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DW-WORLD.DE / Deutsche Welle vom 05.05.2011

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Musik

Via Internet zum Chefdirigenten Sie stehen fast täglich in Kontakt: der Dirigent Paul MacAlindin und das irakische Jugendorchester - allerdings nur per Internet. Dennoch ist der Orchesterchef von seinen jungen Musikern begeistert und beeindruckt. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet Paul MacAlindin in Köln. Als Dirigent interessiert ihn fast jede Musik, egal ob barockes Concerto oder zeitgenössische Avantgarde. Und selbstverständlich kann man sich über ihn auch im Internet informieren. Von der Existenz des irakischen Jugendorchesters erfuhr er 2008 jedoch nicht über das Netz, sondern aus der Zeitung ? und das ausgerechnet bei einem Restaurantbesuch im schottischen Edinborough: "Als ich die Schlagzeile 'Irakischer Teenager sucht Dirigent für Jugendorchester' las, habe ich sofort gedacht, dass das ein Projekt für mich sein könnte. Und ich hatte auch schon eine Vorstellung, wie es realisiert werden könnte." Schwieriger Beginn In Köln nahm MacAlindin über das British Council Kontakt mit der irakischen Pianistin und Orchestergründerin Zuhal Sultan auf. Beide verständigten sich auf eine erste gemeinsame Probenphase im Sommer 2009 im Nordirak. Mit Vorfreude, aber auch mit gemischten Gefühlen reiste der Dirigent mit einigen Dozenten an, denn im Orchester stießen Kurden und Iraker, Christen und Muslime aufeinander. Würde das gut gehen? Immerhin waren die Kurden unter dem einstigen Regime Saddam Husseins zahlreichen Repressalien ausgesetzt, und auch nach dem Irakkrieg von 2003 hielten die Spannungen zwischen den verschiedenen Volks- und Religionsgruppen im Land an. "Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnte das Eis auf der Geburtstagsparty eines Teilnehmers gebrochen werden", erinnert sich Paul MacAlindin. Und am Ende des Work-

shops flossen beim Abschied unter den Teilnehmern reichlich Tränen. Casting per Internet Von der relativ hohen musikalischen Qualität der Teilnehmer war der Dirigent durchaus beeindruckt. Denn eine Ausbildung an einer Musikschule gibt es aufgrund der nach wie vor schwierigen Lebensverhältnisse im Irak nicht. Die meisten der jungen Musiker sind Autodidakten und haben ihr Instrument nach Anleitung aus dem Internet gelernt. Überhaupt spielen das Netz und soziale Netzwerke für die irakischen Jugendlichen eine große Rolle: "Sie gehen nicht zu Starbucks, weil es kein Starbucks oder etwas Ähnliches gibt, sie sitzen zuhause oder in Internetcafes und sie machen ihre Internetworkings online", sagt Paul MacAlindin. "Sie sind sehr onlinefähig und darin vielleicht sogar besser als die Jugendlichen hier in Deutschland." Selbstverständlich bewarben die jungen irakischen Musiker sich auch online für den nächsten Sommerworkshop 2010 ? mit einem DemoVideo. Mit Musik gegen Kriegstrauma Bei der Auswertung der Bewerbungen fiel MacAlindin vor allem eines auf: "Mein erster Eindruck war, dass die jungen Instrumentalisten ihre Musik sehr ernst genommen haben, beinahe etwas zu ernst. Einige wirkten wie Erwachsene. Die jugendliche Freude und Begeisterung an der Musik dagegen fehlte." Was allerdings nicht verwundert, denn alle waren Kinder und Jugendliche, als die USA 2003 den Krieg gegen Machthaber Hussein begannen. Doch gleichzeitig, so der Dirigent, sei in den Videos ihre große Begeisterung, Motivation und

Liebe zur Musik zu spüren. Die bisherigen Workshops haben zudem gezeigt, dass die Musik nicht nur hilft, das Kriegstrauma der jungen Musiker zu überwinden, sondern auch die verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen des Landes miteinander versöhnt und in Freundschaft verbindet. Musikalisch-kultureller Austausch in Bonn Bisher hat das Orchester im vergleichsweise sicheren Nordirak geprobt und konzertiert; in diesem Sommer wollen Paul MacAlindin und das National Youth Orchestra of Iraq erstmals in Bagdad auftreten. Und dann steht das allererste Konzert im westlichen Ausland an: Anfang Oktober ist das Orchester zu Gast beim Bonner Beethovenfest und wird das Konzert beim diesjährigen Orchestercampus bestreiten ? zusammen mit Mitgliedern des deutschen Bundesjugendorchesters. In einer zweiwöchigen Probenphase werden die Musiker unter der Leitung von Paul MacAlindin nicht nur ausgiebig miteinander arbeiten, sondern sich kennenlernen, Konzerte besuchen und Beethovens Geburtsstadt erkunden. Für die deutschen Kollegen dürfte die Begegnung mit den jungen Irakern durchaus spannend sein, denn auf dem Konzertprogramm stehen neben Beethovens Violinkonzert und Haydns Sinfonie Nr. 104 auch zwei Uraufführungen. Die Deutsche Welle als Medienpartner des Beethovenfestes hat in diesem Jahr gleich zwei Kompositionsaufträge vergeben und zwar an einen kurdischen und einen irakischen Komponisten. Damit lernen die jungen deutschen Musiker zeitgenössische Musik im Irak kennen


und können zugleich von den Erfahrungen ihrer irakischen Kollegen mit der Aufführungspraxis dieser Musik profitieren. Zeichen für Hoffnung Für Paul MacAlindin war auch dieser Punkt wichtig, als er sich 2009 entschied, die Leitung des irakischen Jugendorchesters zu übernehmen: "Ich

hatte keinerlei Vorstellung von der irakischen Musik und Kultur, und das reizte mich. Insofern habe ich auch viel von jungen Orchestermusikern gelernt." In dem National Youth Orchestra of Iraq sieht der Dirigent nicht nur ein Zeichen für Frieden und Völkerverständigung: "Ich hoffe, dass wir ein Zeichen für Hoffnung und Motivation für andere

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junge Leute sind", sagt er. "Und ich hoffe, wir können beweisen, dass junge Leute trotz widriger Umstände ihre eigene Zukunft planen und aufbauen können, wenn sie stark im Internet vernetzt sind." Autor: Klaus Gehrke Redaktion: Suzanne Cords


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