Frau Riniker, warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass man Frauen als Unternehmerinnen speziell auszeichnet?
Frauenförderung ist wichtig. Wir haben alle ein Interesse daran, dass unterrepräsentierte Gruppen gefördert werden und die gleichen Möglichkeiten zum unternehmerischen Erfolg haben wie etwa Männer, die in der Privatwirtschaft oft die Mehrheit darstellen. Dass nun mit dem SEF.WomanAward Unternehmerinnen ausgezeichnet werden, ist ein wichtiges Element auf dem Weg zu gleichen Chancen für beide Geschlechter. Dieser Award zeigt aber auch die tollen Leistungen, die durch Frauen vollbracht werden. Darüber soll berichtet werden, darauf darf man als Land stolz sein. Diese Frauen leben vor, welche Türen sich jungen Frauen heute öffnen können. Die Förderung von Unternehmerinnen ist nicht nur eine Frage der Gleichberechtigung, sondern auch ein wirtschaftlicher Imperativ. Oft bringen Unternehmerinnen neue Perspektiven in den Markt, was die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft insgesamt stärkt.
Braucht es Frauenförderung in der Wirtschaft nach wie vor?
Ja, Frauenförderung in der Wirtschaft ist weiterhin notwendig. Der WeltbankBericht «Women, Business and the Law 2024» zeigt, dass Frauen weltweit immer noch mit erheblichen rechtlichen und gesellschaftlichen Hürden konfrontiert sind. Diese Ungleichheiten beginnen oft schon in der Kindheit und setzen sich im Bildungssystem, im Berufsleben und im Unternehmertum fort.
Der Bericht unterstreicht, dass die Weltwirtschaft erheblich profitieren würde, wenn Frauen die gleichen Chancen wie Männer hätten. Das Schliessen der Geschlechterlücke bei Beschäftigung und Unternehmertum könnte das globale BIP um mehr als 20 Prozent steigern und die globale Wachstumsrate im nächsten Jahrzehnt verdoppeln. Zudem haben Frauen weltweit nur 20 Prozent der Positionen in Verwaltungsräten inne. Studien zeigen jedoch, dass Unternehmen mit diversen Verwaltungs- oder Aufsichtsräten tendenziell innovativer, profitabler und widerstandsfähiger sind.
Ein oft unterschätzter Aspekt der Frauenförderung ist die Bedeutung von Vorbildern. Wenn Frauen in Führungspositionen sichtbar sind, inspiriert dies andere Frauen, ähnliche Karrierewege einzuschlagen. Als Nationalratspräsidentin sehe ich es auch als meine Aufgabe, junge Frauen zu ermutigen, sich in der Wirtschaft und der Politik zu engagieren und ihre Ziele selbstbewusst zu verfolgen.
Was kann man tun, um die Beschäftigungsquote von Frauen weiter zu steigern, was ja angesichts des Fachkräftemangels wichtig wäre? Soll der Staat dabei auch eine Rolle spielen? Um die Beschäftigungsquote von Frauen weiter zu steigern, ist ein Zusammenspiel von Staat und Wirtschaft notwendig. Die Statistiken unterstreichen die Dringlichkeit dieses Anliegens: Die Zahl der erwerbstätigen Frauen in der Schweiz stieg von 964 000 (1970) auf 2,264 Millionen (2023). Dennoch arbeiten 58 Prozent der Frauen in Teilzeit, verglichen mit 18 Prozent der Männer. Der Staat kann Rahmenbedingungen schaffen, die es Frauen erleichtern, Beruf und Familie zu vereinbaren. Dazu gehören der Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur, die Förderung flexi-
Ein Vorbild für junge Frauen sein
Nationalratspräsidentin Maja Riniker ist die höchste Schweizerin. Damit trägt sie auch eine symbolische Verantwortung für Demokratie und Gleichstellung. Anlässlich der Verleihung des SEF.WomenAward erzählt sie, warum gerade Unternehmerinnen die Schweizer Wirtschaft bereichern.
bler Arbeitsmodelle, steuerliche Anreize für Zweitverdienende und die Individualbesteuerung.
Die Wirtschaft ihrerseits ist gefordert, diese Möglichkeiten auch tatsächlich anzubieten und eine Unternehmenskultur zu fördern, die Frauen in allen Positionen willkommen heisst. Dazu gehören beispielsweise die gezielte Förderung von Frauen in Führungspositionen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Mentoringprogramme für Frauen. Besonders wichtig sind auch Massnahmen zur Wiedereingliederung von Frauen nach Karriereunterbrüchen, da viele Frauen mit Betreuungspflichten gerne in den Beruf zurückkehren würden, aber oft Hindernisse vorfinden.
Die Überwindung von Stereotypen und unbewussten Vorurteilen ist eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Wirtschaft. Letztendlich profitieren beide Seiten von einer höheren Frauenerwerbsquote, nicht nur angesichts des
Fachkräftemangels, sondern auch durch die Vielfalt der Perspektiven und Fähigkeiten, die Frauen einbringen.
Der Liberalismus steht weltweit unter Druck. Warum ist das eine negative Entwicklung?
Die moderne westliche Welt ist geprägt vom Liberalismus: Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sind Grundsäulen unserer Gesellschaft. Angesichts zunehmender Umwälzungen geraten diese Prinzipien unter Druck. Viele Menschen rufen nach starken Führern und suchen nach simplen Lösungen und Schuldzuweisungen, während es differenzierte Positionen zunehmend schwer haben. In den vergangenen Jahren hat sich ein konservativer Trend verstärkt, da viele Menschen mit Sorge auf ihre Zukunft blicken. Als freiheitliche Demokratie stehen wir in einem Systemwettbewerb mit autoritären Systemen, welche einfache Lösungen versprechen. Aus liberaler
«Dieser Award zeigt die beeindruckenden Leistungen von Unternehmerinnen – darauf darf die Schweiz stolz sein.»
Was war für Sie die bisher grösste Überraschung in diesem Amt?
Die grösste Überraschung war die ausserordentliche Vielfalt und Intensität der Aufgaben. Weit über die Leitung von Parlamentssitzungen hinaus umfasst die Rolle zahlreiche repräsentative und diplomatische Pflichten. Besonders beeindrucken mich die tiefen Einblicke in die verschiedenen Regionen und Kulturen unseres Landes sowie die internationale Dimension des Amtes. Jede Begegnung eröffnet neue Perspektiven auf die Schweiz und die globalen Herausforderungen, die sich uns stellen. Eine weitere positive Überraschung war die konstruktive, parteiübergreifende Zusammenarbeit im Parlamentspräsidium. Trotz unterschiedlicher politischer Ansichten arbeiten wir eng zusammen, um unser demokratisches System zu stärken. Interview: Felix E. Müller
Sicht sind die freiheitlichen Grundwerte gerade in unsicheren Zeiten hochzuhalten. Gleichwohl sind wir Liberalen in der Pflicht, den Menschen konkrete Lösungen für ihre Sorgen zu liefern und die Herausforderungen aktiv anzupacken. Unternehmerinnen gehen ins Risiko, weil man auch scheitern kann. Bei der Sicherheitspolitik geht es um die Minimierung von Risiken. Einer Ihrer politischen Schwerpunkte ist die Sicherheitspolitik. Sind Sie folglich nicht eigentlich risikoscheu? Als Politikerin kalkuliere ich Risiken ein, um mehrheitsfähige Anträge zu stellen. Immer zu verlieren, wäre nicht förderlich. In der Sicherheitspolitik geht es darum, potenzielle Gefahren zu erkennen und ihnen vorzubeugen. Das erfordert oft mutige und innovative Entscheidungen. Risikomanagement in der Politik bedeutet nicht, jedes Risiko zu vermeiden, sondern klug abzuwägen und dort, wo es nötig ist, solche kalkuliert auch einzugehen. Sie sind jetzt schon seit einigen Monaten Nationalratspräsidentin. Wie fühlt es sich an, höchste Schweizerin zu sein? Es ist eine grosse Ehre und Verantwortung. Dieses Amt erfüllt mich mit Demut und Stolz zugleich. Es bietet mir die einzigartige Gelegenheit, unser Land auf höchster Ebene zu repräsentieren und den demokratischen Prozess zu leiten. Die Rolle bringt viele neue Herausforderungen mit sich, aber auch die Chance, wichtige Themen anzusprechen und den Dialog zwischen verschiedenen politischen Lagern zu fördern. Besonders beeindruckt bin ich von den vielen Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern aus allen Teilen der Schweiz, die mir neue Perspektiven eröffnen. Als Frau in dieser Position sehe ich mich auch in der Verantwortung, ein Vorbild für junge Frauen zu sein und zu zeigen, dass Frauen in der Politik auf höchster Ebene erfolgreich sein können.
Sieht sich in der Verantwortung, junge Frauen zu ermutigen, ihre Ziele selbstbewusst zu verfolgen: Maja Riniker. PD
Frauen in der Wirtschaft fordern Stereotypen heraus
Der SEF.WomenAward feiert sein fünfjähriges Bestehen und zeichnet erneut herausragende Unternehmerinnen aus. Fünf Fragen an Corinne Blesi, Initiantin und treibende Kraft hinter der Auszeichnung
Corine Blesi, wie hat sich der SEF. WomenAward in den letzten fünf Jahren entwickelt?Welche Neuerungen sind für die Zukunft geplant? Der SEF.WomenAward hat sich als eine der bedeutendsten Plattformen für Unternehmerinnen in der Schweiz etabliert. Wir zeichnen herausragende Frauen aus, verschaffen ihnen Sichtbarkeit und bieten ein starkes Netzwerk. Durch die enge Verbindung zum Swiss Economic Forum erhalten die Gewinnerinnen Zugang zu einem hochkarätigen wirtschaftlichen Umfeld. Unser Ziel ist es, den Award so lange zu vergeben, bis Diversität in Führungspositionen selbstverständlich ist.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Preisträgerinnen aus, und gibt es Aspekte, die Sie in Zukunft stärker berücksichtigen möchten?
Wir achten auf unternehmerische Leistung, Innovationskraft und Leadership. Besonders wichtig ist uns das Engagement für Frauen in der Wirtschaft. Wir suchen inspirierende Persönlichkeiten, die mit Eigenverantwortung und Weitblick zur Zukunft der Schweiz beitragen.
Wie hat sich die Wahrnehmung von weiblichen Führungskräften und Unternehmerinnen seit der Einführung des SEF. WomenAward verändert?
Es gibt Fortschritte: Der Frauenanteil in Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten steigt. Dennoch bleibt die Debatte um Diversität polarisierend. Während einige aktiv für Chancengleichheit eintreten, sehen andere das Thema als ideologisch geprägt. Der SEF.WomenAward soll junge Frauen für Unternehmertum begeistern und durch Vorbilder motivieren, eigene Wege zu gehen.
Welche Rolle spielt das durch den SEF. WomenAward entstehende Netzwerk für die Preisträgerinnen und die nominierten Jungunternehmerinnen?
Gerade für Jungunternehmerinnen ist der Zugang zur SEF-Community wertvoll. Sie knüpfen Kontakte zu Mentorinnen, Investoren und erfahrenen Unternehmerpersönlichkeiten. Ein eindrückliches Beispiel ist Alessia Schrepfer, die durch den Gewinn des Awards nicht nur ihr Netzwerk ausbauen, sondern auch ihre mediale Reichweite steigern konnte.
Welche Impulse möchten Sie mit dem SEF.WomenAward über die eigentliche Preisvergabe hinaus in Wirtschaft und Gesellschaft setzen? Wir wollen Mut machen. Unternehmerinnen, die mit Innovationsgeist und Entschlossenheit neue Wege gehen, sind entscheidend für den Wandel. Viele unserer Preisträgerinnen haben Unternehmen aufgebaut, Hürden überwunden und Stereotypen herausgefordert. Wenn unsere Gäste nach der Preisverleihung nach Hause gehen und ihre Töchter für Unternehmertum begeistern, haben wir viel erreicht.
Interview: Nina Meyer
Der vom Swiss Economic Forum initiierte Preis würdigt seit 2021 herausragende Unternehmerinnen in drei Kategorien: Jungunternehmerin des Jahres, Unternehmerin/ CEO des Jahres und Ehrenpreis.
Ein Rückblick zum fünften Geburtstag
Vier vormalige Preisträgerinnen des renommierten SEF.WomenAward erzählen von ihren Erfahrungen und erklären, warum solche Auszeichnungen für eine gleichberechtigte Wirtschaft von Bedeutung sind.
Andrea Pfeifer, AC Immune
Unternehmerin/CEO des Jahres 2021
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung? Er ist eine grosse Ehre für mich! Der Preis stellt einen sinnvollen Weg dar, Vorbilder zu schaffen und jungen Frauen zu zeigen, was möglich ist.
Hatte der Preis langfristige Folgen für Sie? Er hat mein Profil als Unternehmerin geschärft und meine Plattform vergrössert, um für die Priorisierung der neurologischen Gesundheit von Frauen und für Investitionen in diesen Bereich zu kämpfen. Warum sind Preise wie der WomenAward wichtig? Sie werfen ein Licht auf die Erfolge von Frauen in der Wirtschaft. Heute gibt es schon viel mehr von ihnen in Führungsrollen. Wir alle sind gerne bereit, jüngere Frauen zu unterstützen, die am Beginn ihrer Karriere sind. Sie kämpfen vielfach immer noch mit den gleichen Problemen wie wir. Deshalb soll niemand zögern, um uns um Rat anzugehen!
Braucht es mehr Unternehmerinnen?
Absolut. Auch heute bin ich noch oft die einzige Frau an einem Meeting. Frauen stellen eine enorme Talentreserve dar, die noch viel zu wenig ausgeschöpft wird.
Alessia Schrepfer, Dyslexia Solutions Jungunternehmerin des Jahres 2024
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?
Die Auszeichnung bedeutet für mich die Anerkennung meiner harten Arbeit und motiviert mich, auch in schwierigen Zeiten weiterzumachen. Ich habe dadurch eine Bestätigung erfahren, dass das, was ich mache, sinnvoll ist.
Hatte der Preis langfristige Folgen für Sie?
Er hat nicht nur meine persönliche Sichtbarkeit erhöht, sondern auch meiner Firma neue wertvolle Netzwerke und damit vielfältige Möglichkeiten eröffnet. Das hat mein Team und teilweise die ganze Branche enorm motiviert.
Warum sind Preise wie der WomenAward wichtig? Es geht um die Förderung weiblicher Rollenmodelle. Insbesondere für Jungunternehmerinnen stellen solche Preise eine immense Schubkraft dar, die man am Anfang einfach brauchen kann. Er wirkt wie ein Gütesiegel, was im Alltag enorm hilfreich ist.
Braucht es mehr Unternehmerinnen?
Was wirklich zählt, ist nicht die Anzahl der Unternehmerinnen und weiblichen CEOs, sondern Führungskräfte, welche die Fähigkeit besitzen, Talente zu fördern und das Beste aus jedem Einzelnen herauszuholen, unabhängig vom Geschlecht.
Brigitte Breisacher, Alpnach Norm Unternehmerin/CEO des Jahres 2022
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?
Sie ist nicht nur eine grosse Ehre, sondern auch eine Bestätigung für den Weg, den ich mit meiner Firma eingeschlagen habe. Sie wirkt als Ansporn, weiter mutig voranzugehen. Wenn wir an unsere Stärken glauben, können wir gemeinsam Grosses erreichen.
Hatte der Preis langfristige Folgen für Sie?
Der Preis hat positive Auswirkungen gehabt. Er hat die Sichtbarkeit von Alpnach Norm erhöht und die Unternehmenskultur gestärkt. Und er hat uns inspiriert, die Chancengleichheit weiter zu fördern.
Warum sind Preise wie der WomenAward wichtig?
Sie machen Frauen in der Wirtschaft sichtbar und zeigen, dass Erfolg unabhängig vom Geschlecht möglich ist. So werden Frauen motiviert, Führungsrollen zu übernehmen. Gleichberechtigung sollte heute selbstverständlich sein!
Braucht es mehr Unternehmerinnen?
Mehr Unternehmerinnen bedeutet mehr kreative Geschäftsideen und mehr Wandel in traditionellen Branchen. Weibliche CEOs prägen die Unternehmenskulturen – ein Beweis, dass Frauen in Führungsfunktionen genauso erfolgreich sind.
Rosmarie Michel, Unternehmerin Ehrenpreisträgerin des Jahres 2021
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung? Mit Freude habe ich im Jahr 2021 den Ehrenpreis des Swiss WomenAward empfangen, wird er doch auch junge Frauen ermutigen, vermehrt Verantwortung in Gesellschaft und Beruf zu übernehmen. Hatte der Preis langfristige Folgen für Sie? Ich habe den Preis mit 90 Jahren erhalten. Damit ist Langfristigkeit nicht angesagt. Aber kurzfristig hat mir der Preis etliche neue Kontakte eingebracht und verschiedene alte Kontakte wieder aufgefrischt.
Warum sind Preise wie der WomenAward wichtig? Preise sind auch für uns Frauen wichtig, zeigen sie doch mit Beispielen auf, über welch vielfältige Fähigkeiten sich Frauen ausweisen und welche Leistungen sie erbringen. Frauen sind absolut in der Lage, die Schwierigkeiten der heutigen Zeit gemeinsam mit den Männern zu meistern. Wir stellen 52 Prozent der Menschheit dar und sind gefordert, uns einzusetzen.
Braucht es mehr Unternehmerinnen? Da sage ich einfach: «Just do it!» Interviews: Felix E. Müller
Sichtbarkeit schaffen und inspirieren als Aufgabe: Corine Blesi. FOTOS: NZZ CONNECT
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Frau Kanngiesser, herzliche Gratulation zur Auszeichnung als «Unternehmerin/ CEO des Jahres». Was bedeutet Ihnen dieser Preis?
Er bedeutet mir sehr viel. Ich fühle mich ausserordentlich geehrt und fast ein wenig überwältigt. Solche Preise sind wichtig, weil sie Vorbilder für jüngere Frauen etablieren. Sie machen Frauen sichtbar, die eine erfolgreiche Karriere in der Wirtschaft gemacht haben. In meiner Erfahrung ist es so, dass die meisten Frauen, die einen nächsten Karriereschritt wagen, dies aufgrund von Vorbildern tun.
Haben Sie aufgrund ihrer Erfahrung einen Ratschlag an Frauen, die eine Führungskarriere anstreben?
Der Humor ist wichtig. Man sollte diesen nie verlieren, gerade auch in schwierigen Situationen. Das erleichtert das Bewältigen von Schwierigkeiten sehr. Und man sollte sich selbst nicht so ernstnehmen. Schliesslich sollten Frauen ihre Neigung zum Perfektionismus auch einmal wegschieben können.
Das klassische Image der Strombranche ist ja, dass diese wenig Unternehmerisches an sich hat. Monopolistische Strukturen, wenig dynamisches Angebot und fixe Preise scheinen für unternehmerisches Handeln wenig Raum zu lassen. Trifft dieses Bild in der heutigen Zeit noch zu? Das passt nicht zu uns. Im Gegenteil, wir müssen uns jeden Tag zu 100 Prozent am Markt behaupten – Alpiq hat kein reguliertes Geschäft - und uns permanent und mit Tempo weiterentwickeln. Das Herz der Alpiq ist ein äusserst flexibler Kraftwerkpark, den wir ständig optimieren und ausbauen. Mit Echtzeitdaten lassen sich die erneuerbaren Energien durch unsere flexiblen Kraftwerke sehr gut ins Stromsystem integrieren. Hier gibt es einen enormen Entwicklungsschub: Optimiertes Trading mit präzisen Algorithmen, mit hochaufgelösten Wettermodellen und besseren Prognosen und auch immer mehr künstliche Intelligenz, die uns hier unterstützt. Diese Kompetenz benötigen unsere Kunden für ihr Verbraucherprofil oder weil wir ihre Kraftwerke mit unseren Kompetenzen an den Markt bringen. Gezielte Investitionen fliessen jedes Jahr in unsere eigenen Kraftwerke, um sie bestmöglich vermarkten zu können. So ergänzen beispielsweise effizientere und flexiblere Turbinen Warmwasser- oder Batteriespeicher. Die Innovationskraft unserer Mitarbeitenden ist eindrücklich. So können wir wesentlich zur Sicherheit der Stromversorgung beitragen. Unternehmerisches Handeln ist in der Alpiq unverzichtbar.
Welches sind die grössten Herausforderungen für die heutige Strombranche? Wir bewegen uns in einem internationalen Markt, der zudem sehr stark von der geopolitischen Lage beeinflusst wird. Wir müssen mit äusserst volatilen Preisen umgehen können, die notwendige Resilienz haben, das Risikomanagement beherrschen und gleichzeitig langlebige Ausbauprojekte vorantreiben, bei denen wir die Menschen mitnehmen müssen. Wenn uns dies nicht gelingt, bleiben wir als Gesellschaft auf der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern sitzen. Das ist nicht sinnvoll, weder unternehmerisch noch volkswirtschaftlich, und schon gar nicht geostrategisch oder klimapolitisch. Im Energiebereich weist der Trend Richtung weniger Staat und weniger Subventionen und einer starken Zusammenarbeit innerhalb der Wirtschaft. Denn der Staat wird sich vordringlich um Bildung, Sicherheit, Gesundheit und soziale Anliegen kümmern müssen.
Sie sind einen relativ weiten Weg gegangen: Als Deutsche kamen Sie in die Schweiz, als Juristin kamen Sie in die Energiebranche, als Frau in eine Männerwelt, weil in dieser Branche Ingenieure stark vertreten sind. Welcher Schritt war der schwierigste? Ich kam wegen der Liebe in die Schweiz und ab da war klar, dass ich nicht mehr als Anwältin in meinem Fachge-
«Die
Energiewende gelingt nur gemeinsam»
Antje Kanngiesser ist die «Unternehmerin/CEO des Jahres 2025». Die CEO des Schweizer Energiekonzerns Alpiq spricht im Interview über die Herausforderungen der Strombranche, die Energiewende und die Rolle ihres Unternehmens in einer sich wandelnden Energielandschaft.
biet arbeiten kann. Bei der damaligen EOS bin ich dann über den Rechtsdienst recht schnell in Führungspositionen gekommen, und so wurde ich ganz bewusst von der Fachexpertin zur Leaderin. Die Männerwelt hat mich also keineswegs abgeschreckt und ich sie offensichtlich auch nicht. Die grössere Herausforderung war der Kulturwechsel von der deutschen Up-or-out Kultur in der Anwaltskanzlei zur Westschweizer Firmenkultur, wo Zusammenhalt und Teamwork hochgehalten werden.
Weshalb gibt es nicht mehr Ingenieurinnen – sehen Sie mögliche Massnahmen, um dies zu ändern?
Auch hier sind wir wieder beim Thema Vorbilder. Wir haben bei Alpiq diverse tolle Frauen in technischen Berufsbildern – beispielsweise im Civil Engineering, im Asset Management und auch im Intraday Trading, wo es um die Integration der erneuerbaren Energien ins Gesamtsystem geht. Wir erhöhen die Sichtbarkeit dieser Frauen, damit sie andere Frauen inspirieren, einen ähnlichen Pfad einzuschlagen. Wir können aufzeigen, dass technische Berufsbilder erfüllend und sinnstiftend sind. Mit spannenden Funktionen, tollen
«Versorgungssicherheit ist ein Mannschaftssport. Ohne Unternehmen keine Innovation. Ohne Banken keine Finanzierung, ohne stabile Rahmenbedingungen keine Investitionen.»
Vorbildern und einer inklusiven Kultur kann man in Unternehmen einiges erreichen. Wichtig ist, dass die Gesellschaft und die Schulen auf «rosa oder blau» verzichten und allein die Persönlichkeit und deren Fähigkeit sehen.
Energie ist heute für Politik und Wirtschaft ein zentrales Thema. Das war vor 25 Jahren noch nicht der Fall. Wie ist es so weit gekommen?
Energie war für Politik und Wirtschaft schon immer ein zentrales Thema. Unsere Grossväter haben in den 1950er und 1960er Jahren vorausschauend grosse Infrastrukturen geplant und gebaut – Staudämme in den Alpen, Kernkraftwerke im Mittelland. Das hat uns für Jahrzehnte Sicherheit gegeben. Die Ölkrise in den 1970er Jahren führte zu bundesrätlich verordneten autofreien Sonntagen, weil die Energie knapp wurde – und hat uns die Abhängigkeit bei den fossilen Energien vor Augen geführt. Von den verschiedenen Energieträgern wurde aber Strom in den letzten Jahrzehnten immer wichtiger, weil elektrische Energie deutlich effizienter ist als fossile Energie. Auch deshalb hat Strom heute ein grösseres Gewicht. Und natürlich hängen wir
heute auch viel mehr vom Strom ab als früher. Wir leben in einer 24/7-Gesellschaft. Ein Blackout würde die Schweiz pro Tag zwei bis vier Milliarden Franken kosten. Das ist enorm. Eine sichere, zuverlässige und bezahlbare Stromversorgung ist die Wirbelsäule der Wirtschaft und damit auch der Gesellschaft.
Die Schweiz steht, wie viele andere Länder in Europa, mitten in einer Energiewende – weg von fossilen Energieträgern und weg von der Kernkraft hin zu erneuerbaren Energiequellen. Ist das angesichts eines steigenden Strombedarfs zu schaffen?
Der Schlüssel liegt buchstäblich in der Vernetzung. Wir müssen im Gesamtsystem denken. Wir verbrauchen in der Schweiz heute etwa gleich viel Strom wie vor 20 Jahren. Wir waren damals rund 1,5 Millionen Menschen weniger ohne Elektroautos, Wärmepumpen, wenig Handys. Und trotzdem verbrauchen wir heute nicht mehr Strom. Die Energieeffizienz hat sich verbessert. Da liegt auch in Zukunft noch einiges drin. Zudem wird insbesondere die Photovoltaik ein Game-Changer: Allein in den vergangenen zwei Jahren stieg die PV-Produktion um rund 3 Terawattstunden. Das entspricht der durchschnittlichen Produktion des Kernkraftwerks Mühleberg in einem Jahr. Das heisst: Am Zubau allein wird es wohl nicht scheitern. Zudem wird uns als Gesellschaft gemäss unseren Berechnungen von März bis Oktober viel Strom zu geringen bis negativen Preisen zur Verfügung stehen. Das sind ganz neue Möglichkeiten, die es zu nutzen gilt. Die Herausforderung besteht in der saisonalen Speicherung für den Winterbedarf. Hier setzen unsere Wasserkraftprojekte mit höheren und neuen Staumauern wie das Gorneli an.
Ist die Schweiz für diese Energiewende gut aufgestellt? Wo liegen die Schwachstellen?
Versorgungssicherheit ist ein Mannschaftssport. Ohne Unternehmen keine Innovation. Ohne Banken keine Finanzierung, ohne stabile Rahmenbedingungen keine Investitionen. Ohne Akzeptanz im Volk keine Infrastruktur. Am Widerstand aus der Bevölkerung scheitern derzeit viele Projekte, denn jede Technologie hat ihre Gegner: Wasserkraft, Windenergie, Sonne, Gas, Kernenergie, Wasserstoff und Netze. Wenn das nicht ändert, wird Versorgungssicherheit unglaublich teuer, ungerecht und mitunter unmöglich. Und niemand kann behaupten, er habe das vorher nicht gewusst.
Welchen Beitrag leistet Alpiq, damit die Energiewende gelingt?
Wir verfügen mit unseren Kraftwerken über ein sehr flexibles, CO2-armes Portfolio und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit und auch zum Klimaschutz. Unsere Kraftwerke arbeiten insbesondere dann, wenn Sonne und Wind nur wenig oder zu viel produzieren, und erlauben gerade dadurch, erneuerbare Energien ins System zu integrieren. Wir investieren weiter in Speicher und Flexibilität. Allein in der Schweiz werden unsere Projekte Investitionen von über einer Milliarde Franken auslösen. Wir gehören zu den Pionieren im Bereich grüner Wasserstoff, wir bauen und bewirtschaften flexible Batteriespeicher, wir forschen und arbeiten mit verschiedenen Universitäten und Hochschulen, wir bringen wichtige Partner zusammen wie mit unserem #prixalpiq im Wallis, wir informieren transparent darüber, wo wir stehen, was wir tun, und versuchen, die Leute mitzunehmen. Kurz: Wir reden nicht nur, wir leben es. Interview: Felix E. Müller
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Von der Juristin zur Leaderin in der Schweizer Energiewirtschaft: Antje Kanngiesser. PD
Starke Frauen, starke Geschichten
Für die AMAG Gruppe ist die Förderung von Frauen in der Wirtschaft ein wichtiges Anliegen. Umso wichtiger ist es, mit dem SEF. Women Award ein Zeichen zu setzen und Frauen für ihren unternehmerischen Erfolg zu würdigen. Die AMAG ist stolz als Award Partnerin einen Beitrag zu leisten und setzt sich auch ausserhalb des Awards intensiv für die Förderung von Frauen im eigenen Unternehmen ein.
Die AMAG Gruppe hat ein eigenes Frauennetzwerk ins Leben gerufen. Mit regelmässigen Veranstaltungen bietet das Netzwerk eine Plattform für die berufliche Entwicklung, fördert den Austausch von Erfahrungen und erhöht die Sichtbarkeit von Frauen innerhalb des Unternehmens.
Bei der AMAG Gruppe soll der Begriff «klassische Männerberufe» bald der Vergangenheit angehören. Mit vielseitigen Massnahmen will die AMAG jungen Frauen attraktive Lösungen für ihren beruflichen Weg bieten.
Starke Frauen, starke Geschichten QR-Code scannen und entdecken!
Jungunternehmerin des Jahres: Das sind die Finalistinnen
Vom richtigen Mass an Butter in Zürichs besten Croissants über eine Software, welche die Recherchearbeit im Rechtsdienst revolutioniert, bis hin zu einem KI-gestützten Tool zur Mitarbeiterentwicklung und -förderung: Diese drei Unternehmerinnen stehen hinter innovativen Ideen und sind für den SEF.WomenAward nominiert.
Stéphanie Borge, Co-Founder von Juliette – pain d’amour
Stéphanie Borge gründete 2023 die französische Bäckerei Juliette –pain d’amour. Nach einer Karriere in der Tourismus-, Möbel- und Automobilbranche wagte sie mit ihren Geschäftspartnern den Sprung in die Selbständigkeit. «Juliette» betreibt aktuell vier Filialen in und um Zürich sowie einen Onlineshop. Die 50-jährige Borge, geboren und aufgewachsen in Frankreich, studierte in Paris und arbeitete im internationalen Marketing, bevor sie zur Geschäftsleitung von BMW Schweiz wechselte. Sie lebt mit ihrer Familie in Rüschlikon.
Können Sie Ihr Projekt in zwei Sätzen zusammenfassen? Ich habe mich 2023 selbständig gemacht und mit zwei Kollegen die erste – und bis jetzt einzige – französische Boulangerie und Pâtisserie Juliette – pain d’amour in Zürich gegründet. Heute betreiben wir vier Standorte und einen Onlineshop.
Warum haben Sie sich entschieden, Unternehmerin in diesem Bereich zu werden? Eine gute Frage – die stelle ich mir jeden Tag! Nach vielen Jahren im Corporate-Bereich suchte ich nach einer neuen Herausforderung. Die Selbständigkeit war für mich ein natürlicher nächster Schritt. Ich sah eine Marktlücke: Während es französische Bäckereien in Städten wie New York, London oder Tokio gibt, fehlte ein solches Konzept in Zürich.
Wie war der Einstieg in das Bäckerhandwerk für Sie? Ich bin keine gelernte Bäckerin, aber ich habe die besten Fachkräfte rekrutiert. Natürlich habe ich viel über das Handwerk gelernt. Meine Stärke liegt aber in der Kommunikation und Vermarktung.
Was konnten Sie aus Ihrer Unternehmenserfahrung übertragen?
Sehr viel, vor allem im Bereich Branding und Prozesse. Ein Produkt allein reicht nicht – es muss auch als Marke wahrgenommen werden. Menschen kaufen nicht nur wegen der Qualität, sondern weil sie sich mit einer Marke identifizieren.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie? Aktuell sind wir 23.
Wie gehen Sie mit Kundenfeedback um?
Ich bin täglich in unseren Filialen und bekomme direktes Feedback. Wir optimieren sofort, wenn es sinnvoll ist.
Wie sieht die Zukunft von Juliette – pain d’amour aus? Wachstum ist wichtig, aber zunächst geht es um Stabilität. Erst wenn sich das Konzept langfristig bewährt, entscheiden wir über eine Expansion.
Frauen in der Bäckereibranche – ein seltenes Bild? Absolut. Anfänglich wurden wir nicht ernst genommen, doch mittlerweile hören wir von Konkurrenten, dass Juliette – pain d’amour die Referenz für Croissants und Pâtisserie in Zürich ist.
Was kostet ein Croissant, und wie viel Butter steckt drin? Ein gutes Croissant kostet drei Franken – und es steckt jede Menge Butter drin!
Paulina Grnarova, CEO von DeepJudge
Dr. Paulina Grnarova gründete 2021 DeepJudge, ein Spin-off des ETHAI-Centers, um die Werkzeuge der Anwaltschaft zu revolutionieren. Als treibende Kraft hinter DeepJudge setzt sie neue Massstäbe in der Rechtsbranche. Grnarova wurde in die Forbes-30-under-30-Liste aufgenommen und ist ein Vorbild als weibliche CEO mit technischem Hintergrund in den männerdominierten Bereichen Recht und Technik. Die aus Nordmazedonien stammende Unternehmerin absolvierte ihren Bachelor in Informatik als Jahrgangsbeste und promovierte im Bereich KI an der ETH Zürich. Sie sammelte Erfahrungen bei Google AI Language und Google Brain.
Könnten Sie uns einen kurzen Überblick über DeepJudge geben? DeepJudge macht Wissen innerhalb einer Organisation zugänglich. Es funktioniert wie eine interne Google-Suche: Man stellt eine Frage, und DeepJudge findet die relevante Antwort in den internen Dokumenten des Unternehmens.
Was hat Sie zur Gründung motiviert?
Ich habe an der ETH Zürich promoviert, mit Schwerpunkt auf Deep Generative Models und künstliche Intelligenz. Während meiner Promotion und Arbeit bei Google erlebten wir einen grossen Wandel im Textverständnis durch KI. Wir erkannten das Potenzial dieser Technologie, besonders für den textbasierten Rechtsbereich.
Was unterscheidet DeepJudge von anderen Unternehmen?
Im Rechtsbereich sind wir derzeit die einzigen, die eine wirklich skalierbare Suchlösung für interne Dokumente anbieten. Wir können mit Hunderten von Millionen Dokumenten umgehen, ohne Zugriffsbeschränkungen zu verletzen.
Warum ist das so wichtig?
In Organisationen ist es oft umständlich, auf vorhandenes Wissen zuzugreifen. Mitarbeitende müssen verschiedene Systeme durchsuchen, oft mit ineffektiven Mitteln. Am Ende geben viele auf und fragen in Chats, ob jemand ähnliche Fälle schon einmal bearbeitet hat. Hier setzen wir mit DeepJudge an. Wir verbinden bestehende Datenquellen und machen diese über eine zentrale Suchleiste durchsuchbar.
Welche Auswirkungen hatte Ihre Forbes-Listung? Es hat uns Sichtbarkeit verschafft. Persönlich war es mir wichtig, als Frau aus dem MINT-Bereich ein Vorbild für andere Unternehmerinnen zu sein.
Wie stellen Sie Datenschutz sicher?
Unsere Suchmaschine läuft direkt in der Kundenumgebung, sodass keine Daten nach aussen gelangen.
Welche Märkte wollen Sie als Nächstes erschliessen? Nach der Schweiz expandieren wir derzeit in die USA. Seit 2024 haben wir dort ein Vertriebsteam aufgebaut.
Was sind Ihre persönlichen Zukunftspläne? Ich hoffe, DeepJudge weiterzuentwickeln und ein führendes LegalTech-Unternehmen aufzubauen. Auch eine Familie zu gründen steht auf meiner Liste.
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Yasemin Tahris, CXO von FLOWIT
Dr. Yasemin Tahris gründete 2020 FLOWIT, einen KI-gestützten Coach für Personalentwicklung. Mit ihrer Leidenschaft für Arbeitsund Organisationspsychologie setzt sie neue Massstäbe im Human Resource Management. Ihre Karriere begann als Fachfrau Gesundheit. Sie studierte Angewandte Psychologie und promovierte in Organisationspsychologie. FLOWIT gewann mehrere Auszeichnungen und expandierte erfolgreich. Tahris engagiert sich auch als Dozentin an Fachhochschulen.
Könnten Sie kurz zusammenfassen, worum es bei FLOWIT geht? FLOWIT ist ein KI-basierter Coach für Mitarbeiterentwicklung, besonders für Frontline-Mitarbeitende, die bisher oft keinen Zugang zu solchen Themen hatten.
Zu welchen Themen genau?
Wir gestalten beispielsweise Mitarbeitergespräche neu, um mehr Involvement zu ermöglichen. Unser Ziel ist es, Technologie zu nutzen, um mehr Menschen zu erreichen und ihnen Zugang zu Entwicklungen im Unternehmen zu geben. Unser Partner unterstützt 140 Sprachen, sodass Mitarbeitende direkt in ihrer eigenen Sprache kommunizieren können.
Wie kam es zur Gründung 2021?
Ich bin schon länger unternehmerisch tätig. Zuvor habe ich eine NPO im Bereich berufliche Integration geleitet. Der Schritt in die Selbständigkeit war nicht neu, aber ich habe der Wissenschaft den Rücken gekehrt. Mein Doktorat habe ich mir hart erarbeitet. Deshalb brauchte es Mut, zu sagen: Ich setze alles auf die Karte Unternehmertum. War es mit einem kleinen Kind nicht besonders herausfordernd? Meine Kinder waren immer dabei, auch bei wissenschaftlichen Tagungen. Mein Mann und ich teilen uns die Aufgaben gleichberechtigt. Ich hatte familiäre und berufliche Unterstützung und keine Angst, mit Kindern zu gründen. Für mich war immer klar, dass ich weiterarbeite. Sehen Sie sich als Rollenmodell?
Ja, als eine der wenigen AI-Tech-Start-up-Gründerinnen und Mutter von zwei kleinen Mädchen. Ich werde oft damit konfrontiert, dass es nicht geht, beides erfolgreich zu sein. Das motiviert mich umso mehr. Ich will meinen Mädchen vorleben, dass sie alles erreichen können, ohne sich verstellen zu müssen.
Gab es Vorbilder, die Sie inspiriert haben?
Meine Grosstante, eine Journalistin und Frauenrechtlerin, war ein grosses Vorbild. Auch meine Doktormutter hat mich stark geprägt und während meiner Schwangerschaft ermutigt, erst recht zu promovieren. Mein Schwiegervater, mit türkischem Migrationshintergrund, hat mich immer bestärkt, meinen eigenen Weg zu gehen. Diese Unterstützung war enorm wertvoll.
War der Fokus auf KI von Anfang an geplant? Ja, das war eine bewusste Entscheidung. Ich bin überzeugt, dass KI in der Psychologie ein riesiges Potenzial hat, um eine menschlichere Arbeitswelt zu gestalten. Interviews: Alexander Vitolic´
Herzerkrankungen bei Frauen sind ein verkanntes Risiko
Gastbeitrag Wussten Sie, dass in der Schweiz mehr Frauen an einer Herzkrankheit sterben als Männer? Oder dass Frauen andere Herzinfarktsymptome zeigen als Männer?
MAIRE WALSH, HEALTH INDUSTRIES
LEADERIN, PWC SWITZERLAND
Frauen übernehmen oft gleichzeitig Verantwortung in Familie, Beruf und sozialem Umfeld. Doch wenn es um ihre eigene Gesundheit geht, nehmen sie sich selten die Zeit, die sie brauchen. Besonders bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der häufigsten Todesursache bei Frauen, wird dies zum Problem: Ihre Symptome sind oft anders als bei Männern und werden daher häufig übersehen.
Frauen und Männer werden anders krank
Wie wenig über Frauengesundheit bekannt ist, zeigt eine Befragung von PwC Schweiz im Rahmen der Publikation «Herzenssache: Gesundheit». 85 Prozent der Teilnehmenden glauben, dass mehr Männer an Herz-KreislaufErkrankungen sterben als Frauen. 53 Prozent sind der Ansicht, Krebs sei die häufigste Todesursache bei Frauen. Die Realität sieht anders aus: 2023 starben
in der Schweiz 11 017 Frauen an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung – mehr als an jeder anderen Krankheit. Trotzdem sind die Anzeichen eines Herzinfarkts bei Frauen vielen unbekannt. Während Brustschmerzen und Atemnot als typische Symptome gelten, erleben Frauen oft Rücken- oder Bauchschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen. Diese Warnsignale werden selten richtig eingeordnet. Die Folge: Frauen suchen zu spät medizinische Hilfe auf. Ein solches Zögern kann tödlich enden oder zu langfristigen Herzschäden führen.
Der Herzinfarkt ist keine «Männerkrankheit»
Der Herzinfarkt gilt noch immer als «Männerkrankheit», die auf eine mangelhafte Belastbarkeit und einen ungesunden Lebensstil hindeutet. Dieses Stigma führt dazu, dass Frauen ihre Symptome nicht ernst nehmen. Viele Betroffene zögern zudem auch, nach einem Infarkt offen darüber zu sprechen – im Gegensatz zu Erkrankungen
wie Brustkrebs, die stärker im öffentlichen Bewusstsein verankert sind. Umso wichtiger ist es, dieses veraltete Bild zu durchbrechen und das Wissen über Frauengesundheit gezielt zu verbessern.
Es braucht eine neue Perspektive
Die PwC-Publikation «Herzenssache: Gesundheit» zeigt, dass die Forschung und Gesundheitsversorgung noch immer stark auf Männer ausgerichtet sind. Medikamente werden primär an männlichen Probanden getestet, Symptome werden an ihnen gemessen. Doch Frauen haben andere biologische Voraussetzungen – sie benötigen eine medizinische Versorgung, die ihre spezifischen Bedürfnisse berücksichtigt. Ein Umdenken ist nötig. Frauen müssen
ihre eigenen Symptome besser kennen, und Ärztinnen und Ärzte sollten für die Unterschiede sensibilisiert werden. Nur so stellen wir sicher, dass sie die Behandlung bekommen, die sie verdienen. Wir von PwC tragen zu dieser Lösungsfindung bei. Um die erwähnten Lücken in gendermedizinischen Daten zu schliessen, entwickeln wir KI-basierte Anwendungen, die Gesundheitsdaten standardisieren, Muster geschlechtersensibler Unterschiede erkennen und diese Erkenntnisse für die medizinische Versorgung nutzbar machen. Es ist Zeit, dass wir Gesundheit zur Priorität machen – für uns selbst, für unsere Mütter, Töchter, Freundinnen. Eine gesunde Zukunft beginnt mit dem Wissen von heute. Dazu sollten wir öffentlich darüber sprechen, weitsichtige Ansätze entwickeln und unsere Aktivitäten vernetzen.
FutureHealth Basel
7.April 2025 | Congress Center Basel
Viele Frauen wissen nicht, dass ein Herzinfarkt bei ihnen anders aussieht als bei Männern – es ist Zeit, dass wir genauer hinsehen.
Wie können wir die Versorgung der Zukunft sichern und die Gesundheitskosten nachhaltig optimieren? Welche Innovationen und Technologien gestalten die Medizin von morgen und welche Rolle nimmt die Gendermedizin ein?
An der FutureHealth Basel treffen sich Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien, um gemeinsam Antworten auf diese Fragen zu finden. Die Konferenz schlägt die Brücke zwischen Branchen und Disziplinen – mit einem Ziel: den Dialog und Initiativen vorantreiben und Innovationen kennenlernen, die die Gesundheitsversorgung revolutionieren.
Speaker-Highlights
Dr. Lukas Engelberger Regierungsrat und Vorsteher des Gesundheitsdepartements, Kanton Basel-Stadt
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Dr. med. Katharina Gasser General Manager, Roche Pharma Switzerland
Christoph Mäder Präsident, economiesuisse
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Maire Walsh, Health Industries Leaderin, PwC Switzerland. PD
«Wir haben bei weitem nicht genug Frauen, die gründen und investieren»
Lea von Bidder ist seit fünf Jahren Jurymitglied des SEF.WomenAward, wo sie sich für die Sichtbarkeit junger Gründerinnen einsetzt. Im Interview spricht die renommierte Schweizer Startup-Unternehmerin über Risikobereitschaft und die Herausforderungen der Schweizer Gründerszene.
Frau von Bidder, Sie sind zum fünften Mal und damit von Anfang an Mitglied der Jury für den SEF.WomenAward. Was reizt Sie an dieser Aufgabe? Ich bin eine der Startup-Vertreterinnen in der Jury und sehe meine Aufgabe vor allem darin, jungen Gründerinnen mehr Visibilität zu verschaffen. Wir haben in der Startup-Szene ein Problem: Es gibt bei weitem nicht genug Frauen, die gründen, investieren oder früh bei Startups einsteigen. Die Visibilität der existierenden Gründerinnen ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt, um andere Frauen für diese Aufgaben zu motivieren.
Ist Ihnen eine der Finalistinnen oder eines der Startups speziell in Erinnerung geblieben?
Die Startup-Welt bewegt sich wahnsinnig schnell. Daher sind es gerade die Personen, die jetzt Finalistinnen sind, die meinen «share of mind» haben. Es gibt gute Gründe, warum wir sie ausgewählt haben.
Sie verfügen mittlerweile über einen guten Überblick über die Startup-Szene. Gibt es generelle Schwerpunkte, also Gebiete, in denen die Schweiz stark ist? Schwerpunkte bleiben Biotech und Pharma. Es fällt auf, dass die Schweiz zwar in Sachen Innovation und Forschung einen grossartigen Job macht, aber in der Kommerzialisierung zurückfällt. Sprich: Die Zahl der Unternehmen, die kommerziell skalieren, ist beschränkt. Viele Firmen werden noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase von anderen Unternehmen –oft ausländischen – übernommen. Das liegt am fragmentierten Marktumfeld, am fehlenden Kapital für die Kommerzialisierung und auch an der mangelnden Erfahrung der Gründer in diesem Bereich.
Welche Rolle spielen die Schweizer Hochschulen, speziell die beiden ETH, für die Schweizer Startup-Szene?
Stammen viele der Jungfirmen, die Sie beurteilt haben, aus diesem Umfeld?
Die technischen Hochschulen in Lausanne und Zürich spielen eine wahnsinnig grosse Rolle für das Schweizer Startup-Umfeld. Startups entstehen dann, wenn der Status quo hinterfragt wird. Dazu ist nicht immer, aber oft, Forschung nötig – und diese kommt weitgehend aus diesen Hochschulen. Oft auch von ausländischen Studierenden. Ich glaube, sowohl die ETH als auch die EPFL haben inzwischen wunderbare Programme geschaffen, um diese Innovationen zu fördern, ihnen Anschubfinanzierung zu geben und sie in Firmen umzuwandeln. Aber es muss uns bewusst sein, dass viele dieser Innovationen noch in den Kinderschuhen stecken und aus dem Ausland aufgekauft werden, statt aus der Schweiz heraus kommerzialisiert zu werden.
Was müsste man tun, um die Kommerzialisierung zu verbessern? Es ist ja nicht wirklich sinnvoll, wenn die besten Ideen, die oft eine Folge der Schweizer Bildungsausgaben sind, schliesslich im Ausland landen. Da bin ich zu 100 Prozent einverstanden. Und wir haben hier zu wenige konkrete Lösungen auf dem Tisch. Meine persönliche Beobachtung ist, dass viele Schweizer Startups für eine erfolgreiche Skalierung auf den US-Markt sowie auf US-Gelder angewiesen sind. Der US-Markt ist grösser, homogener und dynamischer. Schweizer Startups müssen einen möglichst einfachen Weg haben, dort zu verkaufen. Dazu gehören einfache Visabedingungen, Landing Pads wie jene von Swissnex und auch die Bereitschaft der Gründer, umzuziehen. Ein konkretes Beispiel: Mein Mitgründer zieht nächste Woche nach Toronto, um von dort aus den US-Markt für uns aufzubauen. Warum Toronto? Ein US-Visum wäre in dieser Zeit sehr schwer zu bekommen gewesen. Zudem sind die Lebenshaltungskosten in den grossen US-Städten explodiert. Mit den
US-Geldern ist es aber ebenfalls schwieriger geworden. Während der Hochzeiten der Startup-Förderung um 2020 war Geld so reichlich vorhanden, dass sich amerikanisches Venture-Capital auch auf frühe Investments in der Schweiz gestürzt hat. Doch gemäss Hörensagen hat diese Bereitschaft inzwischen radikal abgenommen. US-Investoren investieren nur noch in späte Phasen oder wenn ein Startup von Anfang an flippt, sprich, seinen Hauptsitz in die USA verlegt. Das bedeutet: Schweizer Firmen sind von US-Geldern wieder weitgehend ausgeschlossen.
Sie haben mehrere Unternehmen gegründet. Warum lieben Sie es, immer wieder von Neuem zu beginnen? Gründen bedeutet für mich Freiheit –die Freiheit, mir die Arbeit zu schaffen, die ich mir wünsche. Dinge auszuprobieren. Kreativ zu sein. Gewisse Leute
«Gründen bedeutet
für
mich
Freiheit. Die Freiheit, mir die Arbeit zu schaffen, die ich mir wünsche. Dinge auszuprobieren. Kreativ zu sein.»
malen oder spielen ein Instrument – ich überlege mir, was es auf der Welt noch nicht gibt und wie man es umsetzen könnte.
Wie kommen Sie auf Ideen für neue Startups? Wie gelangen Sie an die entsprechenden Informationen? Ich stolpere darüber – das tut jeder. Die meisten Ideen sind nicht sehr gut. Aber ich empfehle jedem, eine kleine Liste mit «business ideas» auf dem Handy zu führen. Über die Jahre sammelt sich da einiges an. Ich habe immer Startups in Industrien gegründet, in denen ich keine Expertin war. Um das zu tun, braucht es Menschen, die einen unterstützen. Im Fall von Ava waren das vor allem meine Mitgründer. Bei L’inouï und Expeerly waren es Industrieexpertinnen, die sich die Zeit genommen haben, mir den Markt zu erklären, zu brainstormen, Probleme zu besprechen und Lösungen zu finden. Ich denke, jedes Startup braucht eine grosse Portion Naivität und auch Trial and Error. Deshalb: Falls Sie sich selbständig machen wollen und sich naiv und unwissend fühlen – ich glaube, das ist die beste Basis.
Ava war zeitweise Ihr grösster Erfolg und danach der grösste Misserfolg. Was haben Sie daraus gelernt? Unendlich viel. Vor allem das, was wir alle wissen: Startups sind – auch in späten Phasen – höchst riskant. Und Erfolg wird oft erst auf den letzten fünf Metern des Marathons bestimmt.
Sie kennen das Silicon Valley gut. Warum gibt es so etwas in Europa nicht? Wir haben es nicht geschafft, ein solches Ökosystem aufzubauen. Ökosystem deshalb, weil sich im Valley alles gegenseitig befruchtet: Early Employees werden Gründer, Gründer werden Investoren. Accelerators bringen junge Talente. Und alle werden von einem Schwarm aus Investoren, Juristen und Agenturen unterstützt, die Startups gut kennen. In der Schweiz haben wir den Aufbau eines
solchen Ökosystems nicht geschafft –aus gesellschaftlichen, regulatorischen und marktspezifischen Gründen.
Wie beurteilen Sie die Startup-Szene in der Schweiz? Täuscht der Eindruck, dass im Bereich IT und KI eher wenig läuft?
Dieser Eindruck ist korrekt. Ich bin begeistert von einzelnen Unternehmen, die es wirklich geschafft haben. Insgesamt sehe ich die Szene jedoch eher pessimistisch. Ich denke, wir ruhen uns in der Schweiz nach wie vor auf Kapital und Innovationen aus, die vor Jahrzehnten geschaffen wurden. Die neue techgetriebene Industrie wird diese Sektoren langsam, aber stetig aushöhlen. Beispiele dafür sind digitale Gesundheitsinnovationen oder Fintech-Lösungen – und diese kommen fast ausschliesslich aus den USA.
Gibt es in der Schweiz zu wenig Risikobereitschaft, weshalb Startups hier oft Mühe haben, Investoren zu finden? Ja. Die Risikobereitschaft in der Schweiz ist signifikant geringer als im Silicon Valley. Historisch gesehen hat die Schweiz gelernt, Kontinuität und Stabilität als Erfolgspfeiler zu sehen, während die USA Innovation und Wandel favorisieren. Dazu kommt, dass die wenigen «Role Models», die wir haben, zu wenig zelebriert werden. Wenn ich Sie bitten würde, mir drei Gründer oder Gründerinnen von erfolgreichen Startups zu nennen – könnten Sie das? Im Valley kann das jeder.
Was muss die Schweiz Ihrer Ansicht nach tun, um wirtschaftlich weiterhin erfolgreich zu bleiben? Wir brauchen einen Mindset-Shift. Statt zu sagen, wir sind zu klein, sollten wir genau das als unseren Wettbewerbsvorteil sehen. Israel ist ebenfalls ein kleines Land, spielt aber in der Startup-Szene vorne mit. Wir brauchen mehr Veränderungswillen – und genau daran hapert es. Interview: Felix E. Müller
Lea von Bidder setzt sich als Jurorin des SEF.WomenAward für mehr Sichtbarkeit von Unternehmerinnen ein. PD
«Es ist viel Arbeit, aber auch viel Spass»
Paulina Grnarova ist die Jungunternehmerin des Jahres 2025. Die ETH-Absolventin will mir ihrem Startup DeepJudge den Suchprozess nach juristischen und anderen Dokumenten mit Hilfe von KI revolutionieren.
Frau Grnarova, herzliche Gratulation zu dieser verdienten Auszeichnung! Was bedeutet es Ihnen, dass Sie diesen Preis als Jungunternehmerin des Jahres gewonnen haben?
Ich fühle mich grossartig und bin sehr dankbar dafür, dass ich diese Auszeichnung entgegennehmen darf. Als Mitbegründerin eines Tech-Startups bedeutet es mir besonders viel. Ich hoffe, dass sich andere Frauen ermutigt fühlen, die den Mut haben, ins kalte Wasser zu springen und sich persönlich zu exponieren, indem sie Unternehmerinnen werden.
Sie haben einen interessanten Werdegang. Sie sind in Nordmazedonien aufgewachsen und haben in Skopje einen Bachelor in Informatik als beste Studentin des Jahrgangs erhalten. Anschliessend machten Sie einen Masterabschluss an der EPFL in Lausanne und das Doktorat im Bereich KI an der ETH Zürich. Daneben arbeiteten Sie bei Google. War es schon immer Ihr Ziel gewesen, Unternehmerin zu werden?
Ich wuchs langsam in diese Rolle hinein. Ich bin eine ehrgeizige Person und auch eine sehr neugierige. So kam ich auf das Thema und die Geschäftsidee für DeepJudge. Aber am Ende waren wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort und so wurde ich Unternehmerin. Die Schweiz ist für Leute, die in meinem Gebiet tätig sind, ein phantastischer Ort. Die hervorragenden Universitäten und Hochschulen haben ein ganzes Ökosystem von talentierten Forscherinnen und Forschern sowie vielen interessanten Startups hervorgebracht.
Haben Sie den Entscheid, Unternehmerin zu werden, noch nie bereut?
Nein, überhaupt nicht. Es ist viel Arbeit, aber es macht mir auch viel Spass.
Würden Sie anderen jungen Frauen empfehlen, Ihrem Beispiel zu folgen
und ebenfalls eine Karriere als Unternehmerin einzuschlagen?
Es lohnt sich auf jeden Fall. Ganz unabhängig davon, wie es schlussendlich en-
det, sind der Weg und die Erfahrungen, die man macht, unschätzbar wichtig. Wer immer nur auf das Endziel fixiert ist, wird viel mehr Mühe haben, erfolgreich
«Ich hoffe, dass ich andere Frauen ermutigen kann, auch einen solchen Weg einzuschlagen, wie ich es getan habe.»
zu sein. Man muss auch den Weg, auf den man sich begibt, schätzen und geniessen. Denn dieser ist manchmal fast wichtiger als das Ziel. Wer ein Startup lanciert, lernt viel. Man muss verschiedene Aufgaben anpacken. Man muss ganz verschiedene Rollen übernehmen, immer wieder neue Schwierigkeiten überwinden, was sehr bereichernd ist. Eine solche Lernkurve, ein solcher Reichtum an Erfahrungen lässt sich anderswo kaum machen.
Was raten Sie jungen Frauen zu Beginn ihrer Karriere?
Man sollte immer seinen eigenen Interessen folgen. Und man sollte anstreben, mit talentierten, ausserordentlichen Menschen zusammenzuarbeiten.
Können Sie schon abschätzen, was es braucht, um als Unternehmerin erfolgreich zu sein?
Es gibt nicht einfach ein Rezept. Meiner Meinung nach ist es wichtig, um als Unternehmerin erfolgreich zu sein, dass man ein gutes Team um sich hat. Sinnbildlich gesprochen: Es braucht ein Dorf, um eine Firma erfolgreich zu machen. Dann muss man eine dicke Haut haben und mit Fehlern und Misserfolgen gut umgehen können. Man sollte die Fähigkeit haben, auf den Markt zu hören und Anpassungen zu machen. Auch wenn es einmal Rückschläge gibt, sollte man sich dadurch nicht entmutigen lassen, sondern sein Ziel weiterverfolgen.
Wird Ihnen dieser Preis für die Zukunft etwas bringen? Ich bin dankbar, dass dadurch meine Firma und meine Person ausgezeichnet werden. Und ich hoffe, dass ich andere Frauen ermutigen kann, auch einen solchen Weg einzuschlagen, wie ich es getan habe. Deswegen ist jeder Preis, der speziell Frauen auszeichnet, wichtig.
Interview: Felix E. Müller
Es braucht mehr Unternehmerinnen für ein starkes Unternehmertum
Gastbeitrag Trotz Fortschritten bleiben Unternehmerinnen in der Schweiz in der Minderzahl. Höchste Zeit, die Rahmenbedingungen zu verbessern.
SABINE MAGRI, LEITERIN PERSONAL
BANKING, UBS SWITZERLAND
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Rolle der Frau in der Geschäftswelt erheblich verändert. Frauen bekleiden vermehrt Führungspositionen und gründen eigene Unternehmen. Trotzdem wies der Swiss Startup Monitor 2020 der Fachhochschule Nordwestschweiz für die Schweiz nur einen Frauenanteil von 31,6 Prozent bei Firmengründungen aus, weniger als ein Drittel. Auch das KMU-Portal des Bundes hält eindeutig fest, dass Frauen «in der Kategorie der Selbständigen […] weiterhin unterrepräsentiert» sind, ihr Anteil steige jedoch. «Im zweiten Quartal 2024 lag der Frauenanteil im Kreis der Unternehmenden bei 41 Prozent.» Nach wie vor gibt es grosses Steigerungspotenzial.
Effizienz und Beständigkeit
Mangelndes Selbstvertrauen und fehlende Vorbilder sind zwei wichtige Gründe, warum Frauen weniger oft den Schritt in die Selbständigkeit wagen. Umso mehr erfüllt es mich mit Stolz, dass UBS in diesem Jahr erneut den Swiss Economic Forum Women Award als Partnerin unterstützt. Dieser Preis ist wichtig, denn er rückt Vorbilder ins Rampenlicht und ermutigt Frauen, ihre Träume zu verfolgen, ohne sich von ge-
sellschaftlichen Normen einschränken zu lassen. Kurz: Er verleiht Energie angesichts grosser Herausforderungen. Frauen haben im Durchschnitt weniger Zugang zu Netzwerken und Mentoren, was ihre unternehmerischen Aktivitäten deutlich einschränkt. UBS versucht, hier gezielt Gegensteuer zu geben. Mit dem Female Impact Forum zum Beispiel bieten wir Unternehmerinnen, weiblichen Executives und Expertinnen eine Plattform, um sich zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen. UBS Female Founders dient einem ähnlichen Zweck und verfolgt ausserdem das Ziel,
Frauen den Zugang zu Risikokapital zu erleichtern. Auch bei der Finanzierung bestehen nämlich grosse Hürden. Laut Daten von PitchBook für das Jahr 2023 entfielen auf von Frauen gegründete Startups nur zwei Prozent oder weniger des gesamten Venture-Capital-Finanzierungsvolumens in Europa und den USA. Grund sind veraltete Stereotype oder Vorurteile, infolge derer Frauen oft als weniger kompetent und weniger risikobereit wahrgenommen werden. Weniger kompetent? Eine steile These. Gerne würde ich erfahren, wie man diese empirisch zu untermauern gedenkt … Weniger risikobereit? Studien zeigen, dass tatsächlich Geschlechterunterschiede beim unternehmerischen Handeln bestehen. Frauen sind tendenziell risikoaverser als Männer und weniger oft bereit, hohe finanzielle Risiken einzugehen. Dies führt dazu, dass sie seltener in risikoreiche, aber potenziell hochprofitable Geschäftsfelder investieren. Ein Makel? Im Gegenteil. Die Boston Consulting Group und MassChallenge hielten in einer Studie fest, dass von Frauen gegründete Unternehmen im Durchschnitt zwar weniger Risikokapital erhielten, pro investiertem Dollar aber
höhere Umsätze erwirtschafteten als die von Männern: 78 Cents statt nur 31. Gleiches gilt für die Beständigkeit: Unternehmen, die von Frauen gegründet wurden, überleben länger. Es scheint, als gingen Frauen effizienter mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen um.
Die Gleichstellung birgt enormes Potenzial, das wir nicht brachliegen lassen dürfen.
12 Billionen Dollar Potenzial Um Gleichstellung im Unternehmertum voranzutreiben, bedarf es konzertierter Anstrengungen von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Gezielte Programme können dazu beitragen, die Chancengleichheit zu fördern. Auch UBS nimmt ihre Verantwortung wahr. Im Rahmen unserer MINT-Initiative (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) unterstützen wir Projekte wie GirlsCodeToo oder #herHACK, um Mädchen für Technologieberufe zu begeistern. Wir brechen damit Geschlechtervorurteile auf und fördern eine neue Generation selbstbewusster Unternehmerinnen.
Gemäss einer Studie von McKinsey könnte die Förderung von Frauen im Unternehmertum das globale Bruttoinlandsprodukt bis 2030 um bis zu 12 Billionen US-Dollar steigern. Die Gleichstellung birgt enormes Potenzial, das wir nicht brachliegen lassen dürfen. Gemeinsam müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, die es künftig mehr Frauen ermöglichen, erfolgreiche Unternehmerinnen zu sein.
Paulina Grnarova will mit ihrer Firma ein Vorbild für andere Frauen sein. NZZ CONNECT
Sabine Magri setzt sich für Gleichstellung in Führungspositionen ein. UBS
Ein Abend voller Glanz und Frauenpower: Die Verleihung des fünften SEF.WomenAward
Mit grosser Freude blicken wir auf die glanzvolle Verleihung des fünften SEF.WomenAward zurück. Die Award Night war ein triumphaler Erfolg, den rund 280 begeisterte Gäste miterlebten. Ein unvergesslicher Abend, geprägt von Inspiration, Anerkennung und herausragenden Unternehmerinnen.
Die prestigeträchtige Auszeichnung ging an drei aussergewöhnliche Persönlichkeiten: Paulina Grnarova, Antje Kanngiesser und Bea Knecht. Mit ihrer Vision, ihrem Engagement und ihren beeindruckenden Leistungen setzen sie ein Zeichen und stehen stellvertretend für all jene Frauen, die eine Vorreiterrolle übernehmen und Veränderung bewirken wollen.
Marie-Noëlle Zen-Ruffinen, Vice-Chair, Swiss Board Institute
Gustav Baldinger, CEO, PwC
Saskia Schenker, des. Direktorin, prio.swiss
Nicole Frank, Inhaberin, Nicole Frank Kommunikation
Adrian Studer, EVP and Market Head Europe, Ecolab Verena Kaiser, Marktgebietsleiterin Firmenkunden, UBS
Dietger Leyendecker, Verwaltungsrat, FRIPOO Produkte Sabine Magri, Head Personal Banking, UBS
Bea Knecht, Ehrenpreisträgerin
Paulina Grnarova, Gewinnerin «Jungunternehmerin des Jahres»
Antje Kanngiesser, Gewinnerin «Unternehmerin/CEO des Jahres»
Myriam Denk, Partner, People and Organisation, PwC
Anja Bates, Chief Human Resources Officer, AMAG Group
Caroline Vetter, Change & Transformation Specialist, AMAG Group
Sabrina Huber, CEO/Inhaberin, Sabrina Huber Consulting Christine Bolt, CEO, Olma Messen St. Gallen
Maja Riniker, Präsidentin des Nationalrates Franziska Saurer, Parlamentsweibelin
Corine Blesi, Managing Director, NZZ Connect
Amalja Mair, Geschäftsführerin, Digiscovery Foundation
Nina Müller, CEO, Lalique Group Yaël Meier, Co-Founder, ZEAM Jo Dietrich, Co-Founder, ZEAM Christine Antlanger-Winter, Country Director, Google Switzerland
Helmut Ruhl, CEO, AMAG Group Nicole Pauli, Managing Director, AMAG Leasing Nora Teuwsen, Vorsitzende der Geschäftsleitung, ABB Schweiz
René Reymond, Managing Director, AMAG First
NINA MEYER
Wie Frauen die Welt verändern
Gastbeitrag Die On-Board-Flugsoftware oder die DNA-Doppelhelix – viele Errungenschaften stammen von Frauen. Im MINT-Bereich und in der Wirtschaft sind Frauen jedoch häufig unterrepräsentiert. Die AMAG Gruppe will dies ändern.
ANNA LÖHNDORF, INTERN GROUP COMMUNICATION, AMAG GRUPPE
Laut der Europäischen Investitionsbank könnte mit der Gleichstellung von Frauen und Männern das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 13 Billionen US-Dollar ansteigen. Auch das Weltwirtschaftsforum berichtet 2024 von einem möglichen globalen BIP-Anstieg um bis zu 20 Prozent, würde die vollständige Geschlechterparität erreicht werden. Gemäss dem Global Gender Gap Report 2024 dauert es jedoch noch 134 Jahre, bis eine vollständige Gleichstellung weltweit erreicht sein wird. Denn auch in der Wirtschaft sind Frauen häufig noch unterrepräsentiert. Und das, obwohl sie schon immer ein wichtiger Teil von Innovationen waren.
Mit Vielfalt zum Erfolg Um 400 nach Christus lehrte die Mathematikerin, Astronomin und Philosophin Hypatia am Museion in Alexandria, jenem führenden Forschungsinstitut, und entwickelte die Konstruktion des Astrolabiums, ein Messgerät für die Winkelmessung des Himmels, weiter. Als das Astrolabium dann im Mittelalter weiterentwickelt wurde, spielte erneut eine Frau eine entscheidende Rolle: Maryam al-Ijlîya al-Astrulabi. Später stiegen viele Frauen in Hypatias und Maryams Fussstapfen und prägen mit ihren Erfindungen unseren Alltag. Die Spülmaschine, die Solarheizung, das Frequenzsprungverfahren und der erste bekannte Algorithmus sind nur einige vieler Innovationen,
«Gleiche Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten sind der Schlüssel für unsere Zukunft.»
Helmut Ruhl CEO der AMAG Gruppe
Die AMAG Gruppe will den Frauenanteil im Topmanagement bis 2030 um mehr als die Hälfte erhöhen.
und die Recruiting-Initiative Girls@ AMAG, sondern auch Partnerschaften mit Advance, dem führenden Wirtschaftsverband für Gleichstellung in der Schweiz und Women in Tech, die die Sichtbarkeit und Karrieremöglichkeiten von Frauen im Technologiesektor unterstützen.
Zielmarken 2030
die von Frauen erfunden oder mitentwickelt wurden.
Dennoch lag der weltweite Frauenanteil in MINT-Berufen 2024 lediglich bei 29 Prozent. Auch in der Schweiz zeigt sich ein niedrigerer Anteil im MINT-Bereich: Nur 34,5 Prozent der Studienplätze in MINT-Fächern werden von Frauen belegt. Dabei zeigte die Vergangenheit, wie wertvoll der Beitrag von Frauen ist.
So forschte Edith Flanigen ab 1956 über Molekularsiebe und entdeckte die kristalline Substanz Zeolith Y, die eine sicherere und effizientere Verarbeitung
von Rohöl zu Benzin ermöglichte. Auch in der Gegenwart finden sich erfolgreiche Beispiele: 2012 entdeckten Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna die Genschere, die präzise Schnitte am genetischen Material ermöglicht.
Chancengleichheit schaffen Obgleich all dieser Errungenschaften, werden weltweit nur 29 Prozent aller MINT-Einstiegsstellen mit Frauen besetzt. In Kaderpositionen sind Frauen sogar branchenübergreifend unterreprä-
sentiert. Der Gender Intelligence Report 2024 veröffentlichte, dass in der Schweiz nur 22 Prozent aller Kaderpositionen mit Frauen besetzt sind. Die AMAG Gruppe setzt jedoch auf Geschlechterparität. Für CEO Helmut Ruhl sind Geschlechtergleichstellung und heterogene Teams ein Muss: «Für mich ist Chancengleichheit eine Selbstverständlichkeit. Wir wollen Stereotype aufbrechen und gemeinsam vorwärtsmachen.»
Die AMAG Gruppe möchte Frauen fördern und stärken. So existieren nicht nur das Netzwerk Women@AMAG
Mit äquivalenten Löhnen, Förderungsangeboten und flexiblen Arbeitsmodellen setzt sich die AMAG Gruppe für Chancengleichheit ein. Denn auch in der Schweiz sind Frauen mit einer Gender Pay-Gap von durchschnittlich 18 Prozent im Monat nicht selten im wirtschaftlichen Nachteil. Ausgezeichnet mit «Fair-ON-Pay», setzt sich die AMAG Gruppe gegen die Gender-Pay-Gap ein. Während sich die Geschlechterdisparität nur langsam schliesst, zahlen sich die Aktivitäten innerhalb der AMAG Gruppe aus. So verzeichnet das Unternehmen einen stetig wachsenden Frauenanteil, auch im Kader. Im Dezember 2024 lag der Anteil bereits bei 16 Prozent versus 11,2 Prozent im Jahr 2020. Die AMAG Gruppe bleibt ambitioniert und will bis 2030 einen Frauenanteil im Kader von 25 Prozent und 20 Prozent insgesamt erreichen. Während viele Frauen schon in der Vergangenheit bewiesen haben, wie wertvoll ihr Beitrag im MINT-Bereich und in der Wirtschaft ist, ist es heute umso wichtiger, Chancengleichheit zu schaffen – denn wie auch der berechnete BIP-Anstieg zeigt, wird so auf allen Seiten am meisten profitiert.
Weitere Highlights von NZZ Connect in diesem Jahr
Die Veranstaltungsorganisatorin der NZZ bietet auch 2025 hochkarätige Plattformen für den interdisziplinären Austausch. Hier treffen sich Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, um die Zukunft von Gesundheit, Nachhaltigkeit und Innovation zu gestalten.
FutureHealth, Basel
Montag, 7. April 2025, in Basel
Wie gestalten wir ein zukunftsfähiges Schweizer Gesundheitssystem? FutureHealth Basel ist die Plattform für Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger im Gesundheitswesen und verbindet Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien.
Im Fokus steht der interdisziplinäre Austausch, um aktuelle Herausforderungen zu diskutieren, innovative Ansätze und internationale Best Practices kennenzulernen und gemeinsam neue Impulse für die Gesundheitswirtschaft zu setzen – ganz im Sinne von «Accelerating the Healthcare System».
Sustainable Switzerland Forum Dienstag, 2. September 2025, in Bern
Unter dem Dach der NZZ-Initiative Sustainable Switzerland unterstützen wir mit dem Sustainable Switzerland Forum eine Dialogplattform zum Thema Nachhaltigkeit. Die Veranstaltung ist die Nachhaltigkeitskonferenz der Schweizer Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Gemeinsam schaffen wir die Transformation.
Open-i
Donnerstag, 27. November 2025, in Zürich
Als wegweisende Innovations-Community und Dialogplattform der Schweiz – nach der Peremiere letztes Jahr wieder im Kongresshaus Zürich – fördern wir den Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und zeigen auf, wie die neuesten Forschungserkenntnisse in unternehmerische Angebote integriert werden können.
Wir vernetzen Schweizer KMU, Grosskonzerne, Startups, Investoren sowie brillante Köpfe aus Forschung und Toptalente, um Kooperationen anzustossen und die Spitzenposition der Schweiz als Innovationsmarkt langfristig zu stärken.
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«Innovation heisst, Dinge auszuprobieren, die noch nie zuvor gemacht worden sind»
Bea Knecht ist die Ehrenpreisträgerin des Jahres 2025. Die Schweizer Informatikerin, Unternehmerin und Gründerin von Zattoo spricht im Interview über ihre grösste Erfindung, die Kultur des Silicon Valley, Elon Musk und das Thema Frauenförderung in der Schweizer Wirtschaft.
Frau Knecht, wie sind Sie Unternehmerin geworden? Wird einem dieses Gen in die Wiege gelegt oder kann man es sich auch erwerben?
Unternehmertum ist für mich eine innere Haltung. Ich bin intrinsisch motiviert, nicht durch äussere Faktoren getrieben – es ist meine Neugier, mein Tatendrang, meine Lust am Lösen von Problemen. Dieser innere Antrieb ist entscheidend. Die dazu notwendigen Fähigkeiten wie IT-Management oder Finanzplanung oder Marketing kann man erlernen. Meine Entwicklung verlief in Etappen. Als Kind musste ich lernen, mich allein zu beschäftigen – das schärfte meine Kreativität und meinen Erfindergeist. Später, als Pfadfinderin im aargauischen Brugg, während meines Studiums in Berkeley und als ITGruppenleiterin bei der UBS in Zürich erkannte ich, dass es nicht darum geht, Probleme selbst zu lösen, sondern darum, wie man Menschen dafür gewinnt, sie gemeinsam zu lösen. So löst man Probleme, die zu gross dafür sind, dass man sie alleine stemmen könnte.
Was braucht es noch ausser innerem Antrieb und dem Motivieren Dritter? Es braucht tatsächlich auch eine Cando-Einstellung. Diese verdanke ich sowohl meiner Mutter als auch meiner Zeit in Berkeley. Dort lernte ich, dass es manchmal wichtiger ist, einen mutigen ersten Wurf zu machen, anstatt zu lange nach Perfektion zu streben. Innovation heisst, Dinge auszuprobieren, die noch nie zuvor gemacht worden sind –dabei gibt es keine Garantie für Perfektion, aber die Chance, etwas Neues zu schaffen.
Das haben Sie ja mit der Lancierung der TV-Streaming-Plattform Zattoo im Jahr 2005 gemacht. Es ist Ihre grösste unternehmerische Leistung. Was war das Revolutionäre an dieser Idee? Zattoo war revolutionär, weil es Fernsehen in Echtzeit, gratis und rechtlich einwandfrei über das Internet brachte – und das lange vor Streaming-Diensten wie Netflix. Damals war es kaum vorstellbar, dass Live-TV in einer Qualität gestreamt werden könnte, die mit traditionellen Übertragungswegen konkurriert. Unsere Technologie machte es möglich, lineares Fernsehen auf jedem Gerät verfügbar zu machen – Laptop, Smartphone oder Tablet. Das veränderte nicht nur die Art des Medienkonsums, sondern stellte auch die bisherigen Geschäftsmodelle infrage. Es war der erste Schritt hin zu einer flexibleren, individuelleren und on-demand-orientierten TV-Landschaft, wie wir sie heute kennen.
Sie lebten selber lange im Silicon Valley. Warum hat sich gerade dort die ganze Internetindustrie entwickelt?
Kaum ein Treffen zwischen drei Ingenieuren in Silicon Valley, bei dem nicht einer sagt: «Ich habe eine Idee.» Und die anderen sagen: «Dann lass mal hören.»
Diese Kultur ist einzigartig. Das Silicon Valley entstand durch eine Mischung aus staatlicher Förderung in den 1950er Jahren, militärischer Forschung, unternehmerischem Pioniergeist und einer Kultur, die Scheitern nicht als Makel, sondern als Lernprozess betrachtet. Unternehmen wie Hewlett-Packard, Intel und Apple schufen das Fundament. Heute profitieren Startups von einem engen Zusammenspiel zwischen Universitäten wie Stanford, Risikokapitalgebern und etablierten Firmen. Besonders prägend ist die Einstellung: Probier es aus! Es gibt keine Angst vor dem Unbekannten, kein «Das hat noch nie funktioniert». Diese Mentalität unterscheidet das Valley von vielen anderen Regionen der Welt, in denen Risikoaversion dominiert.
Die Kritik an den Social Media nimmt stark zu. Pädagogen warnen vor schädlichen Einflüssen auf Heranwachsende. Ist das nicht übertrieben?
Man könnte auch über Zucker sprechen: Guetzli schmecken kurzfristig gut, langfristig aber führen sie zu gesundheitlichen Problemen. Algorithmen fördern Inhalte, die aufregen, weil sie Engagement maximieren. Das führt zu einer Verzerrung der Wahrnehmung, insbesondere bei jungen Menschen, die noch lernen müssen, digitale Inhalte zu hinterfragen. Was gute Ernährung ist, wird über Generationen weitergegeben. Aber das können wir nicht bei Social Media, weil Eltern diese nicht kennen. Ein einfaches «Lass das sein!» reicht nicht – es braucht gezielte Medienkompetenz, die vor allem an den Schulen geübt werden kann. Finnland macht das vor. Aber Social Media hat auch grosse Vorteile. Mich überraschen immer wieder die motivierenden Lehrberufvideos von Lokführern
«Unternehmertum ist für mich eine innere Haltung. Meine Neugier, mein Tatendrang und meine Lust am Lösen von Problemen.»
oder Mechanikern, wissenschaftliche Beiträge oder Tiervideos. Verbieten ist keine Lösung, aber der bewusste Umgang muss gelernt werden.
In der Politik macht man die Social Media für die wachsende Polarisierung in der Politik verantwortlich. Sie lobten einst Twitter als grossen demokratischen Fortschritt. Wie sehen Sie das heute angesichts der Rolle, die Elon Musk spielt? Twitter war gewissermassen ein Meilenstein für den globalen Austausch – insbesondere unter Wissenschaftlern und Meinungsmachern. Es ermöglichte Serendipity, also das zufällige Entdecken neuer, relevanter Stimmen. Viele wissenschaftliche Kooperationen begannen über Twitter. Doch jede Technologie spiegelt die Menschen wider, die sie nutzen – und die, die sie kontrollieren. Elon Musks Free-Speech-Absolutismus führt dazu, dass sinnvolle Inhalte in einer Kakophonie aus Desinformation
und Hassrede untergehen. Gute Tweets haben es schwer, sich im Lärm durchzusetzen. Eine funktionierende Allmende braucht Regeln. Social Media bleiben ein Werkzeug, das sowohl Demokratie fördern als auch untergraben kann. Die Verantwortung dafür, dass sich die positiven Aspekte durchsetzen, liegt nicht nur bei den Plattformen, sondern auch bei den Regulierungsbehörden.
Elon Musk ist ein Aussenseiter. Sind es eher Aussenseiter, welche technologische Innovationen vorantreiben, oder eher Insider?
Es sind Immigranten. Sie können fachlich Insider sein, aber sie kommen oft von aussen. Kürzlich sass ich in einer Gruppe von Jurymitgliedern für den Technologie-Emmy – jede Person im Raum war ein Immigrant: aus Argentinien, Schottland, Südafrika, Indien, Italien. Innovation entsteht auch an der Schnittstelle, wo Aussenseiter und Insider aufeinander treffen. Aussenseiter bringen frische Perspektiven und den Mut, bestehende Regeln zu hinterfragen. Insider haben das notwendige Fachwissen und die Ressourcen. Zattoo wäre beispielsweise gescheitert, wenn wir nur an die USA gedacht hätten. Dort hätten wir die TV-Inhalte rechtlich nicht lizenzieren können. Mein internationaler Hintergrund ermöglichte eine andere Perspektive.
Warum ist die Schweiz nicht führend im IT-Bereich, obwohl sie mit den beiden ETH zwei technische Hochschulen mit Weltrang hat?
Ja, die Schweiz hat exzellente technische Talente, aber das Ökosystem für skalierbare IT-Unternehmen ist noch in der Entwicklung. Ein Silicon Valley entsteht nicht über Nacht. Es ist ein Prozess, der in der Schweiz gerade hochgefahren wird. Es braucht eine Generation von jungen Talenten, die mit 25 nicht eine sichere Stelle annehmen, sondern sich einem Startup anschliessen. Mit 30 sollten sie ein paar Mal gescheitert sein, aber gelernt haben, wie es geht. Beim dritten Versuch müssen sie erfolgreich sein - und das Risikokapital dafür bekommen. Zudem fehlen uns in der Ausbildung wichtige Elemente wie Produktmanagement und Go-toMarket-Strategien. Das lernt weder ein Ingenieur noch ein Wirtschaftsstudierender in der Schweiz.
Warum sind Frauen in den Spitzenpositionen der IT-Branche und der Digitalwirtschaft so spärlich vertreten? Ich habe einen ganzen Essay hierzu geschrieben. Die Ursachen sind vielfältig: strukturelle Barrieren, Stereotype und ein Mangel an Vorbildern. Viele Frauen verlassen die Branche früh, weil sie sich in einer männlich dominierten Kultur nicht willkommen fühlen. Zudem finden Karrieren oft in inoffiziellen Netzwerken statt, die männlich geprägt sind. Es gibt nicht nur zu wenige Frauen in technischen Studiengängen, sondern auch zu wenig Bewusstsein für Diversität auf allen Ebenen. Firmen, die gezielt Frauen fördern, leisten somit einen wichtigen Beitrag, um die Präsenz von Frauen in der IT-Branche zu verbessern. Und die profitieren auch wirtschaftlich davon. Frauen helfen Firmen, die Hälfte des Marktes besser zu verstehen, denn die Hälfte der Konsumenten sind Konsumentinnen.
Interview: Felix E. Müller
QR-Code scannen für das Videointerview mit Bea Knecht.
Zwischen Silicon Valley und der Schweiz: Bea Knecht ist eine Pionierin der digitalen Transformation. PD