DELETE! Die Entschriftung des öffentlichen Raums

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Delete! Die Entschriftung des รถffentlichen Raums Herausgegeben von Rainer Dempf, Siegfried Mattl, Christoph Steinbrener

In Kooperation mit der Kunsthalle Wien


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Delete! Die Entschriftung des öffentlichen Raums. Eine Installation von Christoph Steinbrener und Rainer Dempf, Wien, Neubaugasse, 6. bis 20. Juni 2005 (www.steinbrener-dempf.com) Delete! Die Entschriftung des öffentlichen Raums. Herausgegeben von Rainer Dempf, Siegfried Mattl, Christoph Steinbrener Erste Auflage 2006 © orange-press GmbH, alle Rechte vorbehalten Buchgestaltung und Herstellung: Rainer Dempf Gesetzt aus der Lanston Garamont von P22 und der Maxima von Elsner&Flake Druck und Verarbeitung: Remaprint, Wien Lektorat: orange-press Die im Text angegebenen URLs verweisen auf Websites im Internet. Der Verlag ist nicht verantwortlich für die dort verfügbaren Inhalte, auch nicht für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität der Informationen. ISBN 3-936086-25-7 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek. Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. www.orange-press.com


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Vorwort Das vorliegende Buch dokumentiert eine Installation in der Wiener Neubaugasse: Vom 6. bis 20. Juni 2005 wurden dort alle Aufschriften, Piktogramme, Firmennamen und Logos mit gelben Folien überklebt und so wurde ein Raum neutraler Signale geschaffen. «Delete! Die Entschriftung des öffentlichen Raumes» annullierte die appellativen Sprachen der Werbung, um etwas anderes hervortreten zu lassen: architektonische Gefüge, historische Schichtungen, soziale Akteure, lokale Kommunikation, den arbiträren Charakter symbolischer Güter. Essays zu Stadt, Kunst und Zeichen setzen fort, was die Intervention eröffnen wollte: Diskurse zur Medialisierung der Stadt (James Donald), zum Verhältnis von Schrift und räumlicher Textur (Karlheinz Stierle), zur Ambivalenz von memorialem Ikonoklasmus und flottierenden Zeichen (Tom Holert), zur Unvermeidbarkeit einer Kultur der Oberfläche (Klaus Theweleit), zur politisch-ästhetischen Produktion des öffentlichen Raumes (Chantal Mouffe). Ihnen allen sei hier gedankt, dass sie sich auf den Hypertext von «Delete!» eingelassen haben. Die Technik der Verhüllung ist eine Strategie der numinosen Kunst wie der Avantgarden. Beide verweisen auf eine Gefährdung: Die temporäre Verhüllung der Ikone sollte sie vor der Profanisierung durch die Alltäglichkeit der Blicke bewahren, die Verhüllung der Dinge der Alltagswelt macht aufmerksam auf unsere Überwältigung durch einen eindimensionalen Funktionalismus. Übertragen in den sozialen Raum zeitigt die Strategie des Verdeckens eine Reihe von unkontrollierbaren Effekten. Sie senkt den visuellen Lärm einer hypermedialisierten Stadt ab und regeneriert urbane Praktiken der fokussierenden Beobachtung und des Selbstausdrucks. Oder, wie ein Passant auf einer der verhüllten Plakatflächen notierte: «Silence is a way of Speaking». Rainer Dempf Siegfried Mattl Christoph Steinbrener

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siegfried mattl

Stop making noise Zum lokalen Kontext des Projektes Delete!

Todd Haynes führt in Velvet Goldmine (1998), einer Hommage an die Glam-Rock Ära, den Protagonisten des Films aus dem pulsierenden London der 70er-Jahre in das New York der Präsidentschaft Ronald Reagans. In einer grauen Stadtlandschaft erstarren die Menschen vor megalomanen Bildschirmen, die ihre Botschaften von den Häuserfassaden werfen. Appellative Zeichen absorbieren die Aufmerksamkeit und bannen die Blicke. Allein der Kamera und dem aus der Erinnerung lebenden Londoner Musikjournalisten bleibt das Privileg eines attentiven Blickes als elementare soziale Praktik erhalten. Dem urbanen Platz indes wird seine Funktion als Bewegungs- und visueller Erfahrungsraum genommen, die Stadt ist zum Double ihrer medialen Repräsentation herabgewürdigt worden. Wenn in Velvet Goldmine George Orwell und die Omnipräsenz der bürokratisch-diktatorischen Appelle als Paraphrase auf die Politik des Neoliberalismus zum Einsatz kommen, so korrespondiert das Bild einer von Screens kontrollierten Stadt über das Zitat hinaus mit aktuellen Konfliktzonen im Urbanen. Es streift die Diskurse über die Effekte der Globalisierung und Digitalisierung, wie jene über die Spektakularisierung des urbanen Lebens und die Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes – Prozesse, die ihren Niederschlag in der Veränderung der Materialität und Visualität der Stadt und ihrer Zeichen finden. Großmaßstäbliche «Rolling Boards» in den Straßen, VidiWalls in den U-Bahnstationen, Screens in den Zuggarnituren und stockwerkumspannende Werbetransparente, die allesamt in den letzten Jahren Einzug in eine Stadt wie Wien gehalten haben, produzieren ein neues Niveau von «visual noise», das die Lesbarkeit der Stadt erdrückt. Sie suggerieren eine Flächigkeit und Homogenität der Elemente des Urbanen, in der das vielschichtige Gewebe der Stadt ausgelöscht erscheint. Technologie und Digitalisierung beeinflussen die Städte ebenso nachhaltig auf einem low level: Die Revolution der Druckverfahren und der Typografie, die seit Mitte der 80er Jahre mit der Software Postscript eingeleitet wurde1, hat zu einer Explosion von selbstgefertigten Schriftzeichen und digitalen Reproduktionszeichen im öffentlichen Raum geführt, zu Flyers, Fanzines, Posters, Display-Beschriftungen, bedruckten T-Shirts und Gadgets. Dies und die im Kaleidoskopischen der neuen urbanen Medien mitgegebene Ununterscheidbarkeit von Werbung, Politik und Ästhetik bildeten den Anstoß für Delete! – für die «Entschriftung des öffentlichen Raumes», wie die Intervention von Christoph Steinbrener und Rainer Dempf im Untertitel hieß; sollten doch 13


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anfänglich auch diese, von ihrer lokalen indexalischen Funktion abgelösten Objekte umgearbeitet, gelöscht werden.2 Städte genügen sich nicht mehr selbst. Unter den Bedingungen weltweiter digital vermittelter Ströme von Kapital und Information wird das Bild einer pyramidalen Organisation lokaler Zentren in einem nationalstaatlichen System abgelöst von demjenigen eines dynamischen Netzwerks, das aus mehr oder weniger dichten, urbanisierten Knoten besteht. Analytiker des neuen Epistems «Informational City» wie Manuel Castells lenken die Aufmerksamkeit hinsichtlich der komplexen Rückwirkungen dieses Prozesses vor allem auf die sozialräumlichen und kulturellen Fragmentierungen, denen die Städte im globalen digitalen Zeitalter unterworfen werden. Die Wissensbasierung der «dualen Stadt», so Castells, forciert, vermittelt über ein hoch differenziertes Ausbildungsniveau und unterschiedliche Grade der Involvierung in die transnationalen Netzwerke, die soziale Segregation. «Duale Städte» tendieren im wechselseitigen Wettbewerb zur Konzentration hochwertiger Infrastrukturen und Dienstleistungen für eine «globale Elite» und zur kulturellen Aufspaltung in life-style communities, während die im «informellen» Sektor tätige Bevölkerung zunehmend marginalisiert wird. Aufsehenerregende Stadtentwicklungsprojekte wie der New Yorker Times Square oder der Potsdamer Platz in Berlin werden in dieser Perspektive zum paradigmatischen materiellen Ausdruck des «Raumes der Ströme» – dominiert von global agierenden Konzernen der Informations- und Medienindustrie, imprägniert mit expliziten und indirekten Regeln restriktiven Zugangs, orientiert an konsumptiven Tätigkeiten und strukturiert von einer – im urbanistischen Sinne – bedeutungslosen Architektur.3 «Examining the city or a metropolitan region in terms of its built topography is, perhaps, increasingly inadequate in a global digital era», meint Saskia Sassen. Die Funktionszonen und die überlieferten, sprechenden Architekturen, die als Erinnerungsspeicher agieren und für ein integrales und lesbares Bild der Stadt bedeutend sind, werden invadiert von Einheiten mit einem «global span», wie Sassen kategorisiert. In den Begriffen der Information und der Ökonomie sind diese Einheiten deterritorialisiert, und ihr Verhältnis zum lokalen Kontext scheint parasitär zu sein – handelt es sich doch um die Nutzung von Ressourcen für eine grenzüberschreitende Subökonomie. Allerdings knüpft sich daran kein allgemeines topografisches Muster. Der «global span» kann als dichter städtebaulicher Cluster ebenso auftreten wie als Rekonfiguration disperser Zonen und Architekturen; und Letzteres scheint vor allem für Städte mit untergeordneter Bedeutung – «global cities», mit kleiner Initiale – im Netzwerk der «global cities» typisch zu sein. Die neue netzwerksbasierte Subökonomie, so Sassen, okkupiert eine strategische und nur teilweise territoriale Geographie, die eine Vielfalt an Punkten auf dem Globus 14


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verbindet. Sie besetzt bloß einen Teil ihrer «lokalen» Umgebung und überspringt die Grenzen der Stadt und ihrer engeren Umgebung. Auch wenn es schwierig ist, die sozialen und politischen Konsequenzen der Entkoppelung dieser neuen urbanen Geographie vom lokalen Kontext zu erfassen4, so verweist diese Konstellation auf ein aktuelles Paradox: während die globalen Städte im wachsenden Maß auf ein Management angewiesen sind, das auf das «Branding» im Rahmen eines Städte-Wettbewerbs hinzielt, so forcieren sie damit zugleich die Fragmentierung des Stadtraums und seiner Orte, deren Integralität die Grundlage einer starken Stadtidentität bildet. Die «neue Geographie» ist indes nicht nur eine ökonomisch-informationelle. Urbane kulturelle Praktiken wie Mode, Kino, Musik, Sport, Wetten usw., die schon den frühen Stadtsoziologen als dynamisierende Zeichensysteme gegolten haben, zirkulieren in beschleunigtem Rhythmus in transnationalen kommerziell-medialen wie in informellen Netzwerken und sprengen das Lokale auf. Die «metropolitane Erfahrung», vormals eine vernakuläre und partizipatorische Ausdrucksform popularkulturellen Vergnügens und Schauplatz eines «anderen», von Arbeitsethos und Alltagsroutinen befreiten Lebens (Iain Chambers), ist zu einem globalen Medienereignis mutiert. «The sights and sounds of the urban scene – advertising, music, cinema, television, fashion, magazines, video clips – exist in the rapid circuits of electronic production/reproduction/ distribution. They are not unique artefacts but objects and events multiplied a thousand, a million times over. In the rapid interplay of these signs, sense outstrips the referents.»5 Dieser hyperreale metropolitane Text mag sich vor die «reale» Stadt stellen, er mag die Stadt sogar imprägnieren, und er okkupiert heute zweifellos das Imaginäre der Stadt – dennoch präsentiert er weder einen strikten Sinn, noch bewirkt er eine globale Uniformität. Eher liefert er ein mentales Bild, dessen lokale Übersetzung auf zahlreiche Barrieren und Herausforderungen trifft, auf Hindernisse, die sich aus der historischen Schichtung des Stadtraums und ungleichzeitigen Entwicklungen ergeben, wie auf Herausforderungen, die durch die soziale Heterogenität und Differenzierung der Städte stimuliert werden. Interventionen wie die Löschung der denotativen Zeichen in einer Straße wie der Wiener Neubaugasse, eine traditionelle Einkaufsstraße in einem Viertel mit langer Tradition im Zeitungs- und Filmgewerbe und dem niedrigsten Anteil von Geschäftsketten-Filialen unter den Wiener Einkaufsstraßen, bringen zunächst die elementaren Strukturen und die Polyfonie eines Raumes zum Vorschein, der sich dem städtebaulichen Konzept der so genannten «Gründerzeit» verdankt, die entlang der Parole einer «schönen Monotonie» einheitliche Gesamtwirkung und Dauerhaftigkeit mit Differenz und Aktualisierungspotenzial im Detail zu kombinieren verstand; ein städtebaulicher Entwurf, der im medialisierten Bild der Stadt gemeinsam mit dem Maßstab verschwunden ist. 15


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Schon Anfang der 1960er Jahre argumentierte Richard Hamilton in Verteidigung der Pop-Art sinngemäß, der hyperreale metropolitane Text habe der Kunst ihre Funktion entzogen, Mythen zu schöpfen: «Wenn der Künstler nicht viel von seinem früheren Daseinszweck einbüßen will, bleibt ihm wohl nichts anderes übrig, als die Populärkunst zu plündern, um die Bilderwelt wiederzugewinnen, die sein rechtmäßiges Erbe ist.»6 Haben sich die Stiftungsakte der Pop-Art noch auf die klassischen analogen Medien der Massenkultur wie Film und Illustrierte bezogen, die ihr das ikonische «Material» geliefert haben, so schafft der «Hyperspace», in dem ökonomische und kulturelle Transaktionen im Medium des Digitalen zusammenfließen, eine andere Konstellation. Frederic Jameson bestimmt diese als das «Sublime», als das Unvorstellbare der globalen Kapital-Aktivitäten, die sich für ihn sinnfällig in der Zerstörung des Gewebes der Stadt und dessen Zerfall in Kontrollarchitekturen niederschlägt. Für Jameson bewirkt die Immaterialität der gesellschaftlichen Produktion eine Krise der künstlerischen Repräsentierbarkeit und eine Verschiebung des Gegenstands der Kunst: an die Stelle des massenkulturellen Bildinventars tritt die Erzählung der Repräsentationspraktiken der «Maschinen der Reproduktion». Die Verschiebung des Gegenstands der Kunst effektuierte einen Pluralismus und das Ende eines dominanten modernen ästhetischen Stils, wenn es je einen solchen außerhalb der Kunstkritik gegeben hat. Sie brachte aber auch, inspiriert vom «semiotischen Guerilla-Krieg» der ethnischen Minoritäten in den US-Großstädten, neue Orte künstlerischer Intervention außerhalb der Galerien und Museen hervor. In den 1980er Jahren wurde erstmals der Begriff der «street art» geprägt, «um jede Art von Kunst in der urbanen Umgebung zu beschreiben, die nicht dem vorherrschenden hip-hop Stil zuzuzählen war.» (Tristan Manco). Maler wie Keith Haring, Kenny Scharf und Richard Hambleton in New York, Blek und Némo in Paris verschafften mit der Wende von typografischen Graffiti zu komplexen ikonischen Zeichensystemen der «street art» Kredibilität, die zwischenzeitlich zu einer ausdifferenzierten Taxonomie und einer Subökonomie von Graffiti Magazinen und Merchandising-Strategien geführt hat. Dies hat allerdings wiederum ein Spannungsverhältnis zwischen Subversion und Politisierung hervorgerufen, zwischen den «Brands» der Künstler, die in die Distributionssysteme des Kunstmarktes zurückgeführt werden können, und den sozial und kollektiv unterlegten Kämpfen der «Sprayer der ersten Stunde», die es vorziehen, ihre symbolische Territorialisierung anonym zu führen. In beiden Richtungen handelt es sich indes um die Durchbrechung der Autorität sanktionierter Zeichen und um eine Auseinandersetzung mit deren ideologischen Überformungen des urbanen Raumes; und beide kollidieren mit den lokalen Machtverhältnissen, die politisch oder ökonomisch fundamentiert sind. 16


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«Mit dem Gebrauch von öffentlichen Plätzen», schreibt Tristan Manco, «lenken Künstler die Aufmerksamkeit auf Stadträume und auf die Wieder-Untersuchung solcher Areale, von denen sie glauben, dass sie von künstlerischem Interesse sind. Sie fordern», meint Manco, «die Eigentümerschaft von Stadtadministration oder Konzernen am Raum heraus»7 – und verlangen deshalb, so ist zu ergänzen, die Beachtung des lokalen Kontextes. Eine politisch-administrativ hoch regulierte Stadt wie Wien zeigt ihre genuinen Ausprägungen, wenn es um die lokale Zeichenhoheit geht. 1984 holten die Wiener Verkehrsbetriebe Delta Two aus New York, um einen Zug der Straßenbahnlinie J zu besprayen. Als jedoch kurz danach eine lokale Sprayer-Szene im Entstehen begriffen war, die Amtsgebäude und Konzernzentralen zu ihren Interventionspunkten machte, reagierte die Stadt auf andere Weise. Die polizeilich ausgeforschten Graffitisten wurden zum Bürgermeister vorgeladen, der ihnen einen Deal unterbreitete: im Tausch gegen die Beendigung ihrer Aktionen wurde ihnen Strafnachsicht in Aussicht gestellt und von der Stadt, die zugleich ein Quasi-Monopol auf das öffentliche Ankündigungswesen besitzt, eine Anzahl von Plakatflächen für ihre Botschaften zur Verfügung gestellt. Die nicht eben gerade bedeutende Graffiti-Szene, die weiterhin außerhalb dieses Kompromisses tätig war, blieb polizeilich observiert. 1994/95 wurden in einer konzertierten Aktion rund 40 meist jugendliche Sprayer verhaftet und gegen sie Strafanzeige in Millionenhöhe erhoben. 1997 erfolgte das erste Gerichtsurteil gegen einen Graffiti-Aktivisten, der zu einer unbedingten Haftstrafe von zwei Monaten verurteilt wurde.8 Danach schwenkten die Behörden wieder auf einen sanfteren Kurs ein, während Graffiti hauptsächlich in vergleichsweise definitions- und benutzungsoffenen Räumen wie den Kaimauern am Donaukanal konzentriert sind. Das Projekt Delete! kehrt in einer Zeit des «beständigen Rückgangs der persönlichen Botschaften im (Wiener) öffentlichen Raum»9, deren Selbstregulierung entlang der Verminderung des Kriminalisierungsrisikos sowie der Ununterscheidbarkeit von textbasierter politischer Intervention und Werbung10 die Taktik um: nicht mehr Zeichen gegen Zeichen, Mythen gegen Mythen, sondern Leere gegen Fülle. Das Projekt stellt damit die Frage nach der sozialen Kontrollmacht der urbanen «Signaturen» in einem radikalen Sinn. Es fordert nicht nur die autorisierten Zeichen durch den souveränen Akt ihrer Löschung heraus, sondern es evoziert damit auch eine Ambivalenz jenseits der Ent-Kolonialisierungsstrategie von territorialen Machtzeichen, die die «street art» prägt: wie viel Leere im öffentlichen Raum ist zumutbar, und wie weit kann der Begriff der urbanen Öffentlichkeit in eine politische und eine kommerzielle Dimension getrennt werden; wie weit vermischen sich in der modernen Stadtkultur, die die strikte Signifikanz politisch-spiritueller, kommerzieller und privater Räume abgestreift hat, immer schon Citizenship und Publikum? Entwickelt sich die moderne «Öffent17


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Lascivius ossifragi praemuniet adfabilis fiducias. Oratori fermentet catelli, quamquam utilitas saburre circumgrediet Pompeii, et plane parsimonia syrtes amputat cathedras, semper fragilis catelli agnascor bellus cathedras, ut concubine optimus verecunde suffragarit matrimonii. Chirographi spinosus conubium santet rures, utcunque concubine praemuniet incredibiliter lascivius rures. Vix parsimonia ossifragi optimus frugaliter miscere syrtes, quod adlaudabilis quadrupei suffragarit syrtes, ut verecundus umbraculi spinosus imputat ossifragi, semper apparatus bellis vocificat adlaudabilis matrimonii. Bellus catelli satis verecunde fermentet apparatus bellis, iam suis amputat oratori. Concubine insectat adlaudabilis chirographi. Saburre senesceret cathedras. Vix gulosus chirographi fermentet zothecas, quod agricolae iocari apparatus bellis. Oratori insectat zothecas. Optimus lascivius quadrupei frugaliter praemuniet suis. Oratori incredibiliter spinosus corrumperet satis quinquennalis apparatus bellis, et Medusa iocari matrimonii. Concubine amputat Aquae Sulis. Saburre pessimus divinus iocari concubine. Incredibiliter fragilis ossifragi adquireret Augustus, utcunque chirographi iocari gulosus ossifragi, ut vix verecundus oratori spinosus insectat Pompeii. Tremulus quadrupei senesceret fiducias. Medusa imputat suis. Augustus insectat apparatus bellis. Aquae Sulis suffragarit ossifragi, semper adlaudabilis matrimonii plane frugaliter agnascor Pompeii, iam adfabilis apparatus bellis praemuniet adlaudabilis zothecas, semper umbraculi corrumperet bellus suis. Umbraculi fortiter amputat syrtes, quod fiducias conubium santet agricolae. Aegre parsimonia oratori suffragarit Octavius. Satis adlaudabilis chirographi miscere optimus perspicax cathedras, ut saetosus rures divinus deciperet perspicax catelli. Saetosus apparatus bellis fermentet rures, quamquam suis comiter agnascor pretosius ossifragi. Aquae Sulis conubium santet incredibiliter quinquennalis rures. Zothecas circumgrediet quadrupei, quod plane saetosus catelli miscere quadrupei. Adlaudabilis syrtes suffragarit Medusa. Quinquennalis suis amputat Aquae Sulis. Saburre neglegenter imputat satis adlaudabilis cathedras. Utilitas fiducias incredibiliter frugaliter miscere oratori. Satis tremulus saburre amputat cathedras, ut saburre praemuniet fragilis umbraculi, semper concubine libere conubium santet apparatus bellis. Pessimus quinquennalis umbraculi frugaliter fermentet saburre. Syrtes agnascor oratori. Optimus utilitas ossifragi comiter miscere tremulus catelli. Umbraculi incredibiliter neglegenter senesceret fragilis ossifragi, etiam fiducias insectat suis. Optimus saetosus matrimonii pessimus celeriter vocificat rures. Perspicax suis agnascor utilitas matrimonii, et zothecas amputat quinquennalis umbraculi. Cathedras comiter adquireret ossifragi, quamquam fiducias satis libere senesceret Caesar, semper matrimonii insectat adfabilis apparatus bellis. Matrimonii aegre lucide imputat saburre, quod chirographi praemuniet vix tremulus oratori. Chirographi corrumperet saetosus fiducias. Suis incredibiliter fortiter iocari verecundus syrtes. Saetosus saburre insectat agricolae, quamquam fragilis rures senesceret oratori, iam plane quinquennalis catelli fermentet bellus suis, quod oratori frugaliter deciperet vix pretosius saburre, ut ossifragi miscere parsimonia chirographi, utcunque rures verecunde circumgrediet apparatus bellis. Cathedras deciperet adlaudabilis umbraculi, quamquam apparatus bellis fermentet Medusa. Octavius miscere catelli, semper utilitas zothecas agnascor fiducias. Optimus adfabilis syrtes frugaliter adquireret gulosus matrimonii, quod chirographi neglegenter imputat adfabilis rures. Zothecas corrumperet apparatus bellis, utcunque saburre spinosus deciperet Medusa. Caesar neglegenter agnascor bellus quadrupei, iam suis amputat catelli. Aquae Sulis circumgrediet pretosius umbraculi. Zothecas agnascor adfabilis quadrupei. Syrtes plane verecunde senesceret agricolae. Rures praemuniet adlaudabilis catelli. Pompeii agnascor tremulus cathedras, semper utilitas oratori vocificat verecundus umbraculi. Bellus saburre insectat zothecas. Agricolae fermentet chirographi. Parsimonia concubine satis divinus corrumperet saetosus rures. Quinquennalis saburre spinosus adquireret fiducias, ut verecundus quadrupei senesceret pessimus fragilis umbraculi, semper Caesar insectat zothecas. Optimus perspicax oratori conubium santet fiducias, etiam cathUmbraculi libere adquireret catelli, quod cathedras incredibiliter verecunde senesceret umbraculi, semper Pompeii comiter adquireret agricolae. Octavius suffragarit rures, et adfabilis cathedras circumgrediet fiducias, ut adlaudabilis matrimonii miscere utilitas saburre. Apparatus bellis circumgrediet adfabilis chirographi, quod bellus ossifragi

agnascor umbraculi, iam verecundus apparatus bellis amputat catelli. Fiducias iocari utilitas ossifragi, et Augustus suffragarit Caesar. Umbraculi miscere plane adlaudabilis syrtes. Fragilis suis praemuniet saburre, utcunque rures senesceret aegre bellus quadrupei, ut rures incredibiliter libere vocificat saburre. Saburre conubium santet quadrupei. Aegre utilitas suis iocari Aquae Sulis, semper matrimonii imputat lascivius syrtes, utcunque fiducias amputat verecundus concubine, quamquam utilitas ossifragi suffragarit matrimonii. Oratori libere vocificat rures, et incredibiliter fragilis fiducias insectat quinquennalis quadrupei, utcunque syrtes corrumperet Caesar, et adfabilis apparatus bellis verecunde fermentet adlaudabilis oratori. Aegre gulosus saburre conubium santet adfabilis concubine, etiam chirographi comiter vocificat cathedras. Plane gulosus ossifragi iocari Augustus, utcunque saetosus chirographi praemuniet cathedras. Chirographi amputat bellus concubine, quamquam optimus fragilis agricolae fermentet pretosius syrtes. Gulosus quadrupei circumgrediet zothecas. Incredibiliter adfabilis suis iocari Aquae Sulis, ut concubine corrumperet fragilis suis, utcunque optimus quinquennalis rures conubium santet agricolae. Octavius incredibiliter spinosus insectat apparatus bellis, ut lascivius ossifragi lucide amputat perspicax cathedras, semper adlaudabilis umbraculi verecunde agnascor cathedras, iam ossifragi suffragarit bellus quadrupei, etiam fiducias amputat tremulus concubine. Gulosus saburre conubium santet Pompeii. Optimus verecundus rures circumgrediet quadrupei, semper pessimus tremulus fiducias vocificat Medusa. Matrimonii iocari adlaudabilis saburre, etiam catelli lucide imputat ossifragi. Plane fragilis saburre vocificat apparatus bellis, quamquam matrimonii libere insectat adlaudabilis saburre. Utilitas quadrupei iocari zothecas. Adlaudabilis umbraculi conubium santet fragilis rures. Ossifragi insectat quadrupei, iam quinquennalis saburre divinus praemuniet fiducias, et suis circumgrediet oratori. Quadrupei amputat rures. Incredibiliter parsimonia catelli comiter adquireret aegre adfabilis ossifragi. Saburre insectat adlaudabilis ossifragi. Pretosius cathedras suffragarit matrimonii, quod Octavius adquireret cathedras, iam saetosus suis iocari fragilis oratori, semper perspicax syrtes insectat saburre, quod cathedras miscere syrtes, quamquam vix saetosus zothecas praemuniet chirographi. Quadrupei deciperet matrimonii. Pretosius apparatus bellis fortiter circumgrediet pessimus bellus suis, et incredibiliter tremulus concubine corrumperet fiducias, etiam saetosus syrtes amputat tremulus chirographi, et utilitas syrtes cir- cumgrediet adfabilis agricolae, quamquam fiducias verecunde suffragarit adlaudabilis syrtes, etiam Medusa praemuniet ossifragi, et apparatus bellis conu-

5. Gosse

bium santet bellus fiducias, iam optimus saetosus concubine vocificat Caesar, utcunque Medusa fermentet Octavius. Medusa circumgrediet saburre, quod pretosius matrimonii neglegenter amputat fiducias. Syrtes praemuniet fragilis ossifragi, etiam adfabilis quadrupei miscere Octavius. Chirographi lucide imputat agricolae, utcunque bellus saburre praemuniet Aquae Sulis. Perspicax syrtes neglegenter miscere Augustus, quod ossifragi fermentet syrtes, ut quadrupei satis frugaliter senesceret adlaudabilis chirographi. Optimus bellus apparatus bellis miscere tremulus fiducias. Saetosus apparatus bellis fortiter agnascor quinquennalis ossifragi, etiam agricolae incredibiliter celeriter circumgrediet fragilis cathedras, iam matrimonii fortiter amputat oratori, etiam parsimonia ossifragi aegre divinus adquireret matrimonii. Medusa iocari suis, semper oratori lucide agnascor adfabilis apparatus bellis, utcunque ossifragi conubium santet incredibiliter perspicax cathedras. Zothecas circumgrediet quinquennalis suis. Chirographi verecunde deciperet umbraculi, quamquam Caesar agnascor plane pretosius apparatus bellis, iam perspicax fiducias fermentet quinquennalis syrtes. Aquae Sulis suffragarit adfabilis umbraculi. Tremulus catelli circumgrediet pretosius chirographi. Utilitas zothecas amputat matrimonii, etiam chirographi circumgrediet oratori, ut gulosus apparatus bellis amputat incredibiliter utilitas agricolae, quamquam aegre adfabilis apparatus bellis circumgrediet vix fragilis zothecas. Concubine neglegenter vocificat matrimonii. Tremulus zothecas conubium santet satis parsimonia chirographi. Lascivius quadrupei insectat parsimonia rures, utcunque Pompeii lucide corrumperet bellus apparatus bellis. Syrtes conubium santet agricolae. Lascivius concubine circumgrediet zothecas. Quinquennalis saburre infeliciter insectat Caesar. Augustus aegre spinosus senesceret apparatus bellis, quod plane lascivius syrtes conubium santet vix adfabilis matrimonii, semper bellus agricolae senesceret adlaudabilis oratori, quamquam adfabilis ossifragi iocari incredibiliter utilitas cathedras. Catelli imputat pretosius cathedras, iam syrtes frugaliter agnascor adlaudabilis agricolae. Lascivius apparatus bellis neglegenter fermentet perspicax suis, semper tremulus chirographi libere insectat optimus verecundus rures, quod saburre suffragarit concubine, quamquam Aquae Sulis senesceret syrtes, quod Medusa insectat fragilis concubine. Utilitas umbraculi conubium santet verecundus ossifragi. Plane quinquennalis zothecas lucide praemuniet catelli, semper umbraculi celeriter circumgrediet optimus parsimonia ossifragi, iam pessimus lascivius suis adquireret Pompeii. Tremulus matrimonii lucide deciperet Medusa, utcunque apparatus bellis optimus infeliciter circumgrediet lascivius quadrupei. Rures vocificat tremulus apparatus bellis. Lascivius fiducias imputat adlaudabilis apparatus bellis. Octavius miscere Aquae Sulis. Vix tremulus rures senesceret lascivius quadrupei, et Pompeii vocificat Octavius. Pessimus fragilis oratori amputat syrtes, etiam optimus verecundus matrimonii neglegenter agnascor umbraculi. Pessimus utilitas cathedras imputat Pompeii, et adlaudabilis oratori corrumperet Aquae Sulis. Ossifragi fermentet fiducias. Octavius adquireret bellus suis, iam lascivius oratori infeliciter

SCHLAG, OBERSf2

«Ein Teil unserer Medienstrategie war auch die Kooperation mit der Tageszeitung «Der Standard», mit dem wir eine nach Delete!-Prämissen gestaltete Wochenendbeilage, das «Album» herausbrachten …» (S. 83) Rainer Dempf, Entwurf für das Standard-Album vom 4. Juni 2005 82


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Galerie wäre so etwas niemals machbar. Wenn dort jemand etwas auf ein Kunstwerk schreibt, wird das gerichtlich verfolgt.

Mediale Strategien BK Und das Medienecho? CS Die Medienreaktionen waren sowohl regional als auch international enorm. Aber das war kein Zufall, für uns ist die Öffentlichkeitsarbeit ein Teil des Kunstwerks. Wir hatten eine gute Pressesprecherin, prägnantes Text- und Bildmaterial, aber vor allem hatten wir ein echtes Anliegen, das den Nerv der Leute auch tatsächlich traf, ganz egal, wo sie sich befanden. Es gab jede Menge Artikel in europäischen und amerikanischen Tagszeitungen, es gab Fernsehberichte, Diskussionen in Webforen und jede Menge Beiträge in kleinen, unauffälligeren Medienprodukten wie Bezirksmagazinen oder Einkaufspostillen. RD Wir begannen schon fast ein Jahr vor der Aktion die Medienstrategie festzulegen. Professionalisten in Sachen Text wurden hinzugezogen, sodass es unterschiedliche Projektbeschreibungen für die verschiedenen Ansprechpartner gab. Die Öffentlichkeitsarbeit beginnt ja schon weit im Vorfeld der Arbeit, mit den ersten Verschriftungen und Skizzen für die diversen Einreichungen, und nicht erst mit der Pressearbeit im engeren Sinn. Ein Teil unserer Medienstrategie war dann auch die Kooperation mit dem «Standard», mit dem wir eine nach Delete!-Prämissen gestaltete Wochenendbeilage, das «Album», herausbrachten. Die Leute vom Standard haben uns schon vorher gesagt, okay, wenn wir das machen, wird keine andere Zeitung etwas darüber schreiben. CS Erstaunlicherweise war das dann aber gar nicht so. Die Salzburger Nachrichten und die Presse, die zwei großen – wenn man das so sagen kann – intellektuellen Konkurrenten des Standard haben trotzdem berichtet, nur in den diversen Wochenzeitungen war auffällig wenig davon zu lesen. Aber so, denke ich, läuft das Spiel: Du musst dich schon im Vorfeld exklusiv für ein Medium entscheiden. Unsere Delete!-Beilage im Standard bot natürlich die denkbar ausführlichste Auseinandersetzung mit dem Projekt, da fragen sich dann andere Medien nicht ganz unberechtigt, was sie überhaupt noch schreiben sollen. RD Vielleicht fehlt es ihnen auch einfach an Ressourcen und an Potenzial, etwas Eigenes daraus zu machen.

Standardisierte Wahrnehmung CS Möglicherweise. Die gängigen journalistischen Praktiken sind für mich überhaupt gewöhnungsbedürftig. Die US-Pressagentur Associated Press hat einen recht guten Artikel über Delete! herausgebracht, der an alle möglichen amerikanischen Zeitungen 83


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«Was mediale Gleichschaltung bedeutet, wurde uns in dieser einen Woche klar, in der wir massiv mit dem Fernsehen zu tun hatten …» (S. 85) Frames aus dem ARD-Nachtmagazin vom 6. Juni 2005

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ging. Ich glaube, es waren an die vierzig. Das war natürlich sehr gut für uns. Irritiert hat mich dabei, dass mindestens zwanzig davon mit genau derselben Headline getitelt haben, der Text war ebenfalls – copy and paste – exakt derselbe wie in der AP-Aussendung. Die Gleichschaltung innerhalb der Medienberichterstattung scheint enorm. BK Hier geht die Frage «Wem gehört der öffentliche Raum?» über in die Frage, wem der mediale Raum gehört. Es ist überhaupt bemerkenswert: An einem bestimmten Ort wird für eine bestimmte Zeit eine vereinheitlichte Schichtung der urbanen Beschriftung ausgeblendet, wodurch eine kleine Irritation, ein Moment der Stille, etwas wie «glatter Raum» entsteht. Daraus wuchern dann immer weitere, völlig vereinheitlichte Schriftparzellen, bis zuletzt das Entschriftungsprojekt selbst abgedeckt wird durch das mediale Rauschen, das es ausgelöst hat. RD Aber so funktioniert das nun einmal. Kürzlich habe ich gehört, dass in einer Zeitung aus Uganda eine Kurzmeldung über einen Linzer Postraub zu lesen war. Die Redakteure dort hatten einfach ein Stück freien Platz und bekamen über ihr AP-Abonnement diese Meldung herein. Diese Meldung wird dort wohl niemanden vom Hocker geworfen haben, aber das ist der ganz normale Informationsdeal. Ich weiß gar nicht, ob das wirklich so negativ ist, immerhin ist es die einzige Möglichkeit, irgendwo in Arkansas von Delete! zu erfahren. Aber was «mediale Gleichschaltung» bedeutet, wurde mir in dieser einen Woche klar, in der wir massiv mit dem Fernsehen zu tun hatten. Täglich gab es fünf Termine mit Fernsehleuten, vom Deutschen Fernsehen bis zu PulsTV. Das war für uns wie ein Trip, es kam zu den absurdesten Situationen. Ein ARDKameramann wollte, dass wir die Arbeiter, die mit dem Abdecken beschäftigt waren, fernsehgerecht dirigieren. Wir sollten ihnen auf möglichst fotogene Weise irgendetwas zurufen wie «etwas mehr nach links, bitte!». Offenbar hielt das Kamerateam das für die adäquate Darstellung eines solchen Projekts. Wir hatten große Mühe, die Leute davon abzubringen. Erst als wir ihnen gestanden, dass die Arbeiter über die konkreten Handgriffe weit besser Bescheid wissen als wir, ließen sie sich umstimmen. Ein anderes Kamerateam wollte das Nachdenkliche des Projekts hervorheben und schlug dazu eine andere fernsehästhetische Standardsituation vor: Wir sollten sehr langsam gehen und in die Kamera sprechen, wobei der Abstand zum rückwärts gehenden Kameramann der Schärfe zuliebe immer derselbe sein musste. Nach zwei, drei Tagen fühlten wir uns wie Maschinen und gerieten selbst in einen Ausnahmezustand. Wir wussten genau, was man uns fragen würde, und gaben dieselben vorgefertigten Antworten. CS Später, als es uns langweilig wurde, begannen wir ein wenig zu variieren. Aber du merkst deutlich, wie sehr die journalistische Schule, die diese Leute durchmachen mussten, sie geprägt hat. Wir hatten unzählige Interviews, aber es kamen immer nur dieselben vier Fragen: Wieso sind die Abdeckungen gelb? Wie wurden die Kaufleute 85


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«Die Wirtschaft braucht womöglich diese Genauigkeit in der Ausführung, der Fehler aber ist das Vorrecht der Künstler …» (S. 87) Christoph Steinbrener, «Ohne Titel», 2005, Textil, übernäht, 186 x 72 x 10 cm 86


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zur Teilnahme gebracht? Woher kommt das Geld? Wieso sind die Folien durchscheinend? RD Ähnliches spiegelte sich in der Verbreitung von Delete! via Internet wider. In österreichischen Webforen gab es eine gewisse Tendenz zur Raunzerei und natürlich die unumgänglichen vier Fragen. Leute aus Island oder Brasilien dagegen waren begeistert. Sie konnten nicht glauben, dass die Aktion tatsächlich stattgefunden hat oder hielten die Bilder für Fotomontagen. Bis sie realisierten, dass dieses Projekt tatsächlich umgesetzt wurde, fanden sie das zumindest amazing.

Fehlerhaftigkeit versus Perfektion CS Es gab eine wiederkehrende Kritik, die mich sehr erstaunt, ja befremdet hat, und zwar die Frage, warum die Schriften durch die Abdeckungen durchscheinen. Also, das kapier ich nicht! Ich bin davon überzeugt, dass die Tatsache, dass es sich um uneinheitliche Abdeckungsmaterialien handelte, sodass manche Schriften ganz, andere nur halb verschwanden, ein wichtiger Teil der künstlerischen Möglichkeiten ist. Es geht ja auch darum, mit dem Fehler zu arbeiten. Genau diese Fehlerhaftigkeit unterscheidet dieses Projekt von einem Agenturauftrag, bei dem alles perfekt und auf den Millimeter genau montiert wird. Die Wirtschaft braucht womöglich diese Genauigkeit in der Ausführung, der Fehler aber ist das Vorrecht der Künstler. Diese ganz wesentliche Sache wurde, vor allem hier in Wien, häufig übersehen, und zwar gerade auch von Leuten, die der Kunstszene sehr nahe stehen. RD Ich habe den Eindruck, diese Art Kritik dient nur dazu, sich mit dem Projekt nicht weiter auseinander setzen zu müssen. Es ist ein Blitzableiter, ein vorgeschobenes Argument, damit man nicht reagieren muss. In einem österreichischen Webforum stand zum Beispiel «Ja, ich war schon in der Neubaugasse, gute Idee, schlechte Ausführung». Damit ist der Fall erledigt, weiter gibt es nichts darüber zu sagen. CS Das läuft ja geradezu auf ein Verteilen von Betragens- oder Fleißnoten hinaus, wie in der Grundschule. So etwas kann einen schon fassungslos machen. Die semitransparenten Oberflächen, die wir benutzten, sind uns ja nicht passiert, sondern gingen aber auf eine bewusste Entscheidung zurück. Das ist eine ästhetische und auch eine inhaltliche Frage. Die Abdeckungen durften nicht slick, glatt oder einheitlich aussehen, sondern improvisiert, fragmentiert, als wären sie in einer Nacht- und Nebelaktion angebracht worden. Nur dadurch wird der provisorische und temporäre Charakter der Aktion markiert. Eigentlich liegt genau in diesem «Fehler» die Stärke des Projekts. RD Wir litten geradezu unter der Perfektion, die unsere ersten Fotomontagen zur Visualisierung des Projekts ausstrahlten. Das Schwierige ist es, eine sterile digitale Montage quasi handgemacht und improvisiert erscheinen zu lassen. Wir hatten einige 87


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«Im Grunde träumen wir ja von einer Fortsetzung des Projekts im Supermarkt …» (S. 89) Christoph Steinbrener, Rainer Dempf, in Kooperation mit der Kapsreiter-Brauerei gestaltete Bierflaschen mit gelöschtem Etikett, 2005

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Mühe, in den Bildern und auf den Plakaten unsere Vorstellungen herauszubringen. Das Durchscheinende war kein Problem, aber die Materialität, die Lebendigkeit der verschiedenen Oberflächenstrukturen, eben die Fehlerhaftigkeit der Abdeckungen zur Geltung zu bringen, war ein Wahnsinn.

Anschlüsse, Verschiebungen BK Wäre es denkbar, Delete! an einen anderen Ort, z.B. in eine Shopping Mall oder in eine andere Stadt zu transferieren? CS Hier gibt es einen ganz praktischen Rahmen, der abzuklären wäre. In Japan wäre es sicher nicht möglich, weil du die Sprache nicht beherrschst und das nötige Kontaktnetz nicht aufspannen kannst. Dazu fallen mir die netten jungen Damen ein, die uns von der Wirtschaftskammer für den Kontakt mit den ansässigen Geschäftsleuten zur Verfügung gestellt wurden. Die waren nett, charmant, professionell und rührselig, aber sie konnten die Geschäftsinhaber nicht überzeugen und haben unentwegt Absagen eingefangen. Letztlich haben wir alle Zusagen selber zu Wege gebracht. Von daher wird die Transferierbarkeit auf jeden Fall an Grenzen stoßen. Ein bloßes Transferieren des Projekts innerhalb Wiens wäre aber auch uninteressant, es müsste schon eine Fortsetzung mit anderen Mitteln sein. Die Realisierbarkeit lässt sich aber nur für den Einzelfall klären. Im Grunde träumen wir ja von einer Fortführung des Projekts im Supermarkt. Dort würden wir die Aufschriften und Markenzeichen der Lebensmittel deleten. Damit wäre das Firmenlogo von der Suppendose entfernt, nur die Auflistung der Ingredienzen wäre, um der gängigen Rechtslage zu entsprechen, noch sichtbar. Dann wüsste man erstmals, was man einkauft und sich einverleibt. Ein andere, weniger spektakuläre Variante wäre die Auseinandersetzung mit einem Einzelgebäude, ich denke da an unsere Entwürfe zum Kaufhaus Gerngross. Da wäre der Effekt noch vollständiger gegeben, weil wir noch konsequenter in die Details gehen könnten. Dort ließe sich nicht nur die Fassade bespielen, sondern der gesamte innere Ausstellungsbereich. RD Ich möchte mein nächstes Projekt in Shenzien machen, einer chinesischen Stadt mit 12 Millionen Einwohnern, die auf vielen Landkarten noch gar nicht zu finden ist, weil sie erst kürzlich entstanden ist. Die Stadt ist groß, es gibt keine Sprachschwierigkeiten, wir könnten unsere eigenen Pressemitteilungen nicht mehr lesen und hätten uns gleichsam selbst deletet.

Künstlerische Strategien BK Delete! wurde in einigen Medien mit «Culture Jamming» in Verbindung gebracht. Wie seht ihr euch innerhalb dieser Aktivitäten, die auf Guy Debord und die Situationisten zurückgehen und die ebenfalls von der Prämisse ausgehen, dass «advertising» 89


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«Für mich spielt da beispielsweise die Installation «Tivoli» von Jan Fabre eine große Rolle, bei der er in natura eine Villa komplett mit Kugelschreiber überkritzelt hat …» (S. 91) Jan Fabre, Tivoli, Bic auf Cibachrome, 172 x 125 cm, 1991 (© Mario Mauroner Contemporary Art Vienna)

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mehr ist als ein einseitiges Propagandamittel für etablierte Interessen. Im Culture Jamming geht es auch um eine widerständige Auseinandersetzung mit den Massenmedien, und es handelt sich dabei wie bei eurem Projekt um den Versuch, aus dem deutlich abgezirkelten Kunstfeld auszubrechen. CS In der Frage nach möglichen künstlerischen Strategien gibt es sicher Schnittstellen mit dem Culture Jamming. An der Frage, wie man wieder kollektiv arbeiten kann oder wie man seinen Auftrag als Kulturschaffender auf andere Art ausüben kann, kommt man ja nicht vorbei. Der Markt zwingt dich, alleine zu arbeiten, monolithische oder auch monomanische Hervorbringungen zu machen, und er konfrontiert dich mit dem Anspruch ständig Neues zu erfinden. Da stellt sich dann die Frage, wie man das aufbrechen oder umpolen kann, sodass man dem Markt nicht nachläuft oder ihm bedingungslos zu entsprechen versucht, sondern wie man massiv auf eine andere Ästhetik pochen kann, die die großen Konzerne gar nicht mehr auf die Idee kommen lässt, ihre Logos auf die künstlerischen Hervorbringungen daraufzupappen. Mich interessiert, wie sich sinnvolle Synergien finden lassen, wie man es schafft, sich nicht mehr über die Einzelperson als Trade Mark zu positionieren, sondern wie man ein ernsthaftes Anliegen kollektiv und seriös verfolgen kann. Mit Delete! haben wir versucht, mit ästhetischen Mitteln eine gesellschaftlich relevante Debatte vom Zaun zu brechen, aber wir hatten ganz sicher nie die Intention Culture Jamming zu betreiben. Wenn dieses Stichwort manchen Leuten den Zugang zu diesem Projekt erleichtert, soll es mir recht sein. Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, wie schwach die Dinge aus dieser Ecke, soweit ich sie kenne, sind. Das ist fallweise Subkultur im engsten Sinn des Wortes. Manche Aktionen spielen mit Logos, viele Dinge sind wiederum nur im Fotooder im Internetbereich angesiedelt. Wir interessieren uns sehr für formale Dinge, auch für historische, stadtarchäologische Zugänge, und diese Ausdifferenzierungen ergeben dann doch eine ganz andere Stoßrichtung. Mir geht es um das Sichtbarmachen des Vorhandenen durch teilweises Abdecken, nicht um ein Christo-mäßiges Verhüllen. Vielleicht kann man sich das in Analogie zum menschlichen Körper vorstellen, der ja als teilweise bedeckter meist attraktiver ist als in völlig entblößtem Zustand. Man hat auch verschiedene Werke von anderen Künstlern in seinem Kopf abgespeichert, die einen irgendwann einmal tief beeindruckt haben, und die dann im Arbeitsprozess plötzlich präsent sind. Für mich spielt da beispielsweise die Installation «Tivoli» von Jan Fabre eine große Rolle, bei der er in natura eine Villa komplett mit Kugelschreiber überkritzelt hat, manche Selbstportraits von Arnulf Rainer oder auch «The Untitled Project» oder «Floating Logos» von Matt Siber. Interessant war für uns auch der Film «High Noon Loop» des österreichischen Filmemachers Martin Arnold, der die Darsteller aus der berühmten Duellszene ausgeblendet hat und damit eine enorme Intensi91


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