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THE CELLIST

Ballett Von Cathy Marston

Choreografie und Inszenierung Cathy Marston

Musikalische Leitung Paul Connelly

Musikarrangements und Originalkomposition Philip Feeney

Szenarium Cathy Marston und Edward Kemp

Bühnenbild Hildegard Bechtler

Kostüme Bregje van Balen

Lichtgestaltung Jon Clark

Dramaturgie Edward Kemp, Michael Küster

Partner Ballett Zürich a b

Ein ungespieltes Instrument.

Erweckt vom Nachhall vergangener Konzerte, beginnt es, die Geschichte einer grossen Interpretin zu erzählen:

Wie ein kleines Mädchen den Klang des Cellos vernimmt und sich in das Instrument verliebt.

Wie seine Mutter beginnt, das Mädchen zu unterrichten, bis sie dem Talent ihrer Tochter nicht mehr gerecht wird.

Wie ein neuer Lehrer ihr den Weg in eine Gemeinschaft einzigartiger Musiker weist, und sie einen Dirigenten kennenlernt, der ihr Gefährte und Seelenverwandter wird: ihre Liebe, beflügelt von der Musik.

Wie die beiden zu Stars werden, deren Ruhm durch zahlreiche Aufnahmen immer weiterwächst.

Wie sie heiraten und sich auf ausgedehnte Konzerttourneen begeben bis die Cellistin zu ermüden beginnt, sie nicht mehr mithalten kann, und die Beziehung des Paares allmählich zerbricht.

Denn die Cellistin kämpft nicht nur mit ihrer Müdigkeit, sie ist krank. Sie leidet an einer Krankheit, die ihre Nerven zerstören, ihre Karriere und schliesslich ihr Leben beenden wird.

Wie die Cellistin darum kämpft, weiterzuspielen, und wie sie, als sie nicht mehr kämpfen kann, das Instrument in die Ecke stellt und schliesslich verstummt.

Wie sie ihre Stimme verliert und dennoch bis heute inspiriert. Weil ihre Musik nachhallt – in den Erinnerungen derer, die sie hörten, und in den Aufnahmen, die sie hinterliess.

UNSTERBLICHE CELLO-LEGENDE

Das tragische Leben der Jacqueline du Pré

Simone Kaempf

Am Weihnachtsabend 1966 erscheint Jacqueline du Pré nach einer Probe auf einem Fest bei Freunden. Sie ist 21 Jahre alt und bereits eine gefeierte Cellistin, wirkt aber eher wie ein schüchternes Schulmädchen. «Sie sehen nicht aus wie eine Musikerin», verabschiedet sich der Pianist und Dirigent Daniel Barenboim, als er die Party verlassen will. Da holt du Pré ihr Cello aus dem Kasten, und Barenboim erlebt jene Verwandlung, die immer wieder ihre Zuhörer in den Bann zieht: Am Cello wird Jacqueline zu einem anderen Menschen – elektrisierend, ausdrucksstark, mit einer Leidenschaftlichkeit, die sich direkt überträgt. Der 24­jährige Barenboim bleibt und spielt mit ihr die Nacht durch. Mit ihm findet du Pré den idealen Partner – für die Kammermusik und fürs Leben. Sieben Monate später heiraten sie in Israel. Für die Musikerin ist das eine Befreiung. «Mit Daniel», erzählt sie später, «lernte ich, mit anderen Menschen zusammen zu sein.»

Es ist die behütete Welt der Universitätsstadt Oxford, in die Jacqueline du Pré am 26. Januar 1945 hineingeboren wird. Der Vater gibt eine Steuerzeitschrift heraus. Die Mutter, eine hochbegabte Pianistin, arbeitet als Klavier­ und Musiklehrerin. Alle drei Kinder, Hilary, Jacqueline und der Sohn Piers, zeigen früh musikalisches Talent. Zunächst scheint Hilary als Pianistin und Flötistin der Star in der Familie zu werden. Doch als Jacqueline zum fünften Geburtstag ein Dreiviertel­Cello bekommt, wendet sich das Blatt. Eine Freundin der Mutter erinnert sich an ein erstes Vorspiel: «Sie sass auf ihrem Stühlchen, die Noten vor sich auf dem Ständer, und kaum hatte sie das riesige Instrument ergriffen, war sie wie verwandelt, wie hypnotisiert. Da sass kein fünfjähriges Mädchen mehr vor mir.»

Die Reife ihres Spiels wirkt auf die Erwachsenen fast unheimlich. Ihr sei bereits damals klar gewesen, erzählt du Pré später, «dass ich ganz gut war. Das zeigten mir die erstaunten Gesichter der Zuhörer. Ich hatte ein gutes Gefühl für die Tonlagen des Instruments. Cellospielen war für mich das Natürlichste der Welt.» Diese Natürlichkeit fördert die Mutter auf ehrgeizige, aber spielerische Weise. Nachts komponiert sie kleine Stücke, den Fortschritten ihrer Tochter entsprechend, die sie mit Zeichnungen versieht und «Jackie» morgens ans Bett legt. Als Erwachsene leidet du Pré allerdings darunter, dass ausserhalb der Musik bei ihr kaum weitere Interessen gefördert wurden. Selbst Sport war tabu, weil sie sich die Hände hätte verletzen können.

Das Cello ist ein schwieriges Instrument, besonders für Kinder. Es verlangt wie die Geige ein feines Gehör, aber mehr Körpereinsatz. Die Saiten sind dicker, man braucht Kraft zum Greifen, und die Töne liegen auf dem Griffbrett weit auseinander – je tiefer, desto weiter. Jackie bewältigt diese Schwierigkeiten mühelos und gewinnt erste Auszeichnungen. Am Musikfestival in Westminster nimmt sie im Alter von acht Jahren teil, viele ihrer Konkurrenten sind doppelt so alt. Mit einer Komposition ihrer Mutter gewinnt sie auch an diesem Tag den ersten Preis. Lampenfieber kennt sie weder jetzt noch später – zumindest nicht auf der Bühne. Im täglichen Leben ist sie weniger selbstbewusst. Gerade zu Beginn ihrer Karriere ist du Pré ein schüchterner, pummeliger Teenager. Zu Hause wird sie noch wie ein Kind behandelt, überall sonst wie eine Erwachsene – und wie ein kommender Star. Kurz vor ihrem Solodebüt am 1. März 1961 in der Londoner Wigmore Hall erhält sie von einem Mäzen ihr erstes Stradivari­Cello als Geschenk. Ihr Selbstbewusstsein als Cellistin ist da schon stark entwickelt. Im Sommer 1960 nimmt sie als 15­Jährige an einem Meisterkurs von Pablo Casals teil, lehnt seine Ratschläge jedoch ab – der berühmteste Cellist des Jahrhunderts ist ihr zu dogmatisch.

Umso mehr vertraut du Pré ihrem Londoner Lehrer Bill Pleeth. Er bringt sie weiter, weil ihm die Spieltechnik weniger wichtig ist als die Kreativität seiner Schülerin. Er ist es auch, der sie 1956 zum Suggia­Wettbewerb anmeldet, was wichtige Türen öffnet: Siebenmal hintereinander, von 1956 bis 1962, gewinnt sie das begehrte Stipendium, das die Finanzierung ihrer Ausbildung bei Bill Pleeth in London sichert. Und gleich im ersten Jahr lernt sie den Dirigenten

Sir John Barbirolli kennen, der ihr die Musik ihres Lebens nahebringen wird: das Cellokonzert von Edward Elgar. Als gelernter Cellist hat Barbirolli bei der Uraufführung 1919 selbst im Orchester gesessen und Elgar als Dirigenten erlebt. Im März 1962 spielt Jacqueline du Pré dieses Konzert erstmals in der Royal Festival Hall in London. Der gefürchtete Kritiker Neville Cardus schreibt im Guardian: «Ein Schwanengesang von seltener und schwindelerregender Schönheit. Am ersten Tag des Frühlings wurden die Anwesenden Zeugen des frühen Erblühens von Miss du Prés Spiel.

So ein wunderschönes Blühen werden wir nicht mehr so schnell erleben, weder in diesem noch in kommenden Jahren.» Ende des Jahres wird sie vom Daily Express zur Solistin des Jahres gewählt. Ein Kritiker stellt fest: «Sie ist auf dem Weg nach ganz oben.» Doch so gerade verläuft der Weg nicht. Wie viele Wunderkinder gerät auch du Pré an der Schwelle zum Erwachsenenalter in die Krise. Pablo Casals ging es so, der mit 15 krank und depressiv wurde. Yehudi Menuhin musste sich bewusst neu erarbeiten, was er zuvor instinktiv auf der Geige vollbracht hatte. Und du Pré fühlt sich in dieser Phase zutiefst gespalten zwischen der Welt der Musik und dem Wunsch nach dem ganz normalen Leben, das sie erst jetzt entdeckt. Mit 17 fährt sie zum ersten Mal mit der U­Bahn; ihre Allgemeinbildung ist mangelhaft, da sie bereits mit 14 die Schule verlassen hat. Vor allem zweifelt sie plötzlich, ob sie als Cellistin wirklich gut genug ist. Ihr Wunsch, noch einmal zu studieren, führt sie im Frühjahr 1966 zu Mstislaw Rostropowitsch ans Moskauer Konservatorium. Der mildert einige ihrer Extravaganzen, wie sie selbst sagt, aber wichtiger noch: Er gibt ihr neuen Glauben an ihr Können mit auf den Weg. In Moskau beschliesst du Pré endlich, Cellistin zu sein.

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