Vliesstoffe
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von Spinnvliesanlagen unter Berücksichtigung der Produktbreite Der Preisdruck auf die Produktion von Spinnvliesprodukten nimmt trotz steigender Nachfrage stetig zu. Eine Möglichkeit zur Kostensenkung ist die Verbreiterung von Anlagen. Breitere Anlagenkonzepte bedingen andere technische Lösungen, die aber auch diverse technisch-kommerzielle Vorteile mit sich bringen. Dirk Laukien Oerlikon Neumag, Neumünster
Technische Betrachtung Für ein nicht breitenlimitiertes Anlagendesign ist es notwendig eine Segmentierung der Anlage vorzunehmen. Von entscheidender Wichtigkeit ist hierbei, dass die Segmenttrennung so gestaltet wird, dass diese keinen Einfluss auf die Produkteigenschaften hat. Durch die Segmentierung bzw. der Berücksichtigung der Effekte zwischen den Segmenten, werden auch gleichzeitig Randeffekte minimiert, wie z.B. Tropfer oder zum Rand hin langsam abnehmende Flächengewichte. Üblicherweise wird der Teil des Produkts, der Randeffekte beinhaltet separiert und später recycelt. Die Komponenten einer Spinnvliesanlage sind: - Rohstoffhandling, - Extrusion, - Spinnequipment, - Abkühleinrichtung, - Verstreckeinrichtung, - Formiertisch mit Vakuumbox, - Thermobondierkalander, - Wickler, - Umwickler. Rohstoffhandling und Extrusion Die Komponenten für das Rohstoffhandling und die Extrusion sind in nahezu beliebigen Größen und Durchsätzen beschaffbar. Spinnequipment Das Spinnequipment der Oerlikon Neumag Technologie ist in Segmentbreiten von etwa 150 mm geteilt. Jedes Segment wird hierbei von einem individuellen Auslass einer Planetenradpumpe mit Polymer gespeist. Für eine gleichmäßige Verteilung werden ab der Spinnpumpe die Polymerströme für jedes Segment geteilt und separat zum Spinnpaket 74
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geleitet. Erst im Spinnpaket unmittelbar vor der Spinnplatte treffen die Ströme wieder zusammen. Entscheidend ist hierbei, dass alle Schmelzströme die exakt gleiche „Historie“, d.h. eine nahezu identische Temperatur und Verweilzeit haben. Geringfügige Unterschiede können das Polymer verschieden altern lassen und zu veränderten Schmelzviskositäten führen. Erst unmittelbar vor den Kapillarbohrungen findet ein Druckausgleich statt, so dass eventuelle Unterschiede in den Drücken hydraulisch ausgeglichen werden. Die nahezu identische Temperatur und Verweilzeit für die Durchströmung aller Kapillarbohrungen sorgt für eine äußerst gleichmäßige Titerverteilung vom ersten bis zum letzten Düsenloch und damit gleichmäßige Abkühl- und Verstreckeigenschaften. Abkühleinrichtung Unterhalb der Spinndüse werden die Filamente durch eine Anblasung mit Kaltluft abgekühlt. Die Schmelze erstarrt bei diesem Vorgang zu Filamentgarnen. Die Abkühlluft muss äußerst gleichmäßig über die gesamte Breite dem Faserbündel zugeführt werden. Kleinste Geschwindigkeitsoder Temperaturschwankungen haben Instabilitäten im Prozess zur Folge. Die Konstruktion der Anblasbox ist so gestaltet, dass vor dem Zusammentreffen mit dem Faserbündel die Luft durch feine Siebe vergleichmäßigt wird, um eventuelle Unterschiede in der Luftführung auszugleichen. Verstreckeinrichtung Die Verstreckeinrichtung, die sog. Abzugsoder Verstreckdüse hat die Aufgabe, die Filamente in die Länge zu ziehen, so dass sich ein definiertes Verhältnis zwischen Austrittsgeschwindigkeit aus der Kapillare und Filamentgeschwindigkeit ergibt. Dieses Verhältnis ist für den Einzelfaserdurchmesser verantwort-
lich. Hierbei handelt es sich um ein System, das Luftströmungen über eine Breite definiert zuführen muss. Die Konstruktion der Düse muss so gestaltet sein, dass keine Trenneinrichtungen den Luftstrom behindern und eine Segmenttrennung sichtbar machen. Dies wird durch Kleinstsegmente von 20 mm Länge erreicht, die sich bis zum Düsenaustritt wieder vergleichmäßigen. Formiertisch mit Vakuumbox Der Formiertisch kann durch entsprechende Dimensionierung der Walzen nahezu jeder beliebigen Breite angepasst werden. Entsprechende Maschinen mit bis zu 12 m Breite sind aus der Papierindustrie bekannt. Die Vakuumbox hat die Aufgabe, die Einzelfilamente, die auf das Band auftreffen, zu fixieren und dadurch das Vlies zu formen. Diese Aufgabe erfordert eine große Gleichmäßigkeit für Druck und Luftstrom, da ein ungleichmäßiges Ablagebild Qualitätsminderungen zur Folge hätte. Bei dem aktuellen Design von Oerlikon Neumag wird eine Vergleichmäßigung des Luftstroms durch eine Umlenkung in Maschinenrichtung erreicht, bevor zur Seite abgesaugt wird. Der besondere Vorteil ist hierbei, dass dieses Design nicht die Bauhöhe des Webformers vergrößert, und so der Bediener ohne Hilfsmittel wie Tritte oder Podeste auf den Webformer schauen kann, um sich mit einem Blick über den Zustand der Produktion zu informieren. Thermobondierkalander, Wickler und Umwickler Diese Komponenten sind seit langem in Breiten bis zu 12 m aus der Papierindustrie bekannt. Der Anspruch an den Lieferanten dieser Komponenten liegt in einer Vereinfachung der Technologie, um der angespannteren Preissituation der Vliesstoffindustrie Rechnung zu tragen. Dies ist von der Zuliefererindustrie erfolgreich umgesetzt worden, so dass entsprechende Maschinen am Markt verfügbar sind. Kommerzielle Betrachtung Die Produktionskosten einer Spinnvliesanlage können auf verschiedenen Wegen er-
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mittelt werden. In der Abbildung wurden folgende Kostenarten zu Grunde gelegt: - Polymerkosten, - Investmentkosten, - Abfallkosten, - Energiekosten, - Personalkosten, - Downtimekosten. Polymerkosten Die Polymerkosten bilden mit etwa 65 % den größten Anteil der Herstellungskosten. Es gibt zwei Ansätze zur Rohmaterialeinsparung. In beiden Fällen bietet die Oerlikon Neumag-Technologie Vorteile: - gleichmäßige Produktion, - Verarbeitung von weniger veredeltem Polymer. Aufgrund des segmentierten Anlagendesigns werden sehr gleichmäßige Flächengewichte über die Breite erreicht . So kann eine Flächengewichtsverteilung von unter 3% mühelos erreicht und unterboten werden. Geringere Schwankungen in den Produkteigenschaften, bei denen auch das Minimum innerhalb der Spezifikation liegen muss, können Einsparungen in der Produktion von 2-3% zur Folge haben. Eine äußerst gleichmäßige Polymerverteilung, Temperatur und Kühlluftgeschwindigkeit machen es möglich, die Prozesse sehr viel feiner abzustimmen, als dies in nicht-segmentierten Lösungen möglich ist. Dies wiederum ermöglicht den Einsatz von Materialien mit einer breiten Molekulargewichtsverteilung, die nicht so stark von den Rohstoffproduzenten stabilisiert werden müssen. Hierdurch ist auch ein wesentlicher kommerzieller Vorteil zu erwarten. So sind z.B. ohne den Einsatz von Metallocene Titer von dtex 0,7 ohne große Aufwände sicher herstellbar. Für herkömmliche Qualitäten (dtex 1,7-2) kann auf noch weniger stabilisiertes Material zurückgegriffen werden, was Einsparungen von bis zu 5 % mit sich bringen kann. Investitionskosten Der zweitgrößte Anteil an den Produktionskosten fällt auf die Investitionskosten. Hierbei müssen selbstverständlich nicht nur die reinen Anschaffungskosten der Anlage, sondern auch die Gebäude- und Versorgungskosten berücksichtigt werden. In der Vergangenheit hat die notwendige Senkung der Investitionskosten bereits zu einer Verbreiterung von Anlagen geführt. Die Anschaffungskosten der Anlagen selbst verhalten sich degressiv bis zu einer Breite von etwa 7 m. Einer höheren Bedeutung kommen allerdings den Gebäude- und Versorgungskosten zu. Muss ein Produzent für dieselbe Kapazität zwei Anlagen statt einer bauen, sind auch die jeweiligen Logistikwege zu verdoppeln. Hier-
durch ist mit einer etwa 60 % größeren Gebäudefläche zu rechnen. Ebenso müssen die Versorgungen für Energie, Wasser und Kühlung doppelt ausgelegt werden. Abfallkosten Die Polymerkosten haben den größten Anteil an den Produktionskosten. Die Minimierung der Abfallkosten ist daher von großer Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit einer Produktionsanlage. Die segmentierte Technologie von Oerlikon Neumag bietet hierfür einige Vorteile. Aufgrund der segmentierten Schmelzeleitung ist eine gleichmäßige Verteilung auch über größere Breiten viskositätsunabhängig. Durch Recyclingmaterial verunreinigtes Polymer, z.B. aus SMS- oder Biko (PP/PE)-Abfällen können zu einem relativ hohen Prozentsatz toleriert werden. Insbesondere bei Biko-Anlagen stellt hier eine höhere Produktbreite einen weiteren Vorteil dar. Die höhere Breite erzeugt einen prozentual kleineren Randschnitt, so dass eventuell enthaltene PE-Anteile zu einem kleineren Prozentsatz wieder zugespeist werden und so weniger „Irritationen“ im Spinnprozess entstehen. Energiekosten Die Energiekosten können in produktbebezogene und maschinenbebezogene Kosten unterteilt werden. Der produktbezogene Anteil, der direkt zur Konvertierung der eingesetzten Materialen eingesetzt wird, ist kaum von der Anlagenbreite abhängig. Dies sind z.B. Aufschmelzleistung des Extruders, Energieaufwand der Verstreckeinrichtung, oder Antriebe von Ventilatoren. Dagegen lassen sich bei den maschinenbezogenen Energiekosten Einsparungen von bis zu 20 % erzielen. Darunter fällt u.a. die Wärmeabstrahlung von Extruder oder Kalanderheizung, aber auch die Antriebsleistung des Webformerrands, das nicht mit Produkt belegt ist. Die Energiekosten haben mit etwa 5 % aber eher einen geringen Anteil an den gesamten Produktionskosten.
Personalkosten Personalkosten sind stark regionalabhängig. So kostet ein europäischer Operator etwa 40 €/Std., während für seinen chinesischen Kollegen nur etwa 2 €/Std. gerechnet werden können. Es konnte die Erfahrung gemacht werden, dass die Anzahl der Arbeitskräfte für den ”reinen” Produktionsprozess (von der Rohstoffbevorratung bis zum Wickler) durch die Anlagenbreite nicht signifikant ansteigt. Für die Konfektionierung und Verpackung muss gemäß der Anlagenkapazität mit einem proportional höheren Personaleinsatz gerechnet werden, was sich jedoch durch einen entsprechenden Automatisierungsgrad minimieren lässt. So ist beispielsweise für Bedienung und Wartung einer 7 m breiten Anlage der gleiche Personaleinsatz wie für eine 5 m breite Anlage notwendig. Downtimekosten Auch die geplanten Stillstandszeiten einer Anlage sind breitenunabhängig. Es ist nach einigen Tagen (je nach Rohmaterialqualität) ein Wischen der Spinndüsen notwendig. Die Spinndüsen müssen in bestimmten Intervallen gewechselt werden, um die Filter im Spinnpaket auszutauschen. Aufgrund des Gewichtes muss schon ab Breiten von etwa 1 m Spezialequipment eingesetzt werden, um das Düsenpaket zu ”handeln”, so dass auch bei 7 m breiten Anlagen kein zusätz■ licher Aufwand entsteht.
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