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RISING INSANE METAL-HEALTHCORE. Mit „Afterglow“ präsentiert die Bremer Metalcore-Formation RISING INSANE ihren dritten Longplayer. Das Gespräch mit Gitarrist Sven Polizuk offenbart ein Spannungsfeld zwischen musikalischer Progression, dem aktuellen Status quo und einer inhaltlichen Positionierung im Zentrum eines übermannenden Zyklons aus Depressionen und Gesellschaftskritik. (Triggerwarnung: Suizid, Depression.)

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ISING INSANE haben den Status des Underdogs unlängst hinter sich gelassen. Auf den Release des in Eigenregie veröffentlichten Debüts „Nation“ folgten eine Supporttour mit ANNISOKAY, unzählige Live-Auftritte – unter anderem als Opener bei der 2019er Ausgabe des Impericon Festivals – und der Schulterschluss mit Long Branch Records inklusive der Nachfolgerplatte „Porcelain“. Die Pandemie nutzten die Jungs, um Tracks wie „Blinding lights“ (mit über drei Millionen Cross-Platform-Streams) und „Manic“ zu covern und ihre neue Platte „Afterglow“ zu produzieren. Die rhetorisch vollkommen überfrachtete Zwangspause mit Cover-Outputs zu füllen, hat RISING INSANE streaming-technisch nicht nur einen riesigen Schritt nach vorne katapultiert, sondern ihnen auch ein konstantes Maß an Aufmerksamkeit sichern können. Dabei hat die Band rund um Sänger Aaron Steineker bei Social Media ordentlich Dampf gemacht, ohne dabei die klassischen Streaming-Konzerte zu bedienen. „Wir haben ganz bewusst versucht, nicht auf diese StreamingGeschichte zu gehen, weil wir selber nicht hundertprozentig davon überzeugt sind“, berichtet Gitarrist Sven. „Das ist so eine Sache mit den Streaming-Shows. ARCHITECTS haben das aus der Royal Albert Hall gemacht und das hat halt Eier, war richtig geil und hatte einfach Stil.“ Bereits hier wird klar, welchen Anspruch die Band an ihr eigenes Schaffen und ihr Image hat. Dass die Reputation hierbei keinesfalls eine kreative Illusion oder heuchelnde Predigt darstellt, zeigt sich vor allem auch an der kommenden Scheibe und der prägenden Devise der Band. Verfolgt man die noch junge Karriere der norddeutschen Combo, stolpert man unabdingbar über deren genretechnischen, stilistischen und auch inhaltlichen Werdegang: von der treibenden Energie der Debütplatte und dem adoleszenten Anprangern von gesamtgesellschaftlichen Missständen hin zur feinfühligen

Beschäftigung mit persönlichen Schicksalsschlägen und der Platzierung der eigenen Werte – ohne dabei tonal an Härte und Eingängigkeit zu verlieren. Dabei wurde die Band vom aktuellen Feedback aus der Community nahezu überrascht: „Wir haben uns die Zahlen für unsere vierte Single ‚Something inside of me‘ angeschaut und das ist schon ziemlich heftig, um ehrlich zu sein. Es ist definitiv so, dass wir nicht damit gerechnet haben und wir wirklich gespannt sind, was am Ende passieren wird“, berichtet Polizuk. „Wenn man zu viel abgibt, dann verliert man meiner Meinung nach die Kontrolle.“ Auch durch den aufkeimenden Druck der gefürchteten dritten Platte hat sich der Fünfer keinesfalls aus der Routine bringen lassen. Gitarrist Sven verantwortet großteils das Schreiben der Musik und Sänger Aaron übernimmt das Verfassen der Texte, während die Gesamtkonzeption und Ausarbeitung mit der ganzen Band erarbeitet wird. „Wir haben das ziemlich exzessiv und alles in einem Rutsch gemacht. Demnach ist alles in einem Rutsch entstanden und ich finde, das hört man auch.“ Die Blüten des facettenreichen Werkes, inklusive der bisher erschienenen Musikvideos, sind dabei vollständig in Eigenregie entstanden: „Das Schlagzeug haben wir in Halle bei Christoph Wieczorek im Studio aufgenommen, wir haben quasi nur die Räume gemietet und hatten die Ehre, die Nachtschichten zu haben und das war eine wirklich schlaflose Zeit.“ Die Band ist sich der Tücken der selbstgewählten musikalischen Autonomie dabei absolut bewusst. Songs wie das messerscharfe und Drumming-intensive „Oxygen“ stellen die Band dabei stets vor neue Herausforderungen. „Im Studio war der echt anstrengend und es ging richtig viel Zeit drauf. Aber ich bin zu 180% davon überzeugt, dass das live eine richtige Dampfwalze wird.“ Den schmalen Grat zwischen Fluch und Segen im Prozess des Songwritings und Recordings bewältigen sie dabei jedoch mit

Bravour und verpassen ihrer Diskografie einen selbstgewählten schonungslosen Stempel. Die genretechnischen Einflüsse auf das Gesamtwerk spielen für RISING INSANE hierbei weniger eine Rolle als die aktuelle Vision ihres eigenen Klangs. „Ich würde uns schon als typische Metalcore-Band bezeichnen. Aber ich gehe nicht hin und meine, wir müssen jetzt superhart sein.“ Dabei stellen sie sich in keiner Weise in den Schatten von Szene-Veteranen wie HEAVEN SHALL BURN oder AS I LAY DYING, sondern kreieren die eigene Mischung aus klassischem Metalcore, Djent- und Post-Hardcore-Anleihen und durchaus melodiösen, beinah hymnischen Elementen – versehen mit dem hauseigenen RISING INSANE-Touch. Sich vollkommen frei von anderweitigen musikalischen Einflüssen zu machen, obliegt dabei der Unmöglichkeit, so Polizuk. Pointierte Vergleiche mit anderen szenerelevanten Bands betrachten sie zunehmend als Kompliment und weniger als Vorwurf der Inspirationslosigkeit. Während die Ideen für Songs aus dem Momentum heraus entstehen, liefert die textliche Ebene die harte Kante zum Gegenwärtigen. Mentale Gesundheit und deren Tücken in der akuten Schnelllebigkeit sind ein zentrales Sujet der Platte und führen die Geschichte des zweiten Albums fort. Ein heutzutage viel diskutiertes Thema, dem sich RISING INSANE aus einer sehr privaten Sicht nähern: Die Schwester des Sängers Aaron verstarb vor zwei Jahren an einem Hirntumor und ließ ihn in eine Phase der Depression rutschen, die bereits auf „Porcelain“ thematisiert wurde. Die schmerzlichen Seiten eines frühen Verlustes sind auch Polizuk nicht fremd, da sich sein Bruder vor ein paar Jahren das Leben nahm. Auf „Afterglow“ wird die Frage der psychischen Gesundheit in voller Intensität und aus differenzierten Perspektiven behandelt: Wie gehen wir und

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