Die Jagd auf das iPad ist eröffnet

Page 1

MOBIL UDIGITAL

64

Neuö Zürcör Zäitung

Energie und Wasser sparen im Haushalt Seite 62

Die Schweiz gehörte einst zur Informatik-Avantgarde

Seite 62

McLaren bald grosser Player im Bereich Superboliden? Seite 63

Donnerstag, 2. Dezember 2010 U Nr. 281

Der Fiat Punto punktet mit neuer Technik

Seite 63

Die Jagd auf das iPad ist eröffnet Mit drei Tablets in unterschiedlichen Grössen fordern Samsung, Dell und Toshiba Apples Erfolgsmodell heraus

Über ein Dutzend Hersteller haben Tablets angekündigt, doch in die Verkaufsregale haben es erst wenige geschafft. Wir haben die erhältlichen Modelle Galaxy Tab, Folio und Streak getestet und mit dem iPad verglichen.

Claude Settele

Über 7 Millionen iPads hat Apple seit der Lancierung im Frühjahr verkauft, zusammen mit den ersten Modellen der Konkurrenz sollen laut Gartner bis Ende Jahr mehr als 19 Millionen Tablets verkauft werden. Für 2011 prognostiziert die Marktforscherin einen Absatz von 55 Millionen Stück. Noch nie soll sich eine neue Produktekategorie so schnell verbreitet haben wie das Tablet, heisst es. Bisher hielt die DVD diesen Rekord inne. Ob der Mensch ein Tablet braucht, ist eine müssige Frage, offensichtlich will er es. Daran glaubt die ganze Industrie, die, von Apples Innovation geweckt, fieberhaft am Werken ist. Letzte Woche hat Acer gleich drei Tablets vorgestellt sowie eine Art Notebook-Tablet mit zwei Displays. Aus Asien sind Geräte von Asus, HTC, LG, Lenovo, MSI und Sharp zu erwarten. Tablets aus Europa sind von Archos, WePad, Icarus und Interpad geplant oder schon eingeführt. In Übersee wird Blackberry-Hersteller RIM nächstes Jahr sein PlayBook für Firmen bringen. Als Betriebssystem haben sich die Kanadier für QNX entschieden, eine Software-Plattform, die auch in der Fahrzeugtechnik zum Einsatz kommt. In den USA zu kaufen ist das mit Windows 7 ausgestattete Slate von HP, das sich an Firmenkunden richtet. Ein auf Web-OS basierendes Gerät soll folgen. Zu den Early Birds gehören das Galaxy Tab GT-P1000 von Samsung, das Streak von Dell und das Folio 100 von Toshiba, die bereits in der Schweiz zu kaufen sind.

Display definiert Subklassen

Wir haben das Trio unter die Lupe genommen und am Original von Apple gemessen, das letzte Woche mit einem

Apple iPad Dell Streak Samsung Galaxy Tab Toshiba Folio 100 Modell iOS 4.2 Android 2.2 Android 2.2 Android 2.2 Touch-Display (Auflösung) 9,7’’ (1024×768) 5’’ (800×480) 7’’ (1024×600) 10,1’’ (1024×600) ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Gewicht 680 g 220 g 380 g 760 g ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Speicher intern 16/32/64 GB 16 GB (Micro-SD) 16/32 GB 16 GB ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Extern – erweiterbar auf 32 GB Micro-SD SD, erweiterbar auf 32 GB ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Kamera – 5 MP + 0,58 MP 3,2 MP + 1,3 MP 1,3 MP ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Kommunikation WLAN, (UMTS), Bluetooth, A-GPS WLAN, UMTS, GSM, Bluetooth, A-GPS WLAN, UMTS, GSM, Bluetooth, A-GPS WLAN, Bluetooth, HDMI ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Listenpreis (16-GB-Modelle) 649 Fr. / 799 Fr. (mit UMTS) 729 Fr. 899 Fr. (Digitec: 737 Fr.) 599 Fr. ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Die Tablets von Apple, Samsung und Toshiba sind im Fachhandel erhältlich, das Streak bei Dells Exklusivpartner Digitec.

umfangreichen Update des mobilen Betriebssystems iOS (Version 4.2) neue Funktionen wie Multitasking oder drahtloses Streaming erhalten hat. Allen drei Herausforderern gemeinsam ist das Betriebssystem Android, das die Hersteller lediglich kleineren Anpassungen unterzogen haben. Damit enden aber schon die Gemeinsamkeiten. Aufgrund der unterschiedlichen Dimensionen definieren sie drei Sub-Klassen der Tablet-Kategorie. Mit einem Bein ausserhalb dieser Kategorie steht das Streak. Es besitzt ein 5-Zoll-Display und definiert eine eigentliche Zwitterkategorie zwischen Mini-Tablet und Jumbo-Handy. Die Vorzüge eines Tablets kann das Streak deshalb auch nur bedingt ausspielen, obschon das Gerät bis auf die Abdeckung auf der Rückseite solide gebaut und gut ausgestattet ist (siehe Tabelle). Das Streak ist das einzige Modell, mit dem man am Ohr telefonieren kann. Beim Galaxy braucht es für Telefongespräche ein Headset, das iPad und das Folio sind ganz «sprachlos». Mit seinem 7-Zoll-Display ist Samsungs Tablet ein Vertreter der Mittel-

klasse. Es ist gut verarbeitet, kann mit seinem Kunststoffgehäuse aber nicht mit der Alu-Hülle des iPad mithalten. Sein Trumpf ist die kompakte Grösse. Es ist mobiler als das iPad, passt gut in Handtaschen und in viele Innentaschen von Jacketts. Es lässt sich damit gut surfen, mailen und Applikationen nutzen. Das Brettchen kann wie auch das Streak und das Folio mit zwei Ausstattungsmerkmalen aufwarten, deren Fehlen dem iPad viel Kritik eingebracht haben: Daten können direkt via USB und Speicherkarten eingelesen werden. Android zeigt sich diesbezüglich als offenere Plattform. Bei Apple braucht es hierzu einen Adapter, und der Import ist auf Bilddaten beschränkt. Bei anderen Dateiformaten ist beim iPad der Umweg über iTunes, E-Mail oder eine OnlineDisk wie Dropbox nötig. Zu den Schwächen des Galaxy gehören leichte Farbveränderung bei seitlichem Blickwinkel und der schmalbrüstige Klang. Die grösste Schwäche aber ist die Kehrseite der kompakten Bauweise: Beim Lesen, Surfen und insbesondere bei der Präsentation von Fotos, Videos, TV und Spielen fehlt dem Gerät

die Grosszügigkeit des iPads oder des Folios. Der Unterschied ist beträchtlicher, als es der Vergleich der Bilddiagonalen vermuten lässt: Die Fläche des Galaxy-Displays ist nicht einmal ganz die Hälfte so gross wie jene des iPads. Kommt ein Tablet vor allem zu Hause als Lese- und Multimediagerät zum Einsatz, ist ein 7-Zoll-Display keine optimale Grösse. Die grosszügigste Perspektive bietet Toshibas Folio mit 10,1 Zoll im Breitbildformat 16:9. Doch die Qualität des Displays ist enttäuschend. Kippt man dieses leicht ab, kann man den Inhalt nur noch schemenhaft sehen. Das nur mit WLAN ausgerüstete Tablet reagiert auch nicht so sensibel und zügig wie die anderen Tablets. Zudem können die Anpassungen der Oberfläche nicht voll überzeugen.

Die «Apps» entscheiden mit Der interessanteste Herausforderer des iPad ist zurzeit klar das Galaxy. Zu fürchten braucht sich Apples Tablet insbesondere nach dem letzten Update aber nicht. Seine Mankos (fehlende Flash-Unterstützung sowie USB und

Speicherkarte) macht es dank den rund 300 000 verfügbaren Apps wett. Android ist mit 100 000 Anwendungen auf Aufholjagd, doch viele Programme und auch Apps für die Medienlektüre werden zurzeit erst einmal für iOS entwickelt. Noch gibt es wenige Anwendungen, die für Android-Tablets optimiert sind. Beim iPad sind es mittlerweile rund 40 000. Erst die kommende Version 3.0 von Android soll die vollständige Tablet-Unterstützung bringen, schwerwiegende Schwächen in der Bedienung sind uns allerdings zumindest beim Galaxy nicht aufgefallen. Gespannt sein darf man, ob die aus Asien stammenden Gerüchte stimmen, wonach ein zweites iPad von Apple mit 7-Zoll-Display und einer USB-Schnittstelle bereits in Produktion sei. Eine mobilere Version wäre durchaus sinnvoll, wie das interessante Modell Galaxy Tab zeigt. Samsung indes geht den anderen Weg: Wir wissen, dass ein grösseres Modell des Galaxy bereits in der Pipeline ist. Sicher ist ausserdem, dass der grosse Showdown erst 2011 stattfindet, wenn noch mehr Tablet-Hersteller in die Arena steigen.

Afghanistans Zivilluftfahrt am Rande des Machbaren In einem problembeladenen Umfeld kämpfen die Airlines um einen kleinen, übersättigten Markt

Politischer Egoismus, hohe Leasing- und Versicherungsraten für Verkehrsflugzeuge, ein Hauptstadtflughafen, der nur bei Tag geöffnet ist, und Überkapazitäten: Den Fluggesellschaften Afghanistans ist es beinah unmöglich, profitabel zu sein.

Kurt Hofmann

Der zivile Luftfahrtsektor in Afghanistan ist weit von der Normalität entfernt. Das war nicht immer so: 1979 führte Ariana Afghan Airlines, die 1955 gegründete staatliche Fluggesellschaft, mit einer damals nagelneuen McDonnell Douglas DC-10-30 internationale Flüge nach Europa durch. Kabul war eine kleine Drehscheibe zwischen West und Ost. Heute muten die Probleme, mit denen sich europäische Fluggesellschaften herumzuschlagen haben – Vulkanasche, Steuern, Streiks –, geradezu marginal an im Vergleich zu denen, die sich afghanischen Airlines stellen.

Teurer Treibstoff

«Niemand redet heute über private Unternehmen Afghanistans. Nur über Militär, Wahlen und die Taliban», so be-

schwerte sich Kam-Air-Präsident Zamari Kamgar kürzlich in Wien anlässlich der Eröffnung der Flugverbindung Kabul–Wien. Die seit 2003 als Liniengesellschaft operierende Kam Air hat 360 Angestellte und transportiert jährlich rund 86 000 Passagiere, davon 10 Prozent im Inland. Afghanistans Fluggesellschaften – Ariana, Kam Air, Safi Airways und Pamir Airways – kämpfen um einen kleinen, übersättigten AirlineMarkt. Ein Beispiel: Die Strecke Kabul– Dubai wird bis zu achtmal pro Tag von fünf Airlines bedient. «Das sind 1300 Sitze täglich mit einer 50-prozentigen Auslastung», erläutert Kamgar. «Bis 2007 konnten Fluggesellschaften in Afghanistan Geld verdienen. Dies hat sich geändert», meint Timor Shahab, Executive Vice President von Kam Air. «Der Grund, warum das so war, ist einfach. Es gab keine andere Fluggesellschaft als Ariana», so der Deutsche Claus Fischer, CCO der 2006 gegründeten Safi. Die Zustände sind dramatisch. Der internationale Flughafen von Kabul ist nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang geöffnet. Das macht es unmöglich, Flugzeuge wirtschaftlich einzusetzen. Ethnischer Verkehr dominiert, doch produziert dieser nur niedrige Erträge. Die Infrastruktur ist schwach, der Treibstoff teuer. «Wir müssen in Kabul 1400 Dollar für eine

Tonne Treibstoff bezahlen. Das ist zweimal so viel wie in Frankfurt», meint Fischer. Daher ist der Manager nicht unglücklich, wenn der auf der Strecke Frankfurt–Kabul eingesetzte Airbus A340-300 ab Deutschland nicht komplett ausgebucht ist. Dann wird das Flugzeug in Frankfurt bis zum Rand aufgetankt, damit für den Rückflug aus Afghanistan genügend Sprit vorhanden ist. So wird vermieden, in Kabul tanken zu müssen. «Das spart uns jährlich 180 000 Dollar», rechnet Fischer vor. Der 2009 neu eröffnete internationale Terminal von Kabul ist heute bereits zu klein, die Slot-Situation ist kritisch. Passagierflugzeuge dürfen nur alle 20 Minuten starten und landen. Schwache Navigationssysteme erschweren die Pünktlichkeit. «60 Prozent der Flugstornierungen liegen nicht in unserer Verantwortung», sagt Shahab. Zudem müssen Fluggesellschaften pro Passagier und internationale Strecke 8 US-Dollar bezahlen. «Das sind bis zu 2 Millionen Dollar Zusatzkosten jährlich», sagt Fischer und klagt über Monopole etwa bei der Treibstoffversorgung und über weitreichende Korruption. «Ausserdem vermissen wir die politische Bereitschaft, einheitliche Standards und Normen für die Zivilluftfahrt einzuführen. Es gibt zu viel Egoismus, der das verhindert.»

Flugzeugversicherungen sind teurer als sonstwo. «Es sind rund 100 000 USDollar pro Monat mehr zu bezahlen, weil die Versicherer Afghanistan als Kriegsgebiet einstufen», erläutert Shahab. Für Flugzeuge, die über Nacht in Kabul bleiben, gibt es gesonderte Zuschläge. «Leasinggesellschaften verdoppeln Mietgebühren für Flugzeuge. Warum? Es gibt nicht viel Vertrauen in Afghanistans Airlines. Somit ist es sinnvoller, ein Flugzeug zu kaufen», rechnet Shahab vor. Kam Air plant, im Frühjahr 2011 drei Airbusse A319 oder A320 anzuschaffen sowie eine Boeing 767-300. Safi mietete kürzlich einen Airbus A320 von der amerikanischen International Lease Finance Corporation (ILFC). «Wenn Vermieter sehen, dass man wie eine normale Fluggesellschaft arbeitet, ist dies möglich. Aber die Versicherungskosten sind höher», führt Fischer aus.

Preiskrieg auf Inlandstrecken Safi unterzieht sich gegenwärtig einer Umstrukturierung, um endlich Profit zu erwirtschaften. Der Carrier transportiert jährlich 250 000 Passagiere und betreibt neben dem Airbus A320 einen A340-300 und eine Boeing 767-200. Der gegenwärtige Flugplan benötigt rechnerisch aber nur 1,5 Flugzeuge pro Woche. Safi hofft, ab nächstem Jahr Peking,

Delhi oder Moskau anfliegen zu können. Kam Air besitzt ebenfalls Verkehrsrechte für Moskau. «Es gibt vielleicht ein Aufkommen von 70 Passagieren pro Woche. Somit ergibt es keinen Sinn, dorthin zu fliegen», so Shahab. Pamir Airways, welche der KabulBank gehört und fünf Boeings 737 betreibt, hat seit Beginn ihres Bestehens einen Verlust von 100 Millionen USDollar eingefahren – eine Auswirkung des Preiskrieges auf Inlandstrecken. «Wenn jedoch keine Inlandsflüge angeboten werden, revoltiert die afghanische Öffentlichkeit», so Fischer. «Und wenn es mehr Anschläge auf den Strassen Afghanistans gibt, fliegen die Leute mehr. Terroristen werden nie ein afghanisches Flugzeug abschiessen», sagt Michael Timcke, Berater der Kam Group. Finanzielle Details über Ariana, die nicht mit eigenen Maschinen in die EU fliegen darf und die für Strecken nach Europa – etwa Frankfurt – Flugzeuge anmieten muss, sind kaum verfügbar. «Aber Ariana verschwindet nie. Sie ist eine Art nationales Heiligtum», davon ist Timcke überzeugt. Mittlerweile erteilt das afghanische Verkehrsministerium keine Zulassungen für neue Airlines mehr – dies nicht zuletzt in der Hoffnung, eines Tages wieder so etwas wie einen normalen Flugbetrieb abwickeln zu können.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.