6 minute read
COMEBACK KID
from FUZE.92
Foto: QuintenQuist.com
MEIN SOUND. Kanadas Hardcore-Pioniere COMEBACK KID zeigen mit ihrem neuen Album „Heavy Steps“, dass sie immer noch da sind und es wieder einmal hinbekommen haben, sich selbst neu zu erfinden. Und auch nach zwanzig Jahren Erfahrung gibt es noch Dinge, die sie bei dieser Platte anders machen, als sie es sonst gewohnt sind. Sänger Andrew und Gitarrist Jeremy erzählen uns, was bei diesem siebten Studioalbum anders lief und was sie motiviert, immer weiterzumachen.
Advertisement
Es ist schon interessant, mit welcher Selbstverständlichkeit wir mittlerweile an Videokonferenzen teilnehmen. So sitze ich an einem DezemberAbend in Köln und sehe Andrew in seinem Wohnzimmer in Toronto, wie er mit den FaceFiltern von Zoom rumspielt, während Jeremy es sich im Auto in Winnipeg bequem macht. Zu Beginn der übliche CoronaSmalltalk: Andrew erzählt, wie unwohl er sich bei den ersten Shows fühlte. Monatelang Abstand halten und dann wieder echte HardcoreKonzerte, das gleicht einem Kulturschock. Ich sage, wie verrückt ich es finde, dass die Band im Januar wieder in Deutschland tourt, worauf Jeremy lachend antwortet: „Tun wir das? Haha! Ich bin hier jetzt einfach mal total optimistisch. Ich will unbedingt, dass diese Tour stattfindet!“.
Wenn eine Band neue Musik veröffentlicht, wird es unweigerlich mit vorherigen Alben verglichen. Mich interessiert, welche Ziele sich die Band selber setzt, wie sie ihre Messlatte bestimmen. Jeremy: „Ich möchte ein Album, das ich selbst gerne höre. Das klingt jetzt vielleicht narzisstisch, aber ich bin mit unserer Diskografie echt zufrieden. In der Vergangenheit bin ich oft spazieren gegangen, habe meine eigene Musik gehört und dachte, wie großartig das klingt. Und wenn ich selbst begeistert bin, sollte sich das Gefühl auch auf andere Menschen übertragen. Ich glaube, wir haben das auch diesmal wieder geschafft“. Andrew ergänzt: „Lieder zu schreiben ist eine Art Geschenk an sich selbst. Man kann seine Emotionen rauslassen. Sei es durch ein Instrument, weil man sich auf keine andere Art und Weise ausdrücken kann, oder eben mittels der Texte. Auf der einen Seite wollen wir unsere Musik selbst lieben, auf der anderen Seite möchte ich persönlich, dass sie wie hier und jetzt klingt. Ich bin nicht daran interessiert, immer wie ‚die alten COMEBACK KID‘ zu
klingen. Vielleicht mal ein Throwback Song, aber ich will uns pushen und musikalisch auf einer modernen Ebene landen.“
Eine Aussage, die ich gerade im Kontext des neuen Albums „Heavy Steps“ besonders spannend finde. Man kennt den typischen Klang von COMEBACK KID. Aus diesem Grund sticht die Platte etwas heraus, weil die Gitarren und der generelle Sound noch härter und schwerer wirken. Andrew erklärt warum: „Jeremy und ich haben im Vorfeld sehr viel darüber gesprochen, dass unsere Gitarren und der Gesang auf Platte nicht so heavy rüberkommen, wie wenn wir live spielen. Das wollten wir ändern und sie stärker hervorheben.“ Ich frage, wie sie diesen neuen Gitarrensound angegangen sind. Ob sie vorher lange herumgespielt haben oder erst im Studio verschiedene Settings ausprobiert haben. Jeremy: „Es ist ein bisschen die Mischung aus beidem, wobei sehr viel durch Will Putney kam, der die Platte gemixt und gemastert hat. Sein Stil ist auch der Grund, weshalb wir mit ihm zusammenarbeiten wollten.“ Andrew: „Mir fällt es wahnsinnig schwer, mir beim Aufnehmen die finalen Songs vorzustellen. Ich höre es im Studio, aber wie es nach dem Mix und Mastering wirkt, kann ich schwer sagen. Die Freiheit von ReAmping war da eine riesige Hilfe, aber macht es auch komplizierter. Ich bin kein TechGuy aber ich probiere mal, es einfach zu erklären: Man sendet das Signal von einem Computer aus durch einen echten Amp, so als ob man direkt mit der Gitarre spielt. Man kriegt den echten Sound vom Verstärker, aber auch Charakteristiken von den verwendeten Mikros oder Vorverstärkern. So kann man auch verschiedene Verstärker ausprobieren und finetunen, bis es einem gefällt. Die Tatsache, dass sich der Ton im Nachhinein noch komplett ändern könnte, macht es noch schwieriger, sich das Endprodukt KID hingehen soll. Gerade für sie als Band im HardcorePunkGenre ist DIY das große Mantra. Doch welche Aufgaben überlassen sie anderen Profis? „Wir geben alles Mögliche an Externe ab“, erklärt Andrew. „Im Grunde genommen managen Jeremy und ich die Band. Doch die Zusammenarbeit mit anderen ist das, was wir als Band besonders toll finden. Wir arbeiten zum Beispiel gerade an einem Gitarrenpedal mit Revv Amps, die auch das ReAmping unseres Albums durchgeführt haben. Ebenfalls in der Mache ist eine MerchKollektion mit der Firma Indestructible, mit denen wir befreundet sind. Es gibt da diese Band KEN MODE aus Winnipeg. Da spielen zwei Brüder, die helfen uns bei der Buchhaltung und anderem BusinessKram, für den Jeremy und ich einfach nicht geschaffen sind. Dann gibt es natürlich noch BookingAgenturen wie Avocado, die in Deutschland für uns zuständig sind. Und logischerweise ist da auch das Label, das uns hilft, die Platte überhaupt rauszubringen. Ohne solche Partner ginge es nicht. Wir haben noch einige weitere Kollaborationen. Wir sind wie eine Spinne mit vielen Armen. Doch sobald wir unterwegs sind, gibt es nur uns fünf plus unseren Tourmanager. Wir packen auch gerne selbst an und behalten einige Aufgaben intern. Etwa das MerchDesign von unserem Gitarristen Stu oder einfach die logistische Planung, wie die nächsten Touren aussehen werden. Welche Autos wir mieten, welches Equipment wir mitnehmen und so weiter. So was machen wir lieber selbst.“ In unserem dreißigminütigen Gespräch merkt man, wie glücklich die beiden mit ihrem neuen Album sind. Natürlich ist jede Band stolz auf ihr neuestes Werk, doch bei COMEBACK KID schimmert es besonders durch. Seit dem Interview stelle ich mir immer wieder vor, wie Jeremy grinsend durch den Park läuft, während er zufrieden seiner eigenen Platte lauscht. Joscha Häring
vorzustellen, aber so konnten immer ein paar Dinge angepasst werden, bis alles stimmte.“
COMEBACK KID touren seit Jahren rund um die Welt. Die Band ist auch ein Job, bei dem man viel mit Reisen zu tun hat. Aber ist es auch ein Job, den man manchmal genau wie seine Arbeit im Büro hasst? Jeremy: „Alles in allem habe ich einen Job, den ich liebe. Es wird immer Zeiten geben, in denen es brutal ist, in denen ich nicht mit meinen Kollegen klarkomme und wo das Reisen mir zu schaffen macht. Am Ende komme ich aber immer zu dem Schluss, dass ich einen Kindheitstraum lebe. Wir verdienen mit Musik Geld und fühlen uns damit sehr glücklich“. Andrew: „Um ehrlich zu sein, ist eine Tour manchmal gar nicht so viel Arbeit, wie wenn du zu Hause für die Band arbeitest. Weißt du, was ich an Touren mittlerweile besonders liebe? Bei den meisten haben wir nur eine einzige Backline. GearFans mögen vielleicht meine Einstellung nicht, aber nicht jede Band braucht unbedingt ihre eine eigene Backline. Der ganze Stress, den man mit Ein und Ausladen hat, wird dadurch minimiert und es nimmt einem viel Arbeit ab!“.
Je länger Andrew und Jeremy von ihrem BandKonstrukt erzählen, desto mehr merkt man, dass sie eine genaue Vorstellung davon haben, wo die Reise mit COMEBACK