ZEITNAH ‌
Rolf Binder - Objekte Wolfgang Sternkopf - Texte 2014
Widerspruch ‌ Das zeitnah und zeitlos kein Widerspruch sein muss zeigt die zeitnahe und somit zeitlose Form die wir geschaffen haben
Rolf Binder zur Vollendung seines 88. Lebensjahres.
Atelier J • R • S 2006
Rolf Binder/H. Peter Rose
H. Peter Rose „Kontrollierte Kräfte – Konstruktive Objekte“ I. Es war einer jener Tage zwischen den Jahren 2005/06, die schon zu Ende gehen, wenn sie gerade erst begonnen haben. Schwarz in Grau in Schwarz. Lichtlos, farblos, trübselig. An einem solchen nasskalten Wintertag zwischen Weihnachten und Neujahr, besuchten Wolfgang Sternkopf und ich den Künstler Rolf Binder im niederrheinischen Viersen, um mit ihm eine Ausstellung mit seinen Objekten im Gelsenkirchener ATELIER vorzubereiten. Umgeben von seinen Arbeiten, die wir bis dahin nur von Fotos kannten, erlebten wir den Künstler in seinem Element – der Kunst. Während es draußen immer trister und dunkler wurde, hellte sich mit jedem Werk, das Rolf Binder uns vorstellte, unsere Stimmung auf. Die Begegnung wirkte auf uns wie eine verspätete Weihnachtsbescherung: überraschend und beglückend. Die überwiegend zwei- oder dreiteiligen zwischen 20 bis 40 cm hohen Konstruktionen bestehen in der Regel aus farbigen Holzblöcken in verschiedenen einfachen geometrischen Formen. Sie werden im Spiel mit der Balance austariert und schließlich zu Reliefs und Plastiken zusammengestellt. Auch Ketten und Metallstäbe werden für das Kräftespiel verwendet. Die Farben der einzelnen Holzteile kennzeichnen ihre Funktion: In der Regel Schwarz und Ocker für die stabilen, Rot und Grün für die labilen Elemente. Rolf Binder treibt mit seinen Objekten die Dinge auf die Spitze und bringt sie konstruktiv exakt auf den Punkt, auf dem sie gerade noch stabil stehen können.
II. Auf der Rückfahrt hatten wir Gesprächsstoff in Hülle und Fülle. Wir waren beide fasziniert von der konkreten spielerischen, künstlerischen Forschung, die Rolf Binders Arbeiten zugrunde liegt. Ja, wir hatten im wahrsten Sinne des Wortes „Bauklötze gestaunt“, als er uns vorführte, wie die Konstruktionen funktionieren. Wolfgang Sternkopf fühlte sich spontan zu aphoristischen Assoziationen und editorischer Arbeit angeregt. Noch am gleichen Tage verfasste er spontan Texte zu den Objekten, um sie als Grafik-Text-Blätter zu gestalten. Diese „Folgen eines Besuches …“ dokumentierte Wolfgang Sternkopf schließlich in einer kleinen, feinen Buch-Edition mit dem Titel „Auf die Spitze gestellt – auf den Punkt gebracht“ und in zwei Kalendern für die Jahre 2007 und 2011. „Zeitnah“ bringt die Inhalte dieser Veröffentlichungen in einem Grafik-Text-Band zusammen, um anschaulich daran zu erinnern, was seit der ersten Begegnung vor acht Jahren das „Kunstwirken“ von Rolf Binder zustande gebracht hat, nämlich uns und die Welt durch seine Werke zu bereichern und zu bewegen. „Zeitnah“ dokumentiert beispielhaft in Bild und Text, welche Faszination von der Kunst ausgehen und ein individuelles „Kunsterlebnis“ entstehen kann, das beim Betrachter eigene Gedanken und Ideen freisetzt und kreative Impulse auslöst. Rolf Binders künstlerische Arbeit und Wolfgang Sternkopfs aphoristische Reflexionen lehren uns gleichermaßen: Nur wenn alle Teile auf die richtige Art und Weise zusammengefügt sind, wenn ihre Beziehung zueinander stimmt, ist das labile Gebilde stabil. Dann befindet es sich in einem ausgewogenen Schwebezustand.
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Manchmal bin ich im Vordergrund um dich zu schĂźtzen und manchmal um schutzlos zu sein
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Rolf Binder Kunst machen ist kein Job! Wenn ich sehe, was auf der Welt, um mich herum geschieht, was Menschen tun, was sie können, was mit ihnen gemacht wird, bin ich dankbar, mich mit Kunst beschäftigen zu können und zu dürfen. Die Freiheit zu haben, im Leben das zu tun, was einen am Leben interessiert, ist leider keine Selbstverständlichkeit. Kunst zu machen, ist meiner Meinung nach kein Job, sondern eine Weltanschauung und eine Lebensweise. Als Junge hatte ich das Glück, einige Jahre an der Ostsee zu leben; das Meer, ruhig oder aufgewühlt, ließ mich Größe oder Weite erfahren. Gemälde Caspar David Friedrichs – auf Kunstpostkarten gedruckt – voller Andacht betrachtet, ließen in mir den Wunsch aufkommen (vermessen und daher auch unausgesprochen): selbst Künstler zu werden. Nach erfolglosem Schulbesuch und einer unerfreulichen Militärdienstzeit hatte ich dann im Chaos die erste Gelegenheit, die zuvor verpönte moderne Kunst anzuschauen. Bilder von Cezanne, van Gogh, Edward Munch und den deutschen Expressionisten – nun wieder in Ausstellungen gezeigt – gaben mir den letzten Anstoß, mich nun selbst hauptsächlich mit Kunst zu befassen. Mit dem Zeichenblock unterm Arm oder mit Staffelei und Malutensilien zog ich durchs grüne Bayern und durchs schwarze Ruhrgebiet. Die disziplinierte Palette Jawlenskys hatte es mir angetan. Ein zähes Ringen mit der Farbe und manche Niederlage; – aber welche Erlebnisse auch! Erst malte ich Wald, dann Baum, dann nur den Ausschnitt, der zeigt, wie der Ast vom Stamm sich löst; – nur noch Farbe und Form. Und dann die Plastik, ein ganz anderes Erleben. Die Abwicklung der Form – und der Raum. Der menschliche Torso und Kopf waren es nun, die mich interessierten. – Und du gehst mit den Augen über den Jochbeinhügel in das Augtal wie der Wanderer durch die Voralpen; und der Stein, den du findest am Strand, hat einen Bauchnabel. Und ohne es recht zu bemerken, ist man da, wo alles anfängt. Und das ist es dann, was dich interessiert: wie eine Form sich verändert unter Druck, von außen oder von innen, oder wie sie sich anpasst, oder wie sie in die Breite geht durch ihr eigenes Gewicht. Und da stößt du auf die Gesetzmäßigkeiten, die allem zugrunde liegen; warum etwas liegt oder steht, warum es fällt oder schwebt. Und dann bis du da, wo du eigentlich gar nicht hinwolltest, – an der Grenze nämlich. Aber du suchtest die Freiheit. Und dann willst du alles über den Haufen werfen, an den Gitterstäben der Gesetze rütteln, denn du bist ja ein Kreativer, und dem lieben Gott ein Schnippchen schlagen.
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„Wir finden scheinbar unsichere Konstruktionen, denen der Künstler aber dank seines fundierten Wissens um die Schwerkraft und seiner handwerklichen Perfektion bemerkenswerte Dauer verleiht.“ Dr. Tobias Kaufhold
ZEITNAH … Atelier J • R • S 2006
Wolfgang Sternkopf/Rolf Binder
Objekte: Rolf Binder, geb. 1926, lebt im „Fliedner Dorf“, Mülheim an der Ruhr Texte: Wolfgang Sternkopf, geb. 1950, lebt in Gelsenkirchen und arbeitet u.a. als Kulturgeragoge Gestaltung: Jo Lippek und Christoph Achenbach,Gelsenkirchen Einführung: H. Peter Rose, Gelsenkirchen Fotografen: Martin Schmüdderich, Heribert Reismann †, Gelsenkirchen Druck: Druck H. Buschhausen GmbH, Herten Herausgeber: Wolfgang Sternkopf ISBN 978-3-981554717 Kontakt: w.sternkopf@gelsennet.de www.zeitlose-menschen.de © der Objekte: Rolf Binder © der Texte: Wolfgang Sternkopf 2014