Union Européenne J-Z_50 Jahre Römische Verträge pdf

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Jahre

Römische Verträge Ein historischer Geburtstag

Am 25. März 1957 wurden auf dem Kapitol die Römischen Verträge unterzeichnet, die den Grundstein für die Europäische Gemeinschaft und später die Europäische Union legten.

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Von der Sechsergemeinschaft zur Europ채ischen Union der 27


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Römische Verträge Ein historischer Geburtstag

1957 wurden auf dem Kapitol die Römischen Verträge unterzeichnet


Impressum Herausgeber: Europäisches Parlament, Informationsbüro für Luxemburg Text: Dr. Gerd Werle Konzept und redaktionelle Mitarbeit: Marie-Thérèse Klopp Gestaltung: heimbüchel pr, köln/berlin Bildnachweis: Photodienst des Europäischen Parlaments Titelbild (Fahnen) S. 3 (Präsident Pöttering); S. 9 (Bauerndemonstration vor dem Louise Weiss Gebäude in Strassburg) S. 11 (Blick ins Plenum des Europäischen Parlaments in Strassburg, Simone Veil) S. 12 (Feierliche Sitzung des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter im Plenum des EP in Brüssel) S. 15. (Festakt vor dem Parlamentsgebäude in Strassburg anlässlich der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004) S. 17 (Louise Weiss Gebäude, Sitz des EP in Strassburg, S.K.H. Grossherzog Henri), S. 21 (Die sechs luxemburgischen Abgeordneten im EP) European Commission Audiovisuell Library Titelbild (Unterzeichnung der Römischen Verträge) S. 5 (Die Unterzeichner des Pariser Vertrages) S. 6 (Robert Schuman und Jean Monnet vor dem Sitz der Montanunion in Luxemburg) S. 14 (Euro) Christof Weber Photographie (Rückseite) Christof Weber/SIP S. 20 (Bankenviertel Luxemburg am Boulevard Royal) Editions Guy Binsfeld S. 18 (Plateau Kirchberg) EU 2005.lu/Christophe Olinger S. 21 (Jean-Claude Juncker präsentiert das Programm der luxemburgischen Ratspräsidentschaft) EU 2005.lu/Tom Wagner S. 15 (Unterzeichnung der Beitrittsverträge Bulgariens und Rumäniens) Luxpress/Jean-Claude Ernst S. 13 (Pierre Werner) Marcel Schroeder/Photothèque de la Ville de Luxembourg S. 5 (Joseph Bech und Robert Schuman in der luxemburgischen Botschaft in Paris) Photoarchiv Luxemburger Wort S. 8 (Die zwölf Unterschriften der Römischen Verträge) (Joseph Bech bei der Unterzeichnung des Vertrages) S. 22 (Konzertsaal Philharmonie Luxemburg) Pol Aschmann/Photothèque de la Ville de Luxembourg S. 4 (Bahnhofsavenue in Luxemburg 1955) S. 7 (Grenzkontrolle in Esch/Alzette) SIP S. 10 (Luxemburger Gipfel der Staats- und Regierungschefs) Théo Mey/Photothèque de la Ville de Luxembourg S. 6 (Erster europäischer Stahlblock bei Arbed Esch/Belval) Tony Krier/Photothèque de la Ville de Luxembourg S. 7 (Epicerie im Jahre 1955) Grafik: Michèle Zeyen (Luxemburger Wort) Redaktionsschluss 30. Juni 2007 Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Europäischen Parlaments. Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf nicht für Zwecke der Wahlwerbung politischer Parteien verwendet werden und auch nicht für kommerzielle Zwecke. Fotos und Graphiken sind urheberrechtlich geschützt. Diese Broschüre ist auf einfache Anfrage bei folgenden Adressen erhältlich: Europäisches Parlament Informationsbüro für Luxemburg Maison de l'Europe 7, rue du Marché-aux-Herbes L-2929 Luxembourg Telefon: (+352) 43 00 225 97 Telefax: (+352) 43 00 224 57 epluxembourg@europarl.europa.eu www.europarl.europa.eu

Europäische Kommission Vertretung in Luxemburg Maison de l'Europe 7, rue du Marché-aux-Herbes L-2920 Luxembourg Telefon: (+352) 43 01 349 25 Telefax: (+352) 43 01 344 33 comm-rep-lux@ec.europa.eu www.ec.europa.eu/luxembourg

Centre d'information européen in der Maison de l'Europe 7, rue du Marché-aux-Herbes L-1728 Luxembourg Öffnungszeiten Montag 13–17 Uhr, Dienstag–Freitag 9–18 Uhr, Samstag 9–13 Uhr Tel. (+352) 43 01 37 833 Fax (+352) 43 01 37 836 comm-rep-lux-info@ec.europa.eu

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00 800 6 7 8 9 10 11 (*) Einige Mobilfunkanbieter gewähren keinen Zugang zu 00 800-Nummern oder berechnen eine Gebühr. Zahlreiche weitere Informationen zur Europäischen Union sind verfügbar über Internet, Server Europa (http://europa.eu). Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2007 ISBN 978-92-823-2165-2 © Europäische Gemeinschaften, 2007 Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Printed in Belgium G EDRUCKT AUF CHLORFREI GEBLEICHTEM PAPIER


Vorwort

Am 25. März 2007 feierten wir das 50jährige Bestehen der Römischen Verträge. In diesen fünf Jahrzehnten hat sich Europa verändert. Aufbauend auf der Montanunion, die seit Beginn der fünfziger Jahre Kriege zwischen europäischen Staaten ein für allemal verhinderte und die Aussöhnung zwischen ehemaligen Feinden besiegelte, wurde Europa Schritt für Schritt weitergebaut. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit ihrem Kernstück „gemeinsamer Binnenmarkt“ bildete die ökonomische Grundlage für Wachstum und Wohlstand. Mehrmals mussten die europäischen Verträge an die Erfordernisse der Zeit angepasst werden. Mit den Verträgen von Luxemburg (Einheitliche Europäische Akte), Maastricht, Amsterdam und Nizza wurde aus der wirtschaftlichen allmählich auch eine politische Gemeinschaft: die Europäische Union. Von ursprünglich sechs ist die EU heute auf 27 Mitgliedstaaten angewachsen, ein Beweis für ihre ungebrochene magnetische Anziehungskraft. Immer wieder gehörten zu Triebfedern der Einigung auch Luxemburger Politiker wie Joseph Bech, Lambert Schaus, Albert Wehrer, Jean Fohrmann, Pierre Werner, Gaston Thorn, Jacques F. Poos, Jacques Santer, Jean-Claude Juncker und viele andere. Sie alle konnten sich auf die Unterstützung durch das luxemburgische Volk verlassen, das 1986 für seine europäische Gesinnung mit dem Aachener Karlspreis ausgezeichnet wurde. Europa ist heute nicht zuletzt eine Wertegemeinschaft. Die Europäer können stolz darauf sein, was sie sich in Jahrhunderten an Werten erkämpft haben. Kern der europäischen Werte ist die Würde des Menschen, die auch in Zukunft Grundlage des praktischen politischen Handelns sein muss. Die Überwindung der Teilung Europas ist das Wunder unserer Generation. Wir haben allen Anlass, uns darüber von Herzen zu freuen. Der erreichte Kompromiss auf dem letzten EU-Gipfeltreffen ermöglicht notwendige Reformen für mehr Demokratie und Handlungsfähigkeit in der Europäischen Union. Auf dieser Grundlage wird der neue Vertrag das Europäische Parlament und damit die Demokratie in Europa entscheidend stärken. Die wesentlichen Prinzipien, die das Europäische Parlament immer vertreten hat, werden mit der Vertragsreform verwirklicht. An Europas Jugend richtet sich die Aufforderung, das Werk der europäischen Gründungsväter fortzusetzen und zu vollenden. Hans-Gert Pöttering Präsident des Europäischen Parlaments

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1957 wurden auf dem Kapitol die Römischen Verträge unterzeichnet Wir schreiben das Jahr 1957. Der Fortschritt hat die Menschen noch nicht allzu sehr verwöhnt. Kühlschränke und Waschmaschinen gelten fast noch als Luxuswaren. In den Städten locken neue Kaufhäuser, doch das Warenangebot bleibt relativ beschränkt, die gute alte Tram dient weiter als Fortbewegungsmittel, erst allmählich wird das Auto zum Prestigeobjekt. In den Dörfern geht es weiterhin beschaulich zu. Pferde und Ochsen ziehen die schweren Fuhrwerke, werden aber langsam vom Traktor verdrängt. An den Fensterscheiben des Nachbarhauses drücken sich Kinder die Nasen platt. Kein Wunder, läuft doch dort der erste Fernseher im Ort. Wir sind im Jahr 2007. Die Nachbarn sind gerade vom Spanienurlaub heimgekehrt, Vater hat sein altes Auto gegen eine neue Limousine eingetauscht, die kleine Schwester hat im Internet höchst überflüssige Dinge bestellt. Internet, Handy, MMS, DVD, MP4 und digitale Kameras machen nicht nur den Jugendlichen das Leben angenehmer. Die Straßen der Hauptstadt sind mit Pkw, Lieferwagen und Bussen verstopft. Aus den boomenden Restaurants und Geschäften der Hauptstadt dringen die unterschiedlichsten Sprachen: Italienisch, Französisch, Portugiesisch, Deutsch, Englisch und natürlich Luxemburgisch. Überall wird gebaut, auf dem Kirchberg wetteifern Hochhäuser darum, von den tief ziehenden Wolken verschluckt zu werden. Doch die Zeiten sind hektischer geworden. Mittags bleibt den gestressten Menschen oft nur wenig Zeit, ihr Fastfood zu verschlingen. Überall will uns raffinierte Reklame den letzten Cent aus der Tasche locken. Doch nicht jeder hat Geld. In Parks durchwühlen Obdachlose die gefüllten Papierkörbe nach etwas Essbarem. Groß- und Kleinkriminelle machen nachts die Straßen unsicher. Wir leben im Jahre 50 der Europäischen Union, im Wohlstand wie noch nie, aber auch mit etlichen Problemen.

Europas Grundstein wird in Luxemburg gelegt Wie hat alles begonnen? Die wirtschaftliche Entwicklung nach 1957 ist vor allem einem Phänomen zu verdanken, das man zunächst Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) nannte. Ihre Vorläuferin, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), arbeitete bereits seit August 1952. Ihr Sitz war Luxemburg.

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Die Bahnhofsavenue in Luxemburg in den 50er Jahren.


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Die Unterzeichner des Pariser Vertrages zur Gründung der EGKS bzw. Montanunion (von links nach rechts): Robert Schuman (F), Alcide de Gasperi (I), Dirk Stikker (NL), Paul van Zeeland (B), Konrad Adenauer (D) und Joseph Bech (L).

Am 19. März 2008 wird es 50 Jahre her sein, dass Robert Schuman, der Initiator der europäischen Verträge, zum Präsidenten der Gemeinsamen Versammlung der EKGS, dem Vorläufer des Europäischen Parlaments gewählt wurde.

Joseph Bech und Robert Schuman bei einem freundschaftlichen Gespräch in der luxemburgischen Botschaft in Paris.

„Unsere Gemeinschaft ist nicht nur eine Gemeinschaft von Kohle- und Stahlunternehmen, sie ist der Anfang Europas“ (Jean Monnet). Am 18. April 1951 schlossen Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), im Französischen CECA, auch Montanunion genannt. Diese Staaten legten ihre Kohle- und Stahlindustrie zusammen und stellten sie unter eine gemeinsame Verwaltung. Ein revolutionärer Schritt, der es nebenbei gestattete, die einstigen Waffenschmieden, vor allem Deutschlands und Frankreichs, zu kontrollieren. Der Schuman-Plan vom 9. Mai 1950 gilt als Geburtsurkunde des gemeinschaftlichen Europas. Der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer nahm den Plan des damaligen französischen Außenministers begeistert auf. Entworfen wurde er von Schumans Mitstreiter, dem Wirtschaftsexperten Jean Monnet. Robert Schuman war im Luxemburger Stadtteil Clausen als Sohn eines lothringischen Zollbeamten und einer Luxemburger Mutter geboren und hatte sein Abitur am hauptstädtischen Athenäum gemacht. Für Luxemburg war sein Plan enorm wichtig. Weshalb?

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1952 Ein kleines Land ist viel mehr auf die internationale Zusammenarbeit angewiesen als ein großes Land. 1952: Die EGKS-Mitglieder produzierten damals rund 42 Millionen Tonnen Stahl, wovon mehr als drei Millionen aus Luxemburg stammten. Luxemburg brachte sogar 15 % seines Bruttosozialprodukts in die EGKS ein. Dies erklärt, neben den unseligen Kriegserfahrungen als Puffer zwischen zwei Großmächten, weshalb sich so viele Luxemburger als Pioniere für Europa einsetzten. Der luxemburgische Beitrag zur EGKS war also nicht zu unterschätzen. So erstaunt es nicht, dass die Hohe Behörde der Montanunion – Vorgängerin der heutigen Europäischen Kommission – ihre Arbeit im August 1952 am Metzer Platz in Luxemburg aufnahm. Vorgeschlagen hatte dies der damalige Luxemburger Außenminister Joseph Bech. Einen Schönheitsfehler aus Luxemburger Sicht gab es jedoch. Die Gemeinsame Versammlung der EGKS – die Vorläuferin des Europäischen Parlaments – ging nach Straßburg, weil in Luxemburg kein Gebäude bzw. Plenarsaal zur Verfügung stand, das/der groß genug gewesen wäre, um die Abgeordneten unterzubringen. Historisch gesehen liegt das Verdienst der Montanunion weniger in der ausreichenden Versorgung mit Kohle und Stahl sondern eher darin, dass diese Gemeinschaft wirklich der Anfang eines integrierten Europas wurde. Ohne sie wären weder die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) noch Euratom entstanden, und von einer Europäischen Union hätte man allenfalls träumen können. „Keines unserer Länder kann seine großen Probleme allein lösen, seien sie wirtschaftlich oder politisch“ (Jean Monnet).

Robert Schuman und Jean Monnet, inzwischen erster Präsident der Hohen Behörde, vor dem Sitz der Hohen Behörde der Montanunion in Luxemburg. Die durch den Pariser Vertrag errichteten Institutionen bilden noch heute die vier Säulen der Europäischen Union: die Gemeinsame Versammlung (heute das Europäische Parlament), die hohe Behörde (heute die Europäische Kommission), der Rat und der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft.

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Der erste europäische Stahlblock wurde am 30. April 1953 in dem luxemburgischen Stahlwerk ARBED-Belval gegossen. Dies war ein symbolischer Akt, an dem u.a. die Mitglieder der Hohen Behörde der EGKS Jean Monnet (Präsident von 1952 bis 1955), Paul Finet, Heinz Pothoff und Franz Etzel teilnahmen und der den Beginn des Gemeinsamen Stahlmarktes am 1. Mai 1953 markieren sollte. Der Gemeinsame Markt für Kohle und Eisenerz war bereits zwei Monate früher am 1. März 1953 eröffnet worden.


Grenzkontrolle an der luxemburgisch-französischen Grenze in Esch/Alzette im Jahre 1950, damals ganz normal, heute kaum mehr vorstellbar. Die EU hat grenzenlose Freizügigkeit gebracht.

Zollgrenzen hemmen die wirtschaftliche Entwicklung Mitte der fünfziger Jahre verlangte die Wirtschaft nach weiteren Impulsen. Trotz der Integration des Kohle- und Stahlmarktes waren die übrigen Märkte zu klein geblieben. Sie konnten ihre volle Kraft nicht entfalten, um etwa mit den USA Schritt zu halten. Der Zusammenschluss der Sechs zur Montanunion bedeutete noch keineswegs einen Binnenmarkt mit dem Wegfall der Grenzkontrollen untereinander. Leidtragende waren nicht nur die Großhändler in den Grenzgebieten. Peinlichst genau kontrollierten die Zöllner, ob das betreffende Fahrzeug auch nicht mehr an Waren über die Grenzen mitführte als erlaubt war. Vor allem solche Waren, die in den Nachbarstaaten unterschiedlich besteuert wurden, standen auf der schwarzen Liste: Zigaretten, Alkohol, Benzin. Ein französischer Staatsbürger aus Lothringen durfte beispielsweise nur 40 Zigaretten pro Tag aus Luxemburg einführen. Bei Mengenüberschreitung wurde ein kräftiger Aufschlag erhoben, der gleich am Zollhäuschen zu entrichten war. Ganz Hartgesottene schmuggelten deshalb über Schleichwege. Wurden sie erwischt, drohten ihnen, je nach Umfang und Art des Vergehens, sogar Gefängnisstrafen.

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Alle Waren, die in größerem Umfang vom Ausland eingeführt wurden, kosteten Zollgebühren. Zölle waren von alters her beliebte Einnahmen des Staates. Hohe Zölle erschwerten zugleich die Einfuhr und schützten damit vor unliebsamer ausländischer Konkurrenz. Dass aber durch die Abschaffung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen die Wirtschaft florieren kann, hatten bereits Beispiele aus der jüngeren Geschichte gezeigt, wie zuletzt der deutsche Zollverein, an dem auch Luxemburg vor dem Ersten Weltkrieg beteiligt war. 1955: Die Europäer hatten wieder ein wenig Geld in der Tasche, doch die marktwirtschaftlichen Kräfte wurden keineswegs ausgeschöpft, weil die Staaten ängstlich an antiquierten Vorstellungen festhielten. Kluge Politiker wie der spätere erste Präsident der Europäischen Kommission, Walter Hallstein (1958–1967), hatten erkannt: „Geteilte Wirtschaftsräume und geteilte Märkte sind gleichbedeutend mit geringer Leistung. Der Gedanke eines einzigen großen Binnenmarktes ist deshalb der Wesenskern der Bewegung für eine wirtschaftliche Integration“.

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Die zwölf Unterschriften der Römischen Verträge vom 25. März 1957: P. H. Spaak und J. Ch. Snoy d'Oppuers (Belgien), C. Pineau und M. Faure (Frankreich), K. Adenauer und W. Hallstein (Deutschland), A. Segni und C. Martino (Italien), J. Bech und L. Schaus (Luxemburg), J. Luns und J. Linthorst Homan (Die Niederlande).

Der Geist von Messina Den zündenden Gedanken sollen die Außenminister Luxemburgs, Belgiens und der Niederlande bei einem Benelux-Treffen entwickelt haben. 1955 wurde die Konferenz von Messina (Sizilien) einberufen. Dort nahm die Idee der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Gestalt an („Geist von Messina“). Am 25. März 1957 schließlich wurden auf dem römischen Kapitol geschichtsträchtig die Verträge zur EWG und zur Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) feierlich unterzeichnet. Euratom diente dem Zweck, Aufbau und Entwicklung der Nuklearindustrie in den sechs Mitgliedstaaten zu fördern. Von nun an gab es drei europäische Gemeinschaften: die EGKS, die EWG und Euratom. Später wurden sie zur Europäischen Gemeinschaft (EG) und dann zur Europäischen Union (EU) weiterentwickelt. Geografisch umfassten die Römischen Verträge in etwa das Reich der Karolinger zur Zeit Karls des Großen. In Artikel 3 des EWG-Vertrags heißt es: „Die Tätigkeit der Gemeinschaft umfasst nach Maßgabe dieses Vertrags und der darin vorgesehenen Zeitfolge a) die Abschaffung der Zölle und mengenmäßigen Beschränkung bei der Einfuhr und Ausfuhr von Waren; b) die Einführung eines gemeinsamen Zolltarifs und einer gemeinsamen Handelspolitik gegenüber Drittstaaten“. Diese Ziele sollten durch die Institutionen Europäische Kommission (Exekutivgewalt), Rat (Legislative) und Europäisches Parlament (Ausarbeitung von Stellungnahmen und Berichten, Verbindungen zu den nationalen Parlamenten), Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft und später Europäischer Rechnungshof erreicht und überwacht werden. Das „europäische Wirtschaftswunder“ konnte durchstarten.

Joseph Bech bei der Unterzeichnung des Vertrages zur Schaffung des Gemeinsamen Marktes, am 25. März 1957 auf dem Kapitol in Rom.

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Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bildete einen wesentlichen Bestandteil der Verhandlungen um die Römischen Verträge. Sie mußte im Laufe der Jahrzehnte mehrfach reformiert werden.

Jugendliche verbrennen Schlagbäume Am Abend des 25. März 1957 verbrennen Jugendliche an den Grenzen Schlagbäume. Zum ersten Mal kommt so etwas wie Europabegeisterung auf. Doch nicht alle jubilieren. Vor allem die Bauern in Deutschland, in Frankreich aber auch in anderen Mitgliedsländern demonstrieren in den Folgejahren gegen viele der gemeinsamen Beschlüsse zur Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), insbesondere gegen den Abbau der Schutzzölle bei Agrarprodukten. Dennoch sollten gerade die Landwirte zu den großen Nutznießern des Gemeinsamen Marktes gehören.

Die Bauern als Nutznießer Annähernd gleiche Preise bilden eine wichtige Voraussetzung für einen gemeinsamen Markt mit freiem Warenaustausch. Da diese Preise in den sechs EWG-Staaten jedoch unterschiedlich waren, sorgte die Europäische Kommission für einheitliche Garantiepreise bei landwirtschaftlichen Produkten, ohne das traditionelle marktwirtschaftliche Spiel der Kräfte zwischen Angebot und Nachfrage sonderlich zu beachten. Das aber regte die Landwirte zu Mehrproduktion an und führte allmählich zu Überproduktion und Lagerhaltung. Butterberge, Milchseen (eigentlich Milchpulverberge) und Fleischberge entstanden. Praktikable Lösungen fand man erst in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren mittels Agrarreformen mit Kontingentierung, also Höchstmengen bei der Milch oder so genannte Stabilisatoren bei Getreide und Fleisch. Wurden die erlaubten Mengen übertroffen, trafen die Bauern harte Strafen. Das wirkte.

Der Gemeinsame Binnenmarkt Zehn Jahre nach der Gründung der EWG musste man feststellen, dass der Gemeinsame Markt, trotz Abschaffung der Binnenzölle, noch keineswegs vollendet war. Die EG, wie die drei Gemeinschaften ab 1967 nach der Zusammenlegung ihrer Organe genannt wurden, leistete sich weiterhin einen Wirtschaftsraum mit zahlreichen nationalen Hindernissen und sogar Schikanen. Von einem freien Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital, wie im Vertrag vom Rom vorgesehen, konnte kaum die Rede sein. Die Europäische Kommission reagierte mit der Schaffung einer Generaldirektion „Innerer Markt“, die sich an das Wegräumen der Hindernisse machte. Eine wahre Flut von Harmonisierungsvorschlägen folgte, doch wer sollte das Puzzle zusammensetzen?

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Auf dem Luxemburger Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Dezember 1985 wurde die Einheitliche Europäische Akte beschlossen, die erste Revision der Römischen Verträge.

Da trat Anfang Januar 1985 ein Politiker auf den Plan, der der Gemeinschaft den entscheidenden Impuls gab: der frühere französische Wirtschafts- und Finanzminister und neue Kommissionspräsident Jacques Delors. Vor dem seit 1979 direkt gewählten Europäischen Parlament wartete er am 14. Januar 1985 sogar mit einem konkreten Zeitplan auf, als er die entscheidende Frage stellte: „Ist es vermessen, den Beschluss anzukündigen und dann auch durchzuführen, bis 1992 alle innergemeinschaftlichen Grenzen aufzuheben?“ Nicht nur die Abgeordneten aus den nunmehr zehn Mitgliedsländern staunten (1973 waren Dänemark, das Vereinigte Königreich und Irland zu den Sechs gestoßen, 1981 Griechenland). Das Weißbuch von 1985 wurde zur Binnenmarkt-Bibel, mit der die Römischen Verträge ergänzt werden sollten. Es enthielt fast 300 Maßnahmen, die notwendig waren, um die Grenzkontrollen abzuschaffen und Europas Bürgern endlich freie Fahrt zu verschaffen. Zahlreiche Schranken mussten im freien Warenverkehr, im öffentlichen Auftragswesen, im Dienstleistungsmarkt und Kapitalverkehr beseitigt werden. Daneben wurden Anstrengungen gemacht, um die Verbrauchs- und Mehrwertsteuern einander anzunähern, um das Gefälle zwischen den einzelnen Ländern abzuflachen. Die notwendigen Beschlüsse zum Binnenmarkt wurden dadurch erleichtert, dass das Europäische Parlament neben dem Rat immer mehr zum gleichberechtigten Gesetzgeber wurde. Der Luxemburger Gipfel von Dezember 1985 machte den Weg frei für die Einheitliche Europäische Akte und für Mehrheitsentscheidungen im Rat. Das Europäische Parlament wird zum Mit-Gesetzgeber (Mitentscheidungsverfahren). Durch den gemeinsamen Binnenmarkt erhoffte man sich eine höhere Wirtschaftsleistung, niedrigere Preise und mehr Arbeitsplätze. Am 31. Dezember 1992 war es tatsächlich so weit. Viele Autofahrer an der deutsch-luxemburgischen Grenze trauten ihren Augen nicht: kein Silvesterscherz – die Grenzer waren verschwunden! Nicht an allen innergemeinschaftlichen Grenzen wurde der freie Personenverkehr automatisch

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1985


Im Europäischen Parlament wird europäische Demokratie lebendig und konkret. 785 Abgeordnete aus allen 27 Mitgliedstaaten entscheiden über Gestalt und Umfang von EU-Gesetzen, die den Alltag von 495 Millionen Menschen beeinflussen.

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Wirklichkeit. Erst mit Inkrafttreten des Schengener Abkommens konnte man ohne Ausweispapiere vom Flughafen Findel auf die Kanarischen Inseln, nach Madeira oder Sizilien fliegen.

Wie entsteht ein europäisches Gesetz? Mit jeder Vertragsergänzung gewann das Europäische Parlament an legislativer Bedeutung und politischem Gewicht. Das gilt besonders für seine Rolle als Mit-Gesetzgeber. Das am häufigsten angewandte Gesetzgebungsverfahren ist heute das der Mitentscheidung. Hierbei sind Parlament und Rat gleichberechtigt. Die Mitentscheidung gilt für die Bereiche Binnenmarkt, Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Forschung und Technologie, Umwelt- und Verbraucherschutz, Bildung, Kultur und Gesundheit. In anderen Bereichen kann das Parlament lediglich Stellungnahmen abgeben. Dazu gehören die Agrarpreise, Steuern und die Außenhandelspolitik. Das Mitentscheidungsverfahren kann zwei oder sogar drei Lesungen erforderlich machen. Wird in erster oder zweiter Lesung zwischen Parlament und Rat keine Einigung erzielt, tritt ein Vermittlungsausschuss zusammen, dem eine gleichstarke Delegation von Rat und Parlament angehört. Bei dem gesamten Verfahren ist auch die Europäische Kommission eingeschaltet, deren Vertreter sowohl an den Beratungen des Rats als auch an den Debatten des Parlaments teilnehmen. Kommt keine Einigung zustande, gilt der Vorschlag der Kommission als nicht angenommen.

Beispiel: Lebensmittelsicherheit

Simone Veil wurde 1979 die erste Präsidentin des erstmals direkt gewählten Europäischen Parlaments. Sie setzte sich nachdrücklich für eine Stärkung der Rolle und der Kompetenzen des Europäischen Parlaments ein.

Heutzutage mischt die EU in vielen Politikbereichen mit, vor allem dann, wenn die Probleme grenzüberschreitender Art sind und die Einzelstaaten somit überfordert wären. Dies gilt für den Umwelt- und Tierschutz ebenso wie für den Bildungsbereich (Hochschulkooperation), Studentenaustausch, Lebenslanges Lernen, die Verkehrspolitik und die Nahrungsmittelsicherheit. Mehrere Lebensmittelskandale in den neunziger Jahren riefen die Union auf den Plan. Hauptauslöser war der BSE-Skandal. Die Rinderseuche war durch das Verfüttern von Tiermehl an Pflanzenfresser entstanden. Die EU führte strenge Sicherheits- und Qualitätsnormen ein, mit denen sie das Problem allmählich in den Griff bekam. Zur ständigen Analyse und Kontrolle wurde eine Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit gegründet. Außerdem wurde ein Frühwarnsystem eingeführt. Heute kann der Verbraucher wieder unbesorgt ein saftiges Steak bestellen, es sei denn, er ist Vegetarier.

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2000 Eine Solidargemeinschaft Die EU ist nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine Solidargemeinschaft. Das Ziel ist, gleiche Lebensbedingungen und Wohlstand für alle Unionsbürger zu schaffen. Deshalb greift sie benachteiligten Regionen unter die Arme. Allein im Zeitraum von 2000 bis 2006 stellte die EU 213 Mrd. EUR an Hilfe für benachteiligte Gebiete zur Verfügung. Das Geld ging in die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Lösung sozialer Probleme, den Bau von Verkehrswegen und andere Infrastrukturmaßnahmen. Alle EUProgramme für die Regional- bzw. Strukturförderung aufzuführen, würden Seiten füllen. Im Jahr 2000 setzte sich die EU in Lissabon das ehrgeizige Ziel, bis Ende des Jahrzehnts zum weltweit führenden, wissensbasierten Wirtschaftsraum aufzusteigen. Das Ziel war zu ehrgeizig, aber die EU ist auf dem richtigen Wege dahin, nicht zuletzt, weil ein Teil der Fördermittel innerhalb der „Lissabon-Strategie“ in die zukunftsträchtigen Bereiche „Forschung und Innovation“ investiert wird.

Beispiel: Gleichbehandlung und Chancengleichheit Nicht nur Soziologen ist klar, dass unsere Gesellschaft fairer und leistungsfähiger wird durch die Beseitigung jedweder Diskriminierung, sei es aufgrund der Nationalität, des Geschlechts, einer Behinderung, der Rasse oder der Religion. Deshalb ist jegliche Diskriminierung in der EU verboten. Bereits die Römischen Verträge enthielten u. a. die eindeutige Bestimmung, dass Männer und Frauen für gleiche Arbeit gleich bezahlt werden müssen. Hierdurch wurde die EU zum Vorreiter auf dem Gebiet der Gleichbehandlung, die Bestandteil aller EU-Maßnahmen ist. Um die Chancengleichheit von Männern und Frauen zu sichern, fördert die EU Chancengleichheitsprogramme. Zudem gibt es das „Daphne-Programm“ zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen. Für den Zeitraum 2007 bis 2013 sind rund 116 Mio. EUR vorgesehen. Es geht nicht nur um die Bekämpfung der häuslichen Gewalt und den Schutz der Rechte des Kindes, sondern auch um die Bekämpfung von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung. So soll beispielsweise die Anzahl der Personen, die Opfer von Gewalt und Menschenhandel werden, innerhalb der nächsten zehn Jahre halbiert werden.

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Feierliche Sitzung des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter des Europäischen Parlaments anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März 2007 in Brüssel.


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Ein weiteres Programm ist die Gemeinschaftsinitiative „Equal“, die neue Methoden zur Bekämpfung von Diskriminierungen und Ungleichheiten jeglicher Art auf dem Arbeitsmarkt durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit entwickelt. Und was verbirgt sich hinter dem Modewort „Gender Mainstreaming“ (Integration der Gleichstellungsperspektive)? Dies ist der Versuch, die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Gebieten und allen Ebenen durchzusetzen. Der Begriff wurde 1995 auf der 4. UN-Weltfrauenkonferenz in Peking geprägt. Bekannt wurde das Gender Mainstreaming insbesondere dadurch, dass 1999 das Konzept als offizielles Ziel der EU-Politik im Amsterdamer Vertrag verankert wurde.

Die EU als Friedensprojekt „Was kostet eigentlich eine Stunde Frieden?“ Diese Frage stellte der Luxemburger Regierungschef Jean-Claude Juncker einmal im Europäischen Parlament. Dies ist in der Tat schwer zu beziffern. Umgekehrt lässt sich leichter ausrechnen, was eine Stunde Krieg kostet. Die Rechnung wurde nach dem Kosovo-Krieg von den Amerikanern präsentiert. Demnach kostete ein Tag Krieg mehr als der ganze EU-Jahreshaushalt von damals rund 100 Mrd. EUR. Ist das nicht ein glänzender Beweis dafür, dass die Europäische Union, das größte Friedensprojekt in der Geschichte Europas, weitere Anstrengungen lohnt?

Pierre Werners Traum wird wahr

31. Dezember 1998. Pierre Werner anläßlich der offiziellen Veröffentlichung des Dekretes, welches den Euro einführte.

Doch zurück zu den Römischen Verträgen und ihrem Kernstück, dem Binnenmarkt. Dieser wurde zwar schrittweise geschaffen, aber noch musste insbesondere beim freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen mit den verschiedenen nationalen Währungen bezahlt werden. Das kostete beim Umtausch nicht nur Zeit und Nerven, sondern Bürger und Unternehmer beim grenzüberschreitenden Verkehr auch bares Geld. Eine gemeinsame Währung sollte den Binnenmarkt abrunden.

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Mit dem Euro haben die Bürger ein starkes Stück Europa in der Tasche. Am 1. Januar 2007 ist die Euro-Zone größer geworden: Slowenien ist das dreizehnte Land, das den Euro eingeführt hat. Mit Malta und Zypern wird ab dem 1. Januar 2008 die Euro-Zone von 13 auf 15 Mitglieder erweitert.

Bereits zu Beginn der siebziger Jahre hatte eine Gruppe unter dem Luxemburger Staatsminister Pierre Werner einen Plan vorgelegt, der jedoch aufgrund der weltwirtschaftlichen Lage (zwei Ölkrisen) nicht verwirklicht werden konnte. 20 Jahre später wurde ein neuer Anlauf unternommen, wiederum angetrieben von weitsichtigen Abgeordneten des Europäischen Parlaments und dem unermüdlichen Kommissionspräsidenten Jacques Delors. Dieser wurde von den Staats- und Regierungschefs mit der Ausarbeitung eines neuen Plans beauftragt, der sich nach Aussagen von Delors wesentlich auf den Werner-Plan stützte. Der Durchbruch gelang mit dem Maastrichter Vertrag. Er trat 1993 in Kraft. Wichtigster Inhalt: Die EU wird spätestens ab 1999 eine gemeinsame Währung einführen. Damals wurde sie noch „ECU“ genannt, inzwischen ist daraus der Euro geworden. Mit dem Vertrag von Maastricht einigten sich die Mitgliedstaaten nicht nur auf eine Währungsunion. Erstmals wurde neben der jeweiligen Staatsbürgerschaft eine „Unionsbürgerschaft“ geschaffen. Frauen und Männer können auf kommunaler Ebene in dem Mitgliedstaat wählen und gewählt werden, in dem sie wohnen, ohne die Staatsbürgerschaft dieses Mitgliedstaates zu besitzen. Sie erhielten das aktive und passive Wahlrecht für das Europäische Parlament in allen Mitgliedstaaten. Aber auch in neuen Bereichen, wie Bildungs- und Gesundheitspolitik, insbesondere aber in der Außenund Sicherheitspolitik und bei der Zusammenarbeit der Polizei- und Justizorgane (z. B. Europol) gab es Fortschritte. Damals änderte sich auch der Name. Aus der Europäischen Gemeinschaft (EG) entstand die Europäische Union (EU). Noch vor dem 1. Januar 2002 wurden die ersten Starter-Kits mit den neuen Euro-Münzen von den Banken und Sparkassen angeboten. Sie stießen nicht nur in Luxemburg auf riesiges Interesse. Der Euro hielt Einzug in die Portemonnaies der Bürger in zunächst zwölf Staaten. Inzwischen ist er auch Zahlungsmittel in Slowenien. Nach fünf Jahren lässt sich feststellen, dass die Europawährung eine weitere Erfolgsgeschichte der EU ist. Sie sorgte im Vergleich zu anderen Währungszonen für Preisstabilität im Innern und behauptete sich nach außen im internationalen Wettbewerb insbesondere gegenüber dem US-Dollar. Der inzwischen verstorbene Vater des Euro, Pierre Werner, durfte die Einführung des Euro noch erleben. Sein Traum, einmal mit der EU-Währung einzukaufen, hatte sich erfüllt.

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Festakt vor dem Europäischen Parlament in Strassburg. Der 1. Mai 2004 war ein historischer Moment für Europa. An diesem Tag wurde die EU um 10 neue Mitgliedstaaten erweitert.

Magnetische Anziehungskraft Nutzen und Gewinn der Europäischen Union für ihre Bürger zeigen sich nicht zuletzt in ihrer Wirkung nach außen. Mittlerweile ist die Union von sechs auf 27 Staaten angewachsen: 1973: Dänemark, das Vereinigte Königreich, Irland; 1981: Griechenland; 1986: Portugal, Spanien; 1995: Finnland, Österreich, Schweden; 2004: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern und 2007: Bulgarien, Rumänien. Mit der Türkei, Kroatien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien laufen Beitrittsverhandlungen. Allerdings beschäftigt die Frage der Aufnahmefähigkeit der Union und ihre geografischen Grenzen die Gemüter immer mehr.

Von Maastricht bis Nizza Schon bald nach der Ratifizierung des Maastrichter Vertrags war klar, dass die Union den globalen Herausforderungen mit einer weiteren Reform begegnen musste. Ab 1996 starteten zwei Regierungskonferenzen, die in den Vertrag von Amsterdam mündeten. Auf wichtige Politikfelder wurden Mehrheitsabstimmungen im Rat, meist zusammen mit dem Mitentscheidungsverfahren im Europäischen Parlament, ausgedehnt. Weiterhin muss jedoch bei gemeinsamen Aktionen in der Außenpolitik, in der Steuerpolitik, der Asylund Einwanderungspolitik einstimmig entschieden werden. Im Dezember 2000 legte der heute gültige Vertrag von Nizza eine neue Stimmengewichtung im Rat und die Zahl der Abgeordneten im Europäischen Parlament für die Erweiterung auf bis zu 27 Mitgliedstaaten fest. Doch die Reform gelang nur halbwegs. Für Luxemburg wurde gesichert, dass es auch künftig im Konzert der Gemeinschaft über eine angemessene Präsenz in der Kommission, im Parlament und im Rat verfügt, um seinen politischen Einfluss in den Institutionen der Europäischen Union geltend machen zu können.

25. April 2005. Die ehemalige Abtei Neumünster in Luxemburg-Grund bot den Rahmen für die feierliche Unterzeichnung der EU-Beitrittsverträge, die die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in die EU vorsahen.

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Das Projekt der Europäischen Verfassung Bereits ein Jahr später beschlossen die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen im Brüsseler Stadtteil Laeken – auf Drängen des Europäischen Parlaments – die Einberufung eines Konvents, der einen Verfassungsvertrag ausarbeiten sollte. 105 Mitglieder aus den nationalen Parlamenten, dem Europäischen Parlament, den Regierungen, und der Europäischen Kommission erhielten u. a. die Aufgabe, die Zuständigkeiten zwischen den Nationalstaaten und der Union klar abzugrenzen und die Entscheidungsmechanismen zu vereinfachen. Der Konvent wurde vom ehemaligen französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing geleitet. Nicht zuletzt wollte der Konvent „dem Volk aufs Maul schauen“ (Martin Luther). Aber was wollte der EU-Bürger? Aufschluss gaben u. a. die Eurobarometer-Umfragen der Europäischen Kommission sowie die Einbindung der Zivilgesellschaft in die Überlegungen des Konvents. Die Union sollte in jedem Fall eine wichtigere Rolle auf dem Gebiet der justitiellen und polizeilichen Zusammenarbeit, der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, der Eindämmung der Einwanderungsströme, aber auch bei der Aufnahme von Flüchtlingen spielen. Ein gemeinschaftlicher Ansatz war auch bei der Umweltpolitik und Lebensmittelsicherheit gefragt. Zweifellos wird eine bessere Zusammenarbeit im außen- und sicherheitspolitischen Bereich sowie bei der gemeinsamen Verteidigung für notwendig gehalten. Andererseits sind soziale Sicherheit, Bildung, Kultur, Sport bei den Einzelstaaten besser aufgehoben. Die Union soll hier nur nach dem Subsidiaritätsprinzip – soviel Europa wie nötig, so wenig wie möglich – eingreifen. Keineswegs sollte Europa nach US-Vorbild zu einem „Schmelztiegel der Nationen“ werden. Nicht zuletzt hatten der Konvent und danach die Regierungen zu klären, ob die „Gemeinschaftsmethode, die Methode Monnet“, gestärkt oder geschwächt werden sollte. Sie beruht auf dem Zusammenspiel zwischen Kommission, Parlament und Rat und hat im Europäischen Gerichtshof quasi ihren Schiedsrichter, im Europäischen Rechnungshof einen unerbittlichen Kontrolleur. Die Europäische Kommission hat das alleinige Recht, Gesetzesinitiativen vorzulegen. Nicht zuletzt war es diese Methode, der Europa seine Fortentwicklung verdankt. Ihr steht die Methode der Regierungszusammenarbeit gegenüber, die durch langsame Entscheidungen, weniger Ehrgeiz und ein lähmendes Vetorecht gekennzeichnet ist.

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Strassburg ist Sitz des Europäischen Parlaments. Zwölf Wochen im Jahr sind für Plenartagungen vorgesehen, bis auf den Monat August jeden Monat eine und im September zwei.

Die Kernpunkte des Entwurfs zum Verfassungsvertrag Die Präambel beschreibt die Werte, auf die sich die künftige Union „der Bürger und Staaten Europas“ gründet. Dazu gehören die „kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen“. Zur Verfassung gehört auch die – jetzt rechtsverbindliche – Charta der Grundrechte der EU, wie sie im Dezember 2000 in Nizza verkündet wurde. Als Ziele wurden außerdem „ein hohes Maß an Umweltschutz, die Vollbeschäftigung und die wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“ festgeschrieben.

Die Institutionen der Union Die Institutionen werden mit Blick auf die Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten neu geordnet, um deren Entscheidungsfähigkeit zu sichern. Ein Präsident des Rates wird für zweieinhalb Jahre gewählt. Er bereitet die Gipfeltreffen vor. Ein EU-Außenminister, gleichzeitig Vizepräsident der Europäischen Kommission, sorgt für ein einheitliches Vorgehen in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Europäische Kommission wird verkleinert und soll ab 2013 nur noch aus 15 Kommissaren bestehen. Der Kommissionspräsident wird von den Mitgliedstaaten nominiert und vom Europäischen Parlament gewählt. Das Europäische Parlament bekommt deutlich mehr Mitentscheidungsrechte. Es ist bei den meisten EU-Gesetzen „Mit-Gesetzgeber“. Neu ist ein europäisches Bürgerbegehren. Wenn mindestens eine Million Unterschriften zusammen kommen, muss sich die Kommission mit dem Thema befassen. Und die nationalen Parlamente erhalten ein Klagerecht gegen EU-Entscheidungen vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft.

Zitat aus der Ansprache die S.K.H. Großherzog Henri am 11. Mai 2005 anlässlich seines offiziellen Besuchs beim Europäischen Parlament in Strassburg hielt. „L'aventure européenne ne peut se conjuguer qu'autour de peuples et de nations, traduction de notre grande diversité. Chacune de ces nations représente un territoire avec ses beautés et ses richesses, mais aussi avec ses cicatrices que le temps a inscrites dans nos mémoires. En faisant la part de ce qui doit être conservé et de ce qu'il faut considérer comme obsolète, la première tâche de notre Union est de concilier l'héritage du passé avec les défis du futur. C'est à partir d'elle-même, de sa façon d'avancer et de se construire, qu'elle doit à présent inventer sa légitimité."

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Um die EU-Behörden zu beherbergen, bedarf es heute eines Labyrinths riesiger Bürogebäude, die einen Großteil des Kirchberger Plateaus einnehmen.

Für die meisten Politikbereiche sind die Mitgliedstaaten und die europäischen Institutionen gemeinsam zuständig. Allein ist die EU verantwortlich für die Wettbewerbsregeln für den Binnenmarkt, die Zollunion, die Handelspolitik, die Währungspolitik in der Eurogruppe und die Bewahrung der biologischen Meeresschätze.

Schwieriger Ratifizierungsprozess Nach rund fünfzehnmonatiger Arbeit stellte der Konvent seinen Verfassungsentwurf im Juni 2003 fertig. Es folgte eine Regierungskonferenz, die den Text zwar in großen Teilen übernahm, ihn aber auch teilweise abänderte. Die Staats- und Regierungschefs unterzeichneten ihn im Oktober 2004 ebenso feierlich wie geschichtsbewusst auf dem römischen Kapitol, dort wo am 25. März 1957 der Startschuss für ein neues Europa abgegeben wurde. Der Kreis hatte sich geschlossen. Doch die Ernüchterung folgte bald. Franzosen und Niederländer lehnten die Verfassung in Volksabstimmungen ab. Das Luxemburger Volk dagegen billigte den Vertrag im Juli 2005. Anfang 2007 hatten ihn 18 EU-Staaten ratifiziert. Es ist beinahe müßig zu erwähnen, dass die Verfassung im Europäischen Parlament auf eine große Mehrheit gestoßen war.

Neuer Mut nach Brüsseler Gipfel Der Marathon-Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs vom 21. bis 23. Juni 2007 hat ungeachtet aller Streitigkeiten sein Ziel erreicht: Ein Mandat für eine neue Regierungskonferenz. Das Wort „Verfassung" wurde gestrichen. Stattdessen kursieren zunächst die Bezeichnungen „Grundlagenvertrag“, „Reformvertrag“ oder „vereinfachter Vertrag". Sie beschreiben ausführlich, mit welchen Änderungen bis Ende dieses Jahres neue Grundlagenverträge für die EU geschrieben werden sollen. Diese sollen an die Stelle der 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheiterten Verfassung treten. Die Neuerungen treten 2009, vor den Europawahlen in Kraft. Abstimmungsverfahren: Die neue „doppelte Mehrheit“ bei Abstimmungen im Rat gilt erst von 2014 an. Bis 2017 können sich Staaten, die dies wünschen, in Streitfällen noch auf den jetzt geltenden Vertrag von Nizza berufen. Die qualifizierte Mehrheit gilt mit 55 Prozent der Staaten als erreicht, wenn diese mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.

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2007

Ratspräsident: Der Rat wird für jeweils zweieinhalb Jahre von einem ständigen Vorsitzenden geleitet, der von den Staats- und Regierungschefs mit qualifizierter Mehrheit bestimmt wird. Die Präsidentschaften, die den Vorsitz in den Fachministerräten beispielsweise für Umwelt oder Agrarwirtschaft innehaben, rotieren weiterhin alle sechs Monate zwischen den Mitgliedstaaten. Hoher Vertreter für Aussen- und Sicherheitspolitik: Die Außen- und Sicherheitspolitik soll „Gegenstand besonderer Verfahrensweisen“ sein. Europäische Kommission und Europäisches Parlament erhalten keine erweiterten Zuständigkeiten in der Außenpolitik. Der „Außenminister“ der EU, der im Einvernehmen mit den Regierungen arbeitet, heißt offiziell „Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik“. Er ist zugleich Vizepräsident der Europäischen Kommission. Europäisches Parlament: Das Europäische Parlament entscheidet künftig gleichberechtigt mit dem Rat über den EU-Haushalt. Das gilt auch für weite Teile der Innen- und Rechtspolitik, über die die Regierungen nicht mehr einstimmig, sondern mehrheitlich entscheiden. Kommission: Die Zahl der EU-Kommissare wird von derzeit 27 auf 15 im Jahr 2014 reduziert. Der Kommissionspräsident wird unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Parlamentswahlen auf Vorschlag der Regierungen durch das Europäische Parlament gewählt. Nationale Parlamente: Innerhalb von acht Wochen können nationale Parlamente gegen beabsichtigte Rechtsakten der EU Einspruch erheben, falls sie meinen, dass sie nationale Zuständigkeit verletzen. Äussert sich mindestens die Hälfte der Parlamente negativ, muss sich die Kommission schriftlich dazu äussern, ist aber nicht verpflichtet ihren Vorschlag zu ändern. Kooperation: Staaten wie das Vereinigte Königreich können aus EU-Beschlüssen über engere Zusammenarbeit von Justiz und Polizei aussteigen. Auch in der Sozialpolitik können sich Staaten gemeinsamen Beschlüssen verweigern. Finden Gegner und Befürworter eines politischen Ziels innerhalb von vier Monaten überhaupt nicht zueinander, können die „willigen“ Staaten vorangehen. Der Reformvertrag ermöglicht auch im Gegensatz zum Verfassungsentwurf eine erleichterte polizeiliche Zusammenarbeit und die Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft.

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Bankenviertel Luxemburg am Boulevard Royal. Der Grundstein für den heutigen Finanzplatz wurde Ende der 60er Jahre gelegt. Luxemburg gehört zu den größten Finanz- und Fondsplätzen Europas und der Welt. 1988 setzte es als erstes Land die EG-Investmentfondsrichtlinie in nationales Recht um.

Beitritte und Austritte: Erstmals regelt der EU-Vertrag auch den freiwilligen Austritt eines Staates. Beitrittswillige Staaten müssen die „Werte“ der EU respektieren und sich verpflichten, diese zu fördern. Grundrechtecharta: Die Grundrechtecharta ist nicht mehr Teil der Verträge. Durch einen Verweis wird sie jedoch für ebenso bindend erklärt wie der Vertrag selbst, mit Ausnahme des Vereinigten Königreiches. Symbole: Die im Verfassungsentwurf vorgesehenen Symbole der EU – Fahne und Hymne – tauchen in den Verträgen nicht mehr auf, werden aber de facto beibehalten. Das Wort „Verfassung“ ist ebenfalls gestrichen. Stattdessen kursieren zunächst die Bezeichnungen „Grundlagenvertrag“, „Reformvertrag“ oder „vereinfachter Vertrag“. Die EU erlässt weiterhin keine „Gesetze“, sondern Richtlinien und Verordnungen.

Luxemburg als Nutznießer der EU Ohne die EU wäre Luxemburg heute sicherlich nicht Finanzplatz Nr. 9 auf der Welt. 157 Banken haben sich hier angesiedelt. Auf dem Kirchberg arbeiten mehr als 10 000 europäische Beamte für Europa. Das Generalsekretariat des Europäischen Parlaments, viele Dienststellen der Europäischen Kommission, darunter Eurostat sowie das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft, Europäischer Rechnungshof und die Europäische Investitionsbank sind fest in der luxemburgischen Hauptstadt verankert. Der Ausländeranteil liegt in Luxemburg zurzeit bei 41,6 Prozent. 68 Prozent der Arbeitsplätze sind von Nicht-Luxemburgern besetzt, denn täglich strömen zusätzlich rund 132 000 Grenzgänger in das Großherzogtum. Die wirtschaftlichen Eckdaten sind seit Jahren vorzeigbar, insbesondere in puncto Wachstum, Inflation, Haushaltsdisziplin und Arbeitslosigkeit. Die Luxemburger haben, laut Statistik, den höchsten Lebensstandard in Europa. Ohne die europäische Einigung wäre dies alles wohl anders gekommen. Das Großherzogtum profitiert zweifellos von seiner EU-Mitgliedschaft. Rund zwei Drittel der gesetzgeberischen Arbeit der Abgeordnetenkammer basiert bereits auf europäischen Richtlinien. Selbst größere Staaten blicken zuweilen mit etwas Neid auf den Einfluss, den Luxemburg im Europäischen

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Die sechs luxemburgischen Mitglieder im Europäischen Parlamant

Astrid Lulling (EVP-ED) Quästorin

Jean Spautz (EVP-ED)

Erna Hennicot-Schoepges (EVP-ED)

Robert Goebbels (PSE)

Lydie Polfer (ALDE)

Claude Turmes (Grüne/FEA)

Parlament, in der Europäischen Kommission und im Rat hat. Immerhin schickt das Land sechs Abgeordnete nach Straßburg. Jeder Abgeordnete vertritt, statistisch gesehen, 79 300 Einwohner. In Deutschland sind es 831 000. In der Kommission stellt Luxemburg ebenso wie weit größere Mitgliedstaaten einen Kommissar. Im Rat, der Vertretung der Einzelstaaten, hat Luxemburg bei Mehrheitsentscheidungen vier Stimmen. Deutschland, gemessen an seiner Bevölkerungszahl 173-mal so groß, ist mit „nur“ 29 Stimmen präsent. In der Gemeinschaft ist der Kleine demnach auch numerisch gut vertreten. Er ist gleichberechtigt, wenn auch nicht gleichgewichtig am Entscheidungsprozess beteiligt. Der Einfluss misst sich nicht an der Quantität sondern vornehmlich an der Qualität der Arbeit. Auf einem Gebiet hat Luxemburg sogar an Souveränität hinzugewonnen. Das Land ist mit einem Vertreter im Gouverneursrat der Europäischen Zentralbank vertreten. Luxemburg zieht auch Nutzen aus den europäischen Strukturfonds. Vor allem der ländlich geprägte Norden profitiert von der Förderung des ländlichen Raums. Auch die Umstrukturierung der Stahlindustrie im Süden wird finanziell begleitet. Noch wichtiger aber ist, dass der Abbau der Grenzen und die Schaffung des Gemeinsamen Binnenmarktes neue Herausforderungen, aber auch neue Möglichkeiten für das Großherzogtum geschaffen haben. Betriebe können neue Absatzmärkte in den Nachbarländern und unionsweit erschließen. Davon profitiert nicht nur die Industrie, die exportorientiert sein muss. Den Erfolg des Finanzplatzes verdanken wir insbesondere der Freizügigkeit des Kapitals und der Dienstleistungen im Binnenmarkt.

Europa hat Luxemburg einiges zu verdanken

12. Januar 2005. Regierungschef Jean-Claude Juncker präsentiert das Programm der luxemburgischen Ratspräsidentschaft in Straßburg.

Kann eine Union mit 495 Millionen Einwohnern von einem nur 476 000 Menschen zählenden Mitgliedsland profitieren? In aller Bescheidenheit: Luxemburg braucht sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Am 1. Januar 2002 wurde der berühmte Werner-Plan, nach dem früheren Regierungschef Pierre Werner benannt, endlich Wirklichkeit. Seitdem bezahlen wir – auch in bar – mit dem Euro. Der einzige noch amtierende EURegierungschef, der 1991 den späteren Maastrichter Vertrag mit aushandelte, welcher die Währungsunion beschloss – unter luxemburgischem EU-Vorsitz –, heißt übrigens Jean-Claude Juncker. Somit ist es fast logisch,

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25. März 2007. Höhepunkt der Feiern in Luxemburg aus Anlass des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge war ein hochkarätiges Konzert mit dem „Chamber Orchestra of Europe“ unter der Leitung von Ivàn Fischer.

dass der Luxemburger Regierungschef seit 1. Januar 2005 Vorsitzender der Eurogruppe ist. Sein Mandat wurde bis Ende 2008 verlängert. Die Eurogruppe ist ein informelles Gremium der EU zur Koordinierung der Steuer- und Wirtschaftspolitik der Eurozone. In ihr sind die Länder vertreten, die den Euro eingeführt haben. Mit Gaston Thorn und Jacques Santer stellte das bis zur Aufnahme Maltas kleinste EU-Land bereits zwei Kommissionspräsidenten. Unter Santer fielen übrigens die wichtigsten Entscheidungen zur Einführung des Euro. Für politische Qualität spricht auch die Tatsache, dass der Einfluss unserer sechs Mitglieder im Europäischen Parlament weit über ihr quantitatives Gewicht unter den 785 Europaabgeordneten hinausgeht. Welche Bedeutung die luxemburgische Bevölkerung der EU-Mitgliedschaft ihres Landes beimisst, zeigen die zahlreichen Eurobarometer-Umfragen. Aus ihnen geht hervor, dass die Luxemburger zu den überzeugtesten Europäern gehören. Die EU gehört einfach längst zum Luxemburger Alltag.

Auf dem Weg zum Ziel 50 Jahre Römische Verträge. Alles in allem eine Erfolgsgeschichte und ein Grund zum Feiern. Fehlt als vorläufige Krönung noch die Vertragsreform. Soviel ist klar. Sie kann nur dann in Kraft treten, wenn sie von allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert worden ist. Nach der Berliner Erklärung von März und dem Gipfeltreffen von Juni 2007 ist der Fahrplan vorgezeichnet. Auch dem Europäischen Parlament ist klar: Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind mit den gültigen Verfahren nur schwer zu meistern. Das gilt vor allem für die Innen- und Rechtspolitik (Terrorismusbekämpfung, Einwanderungspolitik, Kampf gegen das organisierte Verbrechen), die weltweite Herausforderung Klimaschutz aber auch für eine gemeinsame Außenpolitik in einer globalisierten Welt. In diesen Bereichen ist dringend der Übergang zu Mehrheitsentscheidungen bzw. Mitentscheidungsverfahren geboten. Könnte sich die EU-27 wenigstens darauf verständigen, wäre Europa einen wesentlichen Schritt weiter. Feststeht: Ohne eine grundlegende Vertragsrevision ist die Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten nicht möglich. 2007 ist nicht nur ein Jahr zum Feiern der Römischen Verträge, sondern auch ein hartes europäisches Arbeitsjahr.

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Europäisches Parlament 50 Jahre Römische Verträge – Ein historischer Geburtstag Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften 2007 — 22 S. — 17,6 x 25,0 cm ISBN 978-92-823-2165-2

Wie kann ich EU-Veröffentlichungen erhalten? Alle kostenpflichtigen Veröffentlichungen des Amtes für Veröffentlichungen sind über den EU Bookshop http://bookshop.europa.eu erhältlich, bei dem Sie über eine Verkaufsstelle Ihrer Wahl bestellen können. Das Verzeichnis unseres weltweiten Verkaufsstellennetzes können Sie per Fax anfordern: (352) 29 29-42758.




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Mateneen zënter 1957 – Gemeinsam seit 1957. Seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge vor 50 Jahren hat die Europäische Union eine einzigartige Entwicklung durchgemacht. Luxemburg ist eines der sechs Länder, die von Anfang an dabei waren. In dieser Broschüre können Sie die bisherige Entwicklung der Europäischen Union verfolgen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Luxemburg und seiner Bedeutung für die Gemeinschaft.

Europäescht Parlament Informatiounsbüro fir Lëtzebuerg Maison de l'Europe 7, rue du Marché-aux-Herbes L-2929 Luxembourg Telefon: (+352) 43 00 225 97 Telefax: (+352) 43 00 224 57 epluxembourg@europarl.europa.eu www.europarl.europa.eu

ISBN 978-92-823-2165-2


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