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THE WONDER YEARS
from fuze.96
Foto: Kelly Mason
ALTE UND NEUE ÄNGSTE. Sie haben sich dem Konzeptalbum als Kunstform verschrieben. Eher ungewöhnlich für eine Band, die dem Pop-Punk-Genre zugeschrieben wird. Aber THE WONDER YEARS sind so viel mehr. Vielschichtig, verletzlich und erneut mit einem ganz eigenen künstlerischen Ansatz versehen kommt aktuell „The Hum Goes On Forever“ daher. Dabei ist Album Nummer sieben unter solch schwierigen Bedingungen entstanden, dass sich Verzweiflung und Hoffnung permanent die Klinke in die Hand gaben. Sänger Dan Campbell erklärt, wie sehr die beiden letzten Jahre das neue Werk geprägt haben und worum es darauf geht.
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Ihr habt in den vergangenen Jahren nahezu durchweg Konzeptalben gemacht. Auf „Sister Cities“ ging es um Erfahrungen, die ihr auf Tour gesammelt habt, und wie ihr die Welt seht. Um was geht es auf „The Hum Goes On Forever“? Ich würde es ein loses Konzept nennen. Uns ist es immer extrem wichtig, ein songübergreifendes Thema zu finden. Im Falle von „The Hum Goes On Forever“ ist es wohl vor allem die Angst vorm Versagen. Das Album ist das erste, das wir geschrieben haben, seitdem ich Vater geworden bin. Da verändert sich die Sichtweise auf das Leben. Zu den alten Ängsten kommen eine ganze Menge neue hinzu. Wo ich vorher in den Seilen hing und keinen wirklichen Plan fürs Leben hatte, muss ich nun für meine Kinder funktionieren. Das kann einem eine höllische Angst einjagen. Man hinterfragt sich selbst oft und denkt sich, war es fair gegenüber meinen Kindern, sie in eine Welt zu setzen, in der so vieles falsch läuft? Ich meine, wir reden hier über die Klimakrise, Massenschießereien und Kriege. Diese Fragen und Zweifel versuche ich, auf „The Hum Goes On Forever“ zu verarbeiten. Die letzten beiden Jahre waren auch für uns als Band sehr schwierig. Die globale Pandemie hat so vieles verändert, auch die Dynamik, wie du als Band an ein neues Album herangehst.
Du hast ja die Pandemie bereits angesprochen, inwiefern hatte sie Einfluss auf „The Hum Goes On Forever“? Das Album hätte eigentlich schon 2020 veröffentlicht werden sollen. Wir wollten sofort nach der „Sister Cities“-Tour damit anfangen. Dann kam die Pandemie und wir hatten erst mal keine wirkliche Chance, gemeinsam zu arbeiten. In einem Land, das kein funktionierendes Gesundheitssystem hat, war es am Anfang auch unmöglich, an Tests ranzukommen beziehungsweise waren diese damals unglaublich teuer. So hatten wir uns also dazu entschieden, uns alle für 14 Tage in Quarantäne zu begeben und danach einen Test zu machen. Erst als klar war, dass wir alle negativ waren, haben wir angefangen, gemeinsam Musik zu machen. Wir haben also eine Farm im Nirgendwo gemietet, uns dort häuslich eingerichtet und angefangen zu schreiben. Am Anfang habe ich noch versucht, mit Maske zu singen, und wir haben die absurdesten Dinge ausprobiert, um sämtliche Risiken zu minimieren, aber nichts hat wirklich funktioniert. Wir wollten einander einfach schützen. Es war eine wirklich fordernde Zeit, die an uns allen gezehrt hat. „The Hum Goes On Forever“ ist eben in genau dieser Zeit entstanden. Aber gerade diese Schwierigkeiten und die Themen, die es zu verarbeiten galt, haben das Album zu dem gemacht, was es heute ist. Hätten wir 2020 ein Album veröffentlicht, wäre es sicherlich ein komplett anderes geworden. Ich bin mir allerdings auch ziemlich sicher, dass es nicht so gut wie „The Hum Goes On Forever“ geworden wäre.
Das heißt, dass in diesem Fall die Pandemie auch einen positiven Effekt auf euer Schaffen hatte? Nein, so würde ich das nicht sagen. Ich kann nichts Gutes an einer Situation finden, in der Millionen von Menschen ihr Leben lassen mussten. Aber Einfluss hatte das alles natürlich auf uns. Es gab neue Dinge zu verarbeiten und wir waren gezwungen, sämtliche Live-Shows einzustellen. Das lässt dich grübeln und verschafft dir Zeit, dich eingehender mit dir selbst und deiner Musik auseinanderzusetzen. „The Hum Goes On Forever“ ist vielleicht aus genau diesem Grund das in sich geschlossenste Album, das wir jemals produziert haben. Alles greift ineinander und funktioniert als Ganzes. Als wir mit dem Schreiben angefangen haben, gab es ja noch keine Songs und wenn überhaupt lose Ideen. Wir haben bei Null angefangen. Wir sind als Band in dieser Zeit noch stärker zusammengewachsen. Wir hätten 2020 sicherlich Songs veröffentlichen können, mit denen wir zufrieden gewesen wären, aber ich glaube nicht, dass sie die Qualität des aktuellen Albums erreicht hätten.
Ich habe gesehen, ihr seid im November auf Tour in England. Habt ihr auch Pläne für den Rest von Europa? Um ehrlich zu sein, ja, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Wir sind noch immer keine riesige Band und müssen sehr genau schauen, wo das Touren in der momentanen Situation Sinn ergibt. Uns ist es sehr wichtig, dass unsere Crew fair bezahlt wird und alle Kosten darstellbar sind. In einer Zeit, in der die Infrastruktur am Boden liegt, es wenig Personal im Veranstaltungsbereich gibt und du als Band teilweise weder Busse noch Equipment mieten kannst – von Benzinkosten und Co. wollen wir gar nicht erst anfangen –, ist es extrem schwer, Planungssicherheit zu haben. Dazu kommt auch noch die weiterhin existente CoronaSituation. Wenn du Geld investierst, eine Tour planst und diese dann absagen musst, weil sich einer von der Band infiziert hat, ist das ganze eingesetzte Geld weg. Da bist du als Band unserer Größenordnung im Zweifel ruiniert und kannst dich nie wieder davon erholen. Wir hoffen einfach, dass sich die Situation bald wieder verändert und wir euch dann besuchen können. Es wird wirklich Zeit, dass alles zur Normalität zurückkehrt. Lasst uns alle das Beste hoffen. Vielleicht kommen ja sogar einige der Leute, die vorher in dem Bereich gearbeitet haben, wieder zurück, wenn die Situation stabiler wird und keine Lockdowns mehr drohen. Carsten Jung