Daemons Dilemma

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ENERGIE: Zeichen eines notwendigen Paradigmenwechsels Unter dem Titel Daemon´s Dilemma - ENERGIE: Zeichen eines notwendigen Paradigmenwechsels rückt das Kuratoren-Team des Künstlerhauses e.V. FRISE 2012 im Ausstellungs- und Veranstaltungszyklus ausgewählte Aspekte des Themas – von der trügerisch ephemeren Qualität der Energie über ihre zerstörende Kraft bis hin zu ihrem transformativen Potenzial – in den Blick.


Daemon´s

ENERGIE: Zeichen eines notw Die Probleme, die das System produziert hat, können nicht innerhalb des Systems gelöst werden...“ (Albert Einstein) „...es ist an der Zeit, die Energiefrage dauerhaft in unser Bewusstsein zu rücken. Die Kunst kann dazu gleichermaßen im doppelten Sinne beitragen. Sie kann zum einen das schon genannte Vehikel stellen, Energie plastisch darzustellen und damit wieder erfahrbar zu machen. Zum anderen kann sie zu einer Dynamisierung des Diskussionsprozesses beitragen, denn auch im Energiebereich ist heute ein hohes Maß an Inspirationsfähigkeit erforderlich, das der Kunst zu eigen ist.“ (Prof. Dr. Ulrich von Weizsäcker und Dr. Manfred Fischedick, 2008) Höher, schneller, weiter - die Fortschrittsdynamik des 20. Jahrhunderts hat nicht nur gewaltige Energien freigesetzt, sondern auch ungeheure Energieressourcen verzehrt. Trotz der wachsenden Bedrohung des immer weniger kontrollierbaren globalen Energiemarktes und seiner Verflechtungen wirkt die Triebkraft der Progressionsgläubigkeit im 21. Jahrhundert in den konsum- und kapitalgesteuerten Gesellschaften unseres Planeten fort. Ob der tiefe Schock, den die Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 weltweit auslöste, ein nachhaltiges Umdenken herbeiführt, bleibt abzuwarten. Wir stehen vor einem kaum lösbaren Konflikt: Zwar können wir ohne Energie nicht existieren, da sie die Grundvoraussetzung unseres Daseins ist, andererseits werden wir in absehbarer Zukunft gar nicht mehr sein, wenn wir nicht andere Mittel und Wege finden, mit dieser überlebenswichtigen Ressource umzugehen. Es ist Zeit für eine tiefgreifende Öffnung und Erweiterung der Vorstellungen, Entwürfe, Sichtweisen und (Vor-)Bilder, um diese Krise zu bestehen. In Anknüpfung an die Figur des „Maxwellschen Dämons“, die der schottische Physiker James Clerk Maxwell im 19. Jahrhundert in einem Gedankenexperiment zur Hinterfragung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik veranschaulichend als „Mittler“ zwischen widerstrebenden Prinzipien einführte, wird hier der Dämon zum Sinnbild für den heutigen Menschen, der aufgerufen ist, ein ausweglos scheinendes Dilemma zu lösen. Nach einer Auseinandersetzung mit den Auswirkungen digitaler Medialisierung auf die Wahrnehmung von Wirklichkeit und die (künstlerische) Bildproduktion in der Reihe “Rapid Rabbit - Beschleunigte Bildwelten” 2011 widmet sich das FRISE-Programm 2012 damit einem weiteren Schlüsselthema unserer Zeit: der existentiell notwendigen Energiewende.


s Dilemma

wendigen Paradigmenwechsels ... if we conceive of a being whose faculties are so sharpened that he can follow every molecule in its course, such a being, whose attributes are as essentially finite as our own, would be able to do what is impossible to us. For we have seen that molecules in a vessel full of air at uniform temperature are moving with velocities by no means uniform, though the mean velocity of any great number of them, arbitrarily selected, is almost exactly uniform. Now let us suppose that such a vessel is divided into two portions, A and B, by a division in which there is a small hole, and that a being, who can see the individual molecules, opens and closes this hole, so as to allow only the swifter molecules to pass from A to B, and only the slower molecules to pass from B to A. He will thus, without expenditure of work, raise the temperature of B and lower that of A, in contradiction to the second law of thermodynamics..(1871) James Clerk Maxwell über das Gedankenexperiment, das als „Maxwell’s demon“ oder „Maxwellscher Dämon“ bekannt geworden ist, zitiert nach: http://en.wikipedia.org/wiki/Maxwell’s_de

Ausstellungsgruppe der FRISE 2012:

Lola Romboy, Lore Bergmeier, Youssef Tabti, Nobuko Watabiki, Helene von Oldenburg, Sabine Mohr und Ole Henrik Hagen


Eine Ausstellungsreihe Feld 1

“Die Farbe des Windes: Das Unsichtbare sichbar machen”

In Feld 1 liegt der Fokus auf dem Element Luft und einer seiner Energieformen, dem Wind. Part 1 /18.1. - 5.2. Katja Windau, Hamburg (Skulpturen) Daniel Kemeny, Berlin (Installation) Wolfgang Oelze, Hamburg (Video) Part 2 /11.2. - 4.3. Thomas Reissig, Italien (Foto) Rikuo Ueda, Japan (Wind Drawings) Uli Fischer, Hamburg (Videoinstallation) Bettina Mainz, Berlin (Tanzperformance) Kuratiert von Lola Romboy und Lore Bergmeier

Feld 2

“Thermal noise”

Die Mitglieder des seit 2003 aktiven BeetoBee Net (Akane Kimbara, Birgit Wudtke, Lily Wittenberg, Naho Kawabe, Vik Lai, Beatrix Pang, Moki, Anneli Schütz und andere) generieren ästhetische Energie aus der Interaktion in einem offenen Netzwerk. Sie erfinden operative prozesshafte Formen in der Zusammenarbeit, um ihren Aktionsraum als KünstlerInnen zu erweitern. 14.3. - 1.4. The BeetoBee Net (Installation) Kuratiert von Youssef Tabti

Feld 3

“Silence: Reflection after Fukushima”

In Feld 3 wird die Frage gestellt: Woran denken Sie, wenn Sie an die Zeit nach der Katastrophe am 11. März 2011 denken? Reflexionen, nicht nur in Bezug auf die nachhaltige Präsenz und Zukunft der Atomkraft, sondern auch auf die Lebensweise der Menschheit und die Lebensweise des einzelnen Menschen. 11.4. - 29.4. Aisuke Kondo, Berlin (Foto) Alireza Ghandchi, Berlin (Foto) Atsushi Tawa, Japan (Video) Mamoru Takada, Japan (Foto) Melanie Nazmy-Ghandchi, Berlin (Performance) Taro Furukata, Berlin (Small sculpture) Koki Watanabe, Frankreich (Installation) Kuratiert von Nobuko Watabiki

Geförd er t du rc h die K u lt


ungsreihe in sechs Feldern Feld 4

“Spooky action at a distance: energetische Fernwirkungen”

Feld 4 kreist um das Messen und Aufspüren von Energie. Um Energie, die entweder anders wahrgenommen wird oder unbemerkt bleibt. Um Bedrohungen, die terrestrisch, planetarisch oder durch das Bevölkerungswachstum existent sind. Part 1 / 9.5. - 27. 5. Erich Berger, Helsinki “Polsprung – Katastrophale Versuchsanordnungen” (Installation) Gefördert durch: Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur Österreich, Arts Council of Finnland 27.5. Helene von Oldenburg, Hamburg (Vortragsperformance mit telepathischem Test) Part 2 / 6.6. - 24. 6. Laura Beloff, Helsinki “LIFELAB” (Interaktive Installation) Kuratiert von Helene von Oldenburg

Feld 5

“Ignis mutat res: Das Feuer verändert die Dinge”

In Feld 5 geht es zunächst um die transformative Kraft des Feuers und der Verbrennung und im zweiten Teil um formative Naturkräfte, wie die biochemische Wärmeentwicklung und die Energie der Sonne, die neben der Windkraft zur Hoffnungsträgerin der Energiewende werden könnte. Part 1 / 22.8. - 9.9. Jochen Lempert, Hamburg (Foto) Part 2 / 19.9. - 7.10. Agnes Meyer-Brandia und Ralf Schreiber Kuratiert von Sabine Mohr

Feld 6

“Waste: Abfall, Verschwendung, Entropie”

In Feld 6 steht die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Entropie, der Zerstreuung, des Informationsverlusts und des Abfalls im Zentrum. Die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler betätigen sich hier als wahrhafte „Maxwellsche Dämonen“, indem sie vergessene Information neu formieren, künstlerisch aufladen und so neue Bedeutungen (Energie) gewinnen. Part 1 / 17.10. - 4.11. “Rotation” Axel Ekwall, Edgar Ballo, Ole Henrik Hagen und Erik Annar Evensen( Lambretta), Künstlergruppe aus Norwegen (Installation) Die Ausstellung wurde von NBK/Norway und gefördert. Part 2 / 21.11. - 9.12. Antje Bromma (Installation) Kuratiert von Ole H. Hagen urbe hö rd e Ha m bu r g



„I, the world, things, life – we are situations of energy. The point is not to fix the situations, but to keep them open and alive – like life processes.” (Giovanni Anselmo) Subtile Windkraft Im 1. Feld liegt der Fokus auf dem Element Luft und einer seiner Energieformen, dem Wind. Nicht der ökologische, politische oder wissenschaftliche, sondern der künstlerische Blick auf das Thema war gefragt. Routinierte Wahrnehmung wird irritiert und sensibilisiert, auf subtiler Ebene angesprochen und verführt, die Kraft des Windes oder die Stille der Windstille zu erleben.


Wolfgang Oelze (Videoinstallation) „Zwillinge“, 2001 Dauer: 22 Minuten Auf zwei gegenüberliegenden Projektionen wird jeweils ein sehr langsamer nach oben gerichteter Handkameraschwenk über die Fassade eines Bürohochhauses gezeigt.



Katja Windau (Skulpturen) Hartschaum, Sandspachtel, Metall, Farbe. Zwei Flugobjekte liegen unbeweglich auf dem Boden, jede Bewegung ist eingefroren. Sie werden beleuchtet durch die Videoprojektionen von Wolfgang Oelze und erscheinen so in ständig wechselndem Licht. Daniel Kemeny (Installation) Tennisball-Wurfmaschine, Tennisbälle, Auffangkasten. Tennisbälle fliegen in regelmäßigen Zeitabständen durch den Ausstellungsraum. Ihre Flugbahn ist exakt berechnet. Das Wahrnehmen des Flugobjekts erfordert Geduld oder Glück. Der Flug eines Tennisballs ist vollkommen geräuschlos, beim Aufprall im Korb hört man ein knallendes Geräusch. Sponsoren:



daeMOn’S dIleMMa daS unSIchtbare SIchtbar Machen Feld 1 / Part 2 11. Februar – 4. März 2012 Rikuo Ueda (Japan) Thomas Reissig (Italien) Uli Fischer (Hamburg) eröFFnung: Samstag, 11.2., 20h geöFFnet: Freitags–Sonntags, 16–18h tanzperformance, Bettina Mainz (Berlin) Samstag, 3.3., 18h / Sonntag, 4.3., 16h

d Ie Fa r b e d e S W In d e S


Die Künstler Rikuo Ueda, Thomas Reissig und Uli Fischer entwickeln poetische Ansätze zum Thema ‘Wind’. Ihnen gelingt es in ihren Arbeiten das Unsichtbare erfahrbar zu machen und die Farbe des Windes zu zeigen. „[Luft] bewegt sich, weil sie nicht an allen Orten dieselbe Temperatur und dasselbe Gewicht hat, eine Unausgewogenheit, die ihre natürliche Reiselust fördert.” (Olivier Le Carrer)

Thomas Reissig (Fotografie) Der in Italien lebende Künstler arbeitet mit (Un)sichtbarkeit. In seinen Fotos spürt er die Energie eines Ortes auf. Er lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das, was leicht übersehen wird. Das Hinschauen bekommt eine andere Tiefe.




Bettina Mainz (Tanzperformance) In den drei Ausstellungs Räumen begab sich die Tänzerin Bettina Mainz in sehr unterschiedliche „Landschaften der Winde“ und ließ sich inspirieren, „wie die Winde die Körper spielen, wie sich, aus Strömen des Unsichtbaren, eine Brise zur Brisanz verdichtet“.


Uli Fischer (Video) ‘“Narcissus” 2010 Filmaufnahmen nachts am Straßenrand lassen Blüten erahnen, die hin und wieder vom künstlich erzeugten Fahrtwind der Autos bewegt werden.



Mit unterschiedlichen eingreifenden Strategien erweitern heute viele Künstlerinnen und Künstler ihren Aktionsraum. Sie fühlen sich nicht mehr einem Objektzentrierten Kunstmarkt verpflichtet, sondern finden und erfinden operative prozesshafte Formen in der Zusammenarbeit mit PartnerInnen aus allen gesellschaftlichen Bereichen. The BeetoBee Net hat sich als offene KünstlerInnengruppe 2003 gegründet, als sich „Bee“ Birgit Wudtke aus Hamburg und „Bee“ Beatrix Pang aus Hongkong in Norwegen begegneten und zu gemeinsamen Projekten im Ausstellungsbetrieb und im Netz KollegInnen einluden. Ihre künstlerische Arbeit entwickelt sich kontinuierlich durch Erweiterung des Handlungsrahmens bei wechselnden Kooperationen und in unterschiedlichen personellen Konstellationen weiter. Das Bedürfnis der Gruppe, feststehende Begriffe und gegebene Parameter aufzulösen, ist allerdings weniger eine konzeptionelle Überlegung als eine intuitive Verweigerung. Ein Ausdruck des Unwohlseins gegenüber standardisierter Ausstellungspraxis im weißen Raum und der Umwandlung der Alltagswahrnehmung in eine Wahrnehmung rein formaler Werte. Die Mitglieder des seit 2003 aktiven BeetoBee (Akane Kimbara, Birgit Wudtke, Anneli Schütz, Lily Wittenburg, Naho Kawabe, Coco Bergholm, ) generieren ästhetische Energie aus der Interaktion in einem offenen Netzwerk. Sie erfinden operative prozesshafte Formen in der Zusammenarbeit, um ihren Aktionsraum als KünstlerInnen zu erweitern.



Raumansicht Lily Wittenburg

The BeetoBee Net grosse Ausstellungs-Raumansicht Anneli Sch端tz (Installation), Birgit Wudtke (Photographie), Akane Kimbara (Video), Lily Wittenburg (Stoff-Installation). Raumansicht Fussboden Birgit Wudtke (Photo-Animation) Raumansicht von zwei Arbeiten: Coco Bergholm (Malerei), Lily Wittenburg (Installation und Zeichnungen)



BEHIND THE SCENES HIDDEN WORLDS - HIDDEN ANSWERS On March 11th 2011, the 9.0 magnitude megathrust earthquake occurred nearby Tohoku. The earthquake triggered powerful tsunami waves, and it inflicted massive damage to Tohoku region. It is said that it caused approx 20,000 victims both displaced and dead people. Following the earthquake and tsunami, the Fukushima I Nuclear Power Plant got the critical damage resulting in severe radiation leaks and the prospect of a long-term health and environmental hazard. Invisible radiation caused various problems, and it has been distressing our lives. I feel that it became we found it difficult to be confident believing anything if it is right or not after that anymore. My feeling of that the world has changed to having a hard time era, which is not simply standing for current Japan’s situation, but has been becoming a world’s large recognition. Because, it seems that many people realize the limitations for the Modern capitalism which desperately directs people to be wealth and prosperity without ironing the regional differences out. Unlimited energy resources are nonexistent as if having the limitless economic development. I believe we should make a break with the idea of “limitless” and need to realize the limit of all things like our lives. A misunderstanding of you live on the controllable planet – is a cause of many problems. Therefore, I feel that we are under the necessity of doing shake ourselves free from the such arrogant ideas. Too much economic activities and overleaped profit-seeking definitely contributed to such a Nuclear and radiation accident in Japan, and it denotes the consequence of the loss of our imaginations. Nuclear reactor disaster is not Japan’s only power problem, but is the most common national problems in the world nowadays. Now we are on the verge of either if we consume natural resources till the end adhering to the dying capitalistic economy, or if we change our minds to recreate a new sustainable economy. What the human being is? what people cut and lost on the way to modern society are? and what way we should take for the future? -I would like to ask these issues to viewers and artists through the exhibition. Aisuke Kondo

Daten • 11. April - 29. April 2012 • Eröffnung: 11. April • Künstler - Taro Furukata, Alirza Ghandchi, Aisuke Kondo, Oliver Kunkel, Melane Nazmy-Ghandchi, Andreas Sell, Markus Shimizu, Atsushi Tawa, Koki Watanabe • Ausstellung kuratiert von Aisuke Kondo Videoabend: 22. April • „Die Herren machen es selber, dass ihnen der arme Mann feyndt wird “ Re-edit of the Video Documentation, Gorleben 1979, re-edit of Documentary by Lily Wittenburg • Finissage + Videoabend + TEGAMI Reisball-Projekt : 29. April • „Die Waffe in der Hand“ Eine Dokumentation über Katastrophenhilfe, von Ort, 2011, Regisseur: Ryo Yoshimoto • Videoabend organisiert von Nobuko Watabiki


Oben Taro Furukata Series of Arranged Given Society, 2012, Canvas on self made acrylic paint using dried artist’s daily vegetable garbage.

oben rechte Seite Melanie Nazmy-Ghandchi Co-existence, 2012 The artist’s hair self-adhesive foil on aluminium,framed

Aisuke Kondo (in)visible-3, 2012, Light jet Print Cosmos, 2012, Light jet Print Psyche, 2012, Light jet Print Khos, 2012, Light jet Print melt, 2012, Foamed plastics on Canvas melt, 2012, Foamed plastics melt, 2012, Foamed plastics on pedestal Psyche, 2012, Quicktime movie

Koki Watanabe Dolce Vita, Épisode 1 : Killing me softly, 2012 Installation, mixed media

Atusi Tawa go bananas, 2012 Quicktime movie Markus Shimizu The Embassy of Love, 2011 needlework on cloth


Alireza Ghandchi Series Restriction, 2011 Photography, b&w digital print

Oliver Kunkel Sleeping beauty syndrome I, 2008 Photography, digital print

Andreas Sell Stillstand 1, 2005 laser Print, 2 hours exposure Stillstand, 2005, DVD, 4:05 min., loop



Erich Berger

POLSPRUNG

Katastrophale Versuchsanordnungen

Die Frage nach der Katastrophe verlangt nicht ein “ob” sondern ein “wann”.

POLSPRUNG ist die erste Installation von Erich Berger in einem Zyklus von Arbeiten der sich mit der Psychologie und Politik der Katastrophe auseinandersetzt. Als Polsprung wird eine Umpolung des Erdmagnetfelds bezeichnet die der Wissenschaft zufolge, zyklisch und im Moment längst überfällig ist. Ausgehend von (un)möglichen Katastrophen während eines Polsprungs, wird versucht sich generell mit Bedrohungsszenarien und Ausnahmezuständen auseinanderzusetzen. Es interessiert hierbei vor allem die Rolle dieser Szenarien in den Medien und die Rolle der Medien in der Erzeugung eines permanenten Ausnahmezustandes, sowie die gesellschaftliche Funktion und mögliche Instrumentalisierung von Katastrophen für persönliche, wirtschaftliche und politische Zwecke.


Katastrophale Versuchsanordnung #1: Polsprungdetektor Ein Magnetometer vermisst das Erdmagnetfeld um einen mรถglichen Polsprung zu verfolgen. Da ein solcher im Durchschnitt 10.000 Jahre dauert werden wir nur Zeuge eines kurzen Abschnitts des Prozesses falls der Sprung beginnt. Eine Sonifizierung macht die Abweichung des Pols von seiner "normalen" Position hรถrbar.


Katastrophale Versuchsanordnung #2: Myonteleskop Ein Myonteleskop registriert permanent die durch den Sonnenwind verursachte Gammastrahlung. Die gemessenen Daten werden in einer Soundinstallation den spekulativen Gammastrahlungsdaten während eines Polsprungs gegenübergestellt.

Katastrophale Versuchsanordnung #3: Leseraum mit Informationen zu Polsprungforschung und Katastrophenspekulationen, Magnetit Labor und Katastrophen Notizzbuch.

Erich Berger ist Künstler, Kurator und Kulturarbeiter und lebt und arbeitet zurzeit in Helsinki/Finnland. Sein besonderes Interesse gilt Informationsprozessen und Feedback-Strukturen, die er mit Installationen, Performances und verschiedenen Interfaces erforscht. Seine Arbeiten erhielten internationale Auszeichnungen und wurden unter anderem gezeigt bei Ars Electronica, Siggraph, ICA, Venice Biennial, ARCO Madrid. http://randomseed.org Danke an: Laura Beloff, Ada Beloff, Helene von Oldenburg, Künstlerhaus Frise, Till Bovermann/ Tai Studio, Aalto Universität Helsinki Finnland, Lauri Pesonen, Institut für Geophysik Universität von Helsinki Finnland, Kari Kinunen, Geologische Forschungsanstalt Helsinki Finnland, Justin Manor, Gustav, Joachim Miranda, Rob Seward, Maex Decker, http://firstfloor.org http://puredata.info, http://arduino.cc, das Linux und Open Software/ Hardware Universum


Helene von Oldenburg

Spooky Action at a Distance Vortragsperformance mit telepathischem Test

Entanglement ist ein Phänomen der Quantenmechanik, d.h. der subatomaren Welt. Es beschreibt die Beziehung zwischen zwei oder mehr Teilchen, die durch einen gemeinsamen Prozess so miteinander verknüpft sind, dass das was dem einen Teilchen passiert, immer auch dem zweiten passiert – egal ob es 10 m oder 10 Lichtjahre weit weg ist.

Test: Das Publikum wurde nach einer Einführung in die Thematik Entanglement aufgefordert an einem telepathischen Test teilzunehmen. Es sollte das in einem verschlossenen DIN A3 Umschlag und für das Publikum nicht sichtbare mitgebrachte Bild (3 Äpfel) „empfangen“ und in einer Notiz festgehalten werden. Für diejenigen, die kein Papier dabei hatten, wurde Material – Stifte und runde Notizzettel – zur Verfügung gestellt. Nach 5 Minuten wurden die Notizen zusammengetragen und mit dem bis dahin verdeckt gehaltenen Bild verglichen. Die Autorin fungierte als „Senderin“ der im verschlossenen Umschlag enthaltenen Informationen. Der Inhalt des Umschlags war der Autorin bekannt. Die Auswertung zeigte, dass mit 79 % Hinweise auf Form, Zahl oder Natur des versteckten Bildes telepathisch kommuniziert worden waren:

Fotos: Ole Henrik Hagen






Part 1 Eröffnung: 22.8.2012 Tatsunori Fuji, Jochen Lempert und Jürgen Stollhans Vortrag: Sonntag, den 2.9.2012, 18:00: Heike Breitenfeld und Julian Stolte (KEBAP) Part 2 Eröffnung: 19.9.2012 Agnes Meyer-Brandis und Ralf Schreiber Performance Lecture 21:00, Agnes Meyer-Brandis: IMPACT - Studies in Cause and Effect Workshop, R. Schreiber + Finissage: Sonntag, den 7.10.2012 ab 15:00 bis ca. 20:00

Jochen Lempert, Transmission, #1-5, Fotogramme, 2009 Tatsunori Fujii, natural radioactivity Graphit auf Holz, 2012


J端rgen Stollhans, 12 Kreidezeichnungen. 2008 Tatsunori Fujii, Creeping Things, Holz, Glas, Elbwasser, Fotografie, 2012


Jochen Lempert, o.T. , S/W Fotografie, 2007 u.: Jochen Lempert, Transmission, Fotogramme 2009


Das Feuer verändert die Dinge, das Tun verändert uns Vortrag von Heike Breitenfeld und Julian Stolte Sie stellen KEBAP (KulturEnergieBunkerAltonaProjekt) vor. Feuer erzeugt Wärme. Um sich zu wärmen, sammeln sich Menschen um das Feuer und finden sich gemeinsam an einem Ort der Imagination. Dabei springt immer ein Funke über ... Wärmeerzeugung und kulturelle Produktion in einem Bunker in Hamburg Altona. Dafür setzt sich KEBAP e.V. ein: Etwa 700 Bunker befinden sich auf Hamburger Stadtgebiet. Viele davon liegen an zentralen Orten im Stadtgebiet und werden demnächst umgenutzt. Die zukünftigen Umnutzungskonzepte spielen für den städtischen Raum eine nicht unerhebliche Rolle. Deshalb will KEBAP den Hochbunker Schomburgstraße übernehmen und dort neue Wege im Stadtteil beschreiten. Die Mischung Kultur/Energie kommt sowohl den baulichen Gegebenheiten dieses Bunkers als auch der Lage im Wohngebiet (Nahversorgung) entgegen. KEBAP stellt ein basisorientiertes Umnutzungskonzept vor. Dessen zentrale Elemente sind die Verankerung im Stadtteil, die Entwicklung einer zukunftsfähigen lokalen Ökonomie mit einer dezentralen Nahwärmeversorgung und die Synergie unterschiedlicher kultureller Produktion. KEBAP versteht sich als offene Bewegungsplattform, in die Wissen, Erfahrungen, Ideen, Diskussionen, gemeinsame Aktionen und Experimente einfließen, um einen urbanen Ort des Teilens zu entwickeln. www.kulturenergiebunker.de


Ralf Schreiber: Prickbot, Installation: Overheadprojektor, solarbetribener Miniroboter, Aluminiumfolie, schwarze Wandfarbe.

Part 2 IGNIS MUTAT RES - Das Feuer verändet die Dinge Agnes Meyer-Brandis und Ralf Schreiber Eröffnung: Mittwoch, den 19. September 2012 um 20 Uhr Performance Lecture, Agnes Meyer-Brandis: Impact – Studies in Cause and Effect

Das Feuer verändert die Dinge, im Rahmen der Ausstellungsreihe 2012: Daemon ́s Dilemma ENERGIE: Zeichen eines notwendigen Paradigmenwechsels, zeigt FRISE zwei künstlerische Positionen, die sich intensiv mit den Phänomenen der Natur und deren Ver- und Umwandlungskräften auseinandersetzen. Die Eine als Forscher- und Erzählerin, der Andere als poetischer Konstrukteur.

Ralf Schreiber: Living Particles (Version 60)


Impact – Studies in Cause and Effect Performance Lecture mit Agnes Meyer-Brandis

Agnes Meyer-Brandis hat in Köln und Düsseldorf Kunst und elektronische Medien studiert und widmet sich in umfangreichen Projekten den Bereichen zwischen Fantasy und Wissenschaft, fiktiver und realer Information. Für Ihre Arbeit „IMPACT- Studies in Cause and Effects“, unternahm sie mit ihrem „Institute Research Raft for Subterranean Reefology“ - FFUR eine Forschungsexpedition zu den Meteoritenfeldern nach Ekaterinburg. Sie selbst schreibt: Das Wort “meteor” stammt aus dem griechischen “meteoros” das erstaunlicherweise einen „schwebenden“ Zustand beschreibt, eher als den eines Felsens der vom Himmel fällt. Dieser kleine Unterschied erregte unsere Neugier und brachte uns dazu diese wunderbaren und seltenen Besucher aus dem Weltall genauer zu untersuchen.


Eigensinnige Elektronik - Arbeit mit Solarmodulen Workshop mit Ralf Schreiber Ralf Schreiber, der in Köln studiert hat, widmet seine Versuchsanordnungen und Installationen der Selbstorganisation kleinster Roboter, die von Solarzellen gespeist werden. Living Particles ist ein Langzeitprojekt, das er seit 2001 verfolgt. Es basiert auf immer neuen Konstellationen kleinster, miteinander kommunizierender und interagierender Miniaturroboter, die über Solarzellen mit Energie versorgt werden und leise Klänge und kleinste Bewegungen erzeugen. Thematisiert werden dabei schwachenergetische Transformationsprozesse - die Wandlung lokaler Lichtenergie in Bewegung und Klang. Sein Interesse gilt den aus vielen Einheiten komplex vernetzten und verschalteten Systemen. In diesen wird Energie permanent übertragen und geteilt und benachbarte Miniaturroboter regen sich an oder hemmen sich. Dies ist eine elementare Form der Kommunikation. Dabei geht es auch um die Schaffung und Bereitstellung von Voraussetzungen, in denen ein reales System autonom agiert, sich immer wieder neu organisiert.


ROTA


ATION Rundt den nordlige halvkule ligger Taigaen. Et enormt barskogbelte som strekker seg fra Norges østligste deler, gjennom Sverige og Finland gjennom Russland og over på det nord - Amerikanske kontinentet. Vi er født og oppvokst der denne skogen begynner, eller slutter. Det preget oss og det preger oss. Katter liker reint rennende vann, bikkjer drikker seg utørste i sølepytter, men bikkja til Axel liker å bade i bekken. Men katter slikker seg i rompa og bikkjer spiser bæsj. Katter vasker seg, men aldri bikkjer. Vinden kunne vi ikke ta med oss, den henta vi over Hamburgs hustak. Men granbuskene var norske, i tjukkeste slekta med de fra Sverige og Finland og Russland og Canada og Alaska. Lukta like godt som slektningene sine, men ikke så godt som de lukter i kram snø om våren eller etter regn. I granene hører vi vinden, der hører vi barndommen også, barnets varhet, lik kunstens evne til å gi menneskene varhet for verden. Maxwell´s demon så vi ikke noe til, men vi transformerte vindenergi om til kunst, vi klarte heller ikke å lage en perpetuum mobile. Vi brukte hele tiden litt mer energi enn vi fikk tak i. Kanskje vinden over Hamburg´s hustak ikke hadde de rette kvalitetene, den var ikke en Taigavind, men derimot en Atlanterhavsvind, skulle ikke være dårlig den heller. Så lenge alt henger sammen med alt, er det ikke mye vi kan gjøre, eller vi kan gjøre alt men det får følger. Håper vi ikke ødela noe da vi rappa vind fra Atlanterhavet i Hamburg. w


ENTR Mit dem vielschichtigen Thema „Entropie / Waste“ befasst sich Feld 6 der diesjährigen Ausstellungsreihe „Daemon’s Dilemma – ENERGIE: Zeichen eines notwendigen Paradigmenwechsels“ im Künstlerhaus und Abbildungszentrum FRISE. „Entropie / Waste“ – letzteres ein mehrdeutiger Verweis auf Verschwendung, Verlust oder auch Abfall – bildet den Abschluss einer mehrteiligen ästhetisch-energetischen Untersuchung auf den Wegen der Kunst. Eine Untersuchung, die sich mit der flüchtigen Qualität der Energie ebenso befasst hat wie mit deren Destruktionskraft, Nachhaltigkeit und Wandlungspotenzial.

Die im Titel der Reihe evozierte Figur des „Maxwellschen Dämons“ wiederum geht auf den schottischen Physiker James Clerk Maxwell zurück. Er führte sie im 19. Jahrhundert anlässlich der Hinterfragung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik als eine Art „Mittler“ zwischen widerstrebenden Prinzipien ein. Der „Maxwellsche Dämon“ steht hier nun für den heutigen Menschen, der aufgerufen ist, ein kaum entwirrbares Dilemma zu lösen. Und eine Balance zu finden zwischen der existenziellen Notwendigkeit unentwegter Energieerzeugung und der nicht minder existenziellen Notwendigkeit einer radikalen Energiewende. Denn wir bewegen uns rasant auf eine unumkehrbare Lage zu, die – im Endzustand maximaler Entropie – droht, im Wärmetod des Universums zu resultieren. Das jedenfalls stellen die Thermodynamiker in Aussicht: keine schöne Perspektive, um es gelinde zu sagen. Soweit sind wir zwar erfreulicherweise noch nicht. Doch müssen wir jetzt beginnen, darüber nachzudenken, wie wir künftig das Ungleichgewicht zwischen beschleunigtem Energiebedarf und hemmungsloser Energieverschwendung global in den Griff kriegen. „Rotation“ heißt der erste Part des zweiteiligen 6. Feldes zum Thema „Entropie / Waste“. Dieses Feld – die Hamburger Künstlerin Antje Bromma bestreitet den 2. Part – widmet sich laut Ausstellungsankündigung „der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Entropie, der Zerstreuung, des Informationsverlusts und des Abfalls“. Entropie ist hier beschrieben als „eine fortschreitende irreversible Entwicklung, die zu einem Gleichgewichtszustand der maximalen Zerstreuung führt. Ein geschlossenes System wird nach und nach schwächer und beginnt auseinander zu brechen, es gibt keinen Weg, es wieder zusammen zu bauen“. Diesem bedrohlichen Szenario hat der US-amerikanische Schriftsteller Thomas Pynchon in seiner berühmten frühen Kurzgeschichte „Entropy“ von 1958/59 Gestalt gegeben. Pynchon selbst hielt später nicht mehr sonderlich viel von seiner Geschichte und fand sie überkonstruiert. Doch das komplexe Konzept der Entropie hat ihn weiterhin fasziniert, und wurde nach seiner eigenen Aussage eigentlich immer komplizierter, je mehr er sich damit beschäftigte. In groben Zügen handelt „Entropy“ von einer ziemlich chaotischen „lease-breaking“ Party in der Wohnung eines gewissen Meatball Mulligan. Die Feier zur gewaltsamen Auflösung seines Mietvertrags dauert zu Beginn der Geschichte bereits seit fast zwei Tagen nonstop an und geht, wie gerade „in die 40. Stunde“, man könnte auch sagen in die 40. Runde einer spiralenartigen Steigerung. Während im Untergeschoss die Party wütet, zu der sich auch eine Gruppe volltrunkener Marineleute gesellt, die dort gar nichts verloren haben, kauert eine Etage höher in hermetisch nach außen versiegelter Treibhaus-Wohnung Nachbar Callisto mit Alien-Frau Aubade und sterbendem Vogel, den Callisto vergeblich an seiner Brust zu wärmen und damit zu retten sucht. Die Außentemperatur liegt konstant bei 37 Grad Fahrenheit. Callisto – der Name steht für die gleichnamige, von Zeus begehrte Nymphe, die im Sternbild Ursa Major, dem „Großen Bären“ dauerhaft am Firmament Gestalt erhalten hat, während „Aubade“ ein Lied zum Tagesanbruch bezeichnet – hält derweil in seiner Enklave monologische Vorträge über die Eigenschaften der Thermodynamik. Als junger Student in Princeton hat er sich eine Eselsbrücke geschaffen, um sich deren Gesetze zu merken: Zitat: „Man


ROPIE kann nicht gewinnen, die Dinge werden schlimmer, bevor sie besser werden, wer sagt, dass sie besser werden.“ Gleichungen, die für ihn zur Vision eines ultimativen kosmischen Wärmetods geworden sind. „Entropie“ selbst definiert er als „Maß der Desorganisation eines geschlossenen Systems“. Unten kriegt Meatball irgendwann die Kurve und bringt langsam Ordnung ins Chaos. Während oben die Alien-Frau schließlich mit bloßen Händen die Scheibe zerschlägt und damit das eigene geschlossene System aufhebt. Es endet damit, dass Callisto und Aubade darauf warten, dass sich Außen- und Innentemperatur auf 37 Grad einpendeln, also ein Gleichgewicht zwischen innen und außen herrscht, wobei damit die totale Dunkelheit, die Abwesenheit aller Bewegung einhergehen würde, wie es zum Schluss der Geschichte heißt.

Auch Land-Artist Robert Smithson, der seine großartige Spirale mit dem Titel „Spiral Jetty“ 1970 am Rand des Großen Salzsees in Utah buchstäblich in den Sand gesetzt hat, machte sich Gedanken über das Phänomen der Entropie. In seinem Essay „Entropy and the New Monuments“ von 1966 schreibt er in Bezug auf Künstlerkollegen der Conceptual und Minimal-Art wie Donald Judd, Robert Morris, Sol LeWitt oder Dan Flavin, dass selbige in ihren Arbeiten das zelebrieren würden, was Flavin als „inaktive Geschichte“ und was der Physiker als „Entropie“ oder „Energie-Entleerung“ bezeichne: „Sie [also diese Künstler] lassen eher an die Eiszeit als an das Goldene Zeitalter denken und würden vermutlich Vladimir Nabokovs Beobachtung bestätigen, dass ‚die Zukunft lediglich das Obsolete in Umkehrung ist’.“ Smithson behauptet, dass viele der von ihm ins Auge gefassten Künstler eine visuelle Analogie des zweiten thermodynamischen Satzes zur Anschauung bringen, und dabei, Zitat, „die Bandbreite der Entropie extrapolieren, indem sie uns sagen, dass Energie viel leichter verloren als gewonnen werden kann, und dass in der ultimativen Zukunft das gesamte Universum ausbrennen und in eine alles umfassende Gleichheit transformiert werden wird.“ Diese entropischen Sprachbilder und Gedanken sollen einleitend den Beitrag der norwegischen Künstler unterfüttern, die von ihrem in Hamburg ansässigen ebenfalls norwegischen Gastgeber Ole Henrik Hagen zur Realisierung des gemeinsamen Projekts „Rotation“ eingeladen worden sind: dem ersten Teil des von Ole Henrik Hagen kuratierten 6. und letzten Forschungsfeldes „Entropie / Waste“ des FRISE-Jahresprogramms 2012 zum Thema „ENERGIE“. Rotationen sind unschwer an etlichen Orten der Ausstellung zu erkennen: Wir sehen die Plattenspieler, fast 30 an der Zahl, in leicht versetzter Choreographie ihre Runden drehen. Und erblicken die Bäume, die im Rotationsrhythmus der kreisenden Plattenteller ihre Drehungen vollziehen. Der Kreistanz der Tannen wiederholt sich, von diversen Lichtquellen verstärkt und zerstreut, in überlappenden Silhouetten als sich bewegendes, rotierendes Schattenspiel an den Wänden. Der Antrieb dieser vielfachen Rotationen entspringt einem durch Batterien betriebenen Minikraftwerk, das über ein weiteres rotierendes Gerät auf dem Dach des FRISE-Gebäudes gespeist wird: Dort nämlich haben die Künstler für ihre Ausstellung ein temporäres Windkraftrad eingerichtet, das durch die Energien der Luftbewegungen im Außenraum in Bewegung versetzt wird. Die Außenenergie des Windes, die die Windmühle antreibt, wird über entsprechende Kabel in den Innenraum geleitet und wirkt dort ¬– im plastischen Bild und der visuellen Musik der rotierenden Plattenspieler und Bäume – fort. Sämtliche Energie der Ausstellung – sowohl die konkrete als auch die ästhetische – entspringt diesem Zusammenspiel von innen und außen. Filmprojektionen verweisen virtuell wieder auf den Außenraum, wo sich die eigentliche Kraftquelle befindet, die alles in Drehung versetzt. Hier geht es um einen künstlerischen Verwandlungsprozess, bei dem Energie nicht verloren geht, sondern in andere Bewegungsformen übertragen wird. Dabei werden Technik und Natur auf mehreren Ebenen miteinander konfrontiert und ineinander verschränkt.


Nun sind die Mittel der Energieerzeugung auf dem Dach und in der „Technikzentrale“ hier im Ausstellungsraum nicht gerade high-tech, ebenso wenig wie die Plattenspieler, die auf ein eigentlich schon historisch gewordenes Vehikel der Musikabspielung verweisen, das bereits weitgehend der Vergangenheit angehört. Doch liegt womöglich im Wiederentdecken und Erkennen natürlicher Kraftquellen wie der des Windes, der sich im Tanz der Bäume manifestiert, ein Stück Zukunft, ein Ansatz zur Lösung unseres Dilemmas. Hier werden die Künstler nun zu „Maxwellschen Dämonen“, die das Widerstrebende zusammenbringen und in poetischer Synthese als ästhetisches Modell der Vielfach-Rotationen vor Augen führen. Alle beteiligten Künstler – Axel Ekwall, Edgar Ballo, Ole Henrik Hagen und Erik Annar Evensen –, die an der aktuellen Ausstellung kollektiv zusammengearbeitet haben, kennen sich schon lange, vom Studium in Oslo her, in den 1970er Jahren Sitz der einzigen offiziellen Kunstakademie in Norwegen. Hier setzten sie sich gemeinsam von der damals dominanten Maxime neo-expressiver Malerei ab. Und traten für eine interdisziplinäre Kunstpraxis ein, die sie in Gruppenprojekten als Künstlergemeinschaft LAMBRETTA umsetzten: benannt nach dem Kult-Motorroller, den einer der Mitglieder der Gruppe fuhr. Sie wurden so zu Vorreitern der Video-, Prozess- und kinetischen Installationskunst in Norwegen. In den achtziger Jahren unterhielten die LAMBRETTA-Künstler ein Großatelier in einer ehemaligen Suppenküche in Oslo. Und entwickelten neben der jeweils individuellen Arbeit kollektive Aktionen in Norwegen und Europa, darunter Installationen auf Zeit, Theater- und Musikprojekte, wie etwa eine gemeinsame Performance mit der legendären Punk-Band „Einstürzende Neubauten“ aus Deutschland 1983. Ein Markenzeichen des LAMBRETTA-Kollektivs wurde der Einsatz von echten Tannenbäumen, die in der Hamburger Installation auch wieder auf neue Weise in Erscheinung treten. „Hässlich/schön existieren nicht; alles ist ästhetisch. Ästhetik ist Energie, Kraft, Anziehung“, so ein Kredo aus einem Manifest der LAMBRETTA-Künstler aus dem Jahr 1983. Im Mittelpunkt ihrer gemeinsamen, um „Energie, Bewegung und Transformation“ kreisenden Arbeit stand wiederholt die Dynamisierung und Dramatisierung von Abfall – „Waste“ – im buchstäblichen Sinne, der mittels der künstlerischen Handlung mit ästhetischem Mehrwert aufgeladen wurde. In ihrer früheren Formation verwirklichen die LAMBRETTA-Künstler, die sich alle mittlerweile auf individuell sehr unterschiedliche, aber sämtlich experimentierfreudige Weise mit Malerei und anderen Medien beschäftigen, weiterhin in loser Folge und wechselnder Besetzung gemeinsame künstlerische Projekte. In ihrer Hamburger Installation, konzipiert als „informelles Spiel rund um die Wechselwirkungen zwischen Energie/Entropie und Maxwells Dämon“ präsentieren sie ein bewegtes und bewegendes dreidimensionales Bild, das im Fluss bleibt: angetrieben von den Kräften der Natur, umgewandelt und in Gang gehalten durch die Energien der Kunst, die zwar keine Antworten liefern, aber Ausblicke eröffnen kann.

TE

Diese Ausblicke sind Visionen, die der dräuenden Vorstellung von totaler Dunkelheit und einer Abwesenheit aller Bewegung, wie sie Pynchons entropische Anti-Helden mit passiver Erstarrtheit erwarten, eine lichte, lebensvolle, zukunftsträchtige, von hoffnungsvoller und auch humorvoller Dynamik erfüllte Perspektive entgegenstellen. Im Kreislauf der Rotationen geht nichts verloren, sondern wandelt sich nur von einem Zustand in einen anderen. Wie der Künstler Günther Förg einmal gesagt hat: „Ein Purzelbaum ist auch eine Vorwärtsbewegung.“ ©Belinda Grace Gardner, Hamburg, 2012


WA

















Durch das Sammeln und Aufbewahren meist kleinteiliger Fundstücke aus dem Kultur und Natur raum des Menschen lege ich seit vielen Jahren ein Archiv an, das sich ständig erweitert und anwächst. Die einzelnen Fundstücke werden nacheinander direkt am Ausstellungsort in Fäden eingeknotet, die untereinander verknüpft ein dreidimensionales Netz im Raum bilden. Bei jeder Installation kommen neue Elemente hinzu, die einen verdichteten, älteren Kern aus einer früheren Installationen zu umschweben scheinen. Der unentwirrbare Kern wird gehalten und im Raum aufgespannt durch neu angeknotete Schnüre. Er dient gleichzeitig als Anknüpfungspunkt und Zentrum der neuen Hängung. Durch die so entstandene luftige Umhüllung wird die verdichtete Materialballung von einer weiteren Zeitschicht ummantelt. Bedenkt man die unterschiedlichen Produktionsorte der Fundstücke kommen sie fast aus der ganzen Welt zu mir. Wegen der Vielzahl und Vielgestaltigkeit der verwendeten Elemente erscheint ein Überblick kaum möglich. Wie in einem Garten mit Pflanzen, Würmern, Schmetterlingen, Käfern und Vögeln, ...fühle ich mich staunend umzingelt von lauter kleinen Wundern. Durch die schwebende Präsentation sehe ich die Fundstücke in ihrer Plastizität und Farbigkeit. Textfragmente werden zu dadaistischen Gedichten, Rätsel über die Herkunft der einzelnen Teile tauchen auf, Fitzelchen werden zu Fragezeichen, Schnipsel zur Miniatur-Malerei und das Ganze zusammen gesehen gleicht einem Actionpainting. Einfachere Verbindungen gehe ich bei den Plastiken ein. Eichenlaub befindet sich auf einem Handyfragment, ein Auspuff steckt in einer Wurzel, ein Gespinst wächst aus einer Kunststoffschachtel. Auf Papier verteile ich Farben, die gekleckst, gestrichen, zerstäubt, abgewaschen, überdruckt,... werden.










Produktion - Austausch - Ausstellung FRISE ist aus den Vereinen Künstlerhaus Weidenallee (seit 1978) und Abbildungszentrum (seit 1994) hervorgegangen, 2003 fanden beide ihren Platz in einem ehemaligen Friseurinstitut in der Arnoldstraße in Hamburg-Ottensen. Seit 2008 befindet sich das Haus auf 36 Jahre im Besitz der FRISE Genossenschaft. Produktion, Austausch, Ausstellung – die Gründungsmotive des Künstlerhauses gelten heute wie damals. In Einzel- und Gruppenateliers arbeiten ca. 40 Künstlerinnen und Künstler aus unterschiedlichen Bereichen der medialen und konzeptuellen Auseinandersetzung in direkter Nachbarschaft. Der Austausch findet nicht nur intern statt, sondern mit Gästen und Kunsteinrichtungen in Stadt und Land sowie weltweit, mit Partnern u. a. in Frankreich, Japan, Finnland und den USA. Das Gastatelier beherbergt Kunstschaffende aus dem In- und Ausland und im Erdgeschoss des Hauses befindet sich ein Ausstellungsraum.

Impressum: FRISE Künstlerhaus Hamburg e.V Arnoldstr 26 - 30, 22765 Hamburg Fotos : Sabine Mohr, Ole Henrik Hagen, Rolf Bergmeier, die Künstler Katalogredaktion : Ole Henrik Hagen, Ausstellungsgruppe der FRISE 2012: Lola Romboy, Lore Bergmeier, Youssef Tabti, Nobuko Watabiki, Helene von Oldenburg, Sabine Mohr und Ole Henrik Hagen Gestaltung : Ole Henrik Hagen, Künstlerseiten von der Ausstellungsgruppe der FRISE 2012 Plakatgestaltung zur Ausstellungsreihe : Eva Riekehof Umschlag : Eva Riekehof © FRISE Künstlerhaus Hamburg e.V Gefördert durch die Kulturbehörde Hamburg


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