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PARKWAY DRIVE
from FUZE.95
Foto: Vincent Grundke (vollvincent.com)
AM RANDE DER EXISTENZ. Eine ganze Weile war es nun ruhig um die Metalcore-Giganten aus Byron Bay. Jetzt sind PARKWAY DRIVE mit ihrem neuen Album „Darker Still“ zurück und präsentieren damit ein Werk, das die Band während seiner Entstehung fast in den Ruin getrieben hätte. Wir sprechen mit Sänger Winston über Leistungsdruck und zwingend notwendige Pausen.
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Euer kommendes Album trägt den Titel „Darker Still“ – und wenn man sich die Songtexte anhört, ist der Name definitiv Programm. Das ganze Album dreht sich um das philosophische Konzept der „Dunklen Nacht der Seele“. Es beschreibt die Veränderung, die ein Mensch durchläuft, wenn er mit einem Ereignis konfrontiert wird, das so düster und einschneidend ist, dass es die eigene Wahrnehmung und eigenen Glaubensgrundsätze zerstört. Im Anschluss folgt die Reise zu einem neuen Lebensabschnitt, den man als komplett anderer Mensch beschreitet. Mit allem, was in den letzten zwei Jahren uns privat, aber auch weltweit passiert ist, ergibt das die Grundlage für „Darker Still“. Es wird nicht wirklich heller in der Welt, oder? Ich meine, mit all den politischen Konflikten und dieser Pandemie, die eine kritische Situation für unsere gesamte Zivilisation dargestellt hat, während sich dennoch einzelne Protagonisten selbst bereichert haben ... da liegt es doch auf der Hand, dass viele Dinge in der heutigen Zeit falsch laufen.
Und genau diese düstere Sicht wurde perfekt auf dem Cover von „Darker Still“ visualisiert; man sieht eine antike Büste, die in der Mitte bricht und ein außerirdisches Wesen preisgibt. Wie kann man das Artwork interpretieren? Wir haben für das Cover mit einem deutschen Künstler zusammengearbeitet, der sich auf Skulpturen spezialisiert hat, und ihm erklärt, worum es auf „Darker Still“ geht. Im Grunde besteht das Artwork aus drei Komponenten. Zum einen ist da die Hülle, die aufbricht – also das, was andere Menschen von außen wahrnehmen und was dem Individuum als Schutzschild dient. Gleichzeitig sieht man diese Stacheln an der Innenseite – also den Käfig, der dich in dir selbst gefangen hält. Das Gesicht im Inneren zeigt das Leid, das wir unter der Hülle verstecken wollen, das aber gleichzeitig durch diese Isolation nur noch weiter verstärkt wird.
Apropos Visuelles: Zu eurer ersten Single „Glitch“ habt ihr ein Musikvideo veröffentlicht. Wie passt das zur übergeordneten Thematik des Albums? „Glitch“ ist tatsächlich nur die Spitze des Eisbergs. Wir wollten mit der ersten Single viele altbekannte Eigenschaften von PARKWAY DRIVE zeigen, aber gleichzeitig einen Ausblick geben, auf das, was kommen wird. Der Song selbst handelt von Nachtangst und Schlafparalyse. Das sind beides psychologische Konzepte, die die Thematik des Album gut erfassen, da man zwar wach ist und seine Umgebung wahrnimmt, sich aber nicht bewegen kann, und der Horror direkt aus dem eigenen Inneren kommt. Du selbst bist in diesem Fall die Quelle des Horrors und dein Körper hat total Kontrolle über dich – nicht andersherum. Auch das Video, in dem die Grenzen zwischen Wachsein und Schlaf immer wieder verschwimmen, und man sich in einer Welt voller Kontraste wiederfindet, spiegelt dieses Thema wider. Generell findet man auf „Darker Still“ viele Kontraste. Denn trotz der vielen Clean Vocals sind die Songs extrem düster und hart. Das Album ist wirklich schwer zu greifen. Es gibt so viele Bands, die ihr Album als „das melodischste und gleichzeitig heftigste, was sie je gemacht haben“ beschreiben und du weißt genau – alles klar, es wird halt etwas poppiger und hat mehr Breakdowns. Mit „Darker Still“ ist das zwar ähnlich, aber das Album geht eben auch in die komplett andere Richtung. PARKWAY DRIVE sind in einigen Bereichen softer geworden, aber in anderen auch härter. Dadurch haben wir unser musikalisches Spektrum noch mal auf ein ganz neues Level gebracht.
Wenn man als Band neue musikalische Wege geht, gefällt das natürlich nicht jedem Fan. Und besonders auf Social Media klaffen die Meinungen teilweise stark auseinander. Auf Instagram meinte ein Nutzer: „Well, guess that heavy Parkway music is dead and gone. Sad that some people won’t be able to experience Winston’s vocals and heavy ass PWD like us OG fans have been able to ...“ Wie fühlt es sich an, so etwas zu lesen? Er hat absolut recht! Und genau das ist Sinn und Zweck des neuen Albums. Als das mit Social Media so richtig losging, hat man viele Kommentare noch sehr persönlich genommen – vor allem wenn es halt um die eigene Kunst geht. Mit den Jahren verändert sich aber die Perspektive. Jede einzelne Meinung zu unserer Musik hat ihre Daseinsberechtigung und welches Recht habe ich,
dir zu sagen, wie du unser neues Album zu finden hast. Auch die Aussage, dass die alten PARKWAY DRIVE der Vergangenheit angehören und viele Fans das nie live erleben werden – ja, das stimmt, aber das macht die ganze Sache ja auch so besonders. An all die Menschen, die uns vor Jahren in einem kleinen Club mitten im Nirgendwo gesehen haben: Behaltet euch diese Erinnerungen. Wir möchten als Band nicht wieder dorthin zurück und das Ganze genauso wiederholen. Das würde die Erinnerung nur ihrer Magie berauben. Und als Motivation für alle anderen: Wir sind ja immer noch die gleiche Band – nur ein kleines bisschen anders.
Besonders jüngeren Bands fällt es oft schwer, diese Meinungsäußerungen nicht als Kritik an der eigenen Persönlichkeit zu verstehen. Ihr habt vor einigen Wochen ein Statement über die mentale Verfasstheit der Band veröffentlicht und in diesem Zuge sogar eine anstehende US-Tour abgesagt. Wie geht es euch jetzt und wie hat sich das auf „Darker Still“ ausgewirkt? Uns geht es mittlerweile wieder sehr gut – sogar besser als jemals zuvor. Seit es PARKWAY DRIVE gibt, waren wir immer entweder im Studio oder auf Tour. Als dann Corona kam, stoppte alles von jetzt auf gleich. Nach einem Monat Lockdown wollten wir dann wieder anfangen, neue Musik zu schreiben, und ein Jahr später waren wir endlich soweit, sie auch aufzunehmen. Der Recording-Prozess war allerdings eine echte Herausforderung. Wir saßen durch die Pandemie immer noch in Australien fest und unser Production Team war zu der Zeit in Quarantäne. Also suchten wir anderswo nach einem Studio und der notwendigen Ausrüstung. Der Druck, den wir uns selbst aufbürdeten, war immens. Das Virus hat so viele Aspekte unseres Lebens auf den Kopf gestellt und nachhaltig geprägt, dass wir dachten, dies könnte vielleicht das letzte Album sein, das wir jemals produzieren. Aber wenn du nur noch ein einziges Album schreiben kannst, muss es einfach perfekt werden. Es war, als wären 19 Jahre PARKWAY DRIVE nur auf diesen Moment ausgerichtet gewesen. Als wir das Album dann fertig hatten, waren wir echt happy damit, standen aber quasi am Rande der Existenz. Mental waren wir alle in einem wirklich düsteren Zustand – nur sprach es keiner laut aus. Und auch als wir mit den Proben beginnen wollten, hatte niemand so wirklich Lust. Die Luft war einfach raus und wir fühlten uns einfach ausgelaugt.
„Darker Still“ bedeutete also tatsächlich fast das Aus für PARKWAY DRIVE? Absolut. Wir setzten uns danach zusammen und sprachen offen darüber, wer auf Tour gehen möchte, und keiner empfand sonderlich großen Enthusiasmus. Natürlich fühlten wir diesen Druck, auf Tour zu gehen, weil man das als Band nun mal so macht. Aber warum touren, wenn man nicht seine volle Energie aufbringen kann? Und die nächste Frage war dann, wer überhaupt noch in der Band sein möchte. Keiner wollte in
WENN WIR STATT ZUR THERAPIE AUF TOUR GEGANGEN WÄREN, HÄTTE PARKWAY DRIVE ALS BAND DAS HÖCHSTWAHRSCHEINLICH NICHT ÜBERLEBT.
diesem Moment explizit aufhören, aber wir wollten auch nicht so weitermachen und uns selbst zugrunde richten. Also entschlossen wir, die Tour zu canceln und stattdessen alle für zwei Wochen zu einer Gruppentherapie zu gehen. Das hat uns enorm geholfen, die letzten 19 Jahre aufzuarbeiten und offen über Dinge zu sprechen, die zuvor jeder immer mit sich selbst ausgemacht hatte, weil er glaubte, dass das halt zum Leben eines Musikers dazugehört.
Welchen Tipp kannst du jüngeren Bands geben, die mit hohem Leistungsdruck zu kämpfen haben? Obwohl diese Emotionen jeden überkommen können, ist es in der Musikbranche noch um einiges wahrscheinlicher: Im einen Moment bist du so euphorisch vor Erfolg und in der nächsten Sekunde fürchtest du, alles wieder zu verlieren. Es ist eine sehr isolierte, aufgesetzte und teilweise toxische Welt, in der viele ihre Unsicherheiten mit Drogen und Alkohol bekämpfen. Das ist aber natürlich keine dauerhafte Lösung und holt dich irgendwann wieder ein. Also, kommuniziert eure Ängste offen und ehrlich und sucht euch Hilfe.
Zum Thema „Alkohol ist keine Lösung“: Wenn du „Darker Still“ mit einem nicht-alkoholischen Getränk vergleichen müsstest, welches wäre es und warum? Haha, uuuuh, die Frage ist tricky. Es ist wie dieses Glas Wasser, das du mitten in der Nacht trinkst, wenn dein Mund staubtrocken ist. Du taumelst im Dunkeln in die Küche und kippst es einfach runter. Es löscht zwar den Durst, aber es macht dich gleichzeitig wach. Wenn du dich wieder hinlegst, fällt dir das Einschlafen schwer, aber wenn du endlich schläfst, erfährst du den Schlaf in einer ganz anderen Art und Weise. Philip Zimmermann