit Jürgensons Tonband- und Radioexperimenten funken die Verstorbenen ihre Botschaften über Mittelwelle und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit machen die Geister auch vor dem Internet nicht halt. An der okkultistischen Mediengeschichte lässt sich somit eine universelle Struktur ablesen: Jedes Medium erfindet seine Geister gleich mit.
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PORTRAIT
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JENS PUSSEL UND DER PERFEKTE BILDAUSSCHNITT
GERAHMTE GESCHICHTEN
PORTRAIT
TEXT: ŞEHNAZ MÜLDÜR FOTOS: JENS PUSSEL
ER IST JUNG UND MÖGLICHERWEISE BRAUCHT ER AUCH DAS GELD. DOCH DAS IST IN DER LISTE VON JENS PUSSELS BEWEGGRÜNDEN FÜR‘ S FOTOGRAFIEREN WAHRSCHEINLICH EHER AUF DEN HINTEREN, BILLIGEN PLÄTZEN ZU FINDEN. VIEL WICHTIGER IST, DASS DER 33-JÄHRIGE EBEN EINFACH DINGE TUT UM DER SACHE WILLEN. VORZUGSWEISE MITTELS KAMERA.
Jens Pussels Projekte entstehen vor allem aus dem Wissen um eine gute Geschichte heraus, die er in seinen Bildern bewusst nie ganz einfängt, sondern immer gerade so andeutet, dass der Betrachter neugierig ist und mehr erfahren will. Hin und wieder gibt es die Geschichte dazu auch verschriftlicht. Zum Beispiel in einem neuen Buch, das Jens gemeinsam mit seinem guten Freund und Autor Knut Pohl über die Orte ihrer Kindheit und Jugend fertiggestellt hat: „Das orange Kiosk, das nie mehr öffnet.“ Klingt nostalgisch, ist auch so. In erster Linie entstand dieses Werk – das übrigens ebenfalls getreu des Tuns um des Tuns willen in Kleinstauflage für Freunde, Familie und fixe Interessierte gedruckt wurde – dadurch, dass Knut für eine Weile ins Ausland ging „und dort solche Themen vielleicht wichtiger werden“, wie Jens erklärt. Und auch er selbst wollte nach sechs Jahren studienbedingten Exils in Dortmund einfach auch mal wieder die Plätze Troisdorfs und Sieglars besuchen, die seine Jugend geprägt haben. „Das Schöne daran war: Es war nicht erschreckend, man konnte das alles noch gut nachvollziehen.“ >
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PORTRAIT
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Der Fotodesigner weiß um die paradoxe Wirkung, die Kulissen der Vergangenheit auf einen haben können. Vielleicht drängt auch gerade das ihn dazu, sich in seinen Fotografien mit Orten auseinanderzusetzen. So hat er beispielsweise mit einigen anderen Künstlern den Foto-Blog „Buschwerke“ (buschwerke.blogspot.com) ins Leben gerufen, der mitunter deutsche Vorstadthecken in ihrer ganzen, perfekt geschnittenen, grünen Pracht zeigt. Er selbst erklärt seine Wahl für diese Motive so: „Ich glaube, es hat mit der Gestaltung der Orte zu tun. Dieses ‚Es-sich-schön-Machen‘ finde ich spannend und in einem Bildausschnitt eben noch spannender.“ Oft haben diese Orte etwas an sich, das man nicht unbedingt sieht, aber durch die im Bild gezeigten Objekte eben doch erspüren kann. Die Aufnahme eines leeren Schwimmbeckens kann auf diese Weise erst recht das ins Gedächtnis rufen, was man normalerweise mit Freibädern verbindet: viele planschende Kinder, Wespenstiche und Geschrei, Pommes vom Schwimbadkiosk und urbane Legenden von unkoordinierten Mutigen, die zu weit vom 10-Meter-Brett gesprungen und auf dem Beckenrand gelandet sein sollen. „Gerade durch dieses Ruhige, durch das, was man eben nicht sieht, wird es voll.“ Sinn-voll, bedeutungs-voll. Diese Art der Inszenierung wirkt sich natürlich auch darauf aus, wie Jens Pussel Menschen fotografiert. Gerade weil es so leer in seinen Bildern ist, nehmen die Personen darin besondere Rollen ein. Den Ort und den Menschen gleichberechtigt zu präsentieren, „das finde ich gut.“ Um dieses Zusammenspiel von Mensch und Raum einzufangen, verlässt Jens sich weder vollständig auf den Zufall noch auf die Inszenierung. Er hat einfach „nicht immer, aber so oft wie möglich“ eine Kamera dabei. „Dann bist du halt mit Menschen unterwegs an Orten und kannst auch mal etwas inszenieren, ohne dass einem die Inszenierung so entgegen knallt“, erklärt er. Auf diese Weise kann sich beim Betrachter ein Wissen um die Geschichte außerhalb des Bildausschnitts formen – selbst wenn er sie nicht vollständig kennt.
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WEITERE INFOS www.jenspussel.de
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KUNST NACH CROSSOVER-MANIER
„Ich hab‘ s gerne einfach“ TEXT: ŞEHNAZ MÜLDÜR FOTOS: ANDRÉ KNIEPKAMP
GELASSENE KUNST MIT EINFACHEN MITTELN: ANDRÉ KNIEPKAMP SPANNT IN SEINER KUNST EINEN BOGEN VON FOTOGRAFIE ÜBER SCHRIFTZÜGE BIS HIN ZU ILLUSTRATIONEN. Die eine oder andere künstlerische Station hat André Kniepkamp bereits durchlaufen. Angefangen hat es, wie bei vielen stürmenden und drängenden Kreativen, mit der hohen Kunst des Sprühens. So hat der Grafikdesigner beispielsweise ein Bild zur hiesigen Zoowand beigesteuert. Bis zweifaches Vaterglück dem nächtlichen Graffititreiben ein Ende setzte. Zeit umzusatteln: auf Fotografie. Ruhige Aufnahmen mit nicht zu vielen Details: „Wenn ich Raum fotografiere, will ich viel Freifläche haben. Das macht die kleinen Details dann umso wichtiger“, erklärt er. Kniepkamp arbeitet mit dem, was er hat. Für seine Fotografie inszeniert er nichts, benutzt keinen Blitz, digitale Kameras kann er nicht gebrauchen. Wenn er malt, dann auf kleinen Formaten – am heimischen Küchentisch ist nicht viel Platz. Soll ein Gemälde doch mal größer werden, landet es eben direkt an der Wand. Wie im Telekomladen auf der Ehrenstraße, wo er nur mit Tusche die Wände verzierte. „Ich mag es eben gerne einfach.“ So treibt sich der „Crossover-Künstler“ auch gerne mal auf Flohmärkten herum, wo er nach Postkarten im Retro-Look sucht, in die er dann das Markenzeichen seiner unter dem Namen „leBeat“ bekannten Illustrationen setzt, einen „schwarzen Fellboppel“. Der ist einfach witzig anzusehen: „Meine Sachen sind selten ernst, sondern immer auch ein bisschen was zum Lachen.“ Kniepkamp bemalt Holzscheite, Fundstücke vom Strand oder vom Sperrmüll und verleiht auch mal seiner Liebe zur Typografie in handgemalten Schriftzügen auf Fotos Ausdruck. Er verbindet gerne die Disziplinen – und schafft auf diese Weise entspannte Kunst, die einen auch im tiefsten Winter noch von Sonnenschein und Wellenreiten träumen lässt.
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WEITERE INFOS www.lebeat.de
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GALERIE
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OBJEKTDESIGN
AUFBÄUMEN GEGEN DIE GRAVITATION
PHILIPP DREBERS VISION IST DIE GEGENWART. DER KÖLNER OBJEKTGESTALTER FOLGT IN SEINER ARBEIT DEM ERSTEN IMPULS.
TEXT: CHARLOTTE BRAUN FOTOS: PHILIPP DREBER / PROMO
Ein großer weiter weißer Raum. Ein paar Regale stehen an den Wänden. Sie sind gefüllt mit Büchern und Schallplatten. Hier und da stehen Pflanzen herum. Ein großer Schreibtisch mit PC und Pinseln lockt meine Blicke auf sich. Im ersten Moment habe ich das Gefühl, als befände ich mich in einer Art riesigem Wohnzimmer. Doch bei genauerer Betrachtung fallen mir die großen Plastiken im hinteren Teil des Raumes auf. Orange und transluzente Kunststoffstreifen sind geformt worden. Sie hängen an Schnüren und durchqueren den Raum. Der beschriebene Raum ist das Atelier von Philipp Dreber. Die Besonderheit dabei ist, dass die gesamte Einrichtung seines Ateliers auf Paletten steht. Dadurch ergibt sich für Philipp die Möglichkeit, sein Atelier jederzeit umzugestalten. Der Raum wird wandelbar. Der 30-Jährige ist Objektdesigner und verbringt viel Zeit in seinem Poller „Kreativlabor“: „Für mich stellt das Atelier eine Art Lebensraum dar. Ich arbeite hier, will mich aber gleichzeitig auch wohl fühlen.“
Vielseitigkeit der Materialien Dass ihm die Arbeit Spaß macht, sieht man Philipp sofort an. Er arbeitet voller Enthusiasmus, summt vor sich hin und lässt sich von meiner Anwesenheit nicht stören. Die Plastiken, an denen er arbeitet, sind zwischen drei und sechs Meter hoch. Sie bilden eins zu eins das ab, was
Philipp später herstellen möchte. „Es macht viel mehr Spaß, direkt loszulegen. Fotomontagen sind lange nicht so spannend. Außerdem haben die Leute auf diese Weise sofort eine Vorstellung von dem, was später passieren wird”, erzählt der Künstler. Philipp formt seine Materialien so, wie er sie haben möchte. Sie stellen für ihn Raumskizzen dar, deren Spannungspunkte er jederzeit verändern kann.“ Material ist für mich flexibel. Was ich mit Kunststoff machen kann, kann ich auch mit Blech machen. Wenn ich es nicht alleine schaffe, besorge ich mir halt noch ein paar helfende Hände oder auch mal einen Kran oder Gabelstapler. Viele Leute sagen, meine Materialien seien hart und unflexibel. Doch ich sehe das nicht so. Mit Metall lässt sich so viel machen. Ich kann es biegen, kanten, sägen und bohren.” Für Philipp stellen die Spannungsräume einen wichtigen Teil seiner Großplastiken dar. Durch sie entsteht Bewegung, eine Art Aufbäumen gegen die Gravitation. Es wirkt fast so, als würden die Plastiken tanzen. Aber auch der Dialog zwischen schwer und leicht ist für Philipp ein weiteres wichtiges Motiv. Leere spielt in diesem Zusammenhang eine wich-
tige Rolle. Sie ist nicht Nichts, sondern eine Art verdichtende Energie. Durch die Form, die Philipp definiert, entsteht ein aufgespannter leerer Raum. Die Leere verbreitet den Eindruck von Bewegung, Dynamik, Leichtigkeit und Rhythmus.
Impulssuche Aktuell arbeitet Philipp an einer Gartengestaltung, zu der auch ein Brunnenelement gehört. Seine Idee überzeugte die Kunden schnell. Doch jetzt, nach dem ersten Teil der Umsetzung, hat Philipp das Gefühl, dass das Geschaffene nicht Teil des Ganzen sei. „Ich habe meine Idee zwar erfolgreich verkauft und realisiert, doch nun sehe ich das Geplante zum ersten Mal an dem zu gestaltenden Ort. Die Komponenten Landschaftsgestaltung, Brunnengestaltung und Skulptur sahen additiv aus, anstatt dass eine Gesamtgestaltung erreicht war. Bei mir ist ein neuer Eindruck entstanden. Und deshalb muss ich jetzt umdenken. Denn mein Ziel ist, eine harmonische Gesamtgestaltung zu schaffen.” „Und jetzt?“, frage ich mich. Der Künstler erklärt mir, dass er immer aus einem Impuls heraus handelt.
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Philipp würde alles dazu bewegen, um dem Impuls nachgehen zu können. „Es ist wichtig für mich, meiner Idee zu folgen. Ich muss schauen, ob es der richtige Weg ist. Erst wenn ich zufrieden bin, ist auch das Werk gut.” Das klingt anstrengend und das ist es auch. Philipp arbeitet bei seinen Projekten oft mit anderen Gestaltern und Handwerkern zusammen, die ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich erfahre, dass Philipp nach der Montage oft nicht in der Lage ist, seine getane Arbeit und das fertige Projekt zu genießen. „Kein Wunder“, denke ich. Schließlich arbeitet Philipp teilweise monatelang an ein und demselben Projekt. Er würde nie etwas aufstellen, von dem er nicht überzeugt ist. Weil Philipp nach der Fertigstellung gedanklich noch in jedem Millimeter der Skulptur steckt, braucht er erst einmal Abstand: „Wenn ich eine Skulptur fertiggestellt habe, kann ich sie erst einmal nicht mehr sehen. Ich brauche die Distanz. Nach ein, zwei Wochen hat sich meine Sichtweise auf die Dinge wieder geändert. Dann ist es okay und ich kann zufrieden mit meiner Arbeit sein.”
Kunst kennt keine Zeit Philipp Dreber hat hohe Ansprüche an sich und seine Arbeiten. Er ist ein sehr kritischer Mensch, beschreibt sich selbst jedoch nicht als perfektionistisch. Für ihn ist es schön, wenn seine Plastiken perfekt auf die Leute wirken, doch sein Bestreben ist es nicht. „Skulpturen zu begreifen, braucht Zeit und ist viel abstrakter als ein Werbeplakat”, erklärt er mir. Der Künstler will, dass sich die Leute selbst Gedanken machen. Es sei schließlich spannend, erst einmal die Gegenfrage zu stellen und zu erfahren, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, bevor er auf ihre Fragen antwortet und erklärt, was er sich bei seinem Projekt gedacht hat. Und genau deshalb stellt Philipp seine Skulpturen und Großplastiken auch regelmäßig aus. Seine diesjährige Ausstellung am „Tag des offenen Ateliers“ bot eine Besonder-
heit. Der Künstler selbst war zu dieser Zeit nicht anwesend, sondern verbrachte ein paar inspirierende Tage beim Surfen im spanischen Baskenland und bei einem Projekt in der Provence. Deshalb gab er seiner Ausstellung auch den Namen „Ahora estoy surfiando“. Interessierte konnten durch einen durchsichtigen Vorhang Blicke in das Atelier des Gestalters und auf seine derzeitigen Projekte werfen. Auf meine Frage, weshalb er trotz seiner Abwesenheit die Türen zu seinem Atelier geöffnet hat, antwortet Philipp: „Ich wollte auf jeden Fall am ‚Tag des offenen Ateliers‘ teilnehmen. Doch leider hat sich der Zeitpunkt mit einem Projekt in Frankreich überschnitten. Ich dachte trotzdem, dass es fruchtbar sein könnte, den Leuten die Möglichkeit zum Schnuppern zu geben. Für mich muss nicht sofort etwas dabei herumkommen. Ich bin der Ansicht, dass Kunst keine Zeit kennt. Vielleicht kommt der ein oder andere ja später mal auf mich zu, weil er sich an meine Arbeiten erinnert.“ Philipp ist zufrieden mit dem, was er macht. Das ist ihm deutlich anzusehen. Ich kann seine Begeisterung für die Kunst beinahe spüren. Seine Vielschichtigkeit ist das, was ihn auszeichnet. Für ihn sind Glasarbeiten in Verbindung mit Lichtreflektionen genauso spannend wie Installationen oder Inneneinrichtungen. Er schafft es, sich in sämtlichen Gestaltungsformen auszudrücken. Trotz allem spielt auch in seinem Leben Distanz eine große Rolle: „Bei mir Zuhause steht keine meiner Arbeiten ‘rum. Ich brauche den Abstand und die Zeit für etwas Neues. Viele Menschen haben Angst vor Veränderungen. Doch das ist genau das, was mir Spaß macht. Denn: Im Leben kann man nichts besitzen, nichts für ewig festhalten.“
WEITERE INFOS www.philippdreber.de
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ARBEITSPLATZ BORDELL
ANSICHTEN IM ROTLICHT
FOTOS: ALESSANDRO DE MATTEIS
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DAS PASCHA, KÖLNS BEKANNTESTES BORDELL, IST IN ERSTER LINIE EIN TEMPEL DES KOMMERZ – BETRACHTUNGEN VON MENSCHEN BEI DER ARBEIT.
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ZWISCHENRAUM
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guter
RAUM FÜR WORKSHOPS
Mit
Laune neuen Ideen zu
EIN ROADMAP-ENTWURF ZUM THEMA WORKSHOP – FÜR EINEN NEUEN KREATIVEN RAUM IN KÖLNS GEFÜHLTER MITTE TEXT: ROBERT FILGNER FOTO: JUDITH UHLIG
Manchen Menschen sieht man eindeutig an, dass sie keinen Spaß an ihrer Arbeit haben… Stefanie Weidner kann das nicht passieren. Und in ihrem neuen Workshop-Raum am Brüsseler Platz, der viel mehr als ein Raum für Workshops werden soll, ist miese Laune ebenfalls nicht angebracht. Wir fangen an mit einem Spiel (Kennenlern-/AuflockerungsPhase): Nehmen wir einen „Zauberwürfel“ – also den mit den vielen Farben. Unzählige Menschen sind schon schlecht gelaunt daran gescheitert. Solche Herausforderungen sind genau das Richtige für Stefanie. Sie ist das, was man eine gut gelaunte Problemlöserin bezeichnen könnte. „solution seeker in design“ nennt sie demnach auch ihr Startup, mit den selbst definierten Zielen „Dienstleistungen zu entwickeln und optimieren, Unternehmen bei der Entwicklung von Innovationen zu unterstützen, aber auch durch neue Dienstleistungen Bedürfnisse zu wecken oder zu befriedigen und Systeme zu optimieren.“ Klingt technisch? Ist es aber nicht. Steigen wir doch mal etwas genauer ein – aber sanft (erster Input, nicht so journalistisch, aber immerhin angelehnt an Workshop-Prinzipien). „Ich helfe gerne neue Wege auszuprobieren, um durch selbst gemachte Erfahrungen neue Ideen zu finden“, beschreibt Stefanie grob umrissen ihren Job, aber auch ihren Charakter. „In meinen angebotenen Workshops funktioniert das richtig gut.“ So haben wir auch schon die Verknüpfung von Lösung finden und dem für viele Menschen zugegeben abstrakten Wort „Workshop“. Viele Geister scheiden sich daran – übrigens unabhängig vom Alter, Berufsstand und überhaupt. Wer aber für Folgendes Antworten sucht, der sollte sich ab Ende Dezember in Stefanies WorkshopRaum am Brüsseler Platz 26 willkommen fühlen: „Ich habe eine Idee, weiß sie aber nicht umzusetzen.“ Nun gibt es mittlerweile gerade im kreativen Bereich unzählige andere Formate, sich in einen Raum zu stellen, sich und seine Idee vorzustellen und „Freunde und Förderer“ dafür zu begeistern. Gerade der Workshop-Ansatz geht aber darüber hinaus. „Das Thema ist ja schon bekannt. In meinem neuen Wohlfühl-
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WEITERE INFOS Kontakt für Interessierte: weidner@s-s-i-d.de solution seeker in design Brüsseler Platz 26, Belgisches Viertel raum sollen Menschen, die mit Leidenschaft eine Gemeinsamkeit teilen, zusammenkommen. Spontane Interessierte sind natürlich auch willkommen. Ganz egal, wie man bei einzelnen Fragestellungen methodisch vorgeht – entscheidend ist für mich, dass am Ende eine neu gewonnene Erkenntnis steht.“ Stefanie möchte eine echte Wissensvermittlung etablieren. In gemütlichem Ambiente und mit einer moderierenden Hand, die auch mal spontan eingreift, wenn die Runde mal ins Stocken geraten sollte. Wir sind schon mitten drin im Workshop. Wir sammeln gerade ihre Erfahrungen und Eindrücke und ordnen sie bereits schon zu. Das ist auch gut so, da der einem übersichtlichen Design angemessene Platz auf dieser Seite schon gewaltig geschrumpft ist. Daher nun zur Feedback-Phase, die übrigens dann doch auch wieder journalistische Züge hat: Sie bietet entweder ein Ende und lässt den Teilnehmer (hier: der Leser) alleine für weitere Selbsterkenntnisse. Oder sie regt an, darüber mit anderen zu diskutieren, auf anderen Ebenen weiterzumachen. In unserem Falle wäre das dann wohl der schöne Effekt von Leserfeedback, kritisch oder eben nicht, der auch unsere Inhalte voranbringt. Dennoch kurz zurück zum Thema Workshop: Workshops schaffen Kreativität. Stefanie kombiniert das mit guter Laune, motiviert durch ihr Auftreten selbst und hat ein festes Ziel. „Ab Januar sollen Menschen und Unternehmen einen festen Anlaufpunkt finden, um Ideen anzutesten, Lösungen zu finden.“ Dabei sind die Ebenen so vielschichtig wie die weite Welt der Kreativität. „Tagsüber können sich hier Unternehmensberatung, Kreative und Innovationssucher abwechseln. Für ein bis drei Abende in der Woche sehe ich eher offene Ansätze, mit Raum für Ideen von Jedermann, Netzwerken und experimentellen Erfahrungen. Am Ende steht eine neue Lösung für manchmal am Anfang gar nicht so gestellte Fragen.“
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KÖLNER PLÄTZE
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„Nette Geschäftsführung, lässiges Publikum und eine schöne Atmosphäre bei cooler Musik.“ Giov a nni, Model aus Köln. Sein Lieblingsort ist die Elektra Musikbar am Eigelstein. Musik darf hier auf keinen Fall zu kurz kommen: die Elektra Musikbar in der AltstadtNord. Dicke, gepolsterte Stühle laden zum Entspannen ein, der rote Namensschriftzug ist klar ein Blickfang und der giftgrüne Durchbruch zum Loungebereich lenkt die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Eine Kultkneipe inmitten des Eigelsteinviertels. Elektra Musikbar / Gereons wall 12-14 50668 Köln Täglich ab 19:00 Uhr / w w w.elektrabar.com Haltestelle: Ebertplatz
WEITERE INFOS Mehr Kölner Lieblingsorte auf www.wearecity.de
WETTBEWERB
It’s LIQUID International Contest | First Edition 2012 In Zusammenarbeit mit der International ArtExpo sucht It’s LIQUID Künstler und Designer aus der ganzen Welt, um an diesem Wettbewerb teilzunehmen. Es gibt fünf Kategorien: • painting and drawing • sculpture and installation • photography • videoart • product design
DEADLINE: 19. JANUAR 2012 WINNERS RELEASE: 08. MÄRZ 2012 Die Gewinner der einzelnen Kategorien werden unter anderem ein Jahr lang über alle Plattformen von It´s LIQUID vermarktet und publiziert und können sich über eine Ausstellung ihrer Werke in der Rearte Gallerie in Wien freuen. null22eins empfiehlt: Mitmachen! mehr Infos unter www.itsliquid.com
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MUSIK
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MÜLGRIME RADIO
CHTSRHEINISCHES
REBELLENTUM DAS MÜLGRIME RADIO PRÄGT BEREITS NACH KNAPP HALBJÄHRIGEM BESTEHEN DAS KÖLNER MUSIKLEBEN MIT. HINTER DEM LABEL VERBIRGT SICH EIN MÜLHEIMER FREUNDESKREIS MUSIKBESSESENER. TEXT: STEPHAN STRACHE FOTOS: MÜLGRIME RADIO
WEITERE INFOS www.muelgrimeradio.de
Wir sind zu Gast im Studio Wiener Platz, genau genommen in der dortigen Wohnküche, und fühlen uns auf Anhieb wohl. Es erscheint kaum möglich, die Gastgeber nicht zu mögen. Rotwein, Raki und Wasser werden gereicht, während aus dem Radio angenehme Musik des hauseigenen Senders erklingt. In diesem Ambiente kann man sich dem Idealismus der Macher des Mülgrime Radio nicht entziehen und labt nur so an ihrer zwar jungen, aber umso spannenderen Geschichte. Wenngleich alle Protagonisten bereits einschlägig musikalisch vorbelastet sind und das Kölner Clubleben mitgeprägt haben, wuchs ihr Wunsch nach etwas Produktiverem, Nachhaltigerem. So gründeten sie, statt ihre Energie in die x-te Kölner Partyreihe zu investieren, in bester DIY-Mentalität einen eigenen Radiosender: Das Mülgrime Radio geht aus den eigenen Mülheimer Wohnzimmern auf den Äther, zudem sind selbst Radiostream, Internetpräsenz sowie ihr Layout Eigenkreationen. Ziel ist es, den Hörer rund um die Uhr mit angenehmer Musikrotation zu erfreuen. Als Sahnehaube steigt jeden Abend um 21 Uhr eine Livesendung entweder aus einem der sieben Mülheimer Studios oder aber mittlerweile auch als Friendly Takeover aus befreundeten linksrheinischen oder komplett kölnabstinenten Studios. Die Livesendungen bieten überwiegend Musikvor-
MUSIK
stellungen, Labelabende oder Live-Sets. Neue Tracks werden dabei jedoch nicht „totinterpretiert“; vielmehr steht der Musikgenuss im Vordergrund. Das Programm fokussiert sich auf diverse Spielarten elektronischer Musik abseits jeglichen Scheuklappendenkens – und zeigt so das hervorstechendste Merkmal von Mülgrime Radio als Vertreter eines unterschätzten Stadtteils. Der Neologismus Mülgrime setzt sich aus der ersten Silbe Mülheims sowie dem englischsprachigen Wort „grime“ zusammen. Wörtlich „Schmutz“ bedeutend, bezeichnet Grime zudem ein Musikgenre mit Wurzeln in elektronischer Musik und HipHop. Grime liefert die Beats für alle, die von HipHop und R‘n‘B, Dancehall und Reggae oder Techno und Drum‘n‘Bass ge-
langweilt sind, versucht sich permanent neu zu erfinden und sperrt sich gegen jegliches Schubladendenken. Aber auch Mülheim ist weitaus mehr als nur ihr aktueller Wohnort, vielmehr verbindet Mülgrime Radio mit seinem Sendeort auch eine gewisse Resistance-Attitüde: Trotz der gut 41.000 Einwohner und des Privilegs der unmittelbaren Rheinlage fristet Mülheim im Kölner Kollektivbewusstsein ein Schattendasein als „sozialer Brennpunkt“. Sein lebhaftes kulturelles Miteinander wird oftmals als Makel angekreidet. Dabei reicht das rechtsrheinische Rebellentum weit zurück: Auf Grund der in Mülheim bereits im 18. Jahrhundert praktizierten Religionsfreiheit siedelten sich hier schnell wohlhabende Juden und Protestanten an, um das Kölner Stapelrecht und Zunftwesen zu umgehen. Auch die Industrielle Revolution sorgte für einen wirtschaftlichen Aufschwung Mülheims und dem daraus resultierenden Interesse Kölns an einer Eingemeindung Mülheims, welche der Stadt erst 1914 gegen den Willen der Mülheimer gelang. Anecken und Aufwühlen gehören zur Schäl Sick dazu – und könnten ruhig auch auf die anderen Veedel Kölns überschwappen. Das Mülgrime Team liefert jedenfalls schon einmal den richtigen Soundtrack dafür.
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Laptop Battle Jetzt bewerben für das erste „Mülgrime Radio – Laptop Battle” 8 Musiker im Wettstreit um den Titel. Bewerbung bis zum 01.01.20123 via Soundcloud.
Die Regeln: Jeder Teilnehmer darf für seine 3 Minuten Performance maximal einen Laptop, Soundkarte und Mid Controller verwenden. Das Battle wird im 1:1 im KO Modus ausgetragen, wobei das Publikum und die Jury über das Weiterkommen entscheiden. Verkleidungen sind durchaus zulässig. Bewerbungen in Form eines selbst produzierten Live-Sets (Maximal 3:00 Minuten) inkl. EMail-Adresse. Die Teilnehmer sowie der finale Austragungsort werden Ende Januar 2012 bekannt gegeben.
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MUSIK
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KONZERT PREVIEWS TEXT: NICOLE ANKELMANN FOTOS: PROMO
BODI BILL 15.12. /// GEBÄUDE 9
HENRY ROLLINS 30.01. /// GLORIA THEATER
Mit ihrer einzigartigen Symbiose aus elektro nischer Musik und klassischem Folk haben sich Bodi Bill seit ihrer Gründung 2005 in die Herzen der Liebhaber genreübergreifender, innovativer bis experimenteller Sounds gespielt. Im März dieses Jahres erschien mit „What?“ ihr mittlerweile drittes Album. Einmal mehr ist es ihnen damit gelungen, unterkühlten Elektro mit berührenden Klangelementen detailverliebt in Einklang zu bringen und ein akustisches Gesamtbild zu kreieren, das sich dessen Anhänger auch live nicht entgehen lassen sollten. www.bodibill.de
Der Mann mit dem auffällig breiten Hals ist wohl einer der vielseitigsten Künstler überhaupt. Nicht nur, dass er als Frontman der Hardcore-Band Black Flag schon in den 70ern und 80ern Musikgeschichte schrieb, auch solo hat er uns in den 90ern so manch großartiges Album beschert. Außerdem ist Mr. Rollins Radio- und TVModerator, Reisejournalist, politischer Kommentator, Schauspieler und Gewichtheber – was die ausgeprägte Nackenmuskulatur erklären dürfte. Als sei das noch nicht genug, verdingt er sich zudem als Schriftsteller und Verlagsinhaber. Das geschriebene und gesprochene Wort führt ihn Ende Januar nach Köln. Seine Spoken Word-Abende sind dank ihrer Komibination von Comedy und Anklage, Provokation und Optimisus, Politik und Poesie legendär und absolut erlebenswert. www.henryrollins.com
SKRILLEX 25.02. /// E-WERK In diesem Jahr hat das bereits seit gut einer Dekade bestehene Genre Dubstep auch bei uns einen massiven Aufschwung erfahren, was sicherlich nicht zuletzt an den zahlreichen Outputs in diesem Bereich lag. Einer der derzeit angesagtesten Vertreter ist Sonny Moore aka Skrillex aus Los Angeles. Seine erste Produktion unter diesem Alter Ego erschien Anfang des Sommers, gefolgt von einem weiteren Release auf dem Label von Kollege deadmau5. Und auch als Produzent von Bands wie Bring Me The Horizon oder Korn ist der Ami umtriebig. Jetzt bringt er uns erst mal seine ureigene Interpretation von Dubstep auf die Bühne des E-Werks. www.skrillex.com
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N I Z A G A M N E R U T L U K R E N L KÖ
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SPORT
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EISKUNSTLAUF
Glitzer auf TEXT: JANINA LENZ FOTOS: PROMO
DIE FABULOUS SKATERS COLOGNE KÄMPFEN GEGEN DAS SCHWULE KLISCHEE IM EISKUNSTLAUF AN. Viel Glitzer und Pailletten. Das ist das Kostüm von Andreas Wagner. Die Schlittschuhe glänzen frisch poliert. Gleich geht es los. Noch ist es zwar nicht der wichtige Auftritt auf dem Eis, trotzdem ist die Nervosität des 28-Jährigen deutlich spürbar. Die Kür des Eiskunstläufers muss jetzt stimmen. Viel Zeit bleibt bis zum Fabulous Cup im nächsten Jahr nicht mehr. „Es war ein hartes Stück Arbeit, aber es hat sich gelohnt“, sagt Andreas Wagner, als er kurz an der Bande Halt macht. „Mit Kostüm zu laufen ist doch etwas Besonderes.“ Normalerweise trainieren die sonst so bunt glitzernden und funkelnden Eiskunstläufer eher unspektakulär. In dunklen Trainingshosen und langärmligen Shirts gleiten sie über das frisch bereitete Eis. Jeder übt für sich, macht sich warm. Einige Dehnübungen folgen, damit die Muskeln und Sehnen nicht verletzt werden. Die Eiskunstläufer haben neben der Liebe zu Eis und Glitzer nicht alle die oft vermutete Gemeinsamkeit: Schwul sein gehört nicht zur Vorschrift für die Auf-
nahme in die Gruppe der Fabulous Skaters Cologne. Trainier Philippe Carouge fasst treffend zusammen: „Ob schwul, lesbisch, hetero oder transgender – bei uns hier ist alles normal.“ Trotzdem treffe man im Eissport schon mehr schwule Läufer als heterosexuelle an. Auch Philippe Carouge und Andreas Wagner gehen offen mit ihrer Homosexualität um. Schwul zu sein heißt schließlich nicht, den ganzen Tag mit einer rosa Federboa durch die Gegend zu hüpfen. Wie jedes andere Paar auch verlebt Philippe Carouge den Alltag mit seinem Mann Christoph Gaspers-Carouge. Die beiden sind seit fünf Jahren verheiratet. „Obwohl es in Deutschland eigentlich verpartnert heißt, aber das klingt wie vertan“, findet Carouge. Für ihn war es eine richtige Hochzeit und jetzt führen die beiden eine normale Ehe. „Natürlich gucken uns schon mal Leute hinterher, wenn wir händchenhaltend durch die Stadt laufen“, sagt der 31-Jährige. Aber das liege vielleicht auch daran, dass sowohl er als auch Sportpartner Andreas Wagner aus dem Bergischen Land kommen. „Hier ist es etwas ruhiger. Aber auch ich wurde noch nie wegen meiner sexuellen Neigung diskriminiert“, erklärt Wagner. Dann müssen die Eiskunstläufer noch einmal mehr Disziplin zeigen. Denn die Trainingszeit in der Eissporthalle in Köln-
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Kufen
Deutz, in der auch die Kölner Haie dem eher kontaktbetonten Eishockey nachgehen, ist begrenzt und teuer zugleich. „Eine Stunde Hallenmiete kostet uns hier 220 Euro.“ Deshalb hoffen die Eisläufer, auf die Halle im neugestalteten Lentpark ausweichen zu können. Diese Kosten sind nur einige der Anstrengungen, die die Sportler für ihre Leidenschaft auf sich nehmen: Kostümkosten, lange Anfahrtswege zum Training nach Köln und nebenbei der ganz normale Berufsalltag. Da kommt einiges zusammen. Philippe Carouge arbeitet als Modedesigner, Andreas Wagner ist Friseur. Wenn die Läufer dann aber auf dem Eis stehen, die Scheinwerfer auf sich gerichtet, überwiegt das Gefühl von Stolz und Begeisterung. „Gerade der Fabulous Cup ist ein besonderer Wettbewerb“, so Wagner. Die Eiskunstlaufgruppe wurde 2003 mit dem Ziel gegründet, neue Eislauf-Küren zu gestalten und begeisterte Mitglieder auf Turniere vorzubereiten. Seit Januar 2004 trainieren hier durchschnittlich 15 Läufer. Der Name der Eiskunstlaufgruppe ist stark an das Motto der Gay Games 2002 in Sydney gekoppelt. Am anderen Ende der Welt entschieden der Eiskunstläufer Sascha Hüllen und Philippe Carouge, die Fabulous Skaters Cologne zu gründen. „Wir wollen das sensationelle Erlebnis der Gay Games und die große Euphorie nut-
zen“, erklärt Carouge. Der Sport sei nie eine sichere Sache. Trotzdem kann sich die bisherige Bilanz im Gesamtmedaillienspiegel des Kölner Teams sehen lassen: 16 mal Gold, sechs mal Silber und einmal Bronze gehen auf das Konto der „Fabulous Skaters Cologne“. Beim Fabulous Cup im nächsten Jahr soll die Erfolgsserie weitergehen. Auch Andreas Wagner hat sich ein sehr hohes Ziel gesteckt: Er will eine Medaille gewinnen. Dabei ist er seit seiner Kindheit eigentlich erfolgreicher Rollkunstläufer. „Ich habe nur für die Gay Games auf Kufen gewechselt. Jetzt möchte ich auch beim Fabulous Cup etwas erreichen.“ Die sportliche Leistung steht also klar im Vordergrund. „Der Fabulous Cup ist übrigens der einzige Wettbewerb, wo auch gleichgeschlechtliche Paare als Läufer an den Start gehen dürfen“, berichtet Wagner. Seit 2009 ist er mit seinem Berliner Eislaufpartner dabei. Aber auch der Zusammenhalt der Sportler zählt in einem Event ohne Diskriminierung. Und der wird nicht zu knapp gehalten, verraten die Eiskunstläufer. Denn nach den Wettkämpfen im Einzel-, Paar- und Gruppenlauf beginnt die Nacht erst richtig. Ob es die Läufer krachen lassen im Loom am Hohenzollernring, nett ein bisschen feiern und trinken im Venue an der Hohe Straße oder den Abend ruhig ausklingen lassen in einer der vie-
len Schwulenbars – fest steht aber schon jetzt, dass zu dieser späten Stunde einige den Glitzer vom Eis mit in die Nacht tragen werden.
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KUNST
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Im Staatenhaus verschmelzen ART.FAIR und BLOOOM zu einem unverwechselbaren Kunstgenuss f端r Kenner und Neugierige.
KUNST
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TEXT: ROBERT FILGNER FOTOS: BORIS BREUER / ART.FAIR, LEO PELLEGRINO
„CREATIVE INDUSTRIES ART SHOW“
Blooom „Erste interdisziplinäre Messe für Kunstschaffende aus der Kreativwirtschaft“ klingt irgendwie sperrig. Gut, dass den Begründern dieser einzigartigen Plattform für junge und Grenzen überschreitende Kunst die Wortschöpfung „BLOOOM“ eingefallen ist – schon wird’s griffiger. Und nachhaltig: Mit zwei Jahren noch ziemlich jung, stand die „creative industries art show“ im Rahmen der ART.FAIR Ende Oktober schon auf richtig festen Beinen. Rund 60 Teilnehmer ergänzten vom 29. Oktober bis zum 1. November im Schmuckstück „Staatenhaus“ die etablierte Kunstmarkt-Messe mit jungen und innovativen Werken und neuen Ansätzen. „Der globalisierte Kunstmarkt fordert zum Umdenken auf. Statt sich aneinander zu messen, besteht heute die Herausforderung darin, Brücken zu schlagen und Synergien zu entwickeln“, erklärt Pressesprecherin Jana Strippel die innovative Idee dahinter. Es geht darum unterschiedliche kreative Branchen zusammenzubringen, sich zu beschnuppern und auch ganz konkrete Kooperationen zu verabreden. Daher verstehen sich die beiden Kunst-Begegnungsstätten wahrlich als Vermittler. Die BLOOOM bietet dafür weiteren Input: künstlerischen Nachwuchs durch den BLOOOM Award by WARSTEINER. Dieser fördert den Nachwuchs und gehört fest zum Konzept. Über 450 deutsche und rund 130 niederländische Beiträge
wurden von April bis Ende Juli dieses Jahres für den Wettbewerb eingereicht. Die zehn deutschen Finalisten und der „Dutch Winner“ erhielten die Chance, sich im Staatenhaus zu präsentieren. Für die von der Jury ausgewählten drei Erstplatzierten gab es dazu handfeste Gewinne obendrauf. Yasha Young (Galeristin und Direktorin der BLOOOM), Walter Gehlen (Direktor der ART.FAIR), Catharina Cramer (Warsteiner Brauerei), Joko Winterscheidt (TV-Moderator) sowie Edo Dijksterhuis (Direktor der Art Amsterdam) entschieden sich in diesem Jahr für „beta“ von Lukas Franciszkiewicz. In seinem Video lösen die Begriffe „Input“, „Output“ und „Process“ in einem Kasten unterschiedliche Vorgänge aus, die über einen Bildschirm im Deckel des Kastens sichtbar werden. Die unterschiedlichen Anstöße und deren Reaktion passen gut in unsere Zeit, wie das gesamte Jahr 2011 bewiesen hat. Die umfassende Protestbewegung der jungen Generation – ausgelöst in und getragen durch die sozialen Netzwerke finden sich in der Idee des Künstlers wieder. „Der eigentliche Wert des Projektes liegt im Dialog, der angestoßen werden soll. Eine Ausstellung wie die BLOOOM ist ein idealer Ort, um diesen Gedanken aufzugreifen und weiterzuführen“, freute sich der Industriedesignstudent bei der Preisverleihung.
Lukas Franciszkiewicz sowie der erstmalig ausgezeichnete niederländische Sieger Alex Winters können sich über eine einjährige Mentorenunterstützung und eine Reise nach Miami zur Art Basel Miami Beach in Begleitung eines Jurymitglieds freuen. Die Zweitplatzierte, Katrin Rodegast, wird mit einer Begleitperson zur Art Paris reisen und ihre eingereichte Arbeit – den Wandquilt „Soft Cover“ – in einer renommierten Galerie ausstellen. Mit seiner mechanischen Installation „Jackpot“ sicherte sich Benedikt Braun als Drittplatzierter ein einmaliges Coaching durch ein Jurymitglied. Der Netzwerk-Gedanke und der erweiterte interdisziplinäre Ansatz der BLOOOM sind eine gelungene Ergänzung zur ART.FAIR. Durch den BLOOOM Award by WARSTEINER ist ein neues Sprungbrett installiert, um in die große Welt der Kunstmärkte zu gelangen. In nur zwei Jahren hat sich eine neue „Kunst-Schau“ etabliert, die Beachtung verdient. Und auch schon erhalten hat: BLOOOM ist ein „Ausgewählter Ort“ im Innovationswettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“ von der Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“. Wir gratulieren!
WEITERE INFOS www.blooom.de
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KULTUR
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Reduktion statt Reproduktion 5 JAHRE SEEMANN TÄTOWIERUNGEN
KULTUR
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TEXT: NICOLE ANKELMANN FOTOS: DAVID CHUDICECK, ANNA SHAPIRO
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olitische Überzeugung. Religiöses Bekenntnis. Persönliche Identifikation. Der Mensch findet die unterschiedlichsten Gründe, seinen Körper vom Tätowierer seines Vertrauens entsprechend bearbeiten zu lassen. Wollte man sich noch vor einigen Jahren mit diesem Schritt in erster Linie von der Masse abheben und besonders individuell sein, ist inzwischen eher der umgekehrte Fall eingetreten. Längst gehören Tätowierungen zum Alltag. Die Tätowierkunst ist zu einem Massenphänomen mutiert, das mehr und mehr Anhänger findet, aber auch seine Opfer fordert. Tätowierungen bringen Freude, so lange sie gut und professionell gemacht sind. Da sich aber ein jeder Tätowierer nennen darf, der auch nur einmal mit einem umgebauten Rasierapparat den nackten Hintern seiner Freundin bearbeitet hat, ist es nicht immer ganz einfach, den passenden Künstler aus der Menge der Studios herauszufiltern. Neben dem zu beherrschenden Handwerk wäre auch eine zwischen Kunde und Künstler bestehende Chemie von Vorteil, um gerade bei größeren Projekten zu einem mehr als nur zufrieden stellenden Ergebnis zu gelangen. Auch in Köln ist die Vielzahl an Studios eher verwirrend als hilfreich. Jeder hat eine andere Meinung, jeder einen anderen Geschmack. Old School. New School. Biomechanical. Irezumi. Pin-up. Celtic. Tribal. Typographic… Da ist guter Rat oft teuer und wird immer mit Schmerzen und nicht selten mit späterem Bedauern bezahlt. Einen allgemein gültigen Tipp zur Findung des richtigen Tätowierers kann es also gar nicht geben, doch sicherlich schadet es nicht, den Ratschlägen von (tätowierten) Freunden und Bekannten Beachtung zu schenken. Ein Name, der immer wieder fällt, wenn man sich nach einem empfehlenswerten Studio in unserer Stadt umhört,
ist Jens Wucherpfennig mit seinem kleinen Laden in der Ritterstraße 52. In direkter Nachbarschaft zum legendären Vinylstore Underdog – und damit natürlich ohnehin schon in bester Gesellschaft – befindet sich Seemann Tätowierungen im Januar bereits seit fünf Jahren. In Steinwurfnähe zum Konsumtempel Saturn besteht hier eine zweiteilige Keimzelle der Andersartigkeit und Konzentration auf das Wesentliche – Musik und Kunst. Jens kam seinerzeit der Liebe wegen nach Köln. Der damals in einem Darmstädter Tattoostudio tätige Anfangdreißigjährige verfolgte zunächst den Plan, sich einem bestehenden Laden in Köln anzuschließen. „Ich habe mich vorab ein wenig über die Studios in Köln informiert, mir Sachen im Internet angeschaut. Ein paar kannte ich, bei einem wurde ich selbst tätowiert.“ Doch die nötige Begeisterung wollte einfach nicht aufkommen, also verwarf Jens die Idee schon wenig später, als sich das kleine Ladenlokal – einst Teil von Underdog selbst – anbot. Anfänglich noch zwischen Dom- und Darmstadt pendelnd, ist Jens – auch als inzwischen zweifacher Familienvater – heute komplett hier angekommen und bereits mehrere Monate im Voraus ausgebucht. Er gehört trotz oder gerade wegen seiner eher zurückhaltenden Art zu den Tätowierern, die man eben kennt, wenn man sich fürs Tätowieren bzw. Tätowierenlassen interessiert. „Einen guten Tätowierer macht für mich aus, dass er seinen eigenen Stil forciert, irgendeine Richtung nahezu perfektioniert hat. Die Läden, die wirklich alles anbieten, machen meist nichts davon so richtig überzeugend. Mich hat immer das Traditionelle interessiert, und mein Kriterium ist stets, nur das zu tätowieren, was ich auch selbst gerne tragen würde. Meine Spezialisierung liegt im weitesten Sinne im Westlich-Traditionellen. Es ist nicht wirklich Old School,
aber an der Symbolik orientiert. Heute nennt man das am ehesten Neo Traditional. Stabile, kräftige Linien und nicht zu viel Schnickschnack.“ Dieser Maxime folgt Jens auch in der Gestaltung seines Ladenlokals, das um einiges schlichter und aufgeräumter wirkt als viele seiner Kollegen. Um Tattoo Conventions und anderweitige Treffen mit Gleichgesinnten und Seinesgleichen macht er lieber einen Bogen. Und auch die veraltete und verwaist wirkende MySpace-Seite als nicht weiter erwähnenswerter Internetauftritt, dem mangels Notwendigkeit nie ein anderer folgte, belegt, dass Jens es versteht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: das Tätowieren eben. Frei von unnötigen Einflüssen und damit weiter auf Erfolgskurs segelnd. Ahoi!
WEITERE INFOS www.myspace.com/seemann_ jens
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MUSEUM
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Urs ul a UND DIE WILDEN HUNNEN KÖLN IST MUSEUMSSTADT, KÖLN IST KIRCHENSTADT - EINE GELUNGENE VERBINDUNG ZWISCHEN BEIDEN ZEIGT UNS DIESER RUNDGANG: VON PROFANER ARCHITEKTUR UND SCHRECKLICHEN GESCHICHTEN. TEXT: JENS ALVERMANN, KATARINA FRITZSCHE FOTOS: JUDITH UHLIG „Was gibt es hier denn so Besonderes in Köln?“, ist wohl eine der Fragen, bei der man angesichts der Vielzahl kölscher Eigenheiten und Facetten um Worte ringen mag. Besonders dann, wenn klischeebehaftete Antworten wie „Kölsch!“ oder „Karneval!“ mittlerweile auch auf den Gesichtern der Besucher aus rheinlandfernen Gefilden nur noch ein müdes Lächeln hervorrufen. Mit der Geschichte der Heiligen Drei Könige, deren Gebeine im Kölner Dom beherbergt sein sollen, kann man auch nicht mehr jeden vom Hocker reißen. Doch Köln wäre nicht Köln, würden nicht eine Menge anderer Episoden aus der über 2.000-jährigen Stadtgeschichte nur darauf warten, erzählt zu werden. Eine davon ist die Legende von Ursula und den wilden Hunnen, die jeder Kölner irgendwann sicherlich schon einmal gehört hat, so oder so ähnlich. Hier der Versuch einer Kurzfassung: Wir befinden uns im 5. Jahrhundert. Der heidnische Prinz Aetherius hält um die Hand der frommen Ursula an, der Tochter des Königs von Britannien. Ursula willigt unter der Bedingung ein, eine Frist von drei Jahren zu erhalten. In dieser Zeit soll Aetherius intensiv das Christentum studieren, während sich Ursula über Land und Wasser auf eine Pilgerfahrt nach Rom begeben will. Hierzu stellen ihr der Vater und der Schwiegervater in spe zehn Gefährtinnen für die Reise zur Seite, die je nach Version der Legende jeweils tausend Beglei-
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terinnen erhalten. Das fromme Frauenheer um Ursula schafft es zunächst über Köln und Basel bis ins ersehnte Rom. Doch auf dem Rückweg werden sie von Attilas Hunnenschar, die im Jahr 451 über Köln herfällt, im Pfeilhagel getötet. Die Ermordung von Ursula samt Gefolge vor den Mauern Kölns bleibt jedoch nicht ungesühnt: Ein himmlisches Heer errettet das Heilige Köln und treibt die Hunnen in die Flucht. Da Ursula und ihre Gefährtinnen für den christlichen Glauben starben, werden sie anschließend als Märtyrerinnen in Köln bestattet. Ihnen zu Ehren wird an der Grabstätte eine Kirche errichtet, ein Vorgängerbau der heutigen Emporenbasilika St. Ursula in der Kölner Altstadt. Hier schließt sich der Kreis, denn wir begeben uns vor Ort auf Spurensuche.
Grab der „himmlischen Jungfrauen“ Nun stehen wir im Mittelschiff der Kirche und blicken auf die bunten Glasfenster im Chorraum. Die Stimmung ist fast zu sakral, um nach Fakten zu fragen. An der südlichen Chorwand entdecken wir die Clematius-Inschrift, eine Tafel aus Kalksandstein, die ins 4. / 5. Jahrhundert datiert wird. Diese besagt, dass an der Stelle der heutigen Kirche „himmlische Jungfrauen“ bestattet wurden, denen diese Kirche geweiht sei. Aus schriftlichen Quellen erfahren wir, dass über 500 Jahre später, im Jahr 922, Nonnen aus Gerresheim bei Düsseldorf vor einem Ungarnüberfall nach Köln fliehen und dort von Erzbischof Hermann I (889-924) „die Kirche der Märtyrerfrauen“ erhalten. Dass hier auch inhaltliche Parallelen zur Ursula-Legende gezogen werden, lässt sich nur vermuten. Jedenfalls ist die Verehrung der Heiligen Ursula seit dem 10. Jahrhundert urkundlich belegt. Zu dieser Zeit wird auch eine römische Nekropole unter und um den Kirchenbau wiederentdeckt, die vermeintliche Grabstätte der Heiligen Jungfrauen. Etliche Skelettfunde treten zu Tage und eine lateinische Inschrift taucht auf: XIMV. Die einen deuten dies als XI Martyres Virgines (11 Märtyrerjungfrauen), die anderen als XI Milia Virgines (11.000 Jungfrauen). Ob Lesefehler oder Legendefreude: Immer neue Knochenfunde machten schließlich aus 11 ganze 11.000 Jungfrauen und es entwickelte sich, ganz kölsch, rasch ein lukratives Geschäft – mit dem Handel von Reliquien. Besonders beliebt waren die Ursulabüsten, die bis nach Skandinavien gehandelt wurden und die vermeintlichen Schädel der Märtyrerinnen beherbergten. 112 Büsten aus dem 13. bis 18. Jahrhundert können in der Goldenen Kammer der Kirche besichtigt werden, weitere befinden sich auf den Emporen im Mittelschiff der Kirche.
Architektur als Sinnbild von Funktion Sowohl außen als auch innen nimmt die Ausgestaltung der Kirche scheinbar bis ins kleinste Detail Bezug zur Legende der Heiligen Jungfrauen. Der Chorbau aus dem 13. Jahrhundert, in
dem unter anderem der Ursula-Schrein steht, gleicht einem überdimensionalen Reliquienschrein und hat die Kapelle der französischen Könige Sainte-Chapelle in Paris zum Vorbild. So wird die Erscheinung des Baus zum Sinnbild seiner Funktion: die Zurschaustellung von Reliquien. Die Goldene Kammer, 1642 von Reichshofrad Johann von Crane gestiftet, aber auch die Bildwerke, die Sarkophage der Ursula und des Aetherius oder die Bilderzyklen, erzählen die Geschichte von Ursula und ihren Gefährtinnen, wobei sich die Zahl 11 in der Architektur vielfach widerspiegelt, so etwa in der Fenster- oder Wandnischenanzahl. Der gesamte Bau dient als Showbühne einer Legende, die mit der Zeit immer wieder neu erzählt und ausgeschmückt wurde. Und während sich heute kaum jemand aus Köln ernsthaft
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wünscht, die sterblichen Überreste seines Idols mit nach Hause zu nehmen, war es vor einigen Hundert Jahren der Traum vieler gläubiger Christen, eine Ursula-Reliquie ihr Eigen zu nennen.
Ort Kölner Geschichte Natürlich ist noch viel mehr über die Geschichte der Kirche und ihrer Schätze zu berichten. So viel zur Frage, warum wir in dieser Ausgabe eine Kirche für den Museumsteil in den Blick genommen haben: Reliquien, Goldschreine, Gemälde, Sarkophage und Epitaphien erzählen Geschichten aus der Vergangenheit und sind hautnah erlebbar – anders als im Museum, wo die Exponate häufig hinter Panzerglasvitrinen gezeigt werden. Warum in der Weihnachtszeit also anstatt bei
den Heiligen Drei Königen im Dom nicht mal in St. Ursula vorbeischauen? Mit ein wenig Glück trifft man wie wir auf Pfarrer Frank Müller, der eine Menge über die Geheimnisse dieses Ortes verraten kann. Eine Führung lohnt sich, wenn man buchstäblich tiefer ins Thema „einsteigen“ und auch die versteckteren Winkel der Kirche sehen möchte, wie zum Beispiel das Depot mit historischen Paramenten und liturgischen Geräten. Hinsichtlich einer Besichtigung ist noch zu beachten, dass in St. Ursula der christliche Glaube aktiv praktiziert wird. Erst im Oktober ist im Rahmen der Ursula-Festwoche die neue Orgel feierlich eingeweiht worden und es finden regelmäßig Gottesdienste statt. Falls man nicht in letztere hineinplatzen möchte, hilft ein Blick auf die Homepage, wo alle aktuellen Termine und Informationen zu Führungen aufgeführt werden. Für einen Besuch der Goldenen Kammer wird ein Obolus von 2 Euro erbeten.
WEITERE INFOS St. Ursula Ursulaplatz 24 50668 Köln gemeinden.erzbistum-koeln.de/ st_ursula_koeln
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INTERVIEW
> Look at this fucking hipster Gib dich nicht damit zufrieden, in einem Viereck den wilden jungen Mann zu spielen und dann zuhause ganz brav zu sein. Das führt zu nix. Das ist eine Qua zu dem alten Lied aus den 20er Jahren, da hieß es ja: Wie man revoluzzt und trotzdem Lampen putzt. Und das geht nicht.
Die größte Kunst ist, dass Du deinen Charakter veränderst, dann ändert sich dein Leben automatisch. Heute denken die Leute, ich zieh mir mal einen anderen Anzug an oder mache mir mal eine andere Frisur, dann ändert sich auch mein Leben. Das stimmt ja auch, aber das ist minimal. Ich hab nichts dagegen, wenn sich einer stylt, aber, ... das ist ein bisschen billig.
Köln Als ich im Atelier Sömmering ausgestellt habe, mit David Vostell und Mark Eins, da ist Al Hansen reingekommen, das ist ein alter Fluxus Künstler. Und der kam in unsere Ausstellung und hat sich da die Kopfhörer aufgesetzt und fand das gut. Der war damals 60 und da dachte ich, okay: Wir haben es immerhin geschafft, generationsübergreifend zu sein.
Sömmeringstraße war mehr so Werkstattcharakter, 68elf waren immer ein bisschen besser vernetzt mit dem so genannten Establishment, und bei der Ultimate Akadamie war das Ding: Wir machen keine Termine, um uns zu treffen. Also möglichst nichts organisieren und die Leute kommen automatisch. Die Zusammenarbeit von diesen drei Gruppen war damals – würde ich sagen – ziemlich gut bis fantastisch. Heinz Zolper
Beuys hat ja unter anderem den erweiterten Kunstbegriff proklamiert, und da ging‘s darum: mal kein gutes Bild, sondern mach dir ein gutes Leben.
Micha: Was habt ihr da ausgestellt? Das war so eine Mischung: Ich hab damals interaktive Videoinstallationen gemacht. Ich hab eine Kamera hingestellt und hab die Leute mit einem Spiegel vor der Optik aufgenommen, so, dass die nie gemerkt haben, dass sie aufgenommen wurden, weil die Kamera immer in eine ganz andere Richtung deutete. Und das wurde dann direkt in ein anderes Zimmer projiziert.
Albert Oehlen
The Beatles: Everybody has something to hide, except me and my monkey.
Damals war Malverbot. Malen war vollkommen out.
Joseph Beuys
Es sagen ja viele, die Berliner sind so ruppig, das ist gar nicht ruppig. Die Berliner benehmen sich nämlich so, wie in Köln ein Köbes.
Din A Testbild
Ratinger Hof, Düsseldorf
Zwischen den Auftritten der Bands machten wir da Diashows mit sehr schnellen Bildfolgen. Erst mit Diaprojektoren, später dann mit Super 8 Kameras. Wayne County Mittagspause
CityLeaks
Einer meiner Uraltfreunde ist der Bananensprüher, der saß da auch in der Jury. Mit dem hab ich da noch konferiert über Street Art und so, die sind ja ganz stolz darauf in Köln. Da hab ich gesagt, in Berlin ist jede Ecke voll Street Art, da macht man kein Festival. Auf der anderen Seite entsteht dadurch eine Struktur. Das ein oder andere Talent wird gefunden und kann sich dadurch weiter entwickeln. Das ist natürlich wunderbar.
Irgendwann sagte mal ein reicher Sammler zu mir: „Ja weißt du, Axel, die Künstler sind mittlerweile so angepasst und brav im Anzug, da geh ich doch lieber mit meinem eigenen Manager in den Puff. Da ist ja mehr los als mit denen.“ Das Stichwort in Berlin war ja „geniale Dilettanten“. Das heißt, du machst was aus dir selbst heraus und benutzt die Dinge, an die Du kommst. Und dann machst du direkt eine Veranstaltung damit.
Alle Macht der Super 8 Der Bananensprüher
Der Bananensprüher hat erkannt, dass man wiederholen muss. Und er hat ja am Anfang nichts in den Galerien gemacht, sondern auf den Galerien, ... der hat im Prinzip ein Rating eingeführt.
Jemand hatte unsere alten Super 8 Filme aus den 80ern auf einer DVD reanimiert und ich war auf der Party, wo das veröffentlicht wurde. Da hab ich ein paar alte Leute getroffen, die 30 Jahre lang in Berlin geblieben waren – und kam auf die Idee, auch wieder dahin zu gehen.
INTERVIEW
AXEL BRAND: GEDANKEN ÜBER KÖLNER KUNST UND SZENE TEXT: MICHAEL REMY GRAFIK: CHRISTIAN BEAUVISAGE
Sampling
Das geht bis zu den Doktorarbeiten heute – und ist ja im Grunde nichts Schlimmes. Axel Brand in einem anderen Video-Interview auf YouTube
Al Hansen, Fluxuskünstler und Gründer der Ultimate Akademie
Egal, ob ich Bilder mache, oder Musikclips, oder ob ich was organisiere – es ist immer gesampelt.
Mich interessiert, dass verschiedene Gedankengänge zusammenkommen zu einem neuen Lebensgefühl, das sich dann automatisch realisiert.
Axel Brand, ein stets zeitgenössischer Künstler Dieses Interview ist gesampelt und alle orangenen Wörter sind Links. Schickt eine E-Mail an michael@null22eins-magazin.de für ein klickbares Pdf – oder scant direkt den QR-Code.
Dekadente bunte Bilder: Ich mache Reklame für ein besseres Leben.
Kunst
Die Freiheit ist immer vorne, da, wo noch keine Gesetze sind. Da kannst Du immer machen, was du willst. Ganz vorne gibt's noch keine Vergleiche. Wesentlich dafür ist, die zeitgenössischen Werkzeuge zu verwenden.
Um deine Existenz zu rechtfertigen – in einem ganz großen Gebilde – musst Du meiner Meinung nach als Künstler zu Verbesserung beitragen.
Ich glaube, die nächste Kunst muss irgendwas sein, das aus dem eigenen Innenleben kommt: irgendeine intime Sache, die andere auch betrifft.
Die Stimmung hier unter den Leuten ist so ähnlich, wie sie in Köln in den 80ern war: absolut euphorisch.
Berlin
Kunst entsteht immer da, wo am meisten Reibung ist. Da, wo am meisten Leute zusammenkommen, die irgendwas wollen.
Projekt Navi-Gieren Blixa Bargeld
In Berlin, da kommst du in eine Galerie, da verkaufen die dir Getränke. Da sage ich: „Habt ihr einen Knall?“ In dem Moment, wo du Getränke verkaufst, weiß jeder Dussel, dass du nicht von dem Bilderverkauf lebst.
Hier in Berlin gibt es fünf größere Kunstsektoren, wo Galerien geballt auftreten. In Köln war es ja früher das Vringsveedel. Wer da drin war, der hat mitgespielt. Und diese fünf verschiedenen Bezirke will ich per Bus miteinander verbinden, so dass im Prinzip die Leute, die gerade im Bus sind, auch die wichtigsten sind, weil das die einzigen sind, die in jedem Sektor präsent sind. Micha: Ginge das auch für Köln und Berlin? Das wäre fantastisch: Wir würden die Welt umdrehen.
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„WILLKOMMEN, BIENVENUE, WELCOME“
Kunst gegen Bares TEXT: ADAM POLCZYK FOTOS: ALESSANDRO DE MATTEIS ILLUSTRATIONEN: BARBARA WEBER
GERD BUURMANN LÄDT ZUR 187. AUSGABE VON KGB (KUNST GEGEN BARES) IM EHRENFELDER ARTTHEATER. ER HAT DIESES EINZIGARTIGE THEATERKONZEPT ANFANG JANUAR 2007 BEGRÜNDET. MITTLERWEILE ÖFFNET SICH DER VORHANG FÜR DIESE KLEINKUNSTSHOW DEUTSCHLANDWEIT IN STÄDTEN WIE HALLE, HAMBURG, MANNHEIM, LEVERKUSEN UND TRIER.
Die Begrüßung von Gerd wird plötzlich durch zu spät erscheinende Gäste gestört. „Liebevoll“ leitet die freundliche und zuvorkommende Partnerin von Herrn Buurman, Frau Scholten, die verwirrten Gäste zu ihren Plätzen in die erste Reihe. Die angeführte Entschuldigung des Zuspätkommens „wir kommen aus Frankfurt..hehe“ wird von ihr sofort parodistisch verarbeitet und zeigt, mit wem man sich im Laufe der Veranstaltung lieber nicht unbedingt anlegen sollte. Hildegart Scholten, sozial kompetent, konsequent kommunikativ, ist 2008 zum KgB dazu gestoßen und besticht durch Authentizität und erlebnisreicher Kontaktaufnahme zum Publikum. Äußerlichkeiten, wie ihre blaue Bluse, der beige Rock und die Turnschuhe lassen Platz für Phantasie und skurrile Momente. Zu erwähnen wäre auch noch der dekorative Turnbeutel, in dem sich neben Taschentüchern auch allerlei Musikinstrumente oder Inbusschlüssel verstecken können. Sie ist keine Kunstfigur, obwohl sie in Zusammenarbeit mit Klaus Findl (künstlerische Begleitung) und der realen Frau Scholten entstanden ist. Hildegard lebt einfach und entwickelt sich von Show zu Show weiter, sucht immer die Nähe
zum Publikum und lässt es an ihrem Leben partizipieren, indem sie mit ihm flirtet, es anschreit oder liebevoll besingt.
Goldene Schweine Egal ob Reim, Rhythmus, Melodie oder Comedy, jede Kunstform erhält bei KgB einen Raum der Entfaltung und zudem noch eine besondere Art der künstlerischen Anerkennung. Jede Einzelperson und jede Gruppe, die sich auf die Bühne wagt bekommt ein goldenes Schweinchen überreicht. Wer es am Ende des Abends schafft, diese Spardose mit Geld
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bestmöglich zu füllen, wird von Gerd und Hildegart zum „Kapitalistenschwein der Woche“ gekürt und darf den gesamten Inhalt seine abendliche Gage nennen. Bis zu zehn Künstler und Künstlerinnen treten auf diese Weise jeden Montag um 20 Uhr gegeneinander an, um die Gunst des Publikums garnend, die die Schweinchen schließlich füllen. Ob 30 Cent oder fünf Euro, die Zuschauer entscheiden mit ihrer Spende, wer zum Sieger des Abends ernannt wird oder mit Gerds Worten: „Publikum ist Chef!“
Potpourri der Kunst Bei der heutigen Show sind es wieder einmal zehn Freiwillige. Den Beginn macht eine kleine, süße Sängerin mit rauchiger Stimme. Die Straßenmusikerin aus Mallorca zeigt dem Publikum ein „ArenalKontrast-Programm“ und das nicht nur, weil sie von „Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ ist. Anschließend schlendert ein leicht bärtiger Komödiant auf die Bühne, der unter Déjà-vus leidet und Vegetarier „2. Grades“ ist, was so viel bedeutet, dass er gerne Vegetarier isst. Nach einem Intermezzo mit der „singenden Säge“ (positiv gemeint) erzählt uns ein Cowboy aus Flandern ein irisches Lied, das er von einem Mann auf seiner Schottlandreise kennenlernte. Dann tritt Fleissig auf. So heisst der junge, schlaksige Typ, der bei seiner Darbietung um sein 150 Euro teures Loopgerät tanzt und „Sleeping in boxes“ singt. Außerdem erläutert uns ein bebrillter Bayer aus München, das er ein sympathischer Computernerd sei und sein Immunsystem schlechter wäre als
das des 1.FC Kölns. Abgelöst wird er vom einzigen Autoren dieses Abends, der uns eine Geschichte über die 55-jährige Brigitte erzählt, die mit Feuer und Lärm gegen einen burmesischen Tiger kämpft, um ihren Traummann kennen zu lernen.
Keine elitäre Veranstaltung Zur Pause führt Gerd zusammen mit seinem Praktikanten ein Stück aus dem Lustspiel „Leonce und Lena“ zum 198. Geburtstag von Georg Büchner auf. Für Gerd ist es wichtig dem Publikum Theater näher zu bringen. Theater ist keine elitäre Veranstaltung, sondern sollte für jeden offen sein, egal ob gebildet oder nicht. Dies waren neben der immerwährenden Neugierde Gerds vorrangige Punkte zur Gründung von Kunst gegen Bares.
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Nach einer erneuten Pause, bei der die Gäste die Möglichkeit bekommen, ihr Geld in die goldenen Sparschweine zu stecken, kommt es dann endlich zur Krönung des „Kapitalistenschweins der Woche“. Dritter: Fleissig, der im wahren Leben in einer Apotheke in Mönchengladbach arbeitet. Auf dem zweiten Rang landet die kleine Latino-Sängerin Selma Montana, die mit ihrem weiteren Lied „Mr. Laber Laber“ erneut ihr musikalisches Können unter Beweis stellt. Sieger des Abends und zugleich „Kapitalistenschwein der Woche“ wird Hauke Schmidt, der Stand-Up-Komiker mit den Déjà-vus, der glücklicherweise nicht an einer Überdosis Placebos gestorben ist, weil er nicht daran geglaubt hat. Wer nun auf den Geschmack gekommen sein sollten, fühle sich zu den montäglichen Kleinkunstshows im Artheater eingeladen – wie auch das null22eins-Team im Dezember. Zum ersten Mal ein Magazin als Künstler. Na dann.
WEITERE INFOS Jeden Montag um 20 Uhr im ARTheater, Ehrenfeldgürtel 127 Der Eintritt beträgt mindestens Euro 4,-. www.kunstgegenbares.de www.frauscholten.de
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NETZWERKEN
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Irgendwas mit Medien? … dann aber richtig! Ob null22eins oder IMPRESS, die Kultur braucht einen Journalismus, der mit Qualität überzeugt. Eine Qualität, die unsere Studierenden schon im Studium mit Beiträgen in null22eins oder mit ihrem eigenen Medien- und Kulturmagazin IMPRESS unter Beweis stellen.
Im MHMK-Bachelorstudiengang Journalistik sind Ihre eigenen Ideen mindestens genauso wichtig wie theoretische Grundlagen. Sie können dabei zwischen den Richtungen Kulturund Sportjournalismus wählen. Informieren Sie sich unter www.mhmk.de/journalistik
DESIGN | FILM | JOURNALISMUS | MEDIENMANAGEMENT
MHMK Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation
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TEDX ERSTMALS IN KÖLN
DISZIPLINÜBERGREIFENDE ERKENNTNISSE TEXT: JASMIN NASROLLAHI AZAD Die Idee ist der Ursprung einer jeden Handlung. Jeder Mensch hat Ideen, aber nicht jeder teilt sie. Ideen können aber nur wachsen und umgesetzt werden, wenn sie verbalisiert und diskutiert werden. Genau hier setzt das Konzept von TED und TEDx („Technologie, Entertainment, Design“) an. Seit 1984 werden auf Initiative des Gründers Richard Saul Wurman führende Denker und Macher nach Long Beach eingeladen, um auf den legendären jährlichen TED-Konferenzen ihre kreativen Ideen disziplinübergreifend mit Anderen zu teilen. Darunter so prominente Redner wie Bill Gates, Bono oder Sir Richard Branson, aber auch weniger bekannte Sprecher mit großartigen Ideen. Um die Fülle der zukunftsweisenden Ideen einer großen Gemeinschaft zugänglich zu machen, wurde vor wenigen Jahren das TEDx-Konzept ins Leben gerufen: „Ideas worth spreading“ ermöglicht weltweit ausgewählten Organisatoren die lizenzierte Durchführung eines regionalen TEDx-Events.
und Testosteron“ stellten sie live und mit kurzen Clips ihre amüsanten und gleichzeitig gesellschaftskritischen Erfindungen vor. Eine davon ist die „Painstation“: eine Art virtuelles Tennis, bei dem der Verlierer als Bestrafung Schmerz erleidet und sich zwischen Hitze, Peitschenhieb und Elektroschock entscheiden muss. Mit den Kunstinstallationen vor Ort konnten die Teilnehmer selbst experimentieren und direkt testen, wie leicht sich Menschen von „großen Rednern“ (dargestellt durch einen kleinen, rezitierenden Holzkasper auf einem großem Podest) oder realen „sozialen Netzwerken“ manipulieren lassen.
So kamen am 28. Oktober 2011 erstmals die Kölner in den Genuss eines TEDx-Events, das sich als Übersetzung des globalen Konzepts für die Region versteht. Unter dem Titel „Geschichten aus dem Gleichgewicht“ teilten die 16 Redner ihre Ideen, Philosophien, Kunstwerke und Lebensgeschichten mit dem engagierten Publikum.
Die bunt gemischten Themen boten viele Denkanstöße: Inspiration, Innovation, Kreativität und Austausch werden bei TEDxKoeln groß geschrieben. Und so wurde aufmerksam zugehört und lebhaft diskutiert – und auch überrascht und gelacht. Das Konzept kennt keine Grenzen, kein Alter und keine Nationalität.
Die TEDxKoeln-Organisatoren Greta Andreas und Matthias Daues sind fasziniert von der Idee, Wissen zu teilen und so neue Einsichten zu ermöglichen. Das TEDx-Format bietet ihrer Meinung nach einen idealen Nährboden für interdisziplinäre Diskurse, leidenschaftliche Diskussionen oft überraschende Erkenntnisse. Die Speaker – darunter Wissenschaftler, Künstler, Ingenieure – erhielten die Möglichkeit, ihre spannenden und teilweise provokanten Ideen in einem Zeitfenster von maximal 18 Minuten zu präsentieren. Der Schauspieler und Moderator Ole Tillmann führte durch die dicht gepackte Konferenz.
Ein gelungenes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn Menschen von ihrem wertvollsten Recht Gebrauch machen: ihre eigene Stimme zu erheben.
Zusätzlich zu den Live-Reden wurden aktuelle Videos von TEDSpeakern gezeigt, so zum Beispiel Sir Ken Robinson: „Schools kill creativity“ kritisiert humorvoll das Schulsystem und erklärt, warum Kinder ihre Kreativität in der Schule verlieren.
WEITERE INFOS
Besonders begeistert war das Publikum vom Künstlerduo //// FUR ////////// Tilman Reiff und Volker Morawe. Mit „Spiele, Kunst
www.tedxkoeln.de
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AUSBLICK
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im Maerz CROWDFUNDING UND CROWDSOURCING
DIE KLASSE DER MASSE Innovative Ideen und Projekte sind schon lange nicht mehr nur in hochbezahlten „Kreativ“-Abteilungen exklusiver DesignerLabels zu finden. Kreativität findet in vielen Köpfen statt. Das erkennt auch zunehmend die Arbeitswelt. Mit „Crowdsourcing“ hat sich hierfür ein neuer Begriff etabliert, der seinen Einzug in die Wirtschaft von morgen hält. Getragen wird dieses Prinzip der Arbeitsteilung durch einfachere, virtuelle Austauschwege des Kommunikationszeitalters und durch die Einstellung vieler Menschen, sich nicht in ein festes Berufsbild pressen zu lassen. Die Hintergründe von Crowdsourcing sind vielfältig und komplex und gerade für die Kreativwirtschaft hochspannend. Während über Crowdsourcing ganz konkret die Kreativität und die Ideen einer breiten Masse genutzt werden, ist in Deutschland in den vergangenen Jahren Schwung in eine weitere „Massenbewegung“ gekommmen. Quasi als Spiegelung der Innovationskraft von Crowdsourcing entstehen im Internet immer professionellere Plattformen, um Projekte aus der Ideenwelt in die Realität zu führen. Das so genannte Crowdfunding lässt die Masse entscheiden, ob etwas Neues und Kreatives seine Umsetzung
in die Wirklichkeit findet. „Massen-Spenden-Sammeln“ für Musik- und Filmprojekte, für Publikationen und einmalige Events, für Spiele oder neue Produkte… null22eins stellt die vielfältigen Wege zur Verwirklichung von Kunst- und Kultur-Projekten nebeneinander. Denn auch in Köln finden viele Ideen immer noch zu wenig Unterstützung.
MUSEUM
CCAA IN RGM Foto: Axel Thünker DPGh
Viele Geistern scheiden sich dran: Ist es das Museum überhaupt in Köln? Die historische Attraktion dieser uralten Stadt? Oder doch nur ein Relikt nicht mehr als schön empfundener Architektur? Gar ein Sinnbild kölsch, geklüngelter Geschichte der Moderne? Mal sehen. 1946 als neues städtisches Museum gegründet, 1974 in seinem heutigen Bau eingezogen und seit dem fester Bestandteil Kölner Stadtansichten. Nur hier kann man die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA) im Detail erleben. Das RGM – das Römisch Germanische Museum – steht vor Veränderungen. null22eins schaut es sich daher im März genauer an - natürlich unter kunsthistorischen und musealen Aspekten…
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