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Im Gespräch mit Genussaktivist, Berater und Autor Andrin Willi.
from Aroma 04/21
by Pistor AG
«Man kann nicht nicht kommunizieren.»
In einer Gastgeberfamilie und am Herd seines Vaters aufgewachsen, kennt Andrin Willi die Gastronomie seit Kindesbeinen. Sein Herz gehört dem Genuss, dem guten Geschmack und Geschichten. Direkt und mit Charme spricht er mit uns darüber, auf was es bei der Kommunikation mit dem Gast ankommt.
Interview: Felicia Gähwiler Bild: Lukas Lienhard
Zur Person
Andrin Willi
Er ist ausgebildeter Hotelier, Gastronomie-Experte, Epicurean Consultant, Content Creator, Genussaktivist, Berater und Autor. Er liebt Handwerk, Geschmack, Geschichten und Qualität. Essen und Trinken – das ist Andrin Willis Welt. In dieser hat auch Musik einen grossen Stellenwert: Seit eh und je spielt er elektrische Gitarre in einer Band. Ausserdem ist er auf den Skis aufgewachsen und mag es, im Winter den Hang hinunterzukurven. Weitere Leidenschaften sind das Tauchen und Geniessen der Ruhe in der Natur.
andrinwilli.com
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pistor.ch/andrin-willi
• Andrin Willi, wofür sind Sie beruflich Feuer und Flamme?
Ich bin Lobbyist für den guten Geschmack und ein Genussaktivist – Ess- und Trinkkultur erleben und vermitteln, ist mein Ding. Dafür reise ich um die ganze Welt. Immer auf der Suche nach Geschmack und guten Geschichten. Und diese Geschichten erzähle ich weiter, entweder im Auftrag von Kunden oder als Journalist. Kochen ist für mich nicht nur ein Hobby, sondern etwas, das mich vorantreibt.
• Geschmack und Genuss: warum die Gastronomie – warum essen und trinken?
Ich bin am Herd meines Vaters in einem Hotel aufgewachsen. Wir sind eine Gastgeberfamilie. Als kleiner Junge schon habe ich in der Beiz alles beobachtet. Jeden Tag hatte ich meine private JamieOliver-Sendung meines Vaters. Er war «Alleinkoch». Wenn Gäste an einem Tisch vier Mal ein anderes Menü bestellten, ging es in der Küche richtig ab. Das hat mir als Junge wahnsinnig Eindruck gemacht. Mir war immer klar, dass ich in der Hotellerie bleibe, die Hotelfachschule absolviere und unbedingt in grossen Häusern arbeiten möchte. Die Faszination mit dem Gast, diese Stimmung und Grandhotels – das alles fasziniert mich seit Kindesbeinen.
• Kommen wir auf die Gäste-/ Kundenkommunikation zu sprechen. Auf was kommt es bei der Kommunikation mit dem Gast an?
Es kommt auf die Situation an: Man muss zuhören, geduldig sein sowie aktiv kommunizieren. Kommunizieren ist so wichtig. Wenn der Gastgeber beispielsweise etwas Zusätzliches verkaufen möchte, darf er auch etwas schwärmen, ein bisschen verführerisch sein. Manchmal muss man auch technisch kommunizieren, beispielsweise auf der Speisekarte: Angaben wie «xy Grad, sous-vide, so und so lang zubereitet». Andere wiederum mögen das Beschreibende: «In einem knusprigen Mantel serviert.» Das ist nicht nur Poesie. Ist die Speisekarte gut verfasst, bestellt der Gast nicht das Schnitzel wie immer.
• Die Kommunikation mit dem Gast erfolgt verschieden – persönlich mündlich, telefonisch, schriftlich – wo liegt das grösste ungenutzte Potenzial?
Die Gastronomie hat das grösste Potenzial, dass eine Gastgeberin, ein Gastgeber das Feedback von seinen Gästen direkt einfordern kann. Es ist eine der wenigen Branchen, in denen man das Feedback sofort erhält, ob die Leistung gut oder schlecht war. Wenn sich der Gastgeber Zeit nimmt, erfährt er unglaublich viel. Wichtig: Der Gast möchte nicht pausenlos «bespasst» werden. Er möchte auch nicht immer hören, dass der Hase selbst gezüchtet wurde. Diese Bedürfnisse muss ein Gastgeber fühlen. Oft fehlt es nicht nur an Zeit, sondern auch an Feingefühl. Gastgeber sollten also fühlen, wenn besagter Gast heute «nur» essen und schnell wieder gehen möchte. Was mich immer wieder erstaunt, ist, dass wenn man ehrlich nach Feedback fragt, dieses auch erhält.
• Die aktuelle Situation fordert Verantwortliche in den unterschiedlichsten gastronomischen Betrieben, Bäckereien, Confiserien etc., hinaus – auch in der Kommunikation mit dem Gast?
Absolut. Ich bin Gastgeber von einem Podcast, der sich «Hosting the Hosts» nennt. Dieser Podcast ist von der Igeho produziert und ich hoste ihn. Es geht darum, mit Gastgeberinnen und Gastgebern unserer Branche in Kontakt zu treten und genau über solche Kommunikationsthemen zu sprechen. Kommunikation ist aktuell eine grosse Herausforderung. Wir sind nicht auf der Welt, um erzieherische Massnahmen durchzusetzen. Ich will damit sagen: Einem Gast zu erklären, dass er sich die Hände waschen soll oder dass er eine Maske tragen muss, ist nicht cool. Und ich bin positiv beeindruckt, wie Gastgeber das professionell und auf eine sympathische Art und Weise lösen. Gut und teilweise auch witzig. Wir dürfen den Humor nicht verlieren. Wenn Zeiten schwierig sind, ist es noch wichtiger, eine Message mit einem witzigen oder doppeldeutigen Unterton zu transportieren. Und: Mit einem Lächeln kommt man oft sehr weit.
• Ein Lächeln, und was noch?
Die Kommunikation über den angerichteten Tisch ist möglich. Also, was ein Tischtuch oder ein Glas ausdrücken. Ein Glas erzählt schon eine Geschichte – so gibt man dem Getränk eine Wertschätzung. Zum Beispiel Wasser: Es schmeckt besser, wenn es aus einem Kristallglas serviert wird – je nach Betrieb natürlich. Das gibt ein Gastgeber seinem Gast mit, ohne ein Wort zu sagen. Wir kommunizieren immer mit unseren Sinnen. Man spricht viel
von Geschmack – was ist besser, was schlechter. Das alles hat mehr mit äusseren Faktoren zu tun: Wie ist die Musik? Wie bequem sind die Stühle? Wie ist das Licht? Ist es laut – ist es leise? Wie kommunizieren die Angestellten untereinander? Dies hat Einfluss auf den Salat, den ich gerade esse, und den Wein, den ich gerade trinke. All das hat meistens noch mehr Einfluss, als sich das ein Gastgeber bewusst ist. Viele Gastgeber legen zu wenig Wert darauf.
• Kommunikation mit allen Sinnen. Welche Tipps zur Gästekommunikation geben Sie mit auf den Weg?
Grundsätzlich sollte man dem Gesprächspartner gegenüber eine positive Haltung haben. Zuhören finde ich etwas vom Wichtigsten. Man darf auch einmal etwas länger schweigen. Also die Stille ertragen. Das ist nicht ganz einfach, aber der Gast wird so gezwungen, weiterzureden, und der Gastgeber kommt an jene Informationen, die wirklich relevant sind. Manchmal ist ein Gast im Allgemeinen unzufrieden und es hat nicht direkt mit dem Menü zu tun, das er gerade isst. In solchen Fällen: Freundlich bleiben und lächeln – dann sucht man Lösungen. Und: Man kann auch mal einfach danke sagen – versuchen, die Menschen zu motivieren. Wenn ich zu Hause meine Freunde bekoche, lasse ich sie nicht einfach ohne Verabschiedung gehen. Sich verabschieden, Freude ausdrücken, also echtes Interesse an den Menschen zeigen, dann funktioniert das mit der Kommunikation mit allen Sinnen von allein. Man kann nicht nicht kommunizieren. Das ist einfach so. Auch ein stiller Mensch kommuniziert automatisch. Und wenn ein stiller Mensch, ein introvertierter Koch beispielsweise, kommuniziert, macht er das über seine Teller. Das ist nicht zwingend jemand, der aus der Küche raus, am Tisch stehen und fragen muss, ob es recht war. Wenn er gut kocht, dann benötigt es diesen Austausch unter Umständen nicht, weil dieser auf einer anderen Ebene stattfindet. So lässt ein Betrieb Konzepte, Gerichte und Kompositionen sprechen. Das ist spannend, und der Gast merkt, wenn jemand mit Herzblut und Seele dabei ist.
Und noch etwas: Danke fürs Fragen, fürs Zuhören, fürs Gespräch, Frau Gähwiler. Was für eine privilegierte Situation, wenn man einfach so kommunizieren darf.
Traktor Inserat Pistor 04/2021, 210 x 99 + 3mm, dt.
Info
Hosting the Hosts – Igeho-Podcast mit Andrin Willi
Auf Augenhöhe, witzig und informativ spricht Andrin Willi mit erfolgreichen Gastgeberinnen und Gastgebern – aus der Gastronomie, der Hotellerie, dem Nightlife, der Gemeinschaftsverpflegung oder der Beratung. Fernab vom klassischen Tonstudio entstehen fundierte Gespräche über Aktuelles, Trends und Veränderungen in einer der spannendsten Branchen, die es gibt.