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SPERLING ÜBERWINTERN BEI DEN SCHMERZEN. „Ich mag eigentlich keinen Rap, aber euch finde ich cool!“ Wie oft durften Bands diesen Satz schon hören, wenn sie sich daran gewagt haben, einmal Soundwelten zu verbinden, die aus Sicht der Konsumierenden eigentlich nicht zusammenpassen? Rap und Rock wurde für den Mainstream vermutlich erstmals mit LINKIN PARK wirklich Salonfähig gemacht, verschwand dann in der Versenkung und erlebte knapp zehn Jahre später dank Caspers „Xoxo“ auf Indiebeats einen zweiten Frühling. Nun erscheint die Hunsrücker Formation SPERLING auf der Bildfläche und füllt diese Soundsymbiose genau zehn Jahre nach besagtem Deutschrap-Meilenstein erneut mit Leben. Wer dieses Interview jetzt schon skippen möchte, weil man nichts mit CASPER anfangen kann, kann an dieser Stelle beruhigt aufatmen, denn bis auf die grobe Kategorisierung haben SPERLING und der Extertaler Rapper nicht viel gemeinsam – außer vielleicht die Herkunft aus Orten, die in keinem Tourist Guide Erwähnung finden –, wie im Interview mit Frontmann Jojo und beim Hören des Debütalbums „Zweifel“ schnell deutlich werden sollte.

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PERLING aus Rheinland-Pfalz gibt es eigentlich schon eine ganze Weile. Bereits 2015 veröffentlichte die Band ihre erste EP „Pssst“, die den Grundstein für den Sound legt, den sie heute zum Besten geben: das Rappen von verkopften Lines, die nicht selten an Fabian Römer erinnern, zu einem atmosphärischen Soundgewand aus Reverb-Gitarren-PostHardcore, den man von Genrekollegen wie FJØRT oder ­HEISSKALT kennt und der mit einem Cello verfeinert wird. „Wir möchten das Cello jedoch ungerne als besonderes Instrument hervorheben oder als etwas ansehen, das sich vom Rest abhebt“, erklärt Rapper Jojo direkt zu Beginn des Interviews. „Das Cello spielte von Anfang an eine gleichberechtigte Rolle bei uns und ist mit der Band und dem Sound gewachsen wie jedes andere Instrument.“ In bester Hardcore-Manier beschäftigten sich SPERLING auf „Zweifel“, getreu dem Titel, mit den inneren Konflikten, die vielen von uns nicht nur den Schlaf, sondern auch den Antrieb rauben: Depressionen, psychische Krankheiten, Angst und Tod. „Wenn man mich fragt, wieso wir uns ausgerechnet SPERLING genannt haben, dann liegt es daran, weil es ein schönes Wort ist, aber auch weil der Sperling eine Vogelart ist, die überall dort vorkommt, wo es Menschen gibt. Zudem sind Sperlinge keine Zugvögel. Sie bleiben den ganzen Winter in der Kälte, dort wo es wehtut, während sie alles aus einer Vogelperspektive betrachten und sortieren. So wie ich beim Texten“, zieht Jojo, der hauptberuflich als Altenpfleger tätig ist, den Vergleich. Dass

die Texte sich so nah an Tod und Schmerz bewegen, ist also wenig verwunderlich, wenn der Schreiber jeden Tag damit konfrontiert wird. Wer aufmerksam hinhört, wird auch schnell merken, dass beim Texten wenig beschönigt wird und die starke, ja teils drastische Bildsprache einen auch gerne mal vor den Kopf stoßen kann, was jedoch genau so beabsichtigt wurde „Irgendjemanden stößt man wohl immer vor den Kopf, bei unseren Themen ist dies aber auch so gewollt. Wenn wir über Depressionen rappen, dann weil es immer noch zu viele gibt, die sich nicht trauen, etwas zu sagen, aber wir wollen die Leute ermutigen, sich zu öffnen und Hilfe zu suchen, dies geht nicht durch die Blume. Und damit landen wir wieder bei der Altenpflege. Ich betreue Generation, welche genau so stark mit mentalen Krankheiten konfrontiert sind wie wir, aber es fast alle für sich behalten. Einfach weil es damals so verpönt war, darüber zu sprechen und ich bemerke, was die Folgeschäden davon sein können. Es ist wichtig, so offen und ehrlich über psychische Probleme zu sprechen wie möglich!“ Dabei sieht Jojo seine Kunst für sich selbst zu keinem Zeitpunkt als Ersatz für eine Therapie. Sie vermag es zwar, ihm zu helfen, die Gedanken in seinem Kopf zu sortieren, oder kann der nötige Impuls sein, sich damit selbst zu beschäftigen, ist auf dem Weg zur Besserung aber nur als erster Schritt anzusehen. Kommunikation sei der Schlüssel. „In den Songs kann ich mich hinter der Bildsprache verstecken. Wenn ich mich direkt mit Leu-

ten austausche, dann ist es direkter. Aber es braucht diese Direktheit. Wenn man immer alles mit sich selbst aushandelt, kommt man irgendwann nicht mehr weiter. Es gibt diesen Teil in einem, der alles verharmlost. Zur gleichen Zeit ist da aber auch der Teil, welcher alles viel schlimmer redet, als es ist. Beide befinden sich im ständigen Streit und hindern einen daran, eine Lösung zu finden. Probleme kann man nur bewältigen, wenn man darüber spricht.“ Kommunikation ist ein Wort, das bei der noch jungen Band also ganz groß geschrieben wird. Nicht umsonst versuchen sie deshalb auch, so viel wie nur möglich mit ihrer Fanbase zu interagieren. „Seit alles so digitalisiert ist, schaut man nur auf Follower und Plays. Wir sollten aber nicht vergessen, dass hinter jeder einzelnen Zahl ein kompletter Mensch steckt“, führt Jojo den Gedanken dahinter aus. „Genau aus diesem Grund bieten wir allen Menschen, die Interesse an uns haben, an, uns zu schreiben und mit uns in Kontakt zu treten.“ In Zeiten, in denen Klicks und Plays immer weiter in den Fokus rücken, Daten im starken Kontrast zu dem stehen, wer sich hinter ihnen verbirgt, und psychische Erkrankungen immer noch ein Tabuthema sind, scheinen SPERLING genau zum richtigen Zeitpunkt ihre Flügel auszubreiten und sich den Menschen zu zeigen. Rap mit Rock hat immer polarisiert, aber vielleicht braucht es eben diese, um die Gedanken von SPERLING auch in die Welt hinaus zu tragen. Christian Heinemann

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