HTML5 haucht dem Web neues Leben ein

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Neuö Zürcör Zäitung

48 MOBIL UDIGITAL

Donnerstag, 12. August 2010 U Nr. 185

DIGITAL IN KÜRZE

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E-Book-Boom und -Bust

S. B. U Die britisch-amerikanische Firma Plastic Logic hat die Markteinführung ihres E-Book-Readers Que abgesagt. Unter den vielen Firmen, die zu Beginn des Jahres anlässlich der Consumer Electronics Show in Las Vegas E-Book-Lesegeräte ankündigten, ragte der Que heraus, denn er war grösser und dünner als die Konkurrenzprodukte. Während die Auslieferung des Que mehrmals verschoben werden musste, nahm die Firma bereits Vorbestellungen an. Am Dienstag verkündete Plastic Logic nun das Ende des Produkts. Weil sich das Marktumfeld «dramatisch» verändert habe, erachte man es nicht mehr als sinnvoll, ein Produkt der ersten Generation vermarkten zu wollen. Stattdessen wolle man sich nun auf die Entwicklung eines Nachfolgemodells konzentrieren. Dass sich das Angebot an Lesegeräten rasch ausweiten und sich die Wettbewerbsintensität steigern würde, war schon zu Beginn des Jahres absehbar; dass auch Apple sich für diesen Markt interessiert, galt als sicher. Plastic Logic, die in Dresden eine eigene Fabrik besitzt, hat aber möglicherweise die Komplexität der Fertigung unterschätzt, vielleicht auch keine passenden Software-Partner gefunden. Amazon hat Ende Juli bereits die dritte Generation ihres Kindle genannten Lesegeräts angekündigt.

Überdimensioniertes Android-Handy

(ddp) U Der Computerhersteller Dell hat sein überdimensionales Mobiltelefon Streak («Strahl») auch in Europa auf den Markt gebracht. Das Gerät wird mit dem Google-Betriebssystem Android betrieben und hat eine Bildschirmgrösse von 5 Zoll (13 Zentimeter). Zum Vergleich: Das neue iPhone 4 von Apple verfügt über 4,5 Zoll. Trotzdem bietet Apple mit 960 mal 640 Pixeln eine höhere Auflösung als der Streak, der nur 800 mal 600 Pixel darstellen kann. Bewähren soll sich der Streak bei Internet-Anwendungen und Multimedia. In der Schweiz kostet das Gerät bei Digitec 799 Franken.

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Streit um die Netz-Neutralität

Das Apple-Trackpad gefällt durch ein schlichtes Design, das durch Glas- und Aluminium-Elemente definiert wird.

Plättet die Mäuse Apples Magic Trackpad bewährt sich als Eingabegerät an Macintosh-Rechnern S. B. U Vor etwas mehr als einem Vierteljahrhundert hat Apple die Computermaus gross herausgebracht, jetzt macht sich die kalifornische Firma daran, dieses Eingabegerät zu beseitigen und durch das flache, kabellose Magic Trackpad zu ersetzen. Apple hat die Maus nicht erfunden, und der Lisa genannte Computer, dem Apple 1983 erstmals eine Maus beigesellte, war in dieser Hinsicht nicht einzigartig. Zwei Jahre zuvor hatte Xerox mit einer Star genannten Maschine ebenfalls eine Computermaus ausgeliefert.

Holzklotz auf Rädchen Die Maus war zu Beginn der 1960er Jahre in Kalifornien von Doug Engelbart entwickelt worden. Er wollte ein Computersystem schaffen, das sich interaktiv auch von mehreren Anwendern benutzen lässt. Neben einem neuartigen, grafikfähigen Computermonitor gab es an diesem Arbeitsplatz eine Tastatur mit fünf Tasten und ein Zeigegerät zur Markierung von einzelnen Bildschirmregionen. Zu diesem Zweck waren ursprünglich Lichtgriffel vorgese-

(sda) U Der Absatz von portablen Konsolen für Computerspiele ist in der Schweiz im zweiten Quartal um 43 Prozent zurückgegangen. Die Händler, die damit 41 Prozent weniger Umsatz hinnehmen müssen, hoffen nun auf den Nintendo 3DS, der die Verkäufe wieder ankurbeln soll. Insgesamt ging der Absatz von Spielgeräten um 19,8 Prozent zurück, wie das Marktforschungsunternehmen Media Control im Auftrag der Branchenorganisation SIEA (Swiss Interactive Entertainment Association) erhoben hat. Das Absatzplus bei den Heim-Konsolen von 7 Prozent konnte den Negativ-Trend nicht wettmachen, wie die am Montag publizierten Daten deutlich machen. Bei den Computerspielen bewegen sich die Verkaufszahlen etwa auf dem Niveau des Vorjahresquartals.

auf technische Innovationen, die sich schon seit Jahren bewährt haben. Doch wie auch bei anderen Apple-Produkten glänzt das Trackpad durch ein minimalistisches Design, sorgfältige Fertigung und eine vorbildliche Hardware-Software-Integration.

Finger-Ballett Das Apple-Trackpad, 13 mal 13 Zentimeter gross, lässt sich ohne Kabel via Bluetooth zusammen mit neueren Macintosh-Computern benutzen, auf denen Mac-OS 10.6.4 installiert ist. Mit einiger Mühe lässt sich das Trackpad auch mit Windows versöhnen, allerdings stehen hier nicht alle Funktionen zur Verfügung. Die Oberfläche aus Glas erkennt die Bewegungen mehrerer Finger, die nicht nur den Mauspfeil über den Bildschirm schieben oder den Rollbalken bedienen, sondern etwa auch ein- oder auszoomen, seitenweise blättern oder Bildelemente drehen und wenden können. Ob das 79 Franken teure Trackpad die Maus vollständig ersetzen kann, hängt von den Applikationen ab, die man verwendet.

Der Web-Standard der Zukunft ist in der Gegenwart gelandet

Office-Paket für Mac

Weniger portable Spielkonsolen

hen, getestet wurden auch ein Joystick, ein Hebel unter dem Tisch, der mit dem Knie bedient wurde, und ein Gerät, das das Wackeln der Nasenspitze auf den Bildschirm übertrug. Die besten Resultate lieferte aber ein Holzklotz auf zwei Rädchen, der von allen Maus genannt wurde. Engelbart und sein Mitarbeiter Bill English liessen die Maus 1964 als «XY-Position Indicator for a Display System» patentieren. Als Besonderheit dieser neuen Form der Mensch-Computer-Kommunikation, die 1984 von Apple mit dem Macintosh popularisiert wurde, galt die Möglichkeit der «direkten Manipulation». Der Anwender musste nicht mehr auswendig gelernte Befehle eintippen, um den Computer zu steuern, sondern er konnte direkt eingreifen, Bildchen auf dem Bildschirm, die Computerprogramme oder Computerdaten repräsentierten, manipulieren. Noch direkter als mit der Maus lassen sich diese Interaktionen mit dem neuen Magic Trackpad von Apple durchführen. Nichts an diesem Produkt ist magisch, nichts daran ist aus technischer Sicht neu. Wie bereits die LisaMaus, so stützt sich auch dieses Produkt

HTML 5 haucht dem Web neues Leben ein

PD

(ddp) U Mac-Nutzer können das neue Office-Paket von Microsoft Ende Oktober kaufen. Office 2011 soll dann in mehr als 100 Ländern zur Verfügung stehen. Kunden, die sich jetzt bereits das Office-Paket der Version 2008 kaufen, sollen kostenlos auf 2011 upgraden können. Geplant sind laut Microsoft zwei Versionen: eine für Privatanwender und eine für Firmen. Die Heimversion soll 109 Euro für einen Computer und 139 Euro für drei Computer kosten. Enthalten sind Word, Excel, Powerpoint und der Messenger.

PD

Stefan Betschon U Netz-Neutralität ist wie Weltgesundheit und Weltfriede: Alle sind dafür. Sie kennt nur Befürworter, und doch sorgt diese Wortkombination, wo immer sie ins Gespräch gebracht wird, für hitzige Diskussionen. Google und die amerikanische Telekommunikationsfirma Verizon Communications haben am Montag einen Vorschlag zur Regulierung der Netz-Neutralität vorgelegt. Offenheit sei die wichtigste Eigenschaft des Internets, diese Offenheit gelte es auch in Zukunft zu bewahren. Die beiden Firmen möchten die Internet-Service-Provider (ISP) darauf verpflichten, dass sie alle Datenpakete gleich behandeln. Es soll verboten werden, bestimmte Anbieter, Rezipienten oder Dienste zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Das Engagement für Netz-Neutralität hat Google und Verizon starke Kritik eingebracht. Googles Absichten seien «böse», so vermuteten amerikanische Journalisten. Denn laut dem Vorschlag soll die Neutralität nicht für Mobilfunknetze gelten, zudem soll es den ISP erlaubt sein, parallel zum existierenden Internet neuartige, leistungsfähigere Online-Dienste aufzubauen. Es wird befürchtet, dass die grossen Telekommunikationsanbieter vor allem in die neuen Online-Dienste investieren, dass eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht, in der es für zahlungskräftige Kunden und mächtige Medienunternehmen schnelle Internetverbindungen gibt, während kleinere Anbieter und Durchschnittsanwender im Datenstau versinken. Die Vorschläge von Google und Verizon sind vage und interpretationsbedürftig, ihr Einfluss auf eine zukünftige Gesetzgebung in den USA dürfte beschränkt sein. Dass sie trotzdem so heftige Reaktionen provoziert haben, hängt vermutlich damit zusammen, dass viele verdrängt haben, dass das Internet, dieses weltweite virtuelle Wolkenkuckucksheim, eine materielle Basis hat und dass der Ausbau dieser Infrastruktur nicht gratis zu haben ist.

Die Spezifikationen für die neue Version der Hypertext-Auszeichnungssprache HTML sind noch nicht fertig, doch viele Browser unterstützen bereits die wichtigsten Funktionen zur Darstellung von Websites. HTML 5 wird das Web stark verändern. Claude Settele In der Welt des Internets sind zehn Jahre eine Ewigkeit. Die aktuelle Version 4.01 der Hypertext Markup Language (HTML) wurde Ende 1999 eingeführt. Damals gab es kein ADSL im Haushalt, Google war eine kaum bekannte Jungfirma, und Phänomene wie soziale Netzwerke oder Cloud-Computing existierten bestenfalls als Ideenskizze. Vieles hat sich seither verändert – höchste Zeit also, das Web auf eine neue technische Basis zu stellen. Dafür verantwortlich ist das World Wide Web Consortium (W3C), das über HTML wacht und das für die grafische Darstellung von Websites zuständige Regelwerk CSS (Cascading Style Sheets).

Autonomie von Plug-ins Das W3C ist ein schwerfälliger Tanker mit über 300 Firmen und Institutionen von Apple bis zur Zheijang-Universität

an Bord. Die Weiterentwicklung von HTML erwies sich als zäher Prozess, der über viele Jahre, zeitweise in zwei Arbeitsgruppen unterschiedlicher Stossrichtung, vorangetrieben wurde. Jetzt ist die Zukunft in Form von HTML 5 und CSS 3 greifbar, obschon die Spezifikation noch nicht abgeschlossen ist. Mozilla (Firefox), Apple (Safari), Google (Chrome) und Opera sind die treibenden Kräfte für eine schnelle Umsetzung, ihre neusten Browser-Versionen unterstützen bereits viele der neuen Funktionen. Unterstützung erhalten sie auch von Web-Dienstleistern, denen HTML 5 neue kommerzielle Perspektiven eröffnet. Die Liste der neuen Funktionen ist lang. Apple, Google und Microsoft zeigen auf Demo-Websites,* was heute mit den offenen Web-Standards HTML, CSS und der Programmiersprache Javascript möglich ist. Bereits viel Publizität erhielt HTML 5 wegen seiner Fähigkeit, Audio- und Videoinhalte ohne Plug-in abzuspielen. Ein Katalysator war Apples Entscheid, beim iPhone und beim iPad auf HTML 5 statt auf Flash zu setzen. Videoportale wie Youtube und Vimeo experimentieren bereits damit, kürzlich hat das Dokumentenportal Scribd entschieden, von Flash auf HTML 5 umzusteigen. Weitere Funktionen lassen die Grenze zwischen Desktop-PC und Anwendungen in der Cloud verschwimmen und werten den

Browser auf: Mit «drag and drop» lassen sich Dateien innerhalb des BrowserFensters bewegen und auch auf einen Ordner im Web verschieben. Der CEO des Online-Speicherdienstes Box.net glaubt gar, dass diese Funktion das Ende des klassischen Desktop-Betriebssystems sei, und liegt damit auf einer Linie mit Eric Schmidt, dem CEO von Google. Von diesem stammt der Slogan «The browser is the computer». HTML 5 ist auf dem besten Weg, solche Visionen zu stützen: Neu können WebAnwendungen Daten automatisch auf dem lokalen PC speichern. Dies erlaubt, mit Cloud-Anwendungen wie Google Docs auch offline zu arbeiten. Dies war über die Browser-Erweiterung Gears auch möglich, die Google nun zugunsten von HTML 5 hat fallenlassen.

Typografische Vielfalt Einen Kreativitätsschub bringen neue Funktionen für 2-D- und 3-D-Grafiken, Animationen und die optische Gestaltung von Websites. Dazu gehören etwa skalierbare Vektorgrafiken, um 360 Grad drehende Bildobjekte, Diaschauen mit verblüffenden Effekten und Spiele. Künftig können Browser auch Geodaten verarbeiten und erleichtern Webdesignern und -entwicklern dank Vereinfachung der Syntax sowie neuen Elementen und CSS-«Klassen» die Arbeit. So lassen sich mit einer Codezeile

Farbverläufe definieren, runde Ecken oder Schatten kreieren, wozu man heute in einem Grafikprogramm Vorlagen erstellen muss. CSS 3 erlaubt den Einsatz von mehr Schriften und bietet Optionen für interaktive Effekte, die heute oft mit Flash realisiert werden.

Totgesagte leben länger

Wie schnell sich HTML 5 durchsetzen wird, hängt nicht nur davon ab, wann das W3C die endgültige Version des Standards publiziert; 2012 könnte es so weit sein. Wichtig ist auch die Haltung von Microsoft, das trotz grossen Terrainverlusten immer noch der führende Browser-Anbieter ist. Lange hat sich das Unternehmen wenig um Standards gekümmert, will nun aber HTML 5 und CSS 3 im neuen Explorer 9 unterstützen, wie erste Vorschauen zeigen, eine Beta-Version folgt im September. Ein Problem ist aber die Langlebigkeit alter Explorer-Versionen, selbst der neun Jahre alte Explorer 6 ist nicht totzukriegen. Da HTML 5 aber einen Quantensprung bedeutet und eine weitere Erosion der Marktanteile droht, könnte Microsoft künftig seine Anwender aktiver zum Umstieg animieren. * Demos und Informationen: http://ie.microsoft.com/testdrive; http://slides.html5rocks.com; http://www.apple.com/html5.


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