ÖHV-Positionspapier: Tourismus 4.0 auch für den Arbeitsmarkt

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Tourismus 4.0 auch fĂźr den Arbeitsmarkt Ă–HV-Positionen zum Arbeitsmarkt

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ÖHV-POSITIONEN ZUM ARBEITSMARKT

Steigender internationaler Wettbewerb, Nachfrageschwankungen, anspruchsvollere Kunden und neue Technologien fordern mehr Flexibilität und Kompetenz von Hoteliers und Mitarbeitern. Absolut kontraproduktiv sind die als „Initiative zur gerechten Arbeitsverteilung“ getarnten Forderungen von Gewerkschaft und Arbeiterkammer nach 36-Stunden-Woche, sechster Urlaubswoche, ÜberstundenEuro, Bonus-Malus-System etc. Mitarbeiter sind das Um und Auf in der Hotellerie. Top-Service und qualifizierte Mitarbeiter werden immer mehr zum Wettbewerbsvorteil. Das drückt sich auch in einer langjährig positiven Entwicklung aus: Es arbeiten immer mehr Menschen im Tourismus, das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Einkommen nähert sich von Jahr zu Jahr dem in wetterunabhängigen Branchen. Die Hotellerie muss sich im internationalen Wettbewerb behaupten. Um den Unternehmern Handlungsspielraum zu geben, müssen Rahmenbedingungen flexibel gestaltet werden. Das Arbeitsrecht entspricht noch immer weder den Anforderungen des 21. Jahrhunderts noch denen der global vernetzten Arbeitswelt oder den Bedürfnissen weltweit gereister Gäste. Alarmzeichen, die Handlungsbedarf signalisieren: Beim World Competitiveness-Index ist Österreich seit 2007 kontinuierlich vom 11. auf den 26. Platz gefallen! Seit Jahren liegt Österreich mit seiner Abgabenquote auf Arbeit im Spitzenfeld der OECD-Staaten. Laut aktuellem Tourismusbericht bleibt die Tourismusnachfrage seit dem Jahr 2000 hinter der gesamtwirtschaftlichen Dynamik zurück. Bei den am meisten problematischen Faktoren für die unternehmerische Tätigkeit werden an erster Stelle einschränkende Arbeitsrechtsbestimmungen genannt. Die Hotellerie braucht Entlastungen und Flexibilität statt neuer Belastungen. Erste Verbesserungen konnten bei den Kollektivvertragsverhandlungen 2015 erzielt werden: Sechs Beschäftigungsgruppen, 26 Wochen Durchrechnungszeit für Ganzjahresbetriebe, die Zusage zu acht Stunden Nachtruhe. Sprachliche Gleichstellung: In diesem Fact-Sheet werden nur die männlichen Formen angeführt, die weiblichen sind darin inkludiert.

Kontakt: Dr. Markus Gratzer ÖHV-Generalsekretär T: +43 1 533 09 52 0 office@oehv.at www.oehv.at

Wien, im Oktober 2015

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ÖHV-POSITIONEN ZUM ARBEITSMARKT Senkung der Lohnnebenkosten Österreich liegt im OECD-Ranking der 34 Länder mit der höchsten Abgabenlast mit 49,4 % auf Platz 2. Der Anteil von Steuern und Abgaben an den Gesamtarbeitskosten stieg im Jahresvergleich um 0,17 %. Damit verzeichnete Österreich im deutschsprachigen OECD-Raum die höchste Steigerung1. Österreich hat seine Sozialbeiträge aus der Hochkonjunktur nie kritisch evaluiert. Beitragssätze werden seit Jahrzehnten nicht dem sinkenden Bedarf angepasst, so provozierte Überschüsse zweckentfremdet. So häufte sich ein Einsparungspotenzial von mehr als 2 Mrd. Euro pro Jahr an. REALISTISCHES EINSPARUNGSPOTENZIAL: Wohnbauförderung

844 Mio. Euro

Senkung Unfallversicherungsbeitrag von 1,3 % auf 1,2 %

94 Mio. Euro

Senkung Beitrag Familienlastenausgleichfonds von 4,5 % auf 3 %

830 Mio. Euro

Senkung Insolvenzentgeltfonds-Beitrag von 0,45 % auf 0,25 %

157 Mio. Euro

Senkung Krankenversicherungsbeitrag von 3,83 % auf 3,63 %

142 Mio. Euro

Summe

2.067 Mio. Euro

Diese Entlastung ist angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der hohen Belastung von Arbeit mehr als notwendig. Die von Regierung und Sozialpartnern präsentierte Senkung um 0,6 % bis 2018 reicht nicht einmal aus, um die Mehrbelastungen aus der Lohnsteuersenkung auszugleichen. Hier sind größere Anstrengungen notwendig. Daran werden alle Beteiligten zu messen sein. Eine Lohnnebenkostensenkung würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern, neue Arbeitsplätze schaffen, den Wirtschaftsstandort stärken und den Unternehmern Spielraum für notwendige Investitionen bringen. Wie notwendig das ist, zeigt die aktuelle Mitgliederbefragung ÖHVInside: 44,64 % der Betriebe reduzieren ihre Investitionen.

Flexiblere Arbeitszeiten Mitarbeiter sollen nicht mehr arbeiten, sondern dann eingesetzt werden können, wenn sie vor Ort benötigt werden. Dem sind gewisse gesetzliche Grenzen zu setzen, die geltenden jedoch in einer sachlichen Diskussion auf Praxisnähe zu überprüfen. Damit die Teams flexibler mit Überstunden- oder Urlaubsauf- bzw. -abbau reagieren können. Verkürzung der Nachtruhezeit Hoteliers benötigen ihre Mitarbeiter in erster Linie zu den klassischen Spitzenzeiten, zum Abendessen bzw. danach und zum Frühstück. Das ist mit der bisher vorgeschriebenen Nachtruhezeit von 11 Stunden in vielen Fällen nicht kompatibel. Die nun erzielte Einigung auf eine Nachtruhezeit von acht Stunden für Mitarbeiter, die direkt am Arbeitsort wohnen, und Mitarbeiter mit Tagesruhezeiten bei geteilten Diensten ist ein Meilenstein. Notwendige Änderungen im Arbeitszeitgesetz müssen nun dringend umgesetzt werden, damit Rechtssicherheit herrscht. 1

Quelle: Wirtschaftsblatt nach Studie zum Lohnsteuersystem der Mitgliedsländer der Industrieländer-Organisation OECD (Werte für alleinstehende Durchschnittsverdiener), publiziert im April 2015

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ÖHV-POSITIONEN ZUM ARBEITSMARKT Verlängerung der täglichen Arbeitszeit Mit der gesetzlichen Tageshöchstarbeitszeit von zehn Stunden können saisonale Spitzen, vor allem aber Veranstaltungen wie z.B. Silvesterveranstaltungen oder Hochzeiten nicht abgedeckt werden. Für Ausnahmefälle ist eine Anhebung auf 12 Stunden notwendig und praktikabel. Die Grenze für die tägliche Normalarbeitszeit soll von 9 auf 10 Stunden angehoben werden. Erst Arbeitsleistungen ab 10 Stunden sollen zuschlagspflichtige Überstunden sein. Sonstige Zuschläge sollen in Kollektivverträgen geregelt werden. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit von grundsätzlich 55 Stunden soll bleiben. Derzeitige gesetzliche Voraussetzungen:

Aus dem ÖHV-Leitfaden Arbeitsrecht. Download im Mitgliederbereich unter www.oehv.at. Was noch zu tun bleibt:  Der flexiblere Einsatz von Aushilfen ist ein gemeinsames Anliegen von Hoteliers und Mitarbeitern.  Die kürzlich etwas erleichterten Aufzeichnungspflichten müssen weiter reformiert werden – nehmen wir uns ein Beispiel an Deutschland!

Keine neuen Belastungen Kein Bonus-Malus-System Arbeitgeber im Tourismus schaffen neue Arbeitsplätze über alle Altersgruppen. Lohnnebenkosten müssen gesenkt, nicht ein System durch das andere ersetzt werden. Das Bonus-Malus-System schafft keinen Arbeitsplatz. Im Gastgewerbe liegt die Altersarbeitslosigkeit sogar unter der der 25- bis 49-Jährigen, trotz eines erwiesenermaßen hohen Anteils junger Beschäftigter in vielen Bereichen der Gastronomie. Beherbergung und Gastronomie haben laut IHS-Studie im Auftrag des BMASK nicht einmal halb so viele Altersarbeitslose wie die unternehmensnahen Dienstleister - deutlich weniger Altersarbeitslose als im Gastgewerbe gibt es nur im staatlichen Bereich wie Verwaltung, Unterricht bzw. Gesundheits- und Sozialberufe. Das System muss Anreize schaffen, um ältere Mitarbeiter aktiv im Arbeitsprozess zu halten bzw. zu beschäftigen – nicht Belastungen, die diese aus dem Arbeitsmarkt drängen. Seite 3 / 6

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ÖHV-POSITIONEN ZUM ARBEITSMARKT Keine 6. Urlaubswoche, keine Arbeitszeitverkürzung, kein Überstunden-Euro Die Erhöhung des Urlaubsanspruchs würde die Lohnnebenkosten weiter erhöhen – ist also eindeutig kontraproduktiv! Rufe der Gewerkschaft danach oder nach einer Arbeitszeitverkürzung bringen keine nachhaltigen Lösungen, sondern verunsichern Unternehmen weiter und kosten damit in einer Situation der Rekordarbeitslosigkeit Jobs und Wachstum. Eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich senkt die die Arbeitslosigkeit nicht, durch Umverteilung mehr Jobs zu schaffen funktioniert in der Praxis nicht. Internationale Beispiele haben das bereits entsprechend gezeigt. Keine Mindestlohndiskussion Der Lohnbenchmark Hotellerie2 beweist: Top-Betriebe zahlen besser. Überdurchschnittlich gestiegen sind die Löhne und Gehälter mit Rekord-Erhöhungen der Kollektivvertragslöhne in den letzten Jahren. Sie bieten eine Reihe weiterer Benefits wie Vorsorgekassen, Zusatzversicherungen, bessere Schulungen, Betriebskindergärten und vieles mehr. Lohnbenchmark Winter 2015 Der langjährige Trend, sinkende Arbeitszeit pro Woche bei steigenden Brutto-Löhnen setzt sich auch im Winter 2015 fort, verliert zuletzt aber minimal an Dynamik.  In den Top-Winter-Destinationen stagnierten zuletzt sowohl die Arbeitszeit pro Woche als auch die Überstunden pro Monat. Das Lohn-Niveau legte um rd. 2,25 % zu.  Österreichweite Bruttolohn-Steigerungen pro Arbeitsstunde auf zwischen + 2,0 % bis 3,5 % (Ø 2,4 %) bei stabilen Arbeitszeiten bei allen Qualifikationsgruppen.

Angaben brutto für 40 Stunden pro Woche

Weg mit der Auflösungsabgabe Die Auflösungsabgabe verteuerte befristete Dienstverträge gezielt. Der Tourismus als mitarbeiterintensive, saisonabhängige Branche ist massiv betroffen und wird für fehlende Nachfrage in der Nebensaison zusätzlich bestraft. Sie muss ersatzlos gestrichen werden.

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Eine Kooperation von ÖHV, Kohl&Partner und dp Personal Software/contco

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ÖHV-POSITIONEN ZUM ARBEITSMARKT Arbeitsmarktpotenziale Rot-Weiß-Rot-Karte „Die Rot-Weiß-Rot-Karte wurde mit Juli 2011 eingeführt. Sie ist ein Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige, die ... als Fachkräfte in einem Mangelberuf in Österreich arbeiten wollen; Ersatzkraftverfahren verpflichtend.“3 Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist zu überdenken: Sie entspricht weder den Anforderungen der Branchen, die in Österreich Arbeitsplätze schaffen, noch denen der potenziellen Arbeitnehmer. Unter den Top-Ten der meistgesuchten Berufe in Österreich dominieren seit Jahren Tourismusberufe, ergänzt durch Handel und Gewerbe.

Meistgesuchte Berufe 1. Halbjahr 2015 lt. AMS Kellner/innen

14.000

Gaststättenköch(e)/innen

10.400

Reinigungskräfte

9.900

Verkäufer/innen

7.700

Warensortierer/innen

7.500

Hilfsarbeiter/innen

6.000

Elektroinstallateur(e)/innen

5.100

Verkäufer/innen Lebensmittel

5.000

Kraftfahrer/innen

5.000

Kochgehilf(en)/innen

4.900

AMS-Gremien und Nationalrat haben die Kriterien für die Rot-Weiß-Rot-Karte so festgelegt, dass sie der Großteil der benötigten Arbeitskräfte nicht erfüllt – es wurde am Bedarf vorbei reguliert. Der Markt an Köchen ist in Österreich mittlerweile ausgetrocknet, aber in der Mangelberufsliste finden sich in erster Linie andere Berufe. Die Verdienstuntergrenzen4 orientieren sich an anderen Branchen. Wir brauchen die Saisoniers aus Drittstaaten Als Branche mit internationalen Gästen sind für die Hotellerie internationale Mitarbeiter selbstverständlich, und auch notwendig. Durch die EU-Öffnung können viele der schon langjährig beschäftigten, aber auch neuen Mitarbeiter aus den EU-Staaten ohne bürokratische Hindernisse bei uns arbeiten. Die Hotellerie benötigt weiterhin auch Mitarbeiter aus Drittstaaten (Saisoniers) – davon sind viele schon Stammmitarbeiter, auch in Vertrauenspositionen. Auf dieses Potenzial kann nicht verzichtet werden. Kontingent für die befristete Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften Seit der Ostöffnung der EU werden die Kontingente kontinuierlich und stark gesenkt.

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Quelle: AMS Salzburg Gesetzlich festgelegtes Mindestentgelt 2015: 2.790 Euro für über 30-Jährige bzw. 2.325 Euro für unter 30-Jährige pro Monat zuzüglich Sonderzahlungen 4

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ÖHV-POSITIONEN ZUM ARBEITSMARKT

Winter 2013/14: bis 31. Dezember 2013: 1.780 /ab 01. Jänner 2014: 1.460

Hoteliers wollen Flüchtlingen die Chance geben, zu arbeiten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fordert: Arbeiten dürfen ab dem ersten Tag. Das soll nun rasch in nationales Recht umgesetzt werden. Arbeitsminister Hundstorfer zeigt sich dem gegenüber offen, das ist ein wichtiges Signal, auch die Gewerkschaft vida hat sich angeschlossen. Die ÖHV-Betriebe als Arbeitgeber setzen auf die Unterstützung der gesamten Bundesregierung. Es brächte für alle Seiten Vorteile:  Offene Stellen in mitarbeiterintensiven Branchen können besetzt werden.  Asylwerber können ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.  Wertschöpfung, Steuern, Sozialversicherungsbeiträge steigen - Sozialausgaben sinken. Arbeitsplätze für Inländer sind dadurch nicht gefährdet, denn die Flüchtlinge stellen 0,11 % der EUBevölkerung, und seit Jahren sind trotz hoher Arbeitslosigkeit viele Stellen zu besetzen. Kollektivverträge und Arbeitszeitgesetz gelten selbstverständlich uneingeschränkt. Es geht der Hotellerie auch nicht um Förderungen für zu beschäftigende Flüchtlinge. Was noch zu tun bleibt:  Die Zumutbarkeitsbestimmungen müssen neu definiert werden. Berufs- und Entgeltschutz sowie die zumutbare Wegstrecke sind zu überdenken.

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