Päng! #3

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№ 03 ♥

F Ü R D I E W I R K L I C H K E I T G I B T E S K E I N E N E R S AT Z

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A U S G A B E № 03 _ W I N T E R 2 0 1 2

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EURO

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WINTER 2012

www.paengmagazin.de

COMING HOME

E YOU’V e h got t LOVE

COMING HOME


W W W. L I S AV O N R A D E C K E . D E


EDITORIAL _ 1

COMING HOME

Einfach leben und sich treiben lassen. Das Leben in vollen Zügen aufnehmen. So viel wie möglich erleben, Hauptsache den Moment geteilt. Jede Gelegenheit nutzen, Hauptsache nicht stillstehen. Dieser Drang kann einen ein Leben lang antreiben.

Doch irgendwann schleicht sich etwas Unvermeidliches von hinten an: der Wunsch des Ankommens. Und dann beginnt sie, die wirkliche Suche. Wo ist mein Hafen? Wo die Klammer, die alles zusammenhält? Wo ist die Festung, in der man nach einem langen Tag zur Ruhe kommt? Wo gehöre ich hin? Manchmal denkt man über Jahre, man hat es gefunden. Sein Zuhause. Gemeißelt in Stein. Dann kann es passieren, dass unser Fundament ins Wanken gerät und wir uns am Ende neu verlieren. Und es geht wieder ans Weiterziehen, ans Umsortieren und Neues ausprobieren.

»Coming Home« – diese Sehnsucht steckt in jedem von uns. Wir haben uns aufgemacht, um herauszufinden, worum es dabei genau geht. Dreimal im Jahr mit der Mitfahrgelegenheit in den Heimatort fahren. Mit 110 anderen in einer Gemeinschaft leben. Alleine losziehen und sich ein Fleckchen Erde suchen. Nach langem Arrest wieder nach Hause dürfen. Die Familie hinter sich lassen, um sich tausende Kilometer entfernt einem Hilfsprojekt zu widmen. Sich auf das Zusammenleben einlassen und es wachsen lassen. Aus freien Stücken heimatlos sein.

Im Kern wünschen wir uns doch alle dasselbe. Halt. Und Sicherheit. Und das Mittendrin in unserem rasenden Alltag. Ein bisschen Winterschlaf, um sich neu zu satteln. Familienkrach unterm Weihnachtsbaum, wissend, dass wir nicht perfekt sind und trotzdem aufeinander zählen können.

In diesem Sinne – wir wünschen Euch eine wundervolle, besinnliche, heimelige kalte Jahreszeit und viel Freude beim Schmökern in Päng! Auf dass wir alle unseren Platz finden in dieser irren Welt. Und auf die Gelassenheit und die Zuversicht, ihn vielleicht schon längst gefunden zu haben.

Josephine Götz & Cathrin Gehle


» L O O N / B U R S T O F B U B B L E « by Terry Blee F O T O _ Caroline Scharff


I N H A LT _ 3

Inhalt KAPITEL

№1

KAPITEL

Das wilde Leben

№2

Selber machen

7

Aus der Pistole geschossen Willkommen daheim, kleiner Mann

52 Island Dem Geheimnis auf der Spur

8

Ein Bild, das ich nicht vergesse Odyssee einer Mitfahrgelegenheit

56 Schafabtrieb Zwischen Schnee & Blitzlichtgewitter

74 Winter-Oase für Piepmätze 76 Knusperstücke

10 Hereinspaziert Gemeinschaftssinn und andere Missverständnisse

62 H eimat klappt besser, wenn ich nicht dort bin

14 Junge Schriftsteller zu Wort Lisa Yvo Heimgartner

63 Päng!Trip Erdumrundung

16 Hold on Hunters Wann genau haben wir verlernt zu lieben?

66 Local Heroes Ich bin doch kein Tourist

79 Päng!Werkstatt Ich dreh am Rad 82 Winterwehwehchen 84 Zusammenziehen 86 Weihnachtskacke

70 Alles auf Anfang 22 Kein Ort: Borschemich 28 Zwischen den Gleisen Eine Heimreise von Moskau nach Wladiwostok 34 Back to Business Besuch im offenen Strafvollzug 40 Menschen erzählen Manchmal ist es besser zu gehen 46 Wenn ich groß bin, werde ich ... Die Walfrau von Gibraltar

KAPITEL

№3

Alles außer Kunst 90 Päng!Poesie 91 Kreuzworträtsel 92 Päng!Rätsel Death Match 94 Würfelspiel Warm ums Herz 95 Impressum 96 Abpfiff


4 _ DAS WILDE LEBEN

F O T O Friederike Franze


KAPITEL

â„–1

Das wilde Leben Everywhere that I be, feel VIP, baby.

FA B O L O U S


6 _ HIER STEHT DAS KAPITEL

A U T U M N

W I N T E R

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W W W. T H U - T H U . C O M

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DAS WILDE LEBEN _ 7

AUS DER PISTOLE GESCHOSSEN I N T E R V I E W Jana Schwarz _ F O T O Johannes Richardt

HER ZLICH WILLKOMMEN ZUHAUSE, KLEINER MANN !

♥ Mary (23) aus Italien und Felix (29) aus Deutschland sind frisch gebackene Eltern. Zusammen mit dem kleinen David Caspar (4 Wochen) haben sie gerade erst ihr Zuhause in der Schillerstadt bezogen. Auf die Welt kam David in Marys Heimat am Gardasee, aber leben will die kleine Familie erst einmal in Felix' Elternhaus in der Marbacher Altstadt. David wird also immer eine Heimat in Italien und eine Heimat in Deutschland haben. Stören tut ihn das nicht, im Gegenteil: Es ist ihm egal, in welchem Land er zu Hause ist. Wenn er nicht auf Felix Arm ist, dann weint er. Er will bei seinen Eltern sein – alles andere wird sich zeigen.

Felix, was bedeutet für Dich Heimat? Ein Gefühl, das in mir wohnt – ein Ort, den man sich nicht zu erklären braucht. Wo man sich Erinnerung und Geschichte mit den engsten Freunden und der Familie teilt. Was bedeutet Dir Heimat, Mary? Home is the place where I sleep. Was, meint Ihr, antwortet David einmal auf dieselbe Frage? Ci vediamo. Wir werden sehen.


14 _ DAS WILDE LEBEN

J U N G E S C H R I F T S T E L L E R Z U W O RT:

LISA Y VO HEIMGARTNER ♥ Junge, noch unbekannte Schriftsteller werden nur selten gehört. Gibt man ihnen eine Stimme, kommt dabei oft etwas Neues, Überraschendes und Fabelhaftes heraus. So auch bei Jungautorin Lisa Yvo Heimgartner. Sie lebt in Wien, hat Respekt vor Büchern und verbringt mehr Zeit damit, sich zu sorgen als zu schreiben. Wir sind gespannt, wie lange noch, liebe Lisa. Denn wir haben Respekt vor ihr und ihrem Talent. Sie ist unser literarischer Geheimtipp.

COMING HOME Er dachte gar nicht daran, von wo er diese Karte schicken wollte. An welcher Stelle er sein wollte, spielte zu diesem Zeitpunkt eine unwichtige Rolle. Zeitpunkte an sich, die waren für ihn nicht essenziell, solange er hier blieb. Er kannte den Ort nicht, aber wusste genau, was er schreiben wollte. Die Worte: ICH BIN JE T Z T WEG, LIEBE GRÜSSE. Großbuchstaben, »Ich bin jetzt weg«, »liebe Grüße« kleiner und darunter. Mehr gab es nicht zu schreiben, das wusste er. Er hatte keine Pläne, nur den einen großen vielleicht, der vom Wegsein. Er wollte nicht in die Wildnis, nicht nach Amerika, er mochte keine giftigen Tiere, war aber weniger wählerisch, was die Stromversorgung anbelangte. Hygiene, Ausrufezeichen. Die Idee einer Einsamkeit, aber nicht die, die am einfachsten war, nicht die in seiner Wohnung in Wien. Er las Bücher über Auswanderer und Abenteurer, verschmähte aber Jack London und Mark Twain in deren ganzen Existenz, aus Absicht. Würde man irgendwann einmal seine Leiche finden, wie die von Chris McCandless damals in Alaska, fände man unterstrichen in einem seiner Bücher von Bruce Chatwin den Satz: Der Mensch, der ruhig in einem verdunkelten Zimmer sitzt, hat die besten Aussichten, von Halluzinationen und Selbstbeobachtung gequält zu werden und dem Wahnsinn anheimzufallen. Amerikanische Hirnspezialisten haben laut Chatwin auch herausgefunden, dass eine monotone Umgebung und mühselige, regelmäßige Aktivitäten zu Verhaltensweisen führen, die Müdigkeit, nervöse Verstimmung, Apathie, Ekel vor sich selbst sowie gewalttätige Reaktionen hervorrufen. »Ekel vor sich selbst« hatte er doppelt unterstrichen. Grundgütiger, dachte er sich mehrmals pro Tag, und konnte sich kaum mehr auf etwas anderes konzentrieren. Nachdem er wusste, dass nie der richtige Zeitpunkt kommen würde, diese Stadt zu verlassen, wollte er auch nicht länger darauf warten. In seinem Kopf war es ja

bereits relativ klar, ganz theoretisch war er bereits weg, eine abgemachte Sache, super Plan. Er hatte sich aus Zuversicht seit 19 Monaten schon keine Jahreskarte mehr besorgt, kaufte monatlich, vorausschauend und clever, wie er fand. So konnte er ohne Geldverlust die Stadt verlassen, ohne Reue, die letzten Monate eventuell nicht ausgefahren zu sein. Nichts konnte ihn halten, keine Beziehung und schon gar keine Jahreskarte. Gebunden sein sei der erste Nagel am Kreuz, passe man bei diesen sozialen Spielchen eine Sekunde nicht auf, hänge man schneller am Kreuz, als man hämmern könne. Was er an Wien am wenigsten mochte, waren die Menschen, die Touristen im ersten Bezirk, die eingeschränkten Öffnungszeiten im Café Jelinek und den Monat Februar. Das Spazieren durch die innere Stadt hingegen, Flanieren mochte er nicht dazu sagen, gab ihm das wohlige Gefühl, selbst ein Tourist zu sein. Gerne sah er sich die Postkarten an den Souvenirständen genauer an, Sisi vor und in Schönbrunn, Kaffeegedeck, porträitiert im bekannten Sperl oder Bräunerhof, grimmige Fiakerkutscher vor Pferd, Stephansdom ganz oder Wien-Ansicht von oben. Gerne saß er auch im Wiener Kaffeehaus und wunderte sich über unwissende Konsumenten, die in der Regel Melange von großer Brauner nicht unterscheiden konnten. Er wunderte sich nur, es war kein Hass. Er hatte großen Respekt vor den angekündigten, gewalttätigen Reaktionen, da er wusste, wie sie entstehen, wollte er sich ganz behutsam, aber stark davon distanzieren. BLOSS KEINEN HASS, VIELLEICHT KEINE LIEBE. ABER DOCH EIN WENIG ZUNEIGUNG FÜR DEN MENSCHEN GEGENÜBER. Freundlichkeit, Höflichkeit, Stichwort Solidarität. Schlagwörter im Überlebenssystem »Mensch sein«. Die Hände bei sich behalten, den Kontakt aus sicherer Distanz zulassen, ohne zu schwanken, grüßen und beim Verabschieden die Sekunden der Intimität zwar gestatten, aber nicht überschreiten.


DAS WILDE LEBEN _ 15

In anderen Ländern möchten die Menschen nicht umarmt oder übereifrig angelächelt werden. Österreicher sind erschöpfend zufriedene Menschen, die es kennzeichnend gut meinen. Gut mit anderen, gut mit sich selbst. Das spielte aber gar keine Rolle mehr, er strich sich die Tage aus dem Kalender wie die Zeit, die früher war. Er sah nach vorne und hinaus aus seinem Land. ER ERK ANNTE DIE MÖGLICHKEIT FÜR DEN MOMENT UND W O L LT E S I C H N I C H T A U F H A LT E N L A S S E N , N I C H T V O N S I C H S E L B S T, V O N N I E M A N D A N D E R E M U N D N I C H T V O N D E R Z E I T. Er trieb sich selbst zugrunde, so dass er nicht aufbrach, sondern ständig stehen blieb. Problemlösung in Bearbeitung, dachte er sich. Keiner, der ihn kannte, wusste davon. Er erzählte von den Wetterveränderungen und kannte die Prognosen, wusste die schnellsten Wege durch die Stadt und berichtete von Problemen, die die Welt bewegten. Selten sprach er von Essen oder Kunst. Überhaupt nie wollte er darüber sprechen, wie es ihm geht und warum. Das sei die reinste Zeitverschwendung und keinesfalls dienlich, sofern man es längerfristig betrachte. Man solle sich ausnahmslos auf einen Gemütszustand festlegen, gut oder schlecht, ganz egal. Änderte man einmal seine Meinung, habe man den feinen Salat, dann leite das sensible Gegenüber umgehend die Folgefragen ein. Warum? Was ist passiert? Das führe immer zu einer Katastrophe. Außerdem scheute er sich vor den Problemen anderer. Er konnte ja schlecht weghören, und außerdem war es ihm gar nicht ganz egal. Er wollte nur eben keine Bindung, dachte dabei sofort an klaustrophobische Zustände und war sich dessen sicher. Außerdem wollte er ja nicht für immer bleiben. Damals machte er sich auch noch Sorgen um seine Wohnung, um die kleinen Pflanzen in ihren lichtleeren Ecken, den Postkasten und die alte Nachbarin mit dem Hüftschaden. Besonders um die Pflanzen, die Nachbarin war ihm eigentlich egal. Die Dame war schließlich schon vor ihm da, hatte einen Sohn und Geld genug für ein Standardabbonnement. Selbst diese Gedanken hielten ihn auf. Der Mensch muss in Bewegung bleiben. Denn Bewegung ist das beste Mittel gegen Melancholie, schrieb Robert Burton, der zu Lebzeiten hauptsächlich wenig erfolgreiche Dramen und unbedeutende Lyrik verfasste. Es gibt tatsächlich eine Spaziergangs-Wissenschaft, Gehen selbst ist eine Sportart, nicht zu verwechseln mit dem Laufen oder den Steigerungen wie Marsch oder Wandern. Er las sich aufmerksam jeden Artikel über berühmte Spaziergänger durch, Goethe und Schiller, nicht ihrer Texte wegen, mehr aus Verbundenheit. Die Sehnsucht, die ihm auf der Zunge lag, die ihm aber nicht einfallen mochte, nicht bei Caspar David Friedrichs »Wanderer über dem Nebelmeer« und auch nicht bei der Frage, wo er hin wolle. Das hatte alles nichts mit Freiheit zu tun, er romantisierte nicht die Einsamkeit, war nicht dunkel oder traurig, er wollte gehen und woanders sein. Nicht nirgends, nur eben an einem anderen Ort. Die wirklichkeitsfernste Vorstellung auf der Welt ist die Utopie des entferntesten Ortes. Und daran dachte er häufig, hatte aber genug Verstand, um zu begreifen, dass das

Konstrukt im Kopf der Realität nicht zu nahe kommen kann. Vernünftig wie er war, ordnete er diese Gedanken in 'von Halluzinationen und Selbstbeobachtung gequält werden' ein. Er konnte sich nicht ausreichend konzentrieren. Und das lag doch zwangsläufig immer auch an seinem Standort – dort, wo man nicht sein möchte, kann man eben nicht sein. Nicht mit dem ganzen Kopf. Dann fehlt etwas. Manchmal ließ er einfach seine Arme zu Hause, die Füße hatte er immer dabei. Kann man denn unterwegs zu Hause sein? Und wie findet man einen Ort, an dem man ständig in Bewegung bleiben kann? Er dachte an Schnecken, erkannte aber keine Parallelen zu sich selbst und seinem Leben. Er dachte an Heimat im herkömmlichen Sinne, an das Geburtsland, die Wiege, grübelte über Eigentumswohnungen und dachte an gebuchte Reisen inklusive Retourtickets. Eine abgemachte Sache, diese ganze Welt. Es besteht zwangsläufig immer ein Ausgangspunkt. Für jeden Spaziergang, jede Reise oder Flucht. Man konnte also tatsächlich nie nirgends sein, war ständig gebunden an seinen Ursprung. Und weg sein ist ein anderes Wort für nicht hier sein. Er verbrachte nach dieser Erkenntnis mehrere Tage ausschließlich in seiner Wohnung. Er überdachte die Idee seiner Karte, überdachte den Satz. Er würde die Worte vielleicht ändern und schreiben: ICH BIN JE T Z T ZU HAUSE, LIEBE GRÜSSE. Großbuchstaben, »Ich bin jetzt zu Hause«, »liebe Grüße« kleiner und darunter.

F O T O Florian Spielhofer

L I S A Y V O H E I M G A R T N E R (*1987) ist in Graz geboren und zog mit 19 nach Berlin, um Mode und Design zu studieren. 2009 ging es dann nach Wien, wo sie heute lebt und arbeitet. Manchmal wünscht sie sich in eine kleine Hütte nach Italien. www.lisayvo.tumblr.com


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V O N Hanna Becker


DAS WILDE LEBEN _ 17

Hold on Hunters WA N N G E N A U H A B E N W I R V E R L E R N T Z U L I E B E N ? ♥ Mit dieser Frage beschäftigt sich das Buch »Hold on Hunters« von Hanna Becker. Sie porträtiert darin anhand eindringlicher Fotografien und poetischen Gedanken die vielen verschiedenen Gesichter der Liebe. Eines haben sie alle gemeinsam: die Sehnsucht nach Halt und der Traum von gelebter Liebe. Wir wollen euch einen kleinen Einblick in dieses liebevolle Projekt geben – vielleicht erkennt ihr ja irgendwo auch euer Gesicht wieder.


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E S GE H T W E I T E R . E S IS T K E IN GE F ÜHL VON E IN S A MK E I T. E S GE H T W E I T E R .


DAS WILDE LEBEN _ 19

Diesen Ort muss jeder f端r sich selbst finden, denn er existiert in jedem. Er nennt sich: Welt der Illusionen.


20 _ DAS WILDE LEBEN

DIE S E R P L AT Z BIE T E T K E INE G A R A N T IE , A BE R S OL A NGE M A N DE N P L AT Z UM S OR G T, IHN S CH ÄT Z T UND BE S CHÜ T Z T, W IR D E R IMME R E X IS T IE R E N.


F端r einen Moment sind wir da, ohne Halt. Raum, Atmosph辰re, Ber端hrung sind die Elementarteilchen.

und macht gerade den MA. Mehr von ihr zu sehen gibt es auf www.hanna-becker.com

H A N N A B E C K E R (*1986) hat an der FH Dortmund im Mai 2011 ihren BA Abschluss in Fotografie gemacht. Sie lebt und arbeitet in D端sseldorf

DAS WILDE LEBEN _ 21


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K E IN OR T :

♥ Heimat ist selbstverständlich. Jedem fällt wohl ein Ort dazu ein. Man schaut nicht mehr so genau hin. Nichts muss mehr hinterfragt werden. Man kennt jede Straße, jede Hausfassade. Die Kirchturmglocken nimmt man längst nicht mehr bewusst wahr. Ohne nachdenken zu müssen, findet man den Weg zum Bäcker, zum Sport. Auf dem Weg nach Borschemich fragen wir uns: Was passiert, wenn Selbstverständlichkeiten sich ändern? Borschemich ist ein Dorf im Braunkohleabbaugebiet Garzweiler II zwischen Köln und Aachen. Seit 2006 werden die Bewohner umgesiedelt. In drei Jahren wird das Dorf verschwunden sein.

T E X T Christoph Kotschate _ F O T O S Heide Prange


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Das riesige braune Loch ist schon Kilometer vor Borschemich allgegenwärtig. An manchen Stellen kann man es von der Autobahn aus sehen, dann verschwindet es kurz, taucht wieder auf. Garzweiler ist hier überall. Wenn es nicht die Grube selber ist, die sich ins Sichtfeld drängt, dann sind es die Braunkohlekraftwerke, die am Horizont dampfen. Die Felder sind gesäumt von kleinen Baustellen, Bagger und Rohre liegen überall herum. Kleine Pumpstationen saugen das Grundwasser im großen Radius um die Grube aus dem Boden, damit Garzweiler nicht zusammensackt. Dann die Einfahrt nach Borschemich. Das Ortseingangsschild ist demontiert, die Straßen sind leergefegt. Die meisten Häuser sind schon geräumt, die Rollläden heruntergelassen. Anhand der verwilderten Vorgärten kann man abschätzen, wie lange sie schon leer stehen. Türen und Fenster sind verrammelt. Borschemich sieht aus, als stünde es bereits lange auf einem Dachboden. E T WA 15 0 M E N S C H E N L E B E N N O C H H I E R . F R Ü H E R WA R E N E S MAL ÜBER 700. Bei Christina und ihrem Vater Toni sind die Jalousien noch nicht heruntergelassen, ihr Haus ist also noch bewohnt. Sie leben auf einem alten Bauernhof am Rand des Dorfes. »Ihr kommt zu spät«, sagt Christina. Hier ist in der Tat nichts mehr zu retten: Ende 2013 müssen die beiden den Hof spätestens verlassen. Christina ist 15, ihr Vater geht auf die 70 zu. Ihr Leben lang haben sie in diesem Haus gewohnt. Christinas Mutter ist vor Kurzem nach Berlin gegangen – allein. Der Energiekonzern RWE, der den Braun­ kohletagebau betreibt, will die beiden umsiedeln.

Regelmäßig klingeln deren Vertreter an der Tür und erkundigen sich, ob sie ein neues Haus gefunden hätten, oder warum die angebotenen Häuser ihnen nicht passten. »Die wollen, dass ich die Pferde weggebe!« Es würde die Suche nach einem neuen Haus leichter machen, wenn nicht ein Stall in der Nähe sein müsste. Heimat, das ist für Christina, wo ihre Pferde stehen. Vor allem. Aber auch, wo ihre Freunde wohnen, wo die Kirmes ist und die anderen Dorffeste. Sie erzählt von der großen Kirche mit Parkwald und den Gebetsgrotten, von der alten Wasserburg nebenan. Viel Grün und ein verwinkeltes, gewachsenes Dorf. Wenn man Christina zuhört, sieht man Borschemich mit anderen Augen. » E S WA R W U N D E R S C H Ö N H I E R« , S A G T SIE SCHON IN VERGANGENHEITSFORM. Viel ist auch nicht mehr übrig: Die meisten ihrer Freunde wohnen mittlerweile in der Neuansiedlung von Borschemich, etwa zehn Kilometer entfernt. Das Dorfleben verlagert sich dorthin. Christina und ihr Vater wirken verloren auf ihrem Anwesen. Ein ganzer Hof ist zu groß für zwei Menschen, wie Borschemich zu groß ist für die wenigen Bewohner. Manchmal, erzählt sie, kommen Fremde in das Dorf und nutzen die Freiräume: Ein Autorennen hat es direkt vor ihrer Haustür gegeben. Trotz des Lärms hat sich ihr Vater nicht raus getraut, es waren einfach zu viele da draußen. »Die Leute haben dann sogar die Pferde von der Koppel geholt und sie mit ihren Autos durch die Straßen getrieben. Die waren danach ganz durcheinander.« Zwei Mal waren auch schon Einbrecher im Haus. Sie dachten wohl, der Hof stünde schon leer.

W I R F R A G E N U N S , WA S N O C H PA S S I E R E N M U S S , D A M I T C H R I S T I N A U N D I H R VAT E R H I E R W E G W O L L E N . Wir streunen durch Gärten und Häuser. Auch wenn dort niemand mehr wohnt, hat man doch das Gefühl, in jemandes Leben zu blicken: Wir sehen Kachelöfen und verstaubte Blumengestecke aus Plastik. In einem Garten stoßen wir auf einen Pfau, der durch die Grundstücke der unbewohnten Häuser zieht. Es hat was von Wildnis. Wir treffen einen Mann auf seiner Garagenauffahrt, stören ihn grade beim Putzen seiner Autos. Er wohnt erst seit einigen Jahren in Borschemich. Hat er von dem Abriss nichts gewusst? »Doch, klar«, grinst er, »aber so muss man das ja gar nicht sehen sehen. Ich sehe hier günstige Immobilien!« Er wird sein Haus bald an RWE verkaufen und als Umsiedler entschädigt. Heimat als Geschäftsmodell. Alle paar Monate schickt RWE ein Gärtnerteam nach Borschemich, erzählt er. Es schneidet dann Büsche und Bäume auf den verwaisten Grundstücken. In der Sprache der Behörden ausgedrückt, soll das helfen, die »durchgängige Lebensfähigkeit des Altortes zu sichern«. Sozialverträgliche Umsiedlung at it‘s best! »Das ist total irre hier«, lacht der Mann. Auch wenn er die Ruhe und die gute Autobahnanbindung genossen hat, geht er ohne große Bauchschmerzen. »Wenn ich einen Stein ins Wasser werfe, dann taucht der nicht wieder auf. Und wenn ich ‘Bitte, Bitte!‘ rufe – es wird nicht passieren. Aber das kapieren manche hier einfach nicht. Tja.«


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VERL ASSEN ODER NOCH BEWOHNT? BEI MANCHEN HÄUSERN IS T MAN NICHT SICHER. ( DIESES IS T NOCH BEWOHNT )

DAS DORF DER HERUNTERGEL ASSENEN ROLLL ÄDEN. DIE MEIS TEN HÄUSER IN BORSCHEMICH STEHEN SCHON LEER.

A LT E S K R E U Z U N T E R N E U E R L I N D E . D I E B O R S C H E M I C H E R W O L LT E N E I N S T Ü C K H E I M AT M I T N E H M E N .


26 _ DAS WILDE LEBEN

EINER, DER DAS WOHL L A N G E N I C H T K A P I E R E N W O L LT E , IST LEO JANS. »Wenn die bei RWE meinen Namen hören, kriegen die Bluthochdruck.« Und darauf ist er wohl auch ein bisschen stolz. Jahrelang hat er sich gegen die Räumung engagiert. Mitte der neunziger Jahre ist Leo Jans aus Otzenrath hergekommen. Der Ort, nur wenige Kilometer entfernt, ist mittlerweile dem Erdboden gleichgemacht worden. »Wir dachten damals, die Grünen würden Schluss machen mit Garzweiler II.« Taten sie nicht. »Die Unterschriften von Bärbel Höhn und Joschka Fischer 1996, das war für mich der Wendepunkt.« Jans fühlte sich verraten. Auch seine neue Heimat Borschemich sollte weggebaggert werden. In langen Monologen verliert er sich über die Politiker, den Rechtsstaat, die Konzerne. Es ist nicht leicht herauszubekommen, wofür er hier eigentlich kämpft. »Da müsste ich Philosoph sein, um das zu beschreiben ... Heimat sind so viele kleine Dinge.« Heimat ist für ihn: Gewissheit. In Gedanken schlendert er immer noch durch die Straßen von Otzenrath. »Das ist fast wie in einem Traum. Man fragt sich: War das wirklich? Es ist jetzt schon nicht mehr richtig da in der Erinnerung.« Er kann sich nicht mehr vergewissern. Dass das nun auch mit Borschemich passieren soll, dagegen wehrt sich Leo Jans. Dabei verliert der Ort längst alles, was gewohnt war: »Man hat bei den ersten Häusern noch geguckt: Ach, die ziehen weg. Heute sieht man nur noch die Plünderer, die die Container und Häuser durchwühlen.« Regelmäßig wird in Borschemich eingebrochen. In den leerstehenden Häusern werden Metallrohre aus der Wand gerissen und verkauft, oder man feiert einfach eine Party darin. Fast an je-

dem Haus finden sich Einbruchsspuren. RWE lässt die eingeschlagenen Türen und Fenster dann wieder verrammeln. Außerdem patrouillieren Wachmänner des RWE-Werkschutzes regelmäßig durch die Straßen. Sie bewachen ein größtenteils unbewohntes Dorf. »Wir sind bis auf ein paar ungebetene Gäste im Garten verschont geblieben«, sagt Leo Jans. »Aber trotzdem: Man fährt nicht mehr weg, kein Urlaub, nichts.« Am liebsten würde er das alles RWE in Rechnung stellen. Im Garten hat Jans einen alten Baum. Seit der Grundwasserspiegel in Borschemich abgesenkt wird, ist der Boden rissig. Deshalb wässert er den Baum, als wäre der eine Topfpflanze – Bäume sind ihm wichtig, und in Neu-Borschemich gibt es nur Setzlinge. »Das dauert doch bestimmt 50 Jahre, bis es da hinten grün geworden ist!« BORSCHEMICH ( NEU ) Neu-Borschemich oder Borschemich (neu), wie es die Straßenschilder ausweisen, wirkt tatsächlich noch steril. Ein Neubaugebiet am Rand der Stadt Erkelenz, könnte man meinen. Die Straßen sind akkurat angelegt und gleichmäßig geschwungen. Die Häuser haben die mehr oder weniger gleichen Fassaden aus Klinker, einheitlich gewinkelte Dächer und einladende Vorgärten. Aber es gibt hier auch ein Dorfzentrum und eine Art Platz, an dem die Straße breiter wird und eine junge Linde umschließt. Vor der Linde steht ein Kruzifix. »Das haben wir aus Borschemich rübergebracht, da stand das auch auf der Einfahrtstraße ins Dorf, allerdings vor einer alten Linde«, erzählt Anneliese Cremer und sitzt dabei in ihrem Wohnzimmer, das allerdings noch ein Rohbau

ist. »Wir haben damals versucht mitzuplanen. Wir wollten zum Beispiel auch die Straßennamen mitnehmen.« Sie baut mit ihrer Familie das neue Haus in der gleichen Straße, in der sie auch in Borschemich wohnt. Nur heißt die Straße jetzt »St-Martinus-Staße (neu)«. Bekanntheit ist ihr wichtig. Vertrautes ist zu Hause: »In Borschemich kenne ich jeden Baum, jede Ecke. Überall gibt es Kindheitserinnerungen, hier ist man Schlitten gefahren, da auf die Nase gefallen – das ist für mich Heimat.« Dabei könnte es hier so gut sein. Moderne Bausubstanz, energieeffizient. Die Zimmer so geschnitten, wie man sie braucht. Jeder Teppich, jede Tapete: alles neu. »Ich habe aber die Befürchtung, dass ich hier total unglücklich werde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich hier in ein paar Monaten wohnen soll.« ES IS T EBEN NICHT DASSELBE. Wenn ihr altes Haus abgerissen wird, will Anneliese dabei sein. »Ich brauch' das, ich muss es sehen, damit ich's begreife.« Dabei weiß sie eigentlich schon seit ihrer Kindheit, dass Borschemich irgendwann einmal umgesiedelt werden könnte. Bewusst wird es ihr aber erst, wenn sich spürbar etwas ändert: Die riesige Mondlandschaft direkt nebenan. Der Spazierweg, der plötzlich nicht mehr da ist, weil RWE das Gebiet eingeebnet hat. Oder der riesige Abraumbagger, der kurz hinter dem Dorf aus der Grube ragt. »Ich höre ihn immer nachts, so laut ist er«, sagt Christina. »Wenn der die Schaufel neu ansetzt, dann bebt das ganze Haus«, bemerkt ihn auch Leo Jans. Unweigerlich kommt er immer näher ans Dorf. All das hält einige nicht davon ab, diesen Ort als ihre Heimat zu betrachten. Bis jetzt. Aber noch in diesem Jahr sollen die ersten Bäume im Dorf gefällt werden.


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D E R TA G E B A U G A R Z W E I L E R . I M W E S T E N D I E S E R G R U B E A R B E I T E T S I C H EIN ABR AUMBAGGER L ANGSAM RICHTUNG BORSCHEMICH VOR.

C H R I S T O P H K O T S C H A T E (26). Christophs Heimat ist vermutlich Stadtlohn. Den Ort findet er aber nicht halb so spannend wie Borschemich. Sein Interesse für das Morbide hat er in Leipzig entdeckt. Heute wohnt er meistens in Köln und volontiert beim Westdeutschen Rundfunk. H E I D E P R A N G E (26) hat im Januar 2011 ihren Abschluss BA Fotografie an der FH Dortmund im Fachbereich Design gemacht und wohnt heute in Köln. Mehr Infos zu ihren Projekten: www.heideprange.de


34 _ DAS WILDE LEBEN

Wer in Deutschland zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, muss diese nicht unbedingt gleich nach dem Urteilsspruch antreten. Die Gefängnisse sind voll und nicht bei jedem besteht dringende Fluchtgefahr. Besonders Kleinkriminelle, aber auch schwere Jungs, die den letzten Teil ihrer mehrjährigen Haftstrafe verbüßen, können eine mildere Form der Verwahrung in Anspruch nehmen. Der sogenannte offene Vollzug nimmt es mit dem Wegsperren nicht ganz so genau, und auch sonst genießen die Gefangenen dort Freiheiten, wie man sie eher in Schullandheimen, denn in deutschen Gefängnissen erwartet. So zumindest die weitverbreitete Vorstellung von dem, was hinter den nicht immer verschlossenen Türen in den Haftanstalten des offenen Vollzuges vonstattengeht.


DAS WILDE LEBEN _ 35

BESUCH IM OFFENEN S TR AF VOLLZUG

V O N Robert Felgentreu

»Die meisten Gefangenen, die zu uns kommen, respektieren die Regeln. Nicht zuletzt, weil sie etwas zu verlieren haben. Wir bieten ihnen Perspektiven«, sagt Alfred Leszczynski, Bereichsleiter der Justizvollzugsanstalt des offenen Vollzugs Berlin – Bereich Kisselnallee. Mit Perspektiven meint er vor allem individuelle Lockerungen der Haftbedingungen. Die Gefangenen können ihre Tagesabläufe mitgestalten und sich auf dem Gelände frei bewegen. Die Türen sind nicht verschlossen. Zum Arbeiten oder für Familienbesuche können die Häftlinge den Knast unter Auflagen für mehrere Stunden verlassen. Sogar bis zu 21 Tage Urlaub sind möglich. Trotzdem – das macht Leszczynski gleich zu Beginn unseres Gesprächs klar – geht es auch beim offenen Vollzug um das Ausüben von Kontrolle über den Menschen. Notfalls auch unter Zuhilfenahme des unmittelbaren Zwanges. Die Aufgabe sei klar: »Wir wollen soziale Sicherheit produzieren.« Was das angehe, so Leszczynski weiter, bestehe kein Unterschied zwischen geschlossenem und offenem Vollzug. »Unsere Einrichtung ist nicht dafür da, es sich gemütlich zu machen. Die Vollzugslockerungen sind Behandlungsmaßnahmen, die dazu dienen, die Gefangenen auf das Leben in Freiheit vorzubereiten. Wir pflegen Kontakt zu den Familien der Gefangenen, helfen ihnen dabei, ihre Freizeit

sinnvoll zu gestalten. Und nicht zuletzt versuchen wir, so viele wie möglich in Beschäftigungsverhältnisse zu entlassen. Wesentliche Faktoren beim Wiedereintritt in die Gesellschaft sind Struktur und Eigenverantwortung.« Der erste Rundgang über das Anstaltsgelände erinnert dann schon eher an eine Bundeswehrkaserne als an ein Gefängnis. Das riesige, elektronisch gesteuerte Eingangstor ist schmiedeeisern, aber keineswegs so hoch, dass ein erwachsener Mensch nicht problemlos darüber klettern könnte. Auch die stacheldrahtbewehrten Zäune haben eher symbolischen Charakter. Es gibt Tischtennisplatten, zwei kleine Fußballtore und einen Teich. Nach der Einlasskontrolle an der »Zentrale« und der Abgabe meines Ausweisdokuments werde ich von einem Justizbeamten an der Arrestzelle vorbei über einen schmalen Flur geleitet. Hinter einer mit Sternen beklebten Schleusentür beginnt der Gefangenenbereich. Die Häftlinge bewegen sich frei, grüßen meinen Begleiter und mich. Mir wird kurz etwas mulmig, als sich wie auf Kommando Zellentüren vor, hinter und neben mir öffnen, Gefangene auf den schmalen Flur treten und scheinbar alle Wege versperren. Vor einem der Räume bleiben wir stehen und treten ohne Ankündigung ein.


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D A N I E L (26) »Das Schlimmste hier drinnen ist das Untereinander zwischen den Leuten. Einfach zu viele unterschiedliche Menschen treffen aufeinander und wollen ihren Kopf durchsetzen. Man kann niemandem aus dem Weg gehen«, sagt Daniel, als ich ihn auf den Verlust seiner Privatsphäre anspreche. Laut Gesetz steht jedem Gefangenen in bundesdeutschen Haftanstalten eine Einzelunterbringung zu. Die Häftlinge, die hierher kommen, unterschreiben jedoch, dass sie mit der Mehrfachbelegung einverstanden sind. Ein Preis, den die meisten bereit sind zu zahlen für die Annehmlichkeiten der Hafterleichterung, die sie hier erfahren. Vor allem jene, die bereits eine gewisse Zeit im geschlossenen Vollzug verbracht haben. So wie Daniel, den seine Leidenschaft für Graffiti bereits zum zweiten Mal die Freiheit kostet. »Ich sprühe seit dreizehn Jahren. Mit 19 wurde ich erwischt. Und weil wir uns damals der Verhaftung widersetzten, uns illegal Zugang zu Orten verschafften, an denen wir sprühten, und weitere Vergehen in die Strafe einflossen, musste ich für volle drei Jahre ins Gefängnis, in Berlin Plötzensee.« Daniel wirkt ruhig und reflektiert, fast schüchtern. Er möchte lieber nicht fotografiert werden und wenn, dann nur im Halbschatten. Ich tue mich schwer damit, mir vorzustellen, wie so jemand den Haftalltag des geschlossenen Vollzuges emotional meistert. »Nach der Entlassung hatte ich noch den Elan, das Ganze in eine künstlerische Richtung weiter zu treiben, aber ich bin dann total abgestürzt. Als Folge der Haft wurde ich krank, hatte Depressionen und erlitt Panikattacken. Ich war ein Jahr lang in stationärer Behandlung, in der Geschlossenen.« Danach begibt er sich in ambulante Therapie, hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und lernt seine Freundin kennen, mit der er inzwischen verlobt ist. Im März 2012 wird er wieder beim Sprühen erwischt. Ich will wissen, wie es passieren konnte, dass er nach den dramatischen Erfahrungen, die er gemacht hat, wieder straffällig wurde. »Man hat mir in der Therapie immer gesagt, ich solle mich meinen Ängsten stellen. Und das war meine größte Angst, also habe ich weiter gemacht.« Ich habe den Eindruck, als verstecke er sich hinter dem Malen, wie er es nennt. Es dient ihm abwechselnd als Lebensinhalt, Ausrede oder Schicksalsgabe. »Genau deshalb stürze ich mich darauf, weil ich denke, dass es das Einzige ist, was ich kann. Ich lebe im ständigen Zweifel an meinen Fähigkeiten und Eigenschaften. Ich habe erst in den letzten Jahren gelernt, in meine Fähigkeiten zu vertrauen. Ich habe hier drinnen Zeit zum Malen und mich dabei mit mir selbst auseinanderzusetzen. Es ist, als würde ich ein Gespräch mit

mir selbst führen. Wenn ich nichts Gutes produzieren kann, geht es mir schlecht.« Ich erkundige mich nach seinen Plänen für die Zeit nach dem Knast. »Ich will das Abi nachholen und studieren. Ich möchte hier drinnen schon anfangen. Morgen beginne ich eine Arbeit als Trockenbauer. Nicht mein Traumjob, aber da ich handwerklich begabt bin, kam eine Beamtin auf mich zu und hat mich vermittelt. Man unterstützt uns hier sehr. Die Leute haben die Bezeichnung »Sozialarbeiter« wirklich verdient. Was Pläne machen angeht, darin bin ich nicht so gut. Wenn es darum geht, ein Bild zu malen, schon, aber bezogen auf mein Leben habe ich bloß Vorstellungen und Träume.« Sein größter Traum sei es, Architektur zu studieren. Eine Entwicklung, die ihm die Sozialarbeiter in der Anstalt zutrauen. Der Glaube an sich selbst und die eigenen Fähigkeiten führt auch über Erfolgserlebnisse in alltäglichen Strukturen. Vor allem, wenn man sich bisher dagegen mit aller Kraft zur Wehr gesetzt hat. Was seine Freundin an ihm schätzt, möchte ich zum Schluss noch wissen. »Mit mir kann man gut reden. Es wird nicht langweilig. Daniel an sich, so wie er wirklich ist. Sie und meine Mutter sind die einzigen, die mich wirklich kennen. Ich muss viel zu oft schauspielern, weil es keinen Platz für Schwäche gibt. Zumindest habe ich diese Erfahrung gemacht.«


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P E T E R H A H N (50) »Ich habe angefangen zu saufen, als mein Vater starb. Damals war ich dreizehn. Seitdem trinke ich, aber nur Schnaps, kein Bier oder so was.« Peter Hahn ist fünfzig Jahre alt, könnte aber gut und gern auch zehn Jahre älter sein. Im Gefängnis sitzt er wegen Betruges – diesmal. »Ich habe viel Zeit im Knast verbracht, auch in richtigen Knasts, in der DDR meine ich.« Die Tätowierungen auf seinen Unterarmen zeugen von dieser Karriere. »Als das Urteil kam, habe ich mich selbst auf kalten Entzug gesetzt«, sagt er. »Da dachte ich, dass ich sterben werde.« Die Entgiftung folgt direkt nach Antritt seiner Strafe in der Haftanstalt. »Ich sollte zwei Tage ins Krankenhaus, daraus wurden zwei Wochen. Zuerst war alles sehr schwer. Man wusste eben nichts mit sich anzufangen. Dann habe ich hier Arbeit bekommen und seitdem geht es. Ich stehe jeden Tag um fünf Uhr auf, kümmere mich um die Heizungsanlage, den Garten und den Teich. Ich arbeite innerhalb der Anstalt, weil ich nicht so gern rausgehe. Die Versuchung ist zu groß mit dem Suff. Wenn man am Schnapsregal vorbeigeht und die Flaschen rufen ‚Peter, nimm mich mit!‘ … man muss einen eisernen Willen haben. Das Rausgehen ist ein Privileg, aber so ein Privileg muss man sich verdienen.« Welche Hürde das Prinzip für die Häftlinge bedeuten kann, wird an Peters Beispiel besonders deutlich. Ich denke an den Fuchs im Hühnerstall und wie es sich für ihn anfühlen muss, denselben wieder hungrig zu verlassen. Alle Häftlinge, denen Freigang gestattet ist, werden nach ihrer Rückkehr kontrolliert, Drogen- und Alkoholtests sind obligatorisch. Die Haftanstalt steht in ständigem Kontakt mit Familien, Arbeitgebern und anderen Bezugspersonen aus dem Umfeld der Freigänger und übt so mittelbar und unmittelbar Kontrolle aus. »Wer rausgeht und säuft, wird eingeschlossen«, sagt Peter. »Ich habe mein ganzes Leben im Suff organisiert, habe gearbeitet, meine Facharbeiterprüfung gemacht und vor siebzehn Jahren geheiratet. Wir leben zwar getrennt, haben aber ein gutes Verhältnis. Nicht so wie bei anderen. Ich bin einfach kein Familienmensch, war ja auch meistens nicht da. Saufen kann einsam machen. Und auch die Cliquen vor der Kaufhalle. Das sind alles keine echten Freunde. Solange du was zu saufen hast, ist alles gut. Aber wenn du in der Scheiße steckst, lassen sie dich im Stich. Ich bin gern mit mir allein. Ich will wieder raus aufs Land, wo mich alle in Ruhe lassen.

Mein größter Traum ist es, auf eine einsame Insel zu gehen, weit weg von der Zivilisation.« Ob er Angst davor hat, nach seiner Entlassung wieder zu scheitern? »Ich habe vor gar nichts mehr Angst. Mit der Hand bin ich mal in eine Kreissäge geraten. Nach der OP habe ich im Suff den fixierenden Stahl abgeschnitten und gewartet, bis es von alleine heilt. Das war dramatisch, ohne Daumen konnte ich nämlich kein Schnapsglas mehr anheben. Jetzt schreibe ich mit links. Meine Chancen stehen fünfzig zu fünfzig. Wenn ich raus komme und alles klappt, Wohnung und Arbeit und so, steigen die Chancen. Wenn nichts klappt, sehe ich schwarz. Im Januar fange ich an mit der Wohnungssuche.«


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C H R I S T O P H E R K R A F T (27) Christopher ist einer von den schweren Jungs, und das in doppelter Hinsicht. Sein Nachname ist Programm. Der ruhige Mann mit dem kahl rasierten Schädel hat seinen Körper auf beachtliche Weise trainiert. Ich treffe ihn im Fitnessraum der Haftanstalt. Nach knapp zwei Jahren im geschlossenen Vollzug kam er vor fünf Monaten hierher. Seine Gesamtstrafe für schweren Raub, besonders schweren Diebstahl und räuberische Erpressung beläuft sich auf sechs Jahre und zwei Monate Gefängnis. Sollte seinem Antrag auf Haftverkürzung stattgegeben werden, könnte er im Dezember 2013 auf freien Fuß kommen. »Ich nahm damals Drogen«, erzählt er mir. »Und als ich meinen zwölfjährigen Bruder auf der Straße traf, wusste ich sofort, was los war. Wenn man selber Drogen konsumiert, weiß man, wie jemand aussieht, der drauf ist. Ich habe ihn gedrängt, mir den Namen und die Adresse des Dealers zu verraten, der ihm das Zeug verkauft hat. In der Nacht ging ich mit einem Kumpel zu ihm und habe mit dem Schlagstock auf ihn eingeschlagen. Wir haben seine Wohnung auseinander genommen und nach Drogen durchsucht. Ich wollte ihm das Zeug wegnehmen.« Wieso ein so kräftiger Kerl wie er überhaupt einen Schlagstock braucht, um jemandem Gewalt anzutun, frage ich ihn. »Das war ja nicht immer so«, antwortet er. »Mit dem Sport habe ich erst im Knast angefangen. Seither trainiere ich jeden Tag. Man muss sich etwas suchen. Meiner wahren Leidenschaft konnte ich ja für eine Weile nicht mehr nachgehen.« Vollkommenes Glück findet Christopher an einem anderen Instrument. »Es gibt nichts, was mich glücklicher macht, als Klavier zu spielen – Beethoven, Mozart oder eigene Stücke. Ich komponiere schon, solange ich denken kann. Ich spiele jeden Tag, bin fast süchtig danach. Man könnte sagen, dass es auch eine therapeutische Wirkung für mich hat.« Während seines ersten Jahres in Untersuchungshaft schreibt er Briefe an die Senatsverwaltung, den zuständigen Richter und die Staatsanwaltschaft. Ein halbes Jahr später bekommt er als erster Häftling in Berlin Moabit die Erlaubnis, ein Keyboard in die Zelle zu bringen. Inzwischen ist das anders.

»Ich bin Freigänger, verlasse das Gefängnis um acht Uhr morgens und muss um 23:00 Uhr zurück sein. Ich habe mein eigenes Klavier. Es steht bei meiner Mutter. Ich mache eine Ausbildung als Koch. Jeden Tag nach der Arbeit gehe ich zum Sport und dann zu ihr. Neun Monate vor Haftende bekommt man vom Arbeitsamt die Möglichkeit, eine eigene Wohnung anzumieten – als entlassungsvorbereitende Maßnahme.« Ich möchte wissen, was es für ein Gefühl ist, sich nach der langen Zeit wieder in Freiheit zurechtzufinden. »Am Anfang hat man ja nur wenige Ausgänge, wenn man sich benimmt, wird es mehr. Das Schlimmste ist, dass man sich vorkommt wie an einer Leine. Man schnuppert an der Freiheit und die wird einem wieder entzogen. Im Geschlossenen hat man weniger Probleme. Es ist alles vorgegeben. Hier muss man sich selbst organisieren und auf die Regeln achten. Daran scheitern vor allem die, die nicht wissen, wie es ist, dreiundzwanzig Stunden in einer Zelle eingesperrt zu sein.« Die Tatsache, dass Christopher als verurteilter Gewaltverbrecher bereits nach etwa der Hälfte seiner Strafe das Gefängnis tagsüber verlassen darf, ist Beleg für seinen Werdegang seit Beginn der Haft. »Nichts wird mich jemals wieder in den Knast bringen. Das war der erste Auftritt und der letzte. Die Justiz hat mir gezeigt, dass man nicht alles machen kann, was man will. Man muss sich in der Gesellschaft ein Stück weit anpassen. Es macht auch mehr Spaß, mit der Gesellschaft zu leben als dagegen.«

ROBERT FELGENTREU ist am liebsten unterwegs und trifft Menschen. Von diesen Begegnungen erzählt er mit Stift und Kamera. Er schreibt Reportagen, die wie Kurzgeschichten klingen, und liefert ungestellte Portraits, die von Offenheit und Vertrauen zeugen. Unvoreingenommen, mit geschultem Blick für das Besondere und viel Respekt gegenüber seinen Protagonisten, schafft er ihnen Raum und bringt sie so den Betrachtern wahrhaftig näher. www.bildgetreu.de


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MENSCHEN ERZÄHLEN

MANCHMAL IST ES BESSER ZU GEHEN V O N Evi Lemberger & Mads Holm


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D A S H E I M K O M M E N E I N E S VAT E R S ♥ Mads kennt Frank Moeller eigentlich nur vom Hörensagen. Er hat seine Großmutter und Urgroßmutter in den 30er Jahren verlassen und war 54 Jahre lang weg, bis er vor 20 Jahren zurückkam. Dazwischen liegen der Krieg, seine Aufgabe als Friedenskämpfer gegen Hitler sowie zwei Frauen und vier Kinder. Frank Moeller ist Mads Urgroßvater. Er wohnt gerade einmal zehn Minuten von Mads entfernt und außer einer Schulaufgabe hatte Mads bisher nichts mit ihm zu tun. Bis heute. Mads Holm spricht mit seinem Urgroßvater übers Weggehen, wieder nach Hause kommen und die Zeit dazwischen.

Warum bist Du damals weggegangen? Ich ging damals nicht, sondern wurde eher gegangen. 1934 arbeitete ich als Zimmermann bei einer Firma in Kopenhagen. Damals verliebte ich mich in Rosa, die Tochter meines Chefs. Wir trafen uns drei Jahre lang, auch als ich schon längst nicht mehr bei ihrem Vater arbeitete und beim Militär war. Dann wurde sie schwanger. Wir wollten heiraten, ein eigenes Geschäft aufmachen. Meine Eltern waren begeistert, aber ihr Vater war dagegen. Ich wollte um ihre Hand anhalten, sie mitnehmen und für sie sorgen. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern: Meine Eltern und ich fuhren mit unserem Auto zu ihrem Haus. Wir hatten eine wunderschöne Decke für sie auf dem Rücksitz. Ihr Vater sagte nein. Meine Eltern sprachen mit ihm. Er stimmte immer noch nicht zu. Wir mussten gehen – einem Vater widerspricht man nicht. Wie erklärst Du Dir seinen Missmut? Ich weiß es nicht. Ich vermute, ihre Eltern ahnten von der Beziehung, doch erst als sie schwanger wurde, wussten sie offiziell Bescheid. Er war vermutlich des Standes wegen dagegen. Er war ein Zimmermann. Mein Vater arbeitete für die christliche Zeitung und war Mitglied des Tempelritter-Ordens. Das passte denen nicht, denke ich. Der Vater war auch ein Tyrann. Aber machen konnte man nichts. War das der letzte Tag, an dem Ihr Euch gesehen habt? Nein. Nach diesem Tag besuchte sie mich in der Kaserne. Wir versuchten, unsere Beziehung aufrechtzuerhalten. Wir weinten und suchten nach Lösungen. Aber die gab es nicht. Und irgendwann brach die Beziehung ab. Ich hörte nichts mehr von ihr. Das war Ende 1936. Am 3. Februar 1937 kam unser Kind Hanne zur Welt, doch ich durfte das Kind nicht sehen. Ich konnte sie zuerst auch nicht ausfindig machen, da Hanne in einem Krankenhaus geboren wurde, in dem Geburten anonym abliefen. Das war so damals. Das Einzige, was ich durfte, war, für das Kind bezahlen. Und Du wolltest nicht darum kämpfen, sie zu sehen? Was sollte ich tun? Ich habe versucht, sie zu sehen, aber Rosas Vater verbot es mir – sogar gesetzlich. Ich kann mich noch an einen Tag erinnern. Das war schon viel später. Ich erfuhr zufällig, welchen Kindergarten Hanne besuchte. Ich wusste nicht,

wie sie aussah, trotzdem versuchte ich, einfach einen Blick auf sie erhaschen. Ich war auf meinem Fahrrad und musste mich ducken, um durch den Zaun sehen zu können. Ich sprach mit den Lehrern, wollte herausfinden, wer sie war. Doch sie holten die Polizei. So nah und doch so weit weg? Ja. Ich lebte in derselben Stadt und war doch meilenweit entfernt. Es tat mir unendlich weh. Rosa war doch meine erste Liebe und Hanne mein erstes Kind, entstanden aus Liebe. Das ist eine Tragödie. Bist Du darüber hinweggekommen? Darüber wirklich hinweggekommen bin ich nie. Vier Monate nach Hannes Geburt kam meine zukünftige Frau Grete in mein Leben und sie hat mir geholfen. Ich lernte sie während meiner Zeit in der Armee kennen. Das erste Mal sah ich sie auf einem Tanzabend. Wir gingen aus, bis wir schließlich 1941 heirateten. Wir hatten drei Kinder. Insgesamt waren wir 60 Jahre zusammen, bis sie 1998 starb. Grete gab mir neue Lebens­perspektiven, einen Sinn. Liebe verbindet so stark, sie kann etwas Neues erschaffen. Wie ging es währenddessen weiter? Ich blieb Soldat, und als der Krieg anfing und wir von Deutschland übernommen wurden, war ich in Herning stationiert. Als Dänemark übernommen wurde, arbeitete ich für die Friedenskämpfer. Das war eine damals inoffizielle Organisation, die gegen die Nazis kämpfte. Wir waren im Untergrund tätig und machten Dinge wie Zuggleise zerstören, um den Nazis den Weg zu erschweren. Manchmal mussten wir fliehen. Was hast Du im Krieg gelernt? Ich kann mich noch an eine Sache erinnern. Mein Oberst sagte mal zu mir und den anderen Soldaten: Ihr habt vielleicht einen anderen Hintergrund als eure Vorgesetzten, aber erinnert euch an eines – respektiert alle Menschen gleichermaßen, egal woher sie kommen. Das war das Letzte, was er uns lehren konnte, bevor wir in den Krieg zogen und es versauten. Nach dem Krieg war ich mit meiner Frau für fünf Jahre in Næstved und arbeitete dort noch beim Militär. Dann kehrte ich zurück nach Kopenhagen.


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Zurückzukehren war ein unglaubliches Gefühl. Ich zog mit meiner Familie nach Friedricksberg. In die Wohnung unter meinen Eltern. Das war ein wahnsinnig schönes Gefühl. Einfach wieder nach Hause zu kommen. Was passierte danach? Nach dem Krieg habe ich in der Kasernenpolizei gearbeitet. Das war okay so, ich wollte nicht mehr weg. Gleichzeitig trat ich in dem ‘Orden of the Odd Fellows’ ein. Das war eine Bruderschaft, so wie die Freimaurer. Mein Bruder war schon dabei und der Orden eine Tradition bei uns in der Familie. Er ist sehr wichtig für mich und hat Freundschaft, Liebe und Wahrheit als Prinzipien. Und Hanne – hatte sie noch Platz in Deinem Leben? Ja, sie war immer in meinem Herzen, aber was sollte ich machen? Ich hätte sie zu gern kontaktiert. Zuerst durfte ich nicht und dann wusste ich nicht, ob es richtig war. Sie hatte ihre eigene Familie. Ihr Vater hatte sie adoptiert – da dachte ich, es würde nur stören. Ich sah sie in der Zeit trotzdem zweimal. Sie war einmal in einem Magazin, da war sie ein Teenager. Sie war ein Model und Lommer Mädchen – eines dieser wunderschönen Mädchen, die im Theater das Publikum unterhalten. Ein Freund erzählte mir davon. Das nächste Mal, als ich sie sehen wollte, war auf der Beerdigung von Rosa. Sie starb, als Hanne 19 Jahre alt war. Grete erzählte mir davon. Ich versteckte mich bei der Beerdigung, ich hatte zu viel Angst vor der Familie, denn die hassten mich ja. Ich konnte auch Hanne nicht sehen. Wann erfuhr Hanne von Ihrer Existenz? Hanne erzählte mir, dass sie erst nach dem Tod ihres Vaters von mir erfuhr. Er erkrankte an Krebs und sie kümmerte sich

um ihn in den letzten Jahren. Bis er starb. Das war Anfang 1991. Als es um das Erbe ging, sagte man Hanne, sie würde nichts bekommen. Ihr Vater sei nicht ihr richtiger Vater. Dann fing sie an, nach mir zu suchen. Sie fand mich am Ende auch und schrieb mir einen Brief. Sie schrieb darin, dass sie vermutete, dass ich derjenige sei, den sie schon seit einiger Zeit suchte. Sie sagte, sie vermute, dass ich eine Beziehung mit einer Rosa gehabt hätte und dass sie mein Kind sei. Ich sollte mich melden, falls diese Vermutung richtig wäre. Zuerst fragte ich mich: Was machst du jetzt, Frank? So viele Gedanken gingen durch meinen Kopf. Dann beschloss ich, sie zu sehen. Ich brachte Blumen mit. Ja, das weiß ich noch. Ich klingelte an ihrer Tür. Sie hatte meinen Urenkel auf den Arm, dich. Wir umarmten uns. Es war ein unglaubliches Gefühl. Unbeschreiblich. Wir redeten über alles. Wie war es, sie als alte Frau zu sehen? Über so etwas mache ich mir keine Gedanken. Sie ist eine wunderschöne Frau. Sie ist meine Tochter. Sie war ein Teil, den ich immer vermisste habe. Und jetzt war sie da und der Teil war gefüllt. Hat sich nach diesem Treffen viel in Deinem Leben geändert? Ja. Plötzlich war meine Tochter in meinem Leben. Ich besuchte sie oft nach den Treffen in meinem Club. Das war schön. Aber ich machte mir auch selber Probleme. Ich erzählte meiner Frau davon nichts. Erst nach sechs Monaten habe ich ihr davon erzählt. Sie war sehr sauer. Ich war so überfordert von meinen eigenen Gefühlen. Es traf mich auf sehr persönliche Weise. Ich glaube, ich wollte es einfach für mich behalten – es sollte unsere Sachen sein.


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Wie ist die Beziehung seither zu Hanne? Am Anfang war es großartig. Das war wunderschön. Sie fuhr zusammen mit meiner Schwester, deren Mann und mir in dem Urlaub. Hanne und ich schliefen zusammen in einem Zimmer – wie in einer richtigen Vater-und-Tochterbeziehung. Ich kaufte ein Kleid für sie. Es war blau. Nach dem Urlaub besuchte ich sie oft. Sie kam auch mit zu meinen allwöchentlichen Clubtreffen. Das war großartig. Aber es machte auch viele Sachen komplizierter. Hanne und meiner Frau Grete hatten Probleme mit der Situation. Auch zwischen meinen Töchtern, Hanne und mir gab es Probleme. Unglücklicherweise sehe ich sie leider nicht mehr und es für jeden traurig, dass es nicht anders sein kann. Und heute? Es geht mir gut. Anna ist meine neue Partnerin. Ich habe sie 2003, fünf Jahre nach dem Tod meiner Ehefrau, kennengelernt. Sie ist wunderbar und macht mich wieder zu einem Mann, gibt mir Sinn zu leben. Wir gehen zweimal im Monat tanzen, waren dieses Jahr im Tivoli schon an die zehn Mal. Was ist Dein Zuhause? Zuhause ist für mich meine Wohnung. Ich bin in diese Wohnung 1993 gezogen, als es meiner Frau schlechter ging. Wir mussten von einer 140 m²-Wohnung in eine 70 m² umziehen. Die Dinge, die wir mitgenommen haben, sind also sehr ausgesucht. Seit dem Einzug bis jetzt hat sich nichts verändert. Ich unternehme viel, gehe tanzen oder zu Konzerten mit Anna, bin im Club. Aber am Abend freue ich mich immer wieder darauf, nach Hause zu kommen, in meinem Sessel zu sitzen und über den Tag nachzudenken Das ist für mich Zuhause.

Warum ist Weggehen wichtig? Ich denke, Weggehen ist manchmal wichtig, da man in manchen Situationen einfach nichts machen kann. Dann muss man einfach sich bewusst sein, dass es genug ist. Und dann muss man gehen. Warum ist das Wiederkommen wichtig? Manchmal muss man die Zeit arbeiten lassen. Wenn sie es so will, dann macht das Nachhausekommen auch Sinn. Bereust Du etwas? Ich habe ein gutes und langes Leben. Es war und ist wundervoll und ich möchte nichts davon missen. Bei Rosa und Hanne konnte ich nichts machen – also kann ich auch nichts bereuen. Das Einzige, was ich bereue, ist, dass ich Grete nicht früher von Hanne erzählt habe. Das war falsch und hat viel zu viele Probleme verursacht. Du bist 97 und top fit. Ich bin sehr diszipliniert. Ich mache noch jeden Tag Sport: eine Stunde Rudern, Gewichte heben und Fahrradfahren. Das ist Pflicht. Außerdem glaube ich an meine häufigen Blutspenden, 112-mal bisher. Jedes Mal einen halben Liter Blut. Das ist schon was.


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SIE WAR EIN TEIL, DEN ICH IMMER VERMISSTE HABE. UND JETZT WAR SIE DA U N D D E R T E I L W A R G E F Ü L LT.


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WIR SCHÜ T ZEN NUR , WAS WIR LIEBEN V O N Robert Felgentreu

♥ Vor 14 Jahren entdeckte Katharina Heyer zufällig eine der größten und artenreichsten Walpopulationen der Erde. Und das direkt vor unserer europäischen Haustür, an der spanischen Südküste. Für den Schutz und die Erhaltung der Tierwelt in der Straße von Gibraltar kehrte sie ihrem alten Leben als erfolgreiche Modedesignerin und ihrer Heimat Schweiz den Rücken. Jetzt steht sie vor ihrem bisher größten Abenteuer. In einem alten Schmugglerhaus will sie für aus Delfinarien befreite Meeressäuger ein Heim schaffen, samt Krankenstation für gestrandete oder verletzte Wale und Delfine.


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K AT H A R I N A H E Y E R I S T D I E WA L F R A U V O N G I B R A LTA R

Die Spirit macht 25 Knoten in der Spitze. Unbeirrt lehnt sich das kleine Boot gegen die Wellen, die der Levante genannte Ostwind unerbittlich heranbläst, taucht auf und ab und schleudert von links nach rechts. Unsere Fahrtrichtung ist klar: Afrika. Man kann es von hier aus sehen. Kein Wunder, wir sind auf dem Estrecho de Gibraltar – der Straße von Gibraltar. Nirgends sonst sind sich Europa und Afrika so nahe. Hier, wo sich vor Urzeiten die Kontinentalplatten voneinander lösten, machten sie Platz für das Wasser, das bis heute vom Atlantik scheinbar unerschöpflich ins Mittelmeer strömt, um es vor dem Austrocknen zu bewahren. Die Meerenge misst an der

schmalsten Stelle gerade einmal 14 Kilometer und zählt inzwischen zu den am meisten befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt. Eine regelrechte Tankerautobahn, wenn man so will. Als Katharina Heyer im Dezember 1997 zum ersten Mal mit einem gecharterten Boot auf den Estrecho hinausfuhr, veränderte dies nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch die Sicht der Welt auf die gesamte Meeresregion. »Ich wollte eine Freundin besuchen, die nach Südspanien gezogen war, und bekam den Tipp, einen Abstecher nach Tarifa zu machen. Wir fuhren aufs Meer und sahen auf Anhieb Grindwale und Delfine. Es gab

da diesen Moment: Der Himmel war rabenschwarz und das Meer auch. Es gab nur einen schmalen goldenen Streifen am Horizont. Aus dem Nichts sprang ein Delfin senkrecht in die Luft und machte eine Schraube. Ein gewaltiger Sprung. Direkt danach sprangen zwei weitere. Erst von links, dann von rechts im Bogen auf exakt die gleiche Stelle, an der er abgetaucht war. Ein Bild, das ich nie mehr vergesse. Ich hole es hervor, wenn es mir mal nicht gut geht.« Katharina ist zu dieser Zeit eine der gefragtesten Modedesignerinnen der Schweiz, verbringt gut zwei Drittel ihres Lebens in Showrooms und Hotelzimmern auf der ganzen Welt.


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Zurück in der Heimat berichtet sie von ihrem Erlebnis und will sich bei Wissenschaftlern erkundigen, welche Walarten in der Straße von Gibraltar leben. Die Antwort verschlägt ihr den Atem: keine. »Es existierten keinerlei wissenschaftliche Erhebungen über Populationen in der Region«, erzählt sie. »ICH MEINE, DIE HIESIGEN FISCHER W U S S T E N S C H O N , D A S S E S H I E R WA L E G I B T, A B E R E S I N T E R E S S I E R T E S I E N I C H T. F Ü R S I E G I N G E S N AT Ü R L I C H UM DEN FISCH, DEN SIE VERK AUFEN K O N N T E N .« Katharina beschließt, ein Boot zu chartern. Sie sucht sich Mitstreiter und beginnt – bewaffnet mit Fotoapparat und Seekarten – über ihre Walsichtungen Buch zu führen und legt damit den Grundstein für die systematische Erforschung der Meereswelt zwischen Spanien und Marokko. Was sie zu Gesicht bekommt, hätte kaum jemand für

möglich gehalten: Delfine, Grindwale, Orcas, Pottwale und sogar Finnwale – insgesamt sieben verschiedene Walarten leben und jagen das gesamte Jahr über in der Straße von Gibraltar. Einmalige Meeresströmungen sorgen in dem bis zu 1.000 m tiefen Gewässer für ein scheinbar unerschöpfliches Nahrungsangebot. Katharina stieß per Zufall auf die artenreichste und wahrscheinlich größte Walpopulation unseres Planeten – und das mitten auf einem der weltweit verkehrsreichsten Wasserwege. Als die Spirit nach einer knappen Stunde ihre Geschwindigkeit drosselt und abrupt den Kurs ändert, ist allen klar, was das bedeutet. »Ein gutes Zeichen«, raunt mir ein Crew-Mitglied zu. Katharina hatte etwas durchgegeben. Wie immer steht sie als Einzige oben auf ihrem kleinen Spähturm und beobachtet mit geschultem Blick das Wasser. Kurz darauf erschallt ihre Stimme dreisprachig über die Lautsprecheranlage an Bord:

»Eine große Schule Delfine vor uns auf zwei Uhr«, berichtet sie nacheinander auf Spanisch, Deutsch und Englisch. Ich schnappe mir die Kamera und haste wie die meisten Touristen zur Spitze des Bootes. Mit geladenen Digicams beobachten nun gut zwei Dutzend Augenpaare die wellige See durch die vor ihnen schwebenden Drei-Zoll-Monitore. Jedes Auftauchen der scheinbar ewig lächelnden Meeressäuger, jede Drehung, jeder Tanz auf der Bugwelle wird mit entrückter Begeisterung bejubelt. Wir drehen erneut. Eine Gruppe von Grindwalen nähert sich dem Boot. K AT H A R I N A K E N N T S I E A L L E . H AT I H ­ N E N N A M E N G E G E B E N U N D S T E L LT S I E NUN EINZELN VOR. Als würden die Tiere das Spiel kennen, choreographieren sie die Vorstellungsrunde mit abwechselndem Auf- und Abtauchen. Die besondere Beziehung zwischen der kleinen Frau auf dem Dach


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und den unablässig schnatternden und pfeifenden Walen vor uns ist für jeden an Bord spürbar. Am Abend treffe ich Katharina in ihrem Büro. Hier sitzt sie in der Regel bis weit nach Mitternacht, schreibt Dienstpläne für den nächsten Tag, plant Touren und Kurse, beantwortet Mails und Anrufe mit einem ihrer vier Telefone und bearbeitet, was sonst noch nötig ist, um ihr kleines Unternehmen und ihre Stiftung zu führen. Die zierliche Frau wirkt frisch, nicht überarbeitet und mindestens zehn Jahre jünger als die 70 Jahre, die auf dem Papier stehen. Momentan kämpft sie mit Architekten, marokkanischen Behörden und potentiellen Investoren für die Umsetzung ihres bisher wichtigsten Projekts. In einer Bucht namens Ras Laflouka an der gegenüberliegenden Küste des Estrecho will sie ein Dolphin Sanctuary, eine Auffangstation für aus Delfinarien befreite Tümmler, und ein Tier-Lazarett für verletzte Mee-

ressäuger errichten. Zu Beginn unseres Gesprächs spüre ich noch eine gewisse Vorsicht. »Als ich damals hierher kam, war es sehr schwierig«, erzählt sie. »Zum einen mussten wir erst einmal lernen, wie Forschung überhaupt geht. Damals gab es ja kein Google, wo man einfach mal nachschauen konnte. Zum anderen wurde ich in den ersten Jahren massiv bekämpft. M E E R B U S I N E S S WA R S C H O N I M M E R MACHOBUSINESS UND DANN K AM DA DIESE FR AU, NOCH DA ZU EINE AUS­ L ÄNDERIN AUS DER SCHWEIZ, UND FÜHRTE REIHENWEISE TOURISTEN AUF I H R B O O T, D I E D A F Ü R Z A H LT E N , WA L E ZU BEOBACHTEN. Die dachten, ich scheffle hier Millionen. Meine Schilder wurden zerstört, ich wurde denunziert und angezeigt, weil ich angeblich nicht genug Rettungswesten an Bord hatte, mein Auto wurde demoliert und einmal brannte mein Boot.«

Inzwischen gibt es in Tarifa vier Anbieter von Whale-Watching-Ausflügen. »Denen geht es nur um die Kohle. Die heften sich an unsere Fersen und fahren, wenn es sein muss, direkt über die Tiergruppen. Hauptsache, es klingelt im Portemonnaie. Mir ist natürlich klar, dass, wenn wir Whale Watching machen, auch unser Boot ein Boot zu viel ist. Aber von Forschung allein können wir nicht leben und deshalb mussten wir etwas anbieten. Für mich hat es letztendlich nur gestimmt, weil wir zum einen auf jeder Fahrt Daten sammeln und außerdem die Möglichkeit bekommen, unsere Gäste zu sensibilisieren und auf die Ausbeutung der Ozeane und die Bedrohung der Wale aufmerksam zu machen. Wir Menschen schützen eben nur, was wir kennen und lieben«, zitiert sie mit Fingerzeig auf ein an der Wand hängendes Stück Papier, das diesen Satz als Aufschrift trägt. Über 150.000 Interessierte hat sie inzwischen in Ausflügen, Kursen und Gesprächen,


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auf Messen, Kongressen oder in Schulen an das Thema herangeführt. Sie berichtet vom Unterwasserlärm, der die geräuschempfindlichen Wale in die Orientierungslosigkeit treibt. Von Fähren und Frachtern, die ungeachtet der Geschwindigkeitsbegrenzung durch die Meerenge jagen und die Tiere bei Zusammenstößen regelrecht aufschlitzen. Denn anders als auf bundesdeutschen Fernstraßen, wo weißrote Hinweisschilder vor Wildwechsel, Krötenwanderung oder ausgebüxten Milchkühen warnen, sind die Tiere hier auf sich allein gestellt. Katharina spricht mit Fährkapitänen, Fischern und Unternehmern in der Region, schafft so zumindest ein Bewusstsein für die Problematik. » A N D I E G R O S S E N S C H I F F S U N T E R­ NEHMEN KOMMEN WIR NICHT R AN. ES I N T E R E S S I E R T S I E A U C H N I C H T. WA S W I R T U N K Ö N N E N , I S T, D I E S E N WA H N ­ SINNIGEN VERKEHR ZU REDUZIEREN.

Gerade wir in den Binnenländern – können wir nicht das essen, was in Europa wächst? Warum müssen es immer Kiwis aus Neuseeland sein? Wir passen einfach nicht auf im Supermarkt. Das kann jeder von uns. Genauso sieht es beim Thema Verpackung aus«, sagt sie weiter. »Die Meere sind voll von unserem Plastikmüll. Das ist eine riesige Bedrohung für die Tiere. Finnwale beispielsweise schwimmen mit offenem Maul und filtern dabei Krill und Plankton aus dem Wasser – ihre Nahrung. Immer häufiger landen Plastikabfälle in den Bäuchen und verstopfen ihre Mägen«, erklärt mir Katharina. »Die Tiere können keine Nahrung mehr aufnehmen und verhungern – ein qualvoller Tod. Hinzu kommt das wahrscheinlich größte Problem: die rücksichtslose Überfischung unserer Meere. Ein ausgewachsener Pottwal braucht pro Tag etwa 1,5 Tonnen Fisch. Früher oder später werden die Wale nicht mehr genügend

Nahrung finden.« Dieses Früher oder Später schwankt je nach Optimismus oder Auftraggeber aktueller Studien zwischen 10 und 30 Jahren. So lange wird es bei anhaltendem Konsumniveau dauern, bis die Weltmeere leer gefischt sind. »Um den Artenreichtum der Ozeane zu erhalten, müssten wir Menschen unseren Fisch-Konsum sofort um 30 Prozent senken,« sagt Katharina. »Der rote Thunfisch beispielsweise, die Leibspeise der Killerwale genannten Orcas, ist massiv überfischt und steht auf der roten Liste der bedrohten Tierarten der IUCN. Auf dem Weg zum Laichen zieht er im Frühjahr hier hindurch, und wird von rücksichtslosen Fischereiunternehmen gefangen, bevor er sich fortpflanzen kann.« Dass es auch anders geht, möchte sie mir am nächsten Tag zeigen. Die Ausfahrt zu den Orcas dauert insgesamt drei Stunden. Die See ist deutlich ruhiger.


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Wir fahren auf die winzigen hölzernen Boote der marokkanischen Fischer zu, die versuchen, auf traditionelle Art und Weise Thunfisch zu angeln. Katharina gesteht mir, dass sie nicht wirklich damit rechnet, um diese Jahreszeit noch Schwertwale anzutreffen. Umso erfreuter ist sie, als einer der Fischer per Handzeichen Richtung Osten weist. Und tatsächlich: Zielstrebig hechtet eine Gruppe Orcas samt Nachwuchs auf uns zu. Katharinas Freudenschrei über die Sprechanlage versetzt alle an Bord in Alarmbereitschaft. Die schwarz-weiß gefleckten Riesen kommen ganz nah an unser Boot. »Sie wollen uns ihr Junges zeigen«, erklärt Katharina. Als sie sich nach gut einer Stunde per Mikrofon von den Walen verabschiedet und die Rückkehr in den Hafen ankündigt, geschieht etwas Unglaubliches. Wie zum Ausdruck des Protestes beginnen die Tiere ein faszinierendes Schauspiel, springen durch die Lüfte, vollführen Kunststücke und surfen auf den von der Strömung produzierten Wellen neben unserem Boot. Ausnahmslos jeder ist fassungslos begeistert – inklusive Katharina. » WA S F Ü R E I N E S H O W, WA S F Ü R E I N E R L E B N I S ! I N D E R H O C H S A I S O N FA H R E I C H V I E R B I S F Ü N F M A L TÄ G L I C H R AUS. ABER DAS IS T MIR GER ADE R E C H T. I C H M U S S E I N FA C H R A U S . I C H MEINE, DAS SPÜRS T DU DA DR AUSSEN BEI DEN TIEREN. DAS SPÜRS T DU N I C H T D R I N N E N I M B Ü R O .« Ihre Augen leuchten, beinahe wie ein Kind bejubelt sie das Spektakel. Nach unserer Rückkehr in den Hafen verabschiedet sich Katharina von jedem einzelnen Gast. Ich wünsche ihr einen guten Heimweg. »Das hier ist nicht mein Zuhause. Mein Zuhause ist in der Schweiz«, betont sie auch noch nach 14 Jahren. »Ich arbeite hier und gehe nur zum Schlafen in meine Wohnung. Ich wollte immer abschließen können und anfangs nach jeder Saison eigentlich nicht zurückkehren. Aber dann gab es immer wieder Erlebnisse wie die Einladung auf eine Ferienmesse, auf der mir klar wurde, dass wir unsere einwöchigen Kurse auch für Kinder anbieten muss-

ten. Das ist mein Lebensweg. Ich wurde immer in etwas reingepusht, so dass ich wieder Spaß gefunden und noch ein Jahr drangehängt habe. Ich habe durchgehalten, weil ich bemerkt habe, dass es hier etwas zu tun gibt. Ich meine, ich habe nicht von Anfang an gewusst, was ich hier soll. Ich wusste, es kommt vielleicht noch einmal etwas anderes im Leben, ein tieferer Sinn. Aber ich hatte keine Vorstellung, kein Konzept oder irgendeine Vision.« Nach drei Tagen in Tarifa habe ich verstanden, wofür sich Katharina seit so vielen Jahren einsetzt. Ich habe begriffen, welchen Gefahren die Wale und Delfine in der Straße von Gibraltar und überall auf der Welt ausgesetzt sind. Ich habe gesehen, welch dramatischen Einfluss Rücksichtslosigkeit und Unwissenheit auf die Lebenswelt in der Region haben. Ich bin Tieren begegnet, die hinsichtlich ihrer Intelligenz und ihres Sozialverhaltens mehr mit uns Menschen gemein zu haben scheinen, als wir womöglich zu akzeptieren bereit sind. Ich kam nach Tarifa, um eine ehemalige Modedesignerin zu treffen, die ihren Traum verwirklicht. Stattdessen traf ich auf eine Frau, die sich bedingungslos und gegen jede Schwierigkeit in den Dienst ihrer Aufgabe stellt. Das macht sie unantastbar. Daraus schöpft sie ihre Stärke. Einen Tag, nachdem ich Katharina getroffen hatte, erfuhr sie aus Marokko, dass das Stück Land, auf dem sie ihr Dolphin Sanctuary errichten wollte und für das sie seit Jahren Pacht und Hafengebühren zahlt, ohne ihr Wissen an jemand anderen vergeben wurde. Die marokkanische Marine, erzählt man hinter vorgehaltener Hand. Befehl von ganz oben. Sie könnte jetzt aufgeben oder einen anderen Ort in der Nähe suchen, um ihre Pläne zu verwirklichen. »Ich bin noch in der Verdauungsphase«, sagt sie. Nur um Sekunden später anzufügen: »Gestern räumte ich mal alle alten Papiere weg, musste ausmisten, nun geht es mir langsam besser. Für die Delfine aus den Delfinarien muss ich es einfach machen.«

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Zwischen Schnee und Blitzlichtgewitter ERINNERUNGEN EINES SCHAFES AN EINEN SOMMER ♥ 2.000 Schafe aus Südtirol weiden jeden Sommer im österreichischen Ötztal. Ende August werden sie wieder zurückgetrieben. Der Weg führt nicht nur über Gletscher und Geröll, sondern auch Mensch und Tier an ihre Grenzen.

V O N Evi Lemberger


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›Um mich herum, so weit ich sehen kann, Beine, trotten gleichmäßig, gemächlich.‹

Da hat uns das Wetter wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht. Eigentlich sollten wir bei solchen Bedingungen längst unten sein. Es schneit, es ist nass und kalt. Ich muss aufpassen, dass meine Hufen nicht auf dem feuchten Boden ausgleiten. Überall ist Gewimmel. 2.000 Schafe warten darauf, dass es los geht, zurück nach Hause ins Schnalstal in Südtirol. Stimmen, Geschnatter, Geblöke. Ich kaue nervös auf einem Grashalm. Momentan sind wir auf 2.500 Meter über dem Meeresspiegel. Jetzt gleich geht es zur Similaun-Hütte auf 3.100 Meter und dann wieder über das Niederjoch zu Vernagt am See auf 1.700 Meter. SIEBEN ODER ACHT S TUNDEN DAUERT DER WEG, ZIEMLICH Z ACKIG GEHT ES R AUF UND RUNTER. Eigentlich alles nicht so schlimm – herwärts bin ich schließlich auch gekommen. Aber da war kein Schnee und über den Gletscher mussten wir auch nicht. Man hat mir Geschichten erzählt von anderen Schafen, die über die Klippen gesprungen und elendig verendet sind. Nervös machen mich auch die

Blitzlichter. Die ganze Welt schaut heute auf uns. Oder zumindest die gesamte Terrasse der Almhütte mit all den Touristen und Fotografen und den anderen Wahnsinnigen, die sich die Tradition nicht entgehen lassen wollen. Die mögen uns, wir sind nämlich Weltkulturerbe, sagt UNESCO. Der Schäfer und seine Helfer wandern zwischen den Gruppen, suchen, werfen noch einen letzten Blick auf uns. Endlich kommt Bewegung in die Massen. Um mich herum, so weit ich sehen kann, Beine, trotten gleichmäßig, gemächlich. Ich achte auf meinen Weg. Über meine Hufen stolpern oder gar mein Fell verdrecken – das wäre mir peinlich. Schließlich sind die Kameras auf uns gerichtet. Unser Auslandsaufenthalt ist eine uralte Tradition. Die Idee wurde 1415 geboren, als das Schnals­ tal noch österreichisch war. In der Zeit reichte das Heu nicht für Winter und Sommer und deshalb bekamen die Schnalser Bauern Weideland auf den Venter Almen zugesprochen. Als dann 1919 nach dem Ersten Weltkrieg die Grenzen neu gezogenen wurden, fielen wir an Südtirol, aber die Grundstücke im Ötztal blieben bei uns.


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Weideland hätten wir jetzt auch auf der anderen Seite genug, aber wir kommen immer noch, von Juni bis August. Wegen der Tradition, der Liebe und vielleicht der EU-Fördergelder. Die Touristen kommen wegen uns, sagen sie, wir seien für die tollen Wanderwege verantwortlich und die sogenannte Kulturlandschaft schieben sie uns auch noch in die Hufen. Es geht über Geröll und Gestein, steil und unwegsam. Ein paar Besserwisser, Rebellen und Möchtegerne laufen von der Menge weg, über den kleinen Bach, werden aber gleich wieder von den Schäfern und deren Hunden zurückgescheucht. I C H D E N K E A N D E N S O M M E R , D E R N U N V O R B E I I S T. D I E VENTER WEIDEN. VERS TECKSPIELEN MIT MEINEN FREUNDEN. VOLLMONDGUCKEN. WÜR ZIGES GRÜNES GR AS. Da oben wurde ich übrigens auch geboren, im letzten Jahr. Kurz bevor es nach Hause ging. Das war toll, denn da durfte ich in einen Korb und wurde während des Nachhausewegs

von einem jungen Helfer getragen, sehr bequem. Dieses Jahr muss ich mit allen anderen gehen. Zum ersten Mal. Deswegen auch die Angst. Man hört ja viel. Ich sehe zu unserem Schäfer Johann Götsch. Es ist beruhigend, dass er da ist. Er kennt uns alle, jeden Einzelnen. Er sagt immer, genauso wie beim Menschen hat jedes Schaf sein eigenes Gesicht. Ganz allein war er mit uns auf der Venter Weiden den Sommer über. Obwohl, so ganz stimmt das auch nicht, denn seine Frau wohnt seit Neuestem bei ihm, weil er eine neue Schäferhütte bekommen hat. Das ist endlich was Angemessenes für eine Dame, vor allem für eine aus dem Flachland. Zuvor lebte er in einem kleinen Verschlag, aus Stein gebaut. Ein Zimmer, Steinboden, sonst nichts. Der Johann (oder auch Giovanni) ist ein super Typ, total gelassen, lässt sich nicht stressen. Freunde von mir steckten schon in Spalten fest, verirrten sich oder hatten einfach Schiss – der Giovanni hat nie geschimpft und immer geholfen, auch wenn er sein eigenes Leben dabei riskiert hat. Ich mag ihn, obwohl er eigentlich Metzger ist, im Winter. Schlimm war es nur, wenn er uns seinen Hund nachschickte.


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›... genauso wie beim Menschen hat jedes Schaf sein eigenes Gesicht.‹

Der war so schnell und schrie so laut. Da kriegt man es schon mit der Angst zu tun – obwohl, gemacht hat er nie was. Über den Gletscher drüber hat geklappt, jetzt geht es noch einmal steil bergab. Ich habe Hunger und Durst. Meine Beine tun weh, mein Fell ist durchgeschwitzt. Aber für Ablenkung und Unterhaltung ist gesorgt. Es gibt schließlich immer ein paar Sturböcke, die wollen einfach nicht heim und schlagen sich dann heimlich in die Büsche. Oder auch Nörgler, denen passt nie was. Oder einige andere, die aus der Reihe springen. Lustig sind auch die Touristen und Fotografen. Die wissen gar nicht, wie sie mit uns umgehen sollen. Manche wollen »Hallo« sagen und trauen sich nicht recht.

E V I L E M B E R G E R (*1983) ist in Lam, Deutschland, geboren. Sie studierte am »London College of Comunication« und »International Center of Photograph«. Danach arbeitete sie als Fotografin und Journalistin in Ländern wie Russland, Ungarn, Bangladesch und

SCHADE, DASS ICH MEINE NEU GEWONNENEN FREUNDE L ANGE NICHT MEHR SEHEN WERDE.

Deutschland. Nebenbei stellt sie dabei ihre Arbeiten in Gruppen- und Einzelausstellungen in Deutschland, England und den USA aus. Im Moment lebt und

Oder vielleicht auch gar nicht mehr. Man weiß ja nie, was mit uns passiert.

arbeitet sie im Bayrischen Wald und in England. evilemberger.co.uk


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alles auf anfang T E X T Blanda Wielandt _ I L L U S T R A T I O N Lisa v. Radecke

Ich weiß noch nicht, was das Richtige für mich ist, hatte sie damals gesagt. Welche Straßen und Häuser zu mir passen, wo ich mich wohl fühlen würde. Und: Ich möchte nicht weg von dir. Er: So geht das nicht. Du darfst deinen Studiengang nicht der Stadt wegen auswählen. Und die Stadt nicht unseretwegen. Sie hatte zwar ernst gemeint, dass sie nicht fortwollte, aber er hatte Recht gehabt mit seinen Einwänden.

aktuellen Lebensabschnittes, das Gehirn würde ihn mit Sehnsucht verbinden, mit Vorfreude, mit intensiv geteilter Zeit. Sie würden sich schrecklich vermissen.

Sollte sie ausziehen? Was würde dann mit ihnen passieren? Die berüchtigte Routine, das Schreckgespenst der romantischen Zweisamkeit, würde dann zu etwas werden, an das beide sich vom ersten Tag der Trennung an zurücksehnen würden und plötzlich mit ganzer Kraft zu erkämpfen versuchten. Kochen. Tatort am Sonntag. Gemeinsam ins Bett und lesen. Lachen über den fremden Dialekt und über Mentalitäten, die ihnen verschroben vorkämen.

Er würde nicht nur die neu gewonnene, allein verbrachte Zeit, die sie sich aufregend und spannend vorgestellt hatte, vergiften, sondern auch die geteilte. Streit, Vorwürfe, Tränen. Sähe man sich, wäre jede gemeinsame Stunde überschattet vom bevorstehenden Abschied, nach welchem sie sich im Stich gelassen fühlen würde, und er sich nicht verstanden oder undankbar behandelt. Sie würde lange Wochenenden fürchten, die sie allein verbringen sollte und wüsste nichts mit sich anzufangen. Die Vorfreude auf eine eigene Wohnung und selbst ausgesuchte Kochtöpfe würde sie nicht täuschen. Die Teppiche, gegen die er sich immer gesträubt hatte, die etwas teure, aber schicke Wanduhr, zu der sie ihn nie hatte überreden können. Sie besaßen ja eine. Vorhänge, die zur Bettwäsche passten, und ihre Lieblingsjoghurts im Kühlschrank. Viele Nudeln, keine einzige Kartoffel als Alibi. Ein Kräutergarten an der Wand in der Küche, wofür hier nie Platz gewesen war. Sie würde sich eine Dauerkarte für das Hallenbad wenige Straßen weiter kaufen und schwimmen gehen, zwei-, dreimal die Woche, vielleicht würde sie sich auch zu irgendeiner anderen Sportart anmelden, Yoga, oder im Fitnessstudio. Sparpreis für Studenten: 17,95 Euro im Monat. Ihm würde eine Veränderung an ihrem Körper auffallen, die sich in Komplimenten niederschlüge und darin, dass er sie öfter, mit stillem Stolz, von der Seite mustern würde.

NICHTS WÜRDE HELFEN. ODER ALLES. Ein vermeintlicher Neubeginn würde das Ende provozieren. Oder der Schlussstrich alte Gefühle wieder aufleben lassen. Die Kilometer zwischen ihnen wären eine Wohltat für die ausgezehrte und müde Beziehung. Mit leisem Schmerz im Herzen gingen beide jeden Abend ins Bett, mit ihren Gedanken näher beieinander, als ihre Körper es in den vergangenen Monaten gewesen waren. Sie würde sich abends über die Schulter streichen und sich vorstellen, es wären seine Hände, die sie spürt. Die Tage im Kalender anstreichen bis zum nächsten Wiedersehen. Den Tagen einen Stempel geben. Bestanden. Überstanden. Aufgestanden. Sich nahe stehen, ohne nebeneinander zu stehen. Skype gerne nutzen, sogar Fotos von sich selbst, nach dem Aufstehen oder an der Straßenbahnhaltestelle sitzend, mit dem Handy verschicken. Bevor er käme, würde sie sich zurechtmachen, manchmal trüge sie nachts neue Unterwäsche. Vielleicht sogar Strapse, das mag er. In alten T-Shirts oder Hemden schliefe sie nicht einmal mehr allein. Sie wäre aufgeregt, wenn er klingelte. Die Wohnung wäre sauber. Sie hätten jede gemeinsame Nacht Sex. Oder jeden gemeinsamen Morgen. Ein neues Parfum stünde auf der Kommode, der Duft des

DER KUMMER, DER VOM HINTERKOPF AUS MIT SEINEN F E I N E N FÄ D E N S C H L I N G E N U M I H R E B R U S T Z Ö G E , W Ü C H S E ZU EINER S TE TIGEN UNZUFRIEDENHEIT HER AN.

Vielleicht gefiele ihm die unbekannte Stadt nicht und ihre Wohnung ebenso wenig. Ihr Zuhause, das früher einmal er gewesen war und es eigentlich immer noch sein sollte. Der nächste Supermarkt läge ihm zu weit entfernt und die Luft in ihrem Zimmer fände er überheizt. Dabei weiß er doch, dass sie schnell friert.


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Morgens würde er dann husten, sich beklagen über ein Kratzen in der Kehle und den nächsten Tag einen steifen Hals bekommen haben wegen des von ihm demonstrativ aufgerissenen Fensters. Sie ginge feiern. Tanzen. Mit offenen Haaren, wie schon lange nicht mehr oder sogar wie noch nie zuvor. Manchmal wäre er dabei, meistens nicht. Es wäre unvereinbar, sich jedes Wochenende zu sehen. Zu weit weg. Zu viel Fahrt. Das lohnt sich nicht. Man kann sich ausrechnen, was ein Besuch kostet. Von der Zeit und den Nerven abgesehen. Wenn er da wäre, würde sie ihn anstrahlen und von Club zu Kneipe ziehen, von Bar zu Tanzfläche, im Sommer ärmellos, im Winter mit Fell in den Stiefeln. Er säße neben ihr und würde sich mit ihr unterhalten, denn wenn man sich nicht mehr so oft sieht, würde das Gespräch wieder wichtiger werden zwischen ihnen. Wörter gewinnen an Bedeutung, wenn sie einige Zeit im Inneren reifen können, bevor man sie dann unvermittelt und unüberlegt herausstößt. Dann haben sie an Verletzungspotenzial verloren, sind rund geschliffen, nicht mehr kantig und plump.Wenn er selbst keine Lust hätte zu tanzen, würde er sie aus einiger Entfernung beobachten. Bald würde er sagen: Lass uns zu dir gehen. O D E R WÄ R E E S » N A C H H A U S E « ? WÄ R E I H R D A S R E C H T ? I H R NEU ERRICHTE TES L AND, IN DEM SIE ERS T AUSPROBIEREN M U S S T E U N D D A N N A U C H W O L LT E , W I E E S WA R , A L L E I N Z U SEIN? Würde sie sich in ihrer frisch gewonnenen Unabhängigkeit beschnitten fühlen? Fände sie es gut, wenn er ihre Schubladen umsortierte, sie auf nicht gespültes Geschirr aufmerksam machte oder ungefragt Socken und Boxershorts bei ihr deponierte? Sie würde vermutlich jedes Lebenszeichen, das er bei ihr hinterließ, genießen, weil sie es als ein Symbol von Zuversicht auffassen würde: Wir bleiben zusammen. Auch wenn du jetzt räumlich gesehen weit weg bist, wirst du mich trotzdem nicht so schnell los. Ein T-Shirt vom Wochenende im Bett verstecken und bis zum nächsten Treffen unter dem Kopfkissen aufbewahren, nachts griffbereit, mit einem Rest seines Ge-

ruchs. Seine CDs zwischen ihren, plötzlich würde wieder unterschieden zwischen »mein« und »dein«, herausgerissen aus einem gemeinsamen Haushalt, in dem vieles schon beiden gehörte, zumindest in der Praxis. Nie hatte sie ihn fragen müssen, ob sie sich einen Pullover ausleihen dürfe. Sich der eigenen Habseligkeiten bewusst sein und es nicht mehr als Selbstverständlichkeit anzusehen, dass Dinge geteilt werden. V I E L L E I C H T T U T U N S D A S M A L G A N Z G U T. IST JA NICHT FÜR IMMER. Bilder, die sie herunternahm, hinterließen nicht einmal weiße Rechtecke an der Wand, so kurz haben sie erst dort gehangen. Umzugskartons wurden gepackt und schmückten die gemeinsame Wohnung mit dem Zwang, zumindest wahrzunehmen, was bald auf sie zukam. Die letzten Tage sprechen sie nicht viel darüber, obwohl die Kartons hohe Stapel bilden und beim Gang durch die Wohnung umschifft werden müssen wie Eisberge. Ein paar sind umgefallen, etwas ist darin zerbrochen, aber sie hat nicht nachgesehen, beide haben es bewusst unkommentiert gelassen. Am Dienstagmorgen macht er ihr Brötchen für die Fahrt, beschmiert sie mit gewagten Kombinationen, an die sie sich selbst nie getraut hätte. Damit du an mich denkst. Edamer und Quittenmarmelade von Oma, Schafskäse und Bananenscheiben. Sie hatten es nicht geschafft, sich richtig zu verabschieden, sie wollte nicht weinen, sie wollte ihm nicht mit Tränen in Erinnerung bleiben, sondern tapfer und mutig. Er mag es grundsätzlich nicht, wenn sich solche Dinge in die Länge ziehen. Als sie dann endlich losfährt, mit dem geliehenen Transporter, der sie ein bisschen nervös macht, weil er so breit ist, und weil sie sich nicht auskennt, dort, wo sie ankommen wird, hat sie ein gutes Gefühl, allein unterwegs zu sein.


72 _ SELBER MACHEN

F O T O Peter Klausmann


KAPITEL

â„–2

Selber machen It's not time to make a change, Just relax, take it easy You're still young, that's your fault, There's so much you have to know

C AT S T E V E N S


74 _ SELBER MACHEN A N L E I T U N G Stephanie Dietze _ I L L U S T R A T I O N Christian Koch & David Zimpfer

WINTER-OASE FÜR PIEPMÄTZE Wer so privilegiert ist, zwei Flügel zu besitzen, bricht klugerweise gen Süden auf, sobald es hierzulande frostig wird. Echte Kerle allerdings verbringen den Winter auf der Nordhalbkugel. Mit einem selbstgebauten Vogelfutterhaus kannst du ihnen an eisigen Tagen unter die Flügel greifen.

Material 3 Fichtenbretter, ca. 2 cm dick Bodenplatte 20 x 25 cm, Dachplatten 25 x 18 cm und 25 x 16 cm 4 gerade Äste, ca. 16 cm lang, 2 bis 3 cm Durchmesser, an einem Ende schräg abgesägt 2 Ringschrauben und Kordel für die Befestigung 1 Schraubhaken für Futterknödel Zinknägel, 3 bis 4 cm lang Wasserfester Holzleim Werkzeug (Hammer)

Bauanleitung 0 1 _ Die Äste nacheinander an einem Ende mit Leim bestreichen, auf die Ecken

der Bodenplatte stellen und von unten mit ein bis zwei Nägeln befestigen. 0 2 _ Kleinere Dachplatte an einer der längeren Kanten mit Leim bestreichen.

Zweite Dachplatte in einem Winkel von 90° auflegen, so dass ein Giebel entsteht. Mit mehreren Nägeln befestigen und trocknen lassen. 0 3 _ Den Schraubhaken von unten in die Mitte des Daches drehen. 0 4 _ Dach vorsichtig auf die mit Leim bestrichenen Äste setzen.

Nägel zum Befestigen oben schräg durchs Dach hämmern. 0 5 _ Ringschrauben oben ins Dach drehen. Jeweils ein Stück Kordel durchziehen. Haus katzensicher aufhängen.

Profis bestreichen das Dach mit wetterbeständigem Lack oder bekleben es mit Dachpappe. Rezept für Meisenknödel Wer auch die Meisenknödel selber machen möchte, mischt geschmolzenes Kokosfett und etwas Öl mit Sonnenblumenkernen, Nüssen, Samen, Getreide, Haferflocken und Rosinen, formt die erkaltete Masse zu Kugeln und legt dabei die Enden einer Kordelschlinge in die Mitte.


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T E X T Miriam Suter I L L U S T R A T I O N Fine Heininger

♥ Ob man mit dem Liebsten zusammenziehen will, sollte man sich sehr gut überlegen. Vor allem, wenn man vorher nicht in WGs, sondern eineinhalb Jahre alleine gewohnt hat. Und wenn die Wohnung des anderen einen Katzensprung von der eigenen entfernt ist. »Ist doch eigentlich perfekt so!« hörten wir uns oft sagen. »Jeder hat seine eigene Wohnung, wir können alleine sein, wenn wir wollen, aber auch spontan die Nacht zusammen verbringen. Am besten lassen wir’s einfach so.« Trotzdem wurden im Kopf die Vor- und Nachteile des Zusammenlebens aufgelistet. Wir würden Geld beim Essen sparen und bei allen anderen Haushaltsmitteln, wir würden jeden Tag zusammen aufwachen, könnten jeden Abend zusammen kochen – und vor allem: Wir würden ziemlich sicher weniger Miete bezahlen. Die anfängliche Überzeugung fürs Alleine-Wohnen wurde nach und nach relativiert. »Okay, okay, also wenn wir wirklich zusammenziehen, dann muss uns die Wohnung so richtig wegflashen. Wir müssen reinkommen und wissen, dass wir hier zusammen wohnen wollen!«

Dass das so bald nicht eintreffen würde, war immer im Hinterkopf. Damals haben wir aber nicht mit der schönsten Wohnung der Stadt gerechnet. Mit altem Fischgrätparkett, hohen Räumen, ein richtig schöner Altbau halt. Das Ganze bezahlbar und mitten in der Altstadt. Die weit aufgerissenen Augen und zusammengepressten Lippen vor Freude sagten alles – wir wollen, brauchen diese Wohnung. Ein paar Tage später, der leidenschaftliche Einsatz von charmanten E-Mails und das Mobilisieren von jeglichen Drittpersonen, die ein gutes Wort für uns einlegen, zeigte Wirkung, wir konnten einen Monat später einziehen. Und siehe da: Wir kochen nicht jeden Abend zusammen, schlafen nicht jede Nacht zusammen ein, zumindest nicht gleichzeitig, und haben plötzlich mehr Freiraum als vorher. Einerseits weil die Wohnung riesig ist, andererseits weil Zusammenwohnen plötzlich nicht mehr voraussetzt, das kostbare Wochenende unbedingt mit dem anderen verbringen zu müssen. Damit‘s aber auch wirklich reibungslos funktioniert, sollte man sich an einige Regeln halten.


SELBER MACHEN _ 85

REGELN I

Teilt Euch die Hausarbeit auf. Jemand putzt zum Beispiel das Bad, dafür kümmert sich der andere um den Abwasch. Verkneift Euch aber Sprüche wie: »Das soll ein sauberes Bad sein?« Oder: »Mann, da liegt schon seit gestern Nachmittag eine dreckige Gabel im Schüttstein!« Lasst Euch Freiraum, so dass jeder trotz Zusammenwohnens noch seinem »secret single behaviour« nachgehen kann. Etwa sonntags eine Stunde lang Kosmetik-Youtube-Videos anschauen und dabei seine Nägel lackieren. Oder Film-NoirDVDs schauen und dazu selbst gedrehte Zigaretten rauchen. Und zwar ohne den anderen.

II

III Verpackt Kritik in nette Worte: »Es wäre echt cool, wenn du deine Tasche nicht immer neben der Haustür stehen lassen würdest. Letztens bin ich da fast drüber gestolpert. Dafür gewöhn ich mir das mit dem Klodeckel an ...«

IV Hört weiterhin Eure Musik, aber akzeptiert die Eskapaden

des anderen. Ich mag Hippiemusik und Lady Gaga, er Jeffrey Lee Pierce und Django Reinhard. Größtenteils mögen wir die gleichen Sachen (sonst wären wir kaum zusammen), aber nach der zehnten Umdrehung von Fleetwood Macs »Rumors« hat er dann auch mal genug. Und verlässt den Raum. As simple as that. Werdet nicht zu Kontrollfreaks. Wenn der andere eine Stunde später als gewohnt heim kommt, ist das kein Drama. Eine kurze SMS, wenn‘s wirklich später wird, ist aber angebracht. Macht hart Party und genießst das Leben. Das Vortrinken zu Hause mit Freunden oder der gemütliche Kaffee im Wohnzimmer am Sonntag mit den besten Freundinnen darf weiter­hin bestehen. Aber nehmt Rücksicht. Warnt den anderen vor, dass gleich fünf trinkfreudige Jungs oder zwei gackernde Mädchen in der Wohnung sein werden, damit der andere vorbereitet ist.

V

VI

DREI SONGS FÜR ... ... DEN TAG DES UMZUGS »Deceptacon« von Le Tigre »I'm Gonna Be (500 Miles)« von The Proclaimers »Paper Planes« von M.I.A.

... DAS EINRÄUMEN DER WOHNUNG »Lust for Life« von Girls »Go Outside« von Cults »The Only Place« von Best Coast

... DEN ERSTEN ABEND IN DER GEMEINSAMEN WOHNUNG »Home« von Edward Sharpe and the Magnetic Zeros »Our House« von Crosby, Stills, Nash and Young »Stranger« von The Kinks


88 _ SELBER MACHEN

F O T O Helga Traxler


KAPITEL

№3

Alles außer Kunst Im Notfall komm zu mir, Ich werd dich beschützen vor der bösen Welt, Ich habe einen Platz für uns allein, Hey komm unter meine Decke und dann mach es dir bequem.

GUNTER GABRIEL


9 2 _ PA ÄL LN EG S! RAÄUT SS SE EL R K U N S T

♥ Diese großen Stimmen haben etwas Tragisches gemeinsam. Wie war das noch gleich mit der Schrotflinte, den Drogen und den Sextoys? Für manche fiel der letzte Vorhang reichlich mysteriös. Schnapp dir einen Stift und verbinde die für immer unvergessenen Legenden mit dem passenden Abgang.


PÄNG!RÄTSEL _ 93

R Ä T S E L Stella Manson I L L U S T R A T I O N Janna Klävers


94 _ PÄNG!WÜRFELSPIEL

T E X T Stella Manson _ I L L U S T R A T I O N Björn Steinmetzler

Winter ist im schlechtesten Fall kalt, regnerisch und nebelig. Dann sehnt man sich nach Nähe und Zuneigung. Bei diesem Spiel wird euch garantiert warm ums Herz und im Unterleib. Man nehme: Drei Flaschen Schnaps in den Farben rot, gelb und grün. Jeder Mitspieler bekommt ein kleines Glas. Es wird mit zwei Würfeln reihum gewürfelt. Entscheidend ist die Summe:


IMPRESSUM _ 95

LOB UND KRITIK ♥ Nur mit Eurer Hilfe kann ein Heft entstehen, was Euch auch gefällt. Deshalb haben wir auf www.paengmagazin.de wieder eine Umfrage für Euch hochgestellt. Als Dankeschön für Eure Anregungen wartet auf 5 von Euch eine zauberhafte stolt-Monster-Box! Die Gewinner werden gelost, d.h., ihr könnt schonungslos ehrlich sein. Merci vielmals et bon courage! Hier die Details zum Gewinn: Fröhlich und umkompliziert, das sind die zwei Dinge für die stolt steht. Die Freude kommt bei stolt in einer Box. In der ist alles enthalten, um mit dem Nähen sofort los zu legen. Du bekommst den Schnitt, den Stoff, eine Anleitung und das komplette Zubehör. Wir verlosen 5 x das kleine Monster Muki aus der aktuellen Kollektion. Das kleine Kuschelmonster kann man ohne Nähmaschine mit der Hand nähen. Das bekommt jeder Pängster hin. Wer kein Kuscheltier mehr braucht, verschenkt sein selbst genähtes Monster. Nichts kommt besser als Selbstgemachtes für liebe Freunde. Mehr zum Stöbern: www.mystolt.de

DEIN WEG ZU PÄNG! Während des Blätterns ist Dir etwas eingefallen, worüber wir unbedingt berichten sollten? Dann schick uns Deine Idee an redaktion@paengmagazin.de. Vielleicht bist Du ja im nächsten Päng!Heft vertreten. Wir sind gespannt!

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Scharff, Helga Traxler SCHLUSSKORREKTUR Catharina Mühlhan, Ursula Zimpfer

DANKE COVER

Anna Wagner, Manuela Wimmer,

Evi Lemberger

Milla Sternburg, Stephanie Dietze, Mike Löwe

© 2012 für alle Beiträge und Abbildungen bei Päng!Magazin


96 _ ABPFIFF

ZEHN TOLLE BRE T TSPIELE FÜR K ALTE WINTERNÄCHTE Liebe Kinder, es war uns ein Fest! Wir waren zusammen draußen. Sind Abenteuern hinterher gejagt. Und jetzt kehren wir gemeinsam heim. Wenn es draußen kalt und viel zu früh dunkel wird, erstrahlen die Stuben wieder im warmen Licht. Eng Zusammenrücken, es sich allein gemütlich machen oder eine wilde Horde Freunde beim Brettspiel besiegen. Wann habt ihr zuletzt ein Hotel gemanagt, Euch Fantasiewörter mit 16 Buchstaben ausgedacht, habt erzählt ohne zuviel zu verraten und am Ende doch wieder zu spät aufgehört? Freunde, lasst uns spielen! ♥

Wir haben 10 unvermeidliche Brettspielklassiker für Euch zusammengestellt, auf dass der Bessere gewinnen möge. In diesem Sinne – setzt den Teekessel auf, räumt den Tisch frei, ratet, pokert, stänkert, ärgert, schummelt Euch um Kopf und Kragen. Und denkt daran, erst im Spiel offenbart der Mensch seine wahre Natur. Sagt nicht, wir hätten Euch nicht gewarnt ...

Wir wünschen Euch eine großartige Zeit! Kommt gut durch den Winter, auf dass wir uns im nächsten Jahr alle gesund und frisch wiedersehen. Dann heißt es Bühne frei für Päng! #4. › Cluedo › Malefiz › Privacy › Siedler von Catan › Trivial Pursuit › Risiko › Hotel › Scrabble › Therapy › Bäng!

I L L U S T R A T I O N Asuka Grün


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