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Soziale Medien und in-
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teraktive Formate im Blickpunkt: Workshop-Atmosphäre im Funkhaus
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© DW/M. Müller (3)
Medien für den Austausch und die Koordination in Konf liktsituationen böten. „Asymmetrische Konf likte hat es schon immer gegeben“, erklärt Sabine Hammer, freie Konf liktreporterin, „Wir bewegen uns heute in einer Welt, in der durch Digitalisierung die Vernetzung so leicht gemacht wird – kommunizieren unabhängig von Ort und Zeit. Das bedeutet auch, dass sich Menschen viel leichter zusammenschließen und Ideen entwickeln können. Das klingt banal – verändert aber Gesellschaft und die Art der Politik enorm.“ Netzwerkstrukturen seien immer horizontal und polyzentrisch organisiert. Es gebe nicht mehr nur einen Meinungsmacher, sondern mehrere. Im Abschluss-Plenum wurde zudem auf die Notwendigkeit intensiver Medienzusammenarbeit und die Bedeutung von Medien-Training für Krisenregionen hingewiesen. —— www.dw-world.de/kunst-kultur-konflikt
Beethoven auf dem Handy Bonn – Fragen an den Dirigenten Paul MacAlindin. Der Schotte probt mit dem Nationalen Jugendorchester Iraks und dirigiert das Ensemble bei seinem ersten Auslandsauftritt im Rahmen des Beethovenfests im Oktober 2011.
Sie arbeiten mit den jungen Musikern
terscheidet die Arbeit von der mit jungen Musikern in Edinburgh oder Köln? Die Unterschiede sind groß. Zunächst gibt es das Sprachenproblem. Mein Englisch wird ins Arabische und Kurdische übersetzt – zum Glück von sehr talentierten Übersetzern. Dann war das musikalische Niveau im Orchester am Anfang sehr unterschiedlich. Viele Jugendliche lernen nur autodidaktisch, viele Instrumente mussten restauriert werden. Der größte Unterschied zu europäischen Studenten ist, dass diese jungen Leute in Irak engagierter sind und unglaublich
viel Leistung bringen. Allein durch ihren Hunger zu lernen können wir viele Probleme so schnell lösen. Das versteht man hier im Westen gar nicht. Wenn wir in Europa über Musik und kulturelles Leben meckern, ist es meiner Meinung nach ein wenig unverschämt.
„Allein durch ihren Hunger
zu lernen, können wir viele Probleme lösen“: Dirigent Paul MacAlindin
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Was waren für Sie Höhepunkte in der Zusammenarbeit mit den jungen Menschen? Es gibt viele. Den jungen Musikern zu erlauben, jung und musikalisch zu sein, Freude und Spaß durch die Musik zu erfahren. Wir Dozenten nehmen unsere Arbeit sehr ernst, aber wir
© Beethovenfest
? in Workshops im Norden Iraks. Was un-
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© picture-alliance/dpa
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Deutschland-Premiere für irakische Musiker Bonn – Auf Anregung der Deutschen Welle © Beethovenfest
gastiert das National Youth Orchestra of Iraq (NYOI) Anfang Oktober erstmals in Deutsch-
land – beim Orchestercampus des Bonner Beethovenfests. Campus-Schirmherr ist Bundespräsident Christian Wulff. Das Jugendorchester, das Nachwuchsmusiker unterschiedlicher ethnischer Herkunft und Glaubensrichtungen vereint, wird sich an Workshops beteiligen und Konzerte geben. Die DW wird das Orchester anschließend in Berlin präsentieren. Dort ist die Produktion eines Konzertmitschnitts mit Werken von Beethoven, Haydn und zeitgenössischen irakischen Komponisten geplant. Der Mitschnitt wird als Podcast (dw-world.de/beethoven) und als CD veröffentlicht. Die 45 Musiker des irakischen Orchesters sind zwischen 18 und 28 Jahre alt. Die Idee, ein nationales Jugendorchester im Irak zu
wissen, dass Musik ohne eine kindliche Verbindung mit dem Herzen Zeitverschwendung ist, besonders für ein Jugendorchester. Es ist unserer Aufgabe, diese Freude aufzubauen, in einem normalen und sicheren Arbeitsklima. Ebenso wichtig ist es zusammenzuarbeiten, hauptsächlich einander zuzuhören. Diese Kernqualität der Arbeit ist wichtig für jede musikalische Arbeit im Ensemble, hier zwischen Arabern, Kurden und den westlichen Dozenten.
gründen, hatte 2008 die damals 19-jährige Pianistin Zuhal Sultan. Ein Nationales Sinfonieorchester Iraks gibt es seit 1959; ihm gehören Schiiten, Sunniten und Christen, Araber, Kurden und Turkmenen an. Im Rahmen des Orchestercampus vergibt der deutsche Auslandsrundfunk in diesem Jahr zwei Kompositionsaufträge: an den arabischen Komponisten Mohammed Amin Ezzat aus Bagdad und an den kurdischen Komponisten Ali Authman, der in den Niederlanden lebt. Die Uraufführungen beider Werke dirigiert der künstlerische Leiter des Jugendorchesters, Paul MacAlindin, am Samstag, 1. Oktober, in Bonn. Die Gründerin des Orchesters, Zuhal Sultan, wird als Pianistin mitwirken.
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Was konnten Sie durch die Arbeit mit diesem Ensemble lernen? Zum einen musste ich viel intuitiver arbeiten als mit einem professionellen Orchester im Westen, wo man schon vorher ungefähr weiß, wie es läuft. Orchesterarbeit ist sehr diszipliniert, und ich bin es gewohnt, immer der Chef zu sein. Aber mit diesem Orchester musste ich mehr als Teamplayer mit anderen Dozenten arbeiten. Die musikalischen und technischen Probleme sind viel größer als im Westen, wo Musiker einfach besser betreut sind und ein Dirigent allein nicht so viele Probleme in einer Orchesterprobe lösen muss.
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Welche Bedeutung haben deutsche Komponisten wie Beethoven und Bach in Irak? Bei den Menschen in Irak allgemein haben Beethoven und Bach eher weniger Bedeutung, aber das könnte man auch über Leute hier in Deutschland sagen. Bei den jungen Musikern im Orchester ist das anders. Im Vergleich zu westlichen Musikstudenten, die Rap und Techno auf ihren iPods abspielen, haben diese Musiker Dvorak und Beethoven auf ihren Handys. Natürlich haben diese Musiker klassische Musik für sich persönlich ausgewählt. Es ist ihr Alltag.
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Was ist Ihr größter Wunsch für das Projekt? Nachhaltigkeit. Dass Leute das Wunder dieses Orchester verstehen. Einerseits so normal wie möglich, auf der anderen Seite mit außergewöhnlichen jungen Leuten besetzt. Es ist ein wunderschönes Paradoxon, und deswegen so aufregend als Projekt. ——