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WER SOLL DAS BEZAHLEN? ■■ Große Konzerne nutzen weltweit viele Schlupflöcher, um so gut wie keine Steuern auf Gewinne zu zahlen. Den Staaten entgehen so unzählige Milliarden Euro. ■■ Der Ruf nach eine Steuersenkung in Österreich wird immer lauter, die Steuer- und Abgabenquote soll unter 40 Prozent gedrückt werden. Für die Menschen bedeutet das nicht automatisch mehr Geld zum Leben. Weltmeister bleiben Heute zitiere ich einmal die Agenda Austria. Unter dem Titel „Österreich ist Kollektivvertrags-Weltmeister“ steht auf der Agenda-Website geschrieben: „Konkret sind 98 Prozent der Arbeitsverhältnisse über Kollektivverträge geregelt. (…) Löhne werden in Österreich nicht durch Angebot und Nachfrage geregelt, sondern von den Sozialpartnern festgesetzt.“ Soweit die Fakten. Dadurch, so der liberale Thinktank, werde „sichergestellt, dass ein großer Teil der Beschäftigten am Produktivitätszuwachs beteiligt wird. Zudem wird die Verhandlungsmacht der Arbeitgeber begrenzt, wenn es deren nur wenige gibt und gleichzeitig viele Arbeitssuchende.“ Die logische Schlussfolgerung: Wir haben das bestmögliche System der Lohnfindung – und natürlich bleiben wir dabei. Und bleiben Weltmeister. Dass die Agenda Austria dennoch zu ganz anderen, absurden Schlüssen kommt, sei hier nur ganz am Rande erwähnt. ❮ Florian Kräftner
■■ Das Gesundheitssystem wird krankgeredet, obwohl eine neue Studie bestätigt, dass die gesundheitliche und soziale Versorgung hierzulande gut funktioniert und die Verwaltungskosten mit zwei Prozent deutlich niedriger sind als in vergleichbaren Ländern.
KAMMERNPFLICHT: Bei Abschaffung drohen Nachteile für ArbeitnehmerInnen
Seiten 5–8
GLEICHE BEITRÄGE – Studie zeigt: Gesundheitsversorgung durch die Sozialversicherung gut, weitere Verbesserungen möglich. Leistungen für die Versicherten weiter zu verbessern. Derzeit gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Krankenkassen. „Die Leistungen müssen für alle in Österreich lebenden Menschen gleich sein“, meinte auch Sozialminister Alois Stöger, der die Studie am 24. August präsentiert hat.
ZUSAMMENLEGUNG NICHT NÖTIG
Die Studie zeigt auch, dass es für Reformen weder Zerschlagung bestehender Strukturen noch Zusammenlegung einzelner Kassen braucht. Laut LSE ist die Zahl der Träger nicht relevant. „Auch Konzerne wie Siemens oder die ÖBB bestehen aus einzelnen Gesellschaften und werden nicht grundlos fusioniert“, sagt Erich Foglar, ÖGB-Präsident. Stattdessen sind inhaltliche Neuerungen, bessere Kooperation zwischen den Kassen und weniger Selbstbehalte notwendig. Die Leistungen müssen für alle Menschen in Österreich gleich sein.
Damit alle Kassen ihren Versicherten einheitliche Leistungen zur Verfügung stellen können, ist ein finanzieller Ausgleich zwischen den einzelnen Kassen notwendig. Denn manche Kassen haben Versicherte mit geringem Arbeitslosigkeitsrisiko, mit hohen Einkommen und daher konstant hohen Beitragseinnahmen, während andere überdurchschnittlich viele Versicherte mit sozialen und gesundheitlichen Problemen sowie viele Arbeitslose und PensionistInnen unter den Versicherten haben. Sie haben daher auch niedrige Beitragseinnahmen. Die Gesundheitsversorgung muss aber unabhängig von der Finanzlage der jeweiligen Krankenkasse sein. ❮
1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
DIE GESUNDHEITLICHE und soziale Versorgung in Österreich funktioniert gut. Das Gesundheitswesen in Österreich sichert 8,8 Millionen Menschen Zugang zu Leistungen auf hohem Niveau. Die Verwaltungskosten sind mit zwei Prozent deutlich niedriger als in vergleichbaren Ländern. Das ist das Ergebnis einer Studie, die von der London School of Economics and Political Science (LSE) erstellt wurde, einer der renommiertesten Universitäten der Welt. Aber es geht noch besser. Aus Sicht des ÖGB müssen nun die gut funktionierenden Strukturen genutzt werden, um die
FINANZIELLER AUSGLEICH ZWISCHEN KASSEN
NEUWAHL IN SCHWARZ-BLAU Durch Turbulenzen in der FPÖ kommt es 2002 zu Neuwahlen. Danach wird die seit 2000 bestehende Koalition von ÖVP und FPÖ weiter fortgesetzt. Nach einem rigorosen Sparkurs, dem Abbau sozialer Leistungen, Steuererhöhungen für den Großteil der Bevölkerung und der Beschneidung von Mitbestimmung wird mit den Plänen für massive Pensionseinschnitte und einer Privatisierungsoffensive staatlicher Beteiligungen für viele ÖsterreicherInnen der Bogen überspannt. Die
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Proteste dagegen erreichen 2003 mit Demonstrationen und Streiks ihren Höhepunkt.
Beispiele für Maßnahmen 2000–2004
• Erhöhungen: Spitalsselbstbehalte, Rezeptgebühren: +26 %, Autobahnvignette: +100 %, Krankenversicherung für Angestellte und PensionistInnen, Einführung Ambulanzgebühren, Studiengebühren. • Kürzungen: Krankengeld, Unfallrenten und Invaliditäts-
GLEICHE LEISTUNGEN! ÖGB-Forderungen für die Sozialversicherung: ›› GLEICHER BEITRAG – GLEICHE LEISTUNG – BEGRENZUNG VON SELBSTBEHALTEN • Einheitliche, hohe Leistungen für alle Krankenversicherten • Unterschiede zwischen Bundesländern, aber auch zwischen den Kassen einzelner Berufsgruppen sind zu beseitigen • Selbstbehalte sollen vermieden werden ›› BESSERE LEISTUNGEN FÜR DIE VERSICHERTEN • Bessere Betreuung der Versicherten durch Ausbau der Servicecenter • Längere Öffnungszeiten durch Einrichtung von Primärversorgungszentren • Bessere Leistungen durch Vertragspartner, z. B. Ärztinnen und Ärzte ›› FAIRE VERTEILUNG DER FINANZMITTEL IM SYSTEM • Manche Kassen haben Versicherte mit geringem Arbeitslosigkeitsrisiko, mit hohen Einkommen und daher konstant hohen Beitragseinnahmen • Andere haben überdurchschnittlich viele Versicherte mit sozialen und gesundheitlichen Problemen sowie viele Arbeitslose und PensionistInnen und daher niedrigere Beitragseinnahmen • Die Gesundheitsversorgung muss aber unabhängig von der Finanzlage der jeweiligen Krankenkasse sein • Steuermittel müssen daher zu den strukturschwächeren Kassen fließen ›› KOOPERATION ZWISCHEN DEN KASSEN, DOPPELGLEISIGKEITEN VERMEIDEN • Verpflichtende Abstimmung zwischen den Kassen, Bündelung von z. B. Personalverrechnung bei einer Kasse • Schnellere Entscheidungen durch einfachere Struktur des Hauptverbands • Dämpfung der (mit zwei Prozent ohnehin sehr niedrigen) Verwaltungskosten
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
›› QUALITÄT ERHÖHEN, DIGITALISIERUNG NUTZEN • Die elektronische Gesundheitsakte ELGA kann Medikamentenverschreibungen sicherer und Behandlungen besser machen sowie Doppelbefundungen und Mehrfachuntersuchungen verhindern. Das rettet Leben und senkt die Kosten.
ZEITGESCHICHTE
pensionen, Arbeitslosengeld, AMS-Mittel, Urlaubs- und Kündigungsentschädigungen durch höhere Besteuerung. • Pensionen: Zahlreiche Maßnahmen in drei Etappen – Ausdehnung und Erhöhung der Abschläge, lebenslange Durchrechnung, Kürzung von Witwen-, Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen, Verschlechterung der Pensionsanpassung, Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen Arbeitslosigkeit und langer Versicherungsdauer, neue Hacklerregelung ungenügend. 3443 l Oktober 2017
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Abstimmung im Nationalrat am 12. Oktober!
ENDE DER
UNGLEICHBEHANDLUNG
ARBEITERiNNEN/ANGESTELLTE? „SCHON LANGE fordern der ÖGB und die Gewerkschaften, Die Gleichstellung von ArbeiterInnen und Angestellten im Ar-
dass Arbeiter und Angestellte die gleichen Rechte bekommen sollen. Es ist daher sehr erfreulich, dass das Parlament noch vor der Wahl darüber abstimmen wird“, sagt Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, und fügt hinzu: „Jetzt besteht große Hoffnung auf ein Ende der Ungleichbehandlung. Dazu haben sich eigentlich alle Parlamentsparteien bekannt, ich erwarte also, dass sie am 12. Oktober auch alle entsprechend abstimmen.“
beitsrecht ist eine jahrelange Forderung der Gewerkschaften. Dabei darf es zu keinen Verschlechterungen für die Beschäftigten kommen. „In der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts sind einheitliche Regelungen für alle ArbeitnehmerInnen notwendig, die von einem Arbeitgeber wirtschaftlich abhängig sind und deren Arbeitsverträge auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen. Auch die Benachteiligung von Menschen mit freien Dienstverträgen muss bald ein Ende haben“, fordert Achitz. ❮
WO ES NOCH UNTERSCHIEDE GIBT – BEISPIELE ENTGELTFORTZAHLUNG BEI KRANKHEIT
Sowohl ArbeiterInnen als auch Angestellte bekommen für eine bestimmte Zeit ihren Lohn oder ihr Gehalt weiter bezahlt. Diese Zeit macht mindestens sechs Wochen aus und erhöht sich bei langer Betriebszugehörigkeit auf bis zu zwölf Wochen. Unterschiede gibt es in der Art der Berechnung: Bei Angestellten ist zwischen Erst- und Folgeerkrankung zu unterscheiden. Geht der/die Angestellte in den ersten sechs Monaten nach dem Gesundwerden erneut in Krankenstand, gilt das als Folgeerkrankung, und das Gehalt wird kürzer in voller Höhe weitergezahlt. ArbeiterInnen bekommen ihren Anspruch auf Lohnfortzahlung mit jedem neuen Arbeitsjahr.
PERSÖNLICHE DIENSTVERHINDERUNGSGRÜNDE
ArbeiterInnen und Angestellte, die aus persönlichen Gründen an der Arbeit gehindert sind (z. B. Naturkatastrophen, Arztbesuche, Gerichtsverhandlungen), bekommen Lohn/Gehalt weiter bezahlt. Angestellte haben diesen Anspruch auf jeden Fall, bei ArbeiterInnen kann der Kollektivvertrag (KV) festlegen, dass kein Anspruch besteht.
ENTGELTFÄLLIGKEIT
Für Angestellte ist das Gehalt spätestens am Monatsende zu zahlen. Bei ArbeiterInnen können vertraglich andere Regelungen vereinbart werden.
KÜNDIGUNGSTERMINE UND FRISTEN
Angestellte können mit einmonatiger Frist zum Monatsletzten kündigen. Im Arbeitsvertrag oder KV können allerdings der 15. und der Monatsletzte als weiterer Termin vorgesehen werden. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich mit sechs wöchiger Kündigungsfrist zum Quartalsende kündigen. Bei langer Betriebszugehörigkeit erhöht sich diese Frist auf bis zu fünf Monate. Für ArbeiterInnen gilt eine zweiwöchige Kündigungsfrist ohne Einhaltung eines Termins. Diese Regelung kann zum Nachteil der ArbeiterInnen abgeändert werden. Beispiel BauarbeiterKollektivvertrag: Bis zu einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren gibt es überhaupt keine Kündigungsfrist. 4
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SPIEL MIT DEM FEUER ... Wer die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern infrage stellt, will in Wahrheit die ArbeitnehmerInnen schwächen.
WAS DEIN LOHN/GEHALT MIT DER PFLICHTMITGLIEDSCHAFT ZU TUN HAT: Für 98 Prozent der ArbeitnehmerInnen gelten Kollektivverträge und damit auch Mindestlöhne. In Österreich sind etwa 98 Prozent der Dienstverhältnisse von kollektivvertraglichen oder ähnlichen Regelungen erfasst. Wie ist das gelungen? Durch das System der Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer. Dadurch, dass alle Unternehmer der entsprechenden Fachorganisation der Wirtschaftskammer angehören, gilt für diese auch immer der entsprechende Kollektivvertrag.
Ohne Pflichtmitgliedschaft könnten Unternehmen auch aus dem Kollektivvertrag austreten.
Wäre die Wirtschaftskammer eine Organisation mit freiwilliger Mitgliedschaft, so könnte sich ein Unternehmen aussuchen, ob es dazugehören will. Wenn das Unternehmen aus der Wirtschaftskammer austreten könnte, könnte es auch den Geltungsbereich des Kollektivvertrags verlassen. Ohne Kollektivvertrag könnten sie den Beschäftigten dann zahlen, was sie wollen. Und auch Zulagen sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld wären gefährdet.
Wenn kein Kollektivvertrag mehr gilt, leiden vor allem Menschen mit schlecht bezahlten Jobs.
Darunter leiden würden vor allem Beschäftigte in gewerkschaftlich weniger organisierten Branchen und Unternehmen – also dort, wo vermehrt schlecht ausgebildete und niedriger bezahlte Arbeitsplätze zu finden sind. Die Folge: weniger Solidarität, mehr gesellschaftliche Konflikte.
© Mirjam Reither
Die verpflichtende Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer ist das zentrale Element, das den Kollektivverträgen auch die nötige Reichweite verschafft. Wer die Pflichtmitgliedschaft infrage stellt, greift damit auch direkt die Lohnfestsetzung mittels Branchenkollektivverträgen an. ›› Um das österreichische System der sozialpartnerschaftlichen Lohnverhandlungen beneiden uns ArbeitnehmerInnen in vielen Ländern, und dank der gesetzlichen Mitgliedschaft in der WKÖ gelten die Kollektivverträge in so gut wie allen Unternehmen. ❮❮
Bernhard Achitz Leitender Sekretär des ÖGB 3443 l Oktober 2017
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OHNE KAMMERPFLICHT GIBT’S KEINEN KOLLEKTIVVERTRAG …
… DER
jährliche Lohnerhöhungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Montage-, Nacht- oder Schmutzzulage, Freizeittage bei Hochzeit oder Todesfall, bessere Kündigungsfristen und vieles mehr
REGELT.
AK: MEHR ALS NUR EINE SERVICEORGANISATION „Wir wollen die AK ja gar nicht abschaffen, aber sie muss einfach serviceorientierter werden. Beim ÖAMTC funktioniert das ja auch.“ Solche und ähnliche Argumente hört man immer wieder von GegnerInnen der AK. Aber zum einen sind Menschen keine Autos- man kann sie ja auch nicht irgendwo parken - und zum anderen ist die AK bereits enorm serviceorientiert (so wurden etwa 2016 mehr als 500 Millionen Euro für die Mitglieder erstritten). Den Konservativen geht es aber um etwas anderes, nämlich um das Zerschlagen einer starken Interessenvertretung für Beschäftigte. Durch Beratung, das Prüfen von Gesetzen, politische Stellungnahmen oder Studien setzt sich die AK für uns alle ein. „Ganz wesentlich war das bei den von schwarzblau geplanten Pensionsreformen Anfang der 2000er-Jahre. Sie konnte durch Demonstrationen der Gewerkschaftsbewegung und mithilfe der AK-ExpertInnen entschärft werden“, erinnert ÖGB-Präsident Erich Foglar. Sonst hätten die Pensionsverluste bis zu 40 Prozent ausgemacht!
AK IN ZAHLEN
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2016 haben die AK-ExpertInnen österreichweit rund 2 Millionen Beratungen durchgeführt, darunter mehr als 1.300.000 Beratungen in arbeits-, sozial- und insolvenzrechtlichen Fragen. Stark nachgefragt wird auch der KonsumentInnenschutz: Mehr als 372.000 suchten Rat und Hilfe. Die SteuerexpertInnen der AK gaben rund 206.000 ArbeitnehmerInnen Tipps, wie sie ihr Geld vom Finanzamt zurückholen können. Zusätzlich bietet die AK auch noch in anderen Bereichen Beratung an, etwa im Bildungsbereich.
532.000.000 © Fotolia/ Andrey Popov
Euro haben die Arbeiterkammern 2016 für ihre Mitglieder gebracht. 0,5 Prozent vom Bruttolohn zahlen die Mitglieder, im Schnitt weniger als 7 Euro im Monat. Maximal sind es 14,44 Euro.
DIE LANGE GESCHICHTE DER ANGRIFFE AUF DIE AK
Angriffe auf die Arbeiterkammer sind nichts Neues. Immer wieder wurde versucht, die Interessen der ArbeitnehmerInnen zu schwächen, wie Brigitte Pellar, Historikerin mit Schwerpunkt AK- und Gewerkschaftsgeschichte, im Arbeit&Wirtschaft-Blog schreibt: „Immer wenn der demokratische Sozialstaat unter Beschuss geriet, ob durch die autoritär-faschistische Politik der Zwischenkriegszeit oder den Neoliberalismus des 21. Jahrhunderts, waren die Arbeiterkammern zusammen mit den Gewerkschaften im Visier.“ Mehr lesen: https://goo.gl/n4AFNW
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AK-Mitglieder zahlen keine Beiträge, haben aber trotzdem Zugriff auf die vollen Leistungen. Das sind zum Beispiel Menschen, die Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Krankengeld beziehen, Eltern in Karenz, Lehrlinge, Präsenz- und Zivildiener, geringfügig Beschäftigte.
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Gesetze und Verordnungen auf Landesebene und 345 auf Bundesebene hat die AK begutachtet und ihre Stellungnahme dazu abgegeben. Dadurch gelingt es immer wieder, Verbesserungen für die ArbeitnehmerInnen zu erreichen. AK-Leistungsbilanz 2016: https://goo.gl/me9Ln4
Niedrigere Steuereinnahmen bedeuten auch weniger Geld für Sozialstaat, Gesundheitssystem und Bildung.
NIEDRIGERE STEUERQUOTE ≠ MEHR GELD ZUM LEBEN! Wer „weniger Steuern“ verspricht, verschweigt drohende Sparpakete.
ÖSTERREICH HAT DIE vierthöchste Steuer- und Abgabenquote in der EU. Das klingt erst einmal danach, als ob wir alle zu viel Steuern zahlen müssen. Für neoliberale Populisten Grund genug, nach Steuersenkung zu schreien: Die Steuerquote soll unter 40 Prozent gedrückt werden! Aber Achtung: „Wer von ‚weniger Steuern‘ spricht, sagt meist nur die halbe Wahrheit, denn die daraus folgenden Sparpakete bleiben unerwähnt. Niedrigere Steuereinnahmen bedeuten auch weniger Geld für Sozialstaat, Gesundheitssystem und Bildung“, sagt Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB. Hingegen habe der ÖGB bei der Forderung nach Lohnsteuerentlastung immer auch eine entsprechende Gegenfinanzierung gefordert, etwa durch Besteuerung von großen Vermögen und Erbschaften. BLEIBT DEN MENSCHEN IN LÄNDERN MIT NIEDRIGER QUOTE MEHR GELD ZUM LEBEN? Die Steuer- und Abgabenquote enthält nicht nur Steuern, sondern zum Beispiel auch Beiträge zur Sozialversicherung – allerdings nur Pflichtbeiträge an öffentliche Institutionen. Wenn
ein Staat nun kein öffentliches Pensionssystem hat, sondern die Menschen gezwungen sind, privat für das Alter vorzusorgen, dann hat dieses Land auf dem Papier eine niedrigere Abgabenquote. „Mehr Geld zum Leben bleibt den Menschen dadurch aber natürlich nicht“, sagt Achitz.
STEUER- UND ABGABENQUOTE SAGT NICHTS ÜBER EFFEKTIVE BELASTUNG DER MENSCHEN AUS Es gibt Staaten, die erst Steuern und Abgaben einheben, um mit den Steuereinnahmen Sozialleistungen zu finanzieren, die dann den Menschen zur Verfügung gestellt werden, entweder allen oder denjenigen mit besonderem Bedarf. Andere Staaten hingegen unterstützen einzelne Menschen, indem sie ihnen gezielt Steuerermäßigungen gewähren, zum Beispiel in Form von Steuerfreibeträgen für Familien. (Vom zweiten Modell profitieren nicht unbedingt diejenigen, die es nötig hätten, sondern diejenigen, die genug verdienen, um Steuern zahlen zu können.) Im ersten Fall ist die Abgabenquote höher, im zweiten Fall niedriger – über die effektive Belastung der Menschen sagt das jedoch gar nichts aus.
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Um einer korrekten Besteuerung zu entgehen, sind internationale Konzerne besonders kreativ. Ganz legal und auf dem Boden der Gesetze, wie sie versichern. ES SIND UNZÄHLIGE MILLIARDEN Euro, die den Volkswirt-
schaften und damit den Menschen durch die Steuertricks der großen Konzerne entgehen. In den vergangenen Jahren ist einiges an die Öffentlichkeit gedrungen – nur die Spitze des Eisbergs: • Einzelne Staaten und die EU-Kommission wollen Steuerschlupflöcher für US-Konzerne in Europa stopfen. Im August 2016 wurde Apple von der EU-Kommission angewiesen, rund 13 Milliarden Euro an Steuern nachzuzahlen. Sie beschuldigt das Unternehmen, allein 2014 auf seine in Europa erzielten und in Irland gebündelten Gewinne nur 0,005 Prozent Steuern gezahlt zu haben. Der irische Staat und das Unternehmen fechten diese Entscheidung allerdings derzeit juristisch an. • Der US-Internetkonzern Google kommt um eine Steuernachzahlung in Milliardenhöhe in Frankreich wohl herum. Ein Gericht in Paris urteilte, die GoogleTochter Google Ireland Limited, die Werbeanzeigen auch für den französischen Markt verkauft, sei in Frankreich nicht steuerpflichtig. Die Richter folgten damit der Argumentation von Google. • Ende Dezember 2014 hatte Apple eine Zahlung von 318 Millionen Euro akzeptiert, um einem Verfahren wegen Steuerbetrugs in Italien zu entgehen. Die italienischen Steuerbehörden hatten Apple vorgeworfen, zwischen 2008 und 2013 keine Steuern auf seine Gewinne gezahlt zu haben. 10
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• In Deutschland gerieten nun eBay und Amazon in den Verdacht, beim Onlinehandel rund 800 Millionen Euro pro Jahr zu hinterziehen. Übrigens: Amazon bietet aktuell 17 Bücher zum Umsatzsteuerbetrug „mit besonderer Berücksichtigung der deutschen und österreichischen Gesetzgebung“ an. In einer Anfragebeantwortung des Finanzministeriums in Nordrhein-Westfalen (NRW) heißt es: „Eine Schätzung, in dem nur der Umsatzsteuerschaden, der sich aus dem Betrug durch den Onlinehandel ergibt, ausgewiesen wird, ist nicht bekannt. Bekannt ist, dass sich der gesamte Umsatzsteuerschaden in der EU nach Schätzungen auf 160 Milliarden Euro beläuft.“ Durch die Digitalisierung werden die Finanzverwaltungen bei der Steuerbetrugsbekämpfung vor viele neue Herausforderungen gestellt. „Die Geschäftsmodelle von Apple, Amazon, Airbnb, Google & Co führen uns Probleme vor Augen, mit denen wir in der Vergangenheit nicht in dieser Schärfe konfrontiert waren“, sagte Professor Georg Kofler von der Universität Linz bei einer Veranstaltung der AK. „Mobile Nutzer, mobile Geschäftsmodelle, Netzwerkeffekte und Sharing Economy machen deutlich, dass die klassischen Steuersysteme, die auf Betriebsstätten und anderen territorialen Anknüpfungspunkten fußen, nicht mehr alle Geschäfte erfassen können. Mögliche Lösungsansätze, ob und wie das Steuerrecht auf diese Herausforderungen reagieren soll, werden derzeit sowohl auf Ebene der OECD und der Europäischen Union als auch in den verschiedenen Staaten diskutiert. Manche Staaten, wie etwa Großbritannien und Australien, reagieren mit eigenen Steuern auf ‚verschobene‘ Gewinne, andere Staaten, wie etwa Frankreich oder Indien, versuchen etwa, Online-Umsätze mit VerbraucherInnen oder Online-Werbung steuerlich zu erfassen“, so Kofler.
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ST UERFREI
BUCHTIPP: DER BETRIEBSRAT IN AKTION „In der Hoitzhittn GmbH im Waldviertel brennt der Hut …“ Gerade mal ein halbes Jahr ist der Betriebsrat in seiner Funktion, schon erfährt er, dass Teile der Produktion geschlossen und Arbeitsplätze nach Tschechien und in die Crowd verlagert werden sollen. Gleichzeitig stehen Entlassungen im Raum und die Beschäftigten haben allerhand Fragen zu Mutterschutz, Mobbing, Versetzung, Gehaltseinstufung, Invaliditätspension etc.
Praxisfall Sozialakademie Dieses Buch fasst praktisch und unterhaltsam den einwöchigen Praxisfall an der Sozialakademie zusammen. Im Mittelpunkt steht die fiktive Geschichte des Betriebsrats der Hoitzhittn GmbH, gespielt von den TeilnehmerInnen der Sozialakademie. BetriebsrätInnen finden in diesem Werk Strategien, Entscheidungshilfen und handwerkliche Tipps, welche sie in ihrer Professionalität im Umgang mit Medien, mit der Geschäftsführung und den Beschäftigten unterstützen. Gleichzeitig ist das Buch dank des pädagogischen Konzepts und des Ablaufplans ein Leitfaden für alle, die selbst einen Praxisfall durchführen möchten. Der klar strukturierte Aufbau, Checklisten, Analysen und zahlreiche Profi-Tipps machen das Buch zu einem leicht verständlichen Wissenswerk. Die packende Geschichte verlockt zum Mitfiebern mit dem Betriebsrat – ein bereicherndes Lesevergnügen. Der Betriebsrat in Aktion Vom Lernen ins Tun – der SOZAK-Praxisfall Hrsg.: Brigitte Daumen, Helga Hons, Markus Oberrauter, Georg Sever
180 Seiten, 1. Auflage, 3. Juli 2017 ÖGB-Verlag, ISBN: 978-3-99046-306-2 Preis: 29,90 Euro Online bestellen: http://bit.ly/2tJtt3W
BELEGSCHAFTSVERTRETER
AM WORT
JOHANN PACHTROG,
Diplomierter Gesundheits- und Kranken pfleger, seit 2011 Betriebsratsvorsitzender
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Es gibt nichts Schlechteres als einen Verlierer. JOHANN PACHTROG
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Meine Aufgabe als Betriebsrat liegt in der Beratung und Unterstützung aller DienstnehmerInnen unseres Krankenhauses. KollegInnen aus der Pflege berichten mir täglich, unter welch enormem Druck und Ressourcenknappheit sie ihr Tagwerk vollbringen. Ein Anliegen für mich ist die Konsensfindung zwischen ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebern. Es müssen sowohl finanzielle als auch gesellschaftliche Anreize gesetzt werden, damit der Pflegeberuf die nötige Anerkennung erfährt. Aufgrund des immensen Bedarfs an Pflege braucht es mehr Investitionen in das Gesundheitssystem, damit die hervorragende Arbeit der PflegerInnen aufrechterhalten werden kann. Außerdem brauchen Pflegekräfte ausreichend Zeit, um sich zu erholen. ❮
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7,5 Prozent bei kika/Leiner, 10 Prozent auf stromsparende LEDs, 10 Prozent auf Brillen und Kontaktlinsen, 20 Prozent auf ausgewählte Veranstaltungen im Wiener Metropol und vieles mehr: Mit der ÖGB-Card erhalten Mitglieder tolle Angebote und profitieren von vielen Ermäßigungen auf verschiedene Einkaufs-, Kultur- und Bildungsangebote sowie auf Freizeitveranstaltungen und Urlaube. Einfach im Geschäft oder beim Check-in die Mitgliedskarte vorweisen. Ein Überblick über die Angebote, die für alle Gewerkschaftsmitglieder gelten, bietet die ÖGBCard-Vorteilsplattform. Hier kann man auch die Angebote nach Region filtern. Mehr Informationen: preisvorteil.oegb.at 3443 l Oktober 2017
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INFOGRAFIK WETTBEWERBSFÄHIGKEIT:
ÖSTERREICH STEHT GUT DA
IMMER WIEDER JAMMERN
Unternehmer über hohe Löhne und Lohnnebenkosten. Die Arbeitskosten allein sagen aber nichts darüber aus, wie wettbewerbsfähig die Wirtschaft eines Landes ist, denn sie berücksichtigen die Produktivität der Arbeit nicht. Aus diesem Grund werden bei internationalen Vergleichen nicht die Arbeitskosten, sondern die Lohnstückkosten (Arbeitskosten je Produktionseinheit) herangezogen – und da steht Österreich gut da. Das belegt eine vom WIFO für den Sozialpartner-Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen erstellte Studie. Mehr im Arbeit&WirtschaftBlog: https://goo.gl/6gYvwD. ❮ Quelle: WIFO 2017, Entwicklung und Struktur der Arbeitskosten und der Lohnstückkosten 2000 bis 2015, S. 57.
NACHRICHTENDIENST ZVR-Nummer: 576439352
Herausgeber: ÖGB, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Leitung: Alexa Jirez, Christoph Höllriegl Redaktion: Amela Muratović, Florian Kräftner, Franz Fischill, Dietmar Meister, Friederike Scherr Alle: 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1 Tel.: 01/534 44-39263, Fax: 01/534 44-39916, E-Mail: presse@oegb.at Medieninhaber und Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1
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