Sagen, M채rchen und Schelmengeschichten aus dem N체rnberger Land Neu bearbeitet von
Vinzenz
Pfeiffer Verlag
Vinzenz: Sagenhaft
© „Vinzenz“ Reinhard Dorn 2011 Pfeiffer Verlag Hersbruck Alle Rechte vorbehalten Satz: „Vinzenz“ Reinhard Dorn Umschlaggestaltung: Michael Gölling und Pfeiffer Verlag und Medienservice Druck und Bindung: PuK Pfeiffer & Krämmer Print GmbH Mit freundlicher Unterstützung der
ISBN 978-3-927412-26-2
Vinzenz
Sagen, Märchen und Schelmengeschichten aus dem Nürnberger Land Neu bearbeitet von Vinzenz mit Linolschnitten von Michael Gölling
Pfeiffer Verlag Hersbruck
Sagenhaft, wie viel Hilfe ich bekommen habe! Ein Buch entsteht selten nur durch die Arbeit des Schreibenden. Viele tragen dazu bei, das Werk werden zu lassen und es zu vollenden. So danke ich vor allem meiner Familie und meinen Freunden für so manche Geschichte, wertvolle Hinweise oder Ergänzungen, freundliche Kritik und das Verständnis, wenn ich, immer wenn es mir möglich war, am PC oder in Archiven gesessen bin. Dort hat mir Ewald Glückert vom Stadtarchiv Lauf unermüdlich und immer freundlich Berge von Zeitschriften und Büchern auf den Tisch gelegt. Georg Daubmann aus Hirschbach, Albert Geng aus Hersbruck und Werner Kaschel aus Hohenstadt haben für mich in ihren Unterlagen gestöbert und so manche Kostbarkeit wieder ans Tageslicht gefördert. Lambert Herrmann von der Pegnitz-Zeitung in Lauf und Lorenz Märtl vom Feuchter Boten halfen mir, so manchen Schatz zu heben, der sich in ihren Veröffentlichungen verbarg. Eckhardt und Hannsgörg Pfeiffer von der Hersbrucker Zeitung taten es ihnen gleich und waren darüber hinaus bereit, das Buch zu verlegen. Marianne Hanke aus Hirschbach nahm es auf sich, das Manuskript durchzuackern und gab mir viele wertvolle Hinweise. Michel Gölling von der Bücherwerkstätte in Hersbruck gestaltete den Einband und würzte das Buch mit seinen treffenden Lithografien. Die Raiffeisenbank Hersbruck förderte das gesamte Projekt in uneigennütziger Weise. Mir bleibt zu hoffen, dass sie alle nun mit dem Ergebnis zufrieden sind. Danke! Fischbrunn, im September 2011 Vinzenz
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Vorwort Wie oft kommt es in Sagen vor: Den Geist hat man aber schon lange nicht mehr gesehen! Oder so ähnlich. Da fragt sich der Mensch des Computerzeitalters und der Reisen zum Mond, wo diese Gestalten alle geblieben sind. Hat unsere Welt keinen Platz mehr für Gespenster? Oder sind wir im Auto zu schnell an den Stellen vorüber, wo sie uns begegnen könnten? Sind diese alten Geschichten gar Ammenmärchen und lauter Erfindungen, sind die Gespensterseher ihrer eigenen Einbildungskraft erlegen? Oder hatte Ludwig Bechstein vor etwa 150 Jahren recht, als er die Sage über die scharfe Schere, in der dem Teufel mit diesem Werkzeug der Schwanz abgeschnitten wurde, mit den folgenden Worten abschloss: „Der arme Teufel! Es ist schrecklich, wie ihm die Menschheit mitgespielt hat und was er sich alles hat müssen gefallen lassen; er müsste sich vor seinem eigenen Schatten schämen, wenn er einen Schatten hätte. Haare, Hörner, Klauen und den schönen Schwanz hat er lassen müssen, beide nicht unbeträchtlichen Ohren sind ihm längst abgelogen worden... Schuhe und Stiefel hat er auch nicht mehr, denn sehr viele haben ihn barfuss laufen sehen. Deswegen ist er so unkenntlich geworden, dass die Welt gar nicht mehr recht an ihn glauben kann und mag; und daher eben kommt es, dass jetzt immer, ehe man sich’s versieht, bald da, bald dort der Teufel los ist, weil man ihn nicht mehr am Äußeren erkennt und meidet.“ Tragen Teufel und Geister unserer Zeit vielleicht die Namen Hetze, Stress, Vergnügungssucht, Karrierestreben, Werteverfall? Sie dürfen gern weitere Gespenster hinzufügen, die uns hetzen wie die Teufel, drücken wie die Drud, kopflos werden lassen wie manchen sagenhaften Reiter. Die verborgenen Schätze aber suchen auch wir meist vergebens, obwohl sie uns so nahe sind. Sie liegen nicht in den Bergen oder Höhlen verborgen, sondern in uns selbst. Um sie zu bergen, bedarf es auch keines Zauberspruchs. Den Schlüssel haben wir, wir müssen ihn nur benutzen. Wenn wir die Geis-
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ter, die uns ängstigen, erkennen und uns vornehmen, sie zu erlösen und uns damit von ihnen zu befreien, haben wir schon den ersten Schritt getan, diese Schätze zu bergen. Ich wünsche Ihnen, dass die eine oder andere Geschichte in diesem Buch für Sie eine Anregung ist, Ihren persönlichen Teufel aufzuspüren, Ihren Schatz zu finden und zu heben. Bevor Sie sich nun in die geheimnisvolle Welt hineinvertiefen, sei noch angemerkt, dass ich die Sagen, Märchen und Schelmengeschichten nach den alten Landkreisen des Nürnberger Landes angeordnet habe. Angefangen habe ich jeweils mit dem zentralen Ort und ihn dann ungefähr im Uhrzeigersinn umkreist. Wenn Sie hinter einem Titel ein Sternchen finden, stammt die Erzählung zwar aus dem Nürnberger Land, ist aber nicht einem Ort zugewiesen. Ich habe mir die Freiheit genommen, diese Zuordnung vorzunehmen. Und hier und da bin ich auch nach Oberfranken und in die Oberpfalz über die Landkreisgrenzen hinausgegangen, wenn der betreffende Ort oder die Geschichte eine kulturelle, historische oder wirtschaftliche Beziehung zum Nürnberger Land haben. In den jeweiligen Karten der Altlandkreise sind die meisten Orte, die in diesem Buch vorkommen, eingezeichnet. Einige Orte sind der Übersichtlichkeit zum Opfer gefallen, aber anhand der Geschichte in anderen Karten leicht aufzufinden. Das Zitat im Vorwort stammt aus Ludwig Bechstein: Die scharfe Schere. Deutsches Sagenbuch, Nr. 820. Die eingestreuten Sprüche zwischen den Geschichten habe ich in verschiedenen Ausgaben der „Heimat“ gefunden. Vinzenz
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Altlandkreis Lauf Wie Lauf seinen Namen erhielt
Lauf
König Wenzel von Böhmen, der Sohn von Kaiser Karl IV., besaß im 14. Jahrhundert für einige Jahrzehnte das Land bis vor die Tore Nürnbergs. Zu seinem Reich gehörte damit auch die Gegend, in der heute Lauf liegt. Damals war Lauf noch ein kleiner Ort, in dem Eisen verarbeitet wurde. Das bot sich an, denn an dieser Stelle hatte die Pegnitz ein ziemliches Gefälle und konnte mit ihrer Kraft die Hämmer treiben. König Wenzel gefiel dieser Platz, besonders die kleine Insel im Fluss, auf der sein Vater eine Burg errichten ließ. Oft weilte er in ihren Mauern, denn die ausgedehnten Wälder waren reich an jagdbarem Wild, und König Wenzel liebte das edle Waidwerk. Eines schönen Tages – es war ein milder Herbsttag, das Laub leuchtete flammend in der Sonne, die Luft atmete noch den Geruch des Sommers – war der König mit seiner Jagdgesellschaft wieder einmal auf der Pirsch. Noch war die Strecke zu gering; Wenzel war mit der Ausbeute noch nicht zufrieden, als ein herrlicher Hirsch mit ausladendem Geweih erspäht wurde. Der König zauderte nicht und spornte sein Pferd an, doch der Hirsch flüchtete hinein in die tiefen Wälder, hetzte zwischen den Bäumen hindurch. Keiner der Jäger kam zum Schuss. Den König packte das Jagdfieber dermaßen, dass er alles um sich herum vergaß und nur noch dem Hirsch nachsprengte, seine Jäger hinterdrein. Wieder entwischte das edle Wild, ließ sich einfach nicht in die Enge treiben. Schließlich setzte es über einen Graben und verschwand im Dickicht. Enttäuscht ließ Wenzel die Hatz abbrechen, denn die Dämmerung brach herein. Als die Jagdgesellschaft sich umblickte, musste sie feststellen, dass sie den Weg verloren hatte. Mancher ritt in diese Richtung, ein anderer in jene, doch kein bekanntes Wegzeichen wurde entdeckt.
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Schon wurde es dunkel zwischen den Bäumen, krochen die ersten Nebelschwaden aus dem Boden. Da hörte der König ein entferntes Klopfen – die Hammerwerker des Ortes waren noch tätig. Sofort schickte Wenzel einen Knecht in die Richtung, in der er das Hämmern vermutete und rief ihm ermunternd zu: „Lauf! Lauf!“ Der Bursche eilte, so schnell er konnte, dem Geräusch entgegen – und richtig, nach einer Weile konnte er von einer Anhöhe aus die Dächer der Ortschaft entdecken. Er kehrte zurück zu seinem König und führte die Jagdgesellschaft auf den richtigen Weg, zurück zur Burg, die sie im silbernen Mondschein nach einiger Zeit erblickte. Von dem Ausruf des Königs erhielt Lauf seinen Namen. Nach Hanns Seibold: Wie Lauf seinen Namen erhielt. Sagen aus der Nürnberger Landschaft, S. 21
Die blasse Jungfrau
Lauf
Ritter Heilwig vom Hochberg war schon den ganzen Tag geritten und rechtschaffen müde. Die Nacht war hereingebrochen, Sturm kam auf, und mit ihm Regen. Da sieht der Ritter vor sich das rettende Gebäude eines Schlosses und beschließt sogleich, hier um ein Nachtquartier zu bitten. Er reitet über die Zugbrücke in den Schlosshof, in dem sich keine Menschenseele zeigt. Nur ein schwaches Licht schimmert aus einem Fenster. Heilwig bindet sein Pferd an ein rostiges Gitter, tastet sich zum offenen Portal vor und tritt ein. Drinnen ist es genauso dunkel wie draußen, wenn nicht gar noch dunkler. Vorsichtig steigt er eine Treppe empor, tappt einen Flur entlang und sieht unter einer Tür einen schwaches Leuchten hervorscheinen. Er vermutet, dass dies das Licht ist, das er von draußen gesehen hat. Er klopft an, noch einmal. Nichts rührt sich. Da entschließt er sich, einzutreten. Als Heilwig die Tür geöffnet hat, sieht er zunächst einen Tisch, auf dem eine Lampe steht, deren Schein er von draußen
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Sagenhafte Orte zum Altlandkreis Lauf
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erblickt hatte. Dann gewahrt er eine junge Frau mit einem bleichen, schönen Gesicht, von wallenden schwarzen Locken umrahmt, darüber einen Kranz mit verdorrten Blumen. Der Ritter tritt ein, verbeugt sich nach höfischer Sitte und spricht das Edelfräulein an: „Verzeiht, wenn ich hier eindringe, aber Nacht und Wetter zwingen mich, eine Unterkunft zu finden. Gestattet Ihr, Platz zu nehmen?“ Die Jungfrau nickt. „Wäre es Euch wohl möglich, holde Jungfrau, mir einen Becher Wein zu kredenzen und etwas zu essen reichen zu lassen? Ich war den ganzen Tag im Sattel.“ Die Jungfrau nickt, schwebt langsam aus dem Saal und kehrt mit einem Krug Wein und etlichem Wildbret, Geflügel und Brot zurück. Dies stellt sie schweigend vor den Ritter. Dem Heilwig kommt die Situation merkwürdig vor; andererseits ist er hungrig und müde, und das blasse Fräulein gefällt ihm in ihrer fast marmornen Schönheit. „Sind Euere Eltern verstorben, weil Ihr gar so einsam hier haust?“, spricht er das Mädchen erneut an. Die Jungfrau nickt. „So seid Ihr die letzte Eueres Stammes?“ Die Jungfrau nickt. Der Ritter wird das einseitige Gespräch langsam leid, doch der Wein ist vorzüglich, und mit jedem Becher wird die blasse Geheimnisvolle schöner und schöner. (Kommt uns das nicht bekannt vor?) „Verzeiht erneut, wenn ich Euch frage: Seid Ihr die Besitzerin dieses Schlosses?“ Die Jungfrau nickt. Noch einige Zeit geht das so weiter. Heilwig fragt, die Jungfrau nickt, der Wein mundet; der Krug scheint nicht leer zu werden. Schließlich wird der Ritter in seinem angeheiterten Zustand kühn und meint keck: „Seid Ihr denn noch ungefreit?“ Die Jungfrau nickt.
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„Und wenn ich Euch nun um Euere Hand bitten würde, würdet Ihr sie nehmen?“ Die Jungfrau nickt, wendet sich zu einem dunklen Schrank, holt daraus ein silbernes Kästchen und entnimmt ihm zwei Ringe. Dann winkt die blasse Gestalt dem Ritter, ergreift den Leuchter und verlässt den Raum. Nun wird es Heilwig doch mulmig, aber er ermannt sich und folgt ihr auf den Flur hinaus. Von der anderen Seite nahen zwei weitere Gestalten, eine männliche in voller Ritterrüstung mit geschlossenem Visier und eine weibliche in schwarzem Kleid und Schleier. Sie nehmen die Jungfrau in ihre Mitte und schreiten lautlos hinunter in die Gruft. Heilwig schaudert es zum wiederholten Male; die gespenstische Stille und die un-
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hoppla! neugierig? weiter gehts im buch ;)
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