Anwesende Abwesenheit… 2012
30
Eben anders... Wir kommen und wir gehen... Wolfgang Sternkopf & Gäste... Jetztzeit... Zeit-Reise... An Ort und Stelle... Nicht oberflächlich betrachtet... Gegensätzeziehensichan... Stell Dir vor... Farbenblind... Kunst & Dokumentation Verbindungen... Sichtbarer Zustand... Punktlandung ... Auf die Spitze gestellt... Lautlose Äußerungen... Hundert Fragen an dich... Wolkenband... Für alle Fälle... Überraschend anders... Sehen kommt vor sprechen... Geteilte Freude... Entgegenkommen Bis heute... Stets ungehört... Vor dem Fenster... Beziehungen... Geordnete Unruhe... Unterschiedlich breite Tage...
Wolfgang Sternkopf
Anwesende Abwesenheit... Texte Wolfgang Sternkopf
FotograďŹ e: Heribert Reismann
1
2
FotograďŹ e: Ernst Liszewski
Anwesende Abwesenheit... Texte Wolfgang Sternkopf 2012
3
Impressum Gestaltung: Jo Lippek, Christoph Achenbach Fotografie: Mike Auerbach (Urania Berlin) Lisa Ginti (Literaturfestival Gladbeck) Uwe Jesiorkowski (Circus Roncalli Dortmund) Heribert Reismann (Stadtbibliothek Duisburg-Rheinhausen) Ernst Liszewski (Lichthof Gelsenkirchen) Martin Schmßdderich (Kaue Gelsenkirchen) Idee, Konzept & Texte: Wolfgang Sternkopf Druck und Bindung: Druck H. Buschhausen GmbH, Herten Š by edition st, Gelsenkirchen 2012 1. Auflage 2012
4
Inhalt 9
Vorwort: Wolfgang Sternkopf „Auswahl und Querschnitt zugleich, geht das?“
10
Dr. medic Kerstin Blaschke, MSc „Von der Kunst, zeitlose Verbindungen zu schaffen…“
12
Anwesende Abwesenheit… (2012) Frage.../Simplifizierung.../Inventur.../So ist es.../Reichhaltig...
16
Eben anders... (2011) Überlegung.../Persönlich.../Arroganz.../Genau.../Du & Ich...
18
Wir kommen und wir gehen... (2010/2011) Unerwarteter Besuch.../Konfrontation.../Kleiner Trost.../Wunderbare kleine Geschichte...
20
Wolfgang Sternkopf & Gäste... (2009) Bitte.../Wunsch.../Ganz privat...
22
Zeit-Reise... (2009) Ganz normal...
23
An Ort und Stelle... (2009) Entschuldigung...
24
Nicht oberflächlich betrachtet… (2008) Bitte nicht.../Kennen Sie das...
25
Renate Quecke „Überlegungen und Gedanken...“
26
Kunst & Dokumentation... (2008) Zustand.../Nur einmal...
27
Jetztzeit... (2008) Glück.../Was wir wollten...
30
Sichtbarer Zustand... (2008) Irrtum II.../ab & zu...
31
Gegensätzeziehensichan... (2008) Reichhaltigkeit.../Beobachtung...
32
Verbindungen... (2008) Frage.../Täuschung... 5
Inhalt
6
34
Punktlandung... (2007) Hinweis.../Konsequenz...
35
Farbenblind... (2007) Möglichkeit.../Farbenblind...
36
Lautlose Äußerung... (2007) Falsche Annahme.../Deutsche Realität...
37
Kerstin Westerwick „Weißte Bescheid...“
38
Hundert Fragen an dich... (2007) Wenn ich dich frage...
39
Stell Dir vor... (2007) Kurze Freude.../Notengebung...
41
Wolkenband... (2006) Umgang.../Vorstellung...
42
Auf die Spitze gestellt... (2006) Gratwanderung.../Kettenreaktion...
43
Geteilte Freude... (2006) Globalisierung am frühen Morgen.../Freundschaft.../Hundertprozentrechnung...
44
Für alle Fälle... (2006) Sensation.../Voraussetzung.../Alternativer Beitrag...
45
Überraschend anders... (2006) made in Germany.../Zu spät...
46
H. Peter Rose „Begeisterungsfähigkeit“
46
Sehen kommt vor sprechen... (2005) Kollektiver Test...
48
Bis heute... (2002/2005) Essen auf Rädern.../Aufrechter Gang.../Geordnete Unruhe...
50
Entgegenkommen... (1997) Personenbeschreibung.../Unterschied...
51
Geordnete Unruhe... (1996) Im Laufe des Jahres.../Vorschlag...
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Vor dem Fenster... (1986) Unerwarteter Absatz.../Abgrenzung...
53
Stets ungehört... (1985) Stets ungehört.../Kurze Freude...
54
Beziehungen... (1983/1984) Irrtum.../Realität.../Beziehung.../Kinderreim...
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unterschiedlich breite tage... (1976) Kommunikation.../Man sagt.../Zelleninventar...
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Bio-Bibliografie Wolfgang Sternkopf
60
Einzelveröffentlichungen: 1976-2012
„Es ist wahnsinnig schwer, seinen Zeitgenossen geistige Geschenke zu machen.“ Franz Mares
7 Fotografie: Martin Schmüdderich
„Wenn alle Bücher Einander gelesen haben Beschließen sie schließlich Die Abschaffung des Menschen...“ Erich Fried
8
Auswahl und Querschnitt zugleich, geht das?
Vorwort
1971 fing es im Bereich der Literatur an, „ernst“ zu werden. Der Lyrikwettbewerb des Peter-Hammer-Verlages in Wuppertal war sicherlich auch überregional der Auslöser für viele junge Autoren, ein Leben lang zu schreiben. So ist es auch mir bisher ergangen, es lässt mich nicht mehr los und macht immer wieder Freude. Das Ergebnis meiner literarischen Arbeit liegt hier nun in stark reduzierter Form vor. Dies bedeutet ca. fünf Prozent der gesamtem Textanzahl seit 1976 (erster Lyrikband) und ist in dem vorliegenden Band: „Anwesende Abwesenheit...“ chronologisch dokumentiert. Leicht oder gar einfach war es nicht, diese geringe Anzahl von ca. 70 Texten auszusuchen. Es sind halt die berühmten „Kinder“, die man fast alle gern hat, und entsprechend ist mir die Auswahl nicht leicht gefallen, jedoch es war auch nicht uninteressant. Bei der Anzahl von Texten stellte ich fest, wie „nah“ doch Geschriebenes mir noch ist, obwohl Jahrzehnte vergangen sind, und dass gewisse Themen leider nichts an Aktualität verloren haben. Sicherlich ändern sich die Prioritäten des „Aufnehmens“ und somit der Inhalt der Texte. Die Freude am Menschen und die Beschäftigung mit den Verhaltensweisen sind ein unerschöpfliches Thema für mich, und so komme ich auch zu folgendem Text: Feststellung... Mir fällt derzeit auf/ein Leben reicht leider nicht/für das was der Zeitraum/des Lebens bietet/respektive beinhaltet/schade... Damit andere Meinungen zum Tragen kommen, was die vorliegenden Texte und somit meiner Arbeit betrifft, habe ich vier Personen gebeten, jeweils ein „Vorwort“ zu den Texten des entsprechenden Zeitabschnittes zu schreiben. Es sind alle vier seit Jahren „Wegbegleiter“ und Freunde geworden. Die einzelnen zugeordneten Zeiträume sind: 1975 bis 2005 H. Peter Rose/2006 bis 2007 Kerstin Westerwick/2007 bis 2008 Renate Quecke/2008 bis 2011 Dr. Kerstin Blaschke. Den äußeren Buchrahmen „schließt“ eine Literaturworkshopteilnehmerin aus Oberhausen ab. Facetten... von Ute Haneke. Wolfgang Sternkopf
Januar 2012 9
Dr. medic Kerstin Blaschke, MSc Von der Kunst, zeitlose Verbindungen zu schaffen... Was verbindet Sie mit Wolfgang Sternkopf? Als ich Wolfgang Sternkopf das erste Mal begegnete, hatte ich mich gerade bei einem Boris-Grundl-Seminar für Menschenführung eingeschrieben. Ich fühlte mich als Zahnärztin etwas unwohl und fremd zwischen Geschäftsführern, Mittelständlern und Firmengründern. Erst, als er mir mit seinem typischen Sternkopf-Lächeln den freien Platz neben sich anbot, hatte ich das Gefühl, willkommen zu sein. Schnell stellte ich fest, dieser Mann besitzt Energie ohne Ende. Es folgten zwei Tage intensiver Gespräche: Wie führe ich mich selbst? Wie lasse ich mich führen? Wie führe ich andere? – einzigartig authentisch und ungewohnt nachhaltig. Business & Kunst sind für Wolfgang Sternkopf zwei Welten, die sich berühren und inspirieren. Und die Resonanz meiner Patienten auf die Leinwandtexte in meiner Praxis gibt ihm Recht. Wunsch... Wir müssen uns Zeit nehmen für Feinheiten bei all den Grobheiten um uns herum. Wir müssen uns Zeit nehmen... Selten begegnen Sie einem Menschen wie Wolfgang Sternkopf... Mich faszinieren seine Tiefe und Vielschichtigkeit in der Problemanalyse, sein Blick für das Besondere im Unscheinbaren und seine Fähigkeit, die Dinge unangestrengt auf das Wesentliche zu reduzieren. Was uns verbindet, ist der Grenzgang zwischen der Liebe zur Präzision, zum Detail, ohne das Ganze aus dem Auge zu verlieren und der Liebe zur Freiheit, die Gedanken dem freien Flug zu überlassen und dennoch die Realität von Zeit und Raum intensiv wahrzunehmen. Wolfgang Sternkopf braucht und lebt immer beides, den Austausch mit anderen, aber auch den Bezug zu sich selbst, die innere Autonomie. Was verbinden Sie mit Wolfgang Sternkopfs Texten? Ich kann Sie nur warnen: Was Sie in diesem Buch lesen werden, lässt Sie für Stunden oder den Rest des Tages nicht mehr los, vielleicht sitzen Sie in einem Meeting oder mit Freunden bei einem Glas Wein und haben immer noch seine Texte im Kopf. Ihr Denken wird von ihm infiltriert sein ... aufgrund seiner Wirkung. Sternkopfs Texte sind zeitlos und gehen tief unter die Haut, sie sind kritisch ohne zu verurteilen, sie machen neugierig und betroffen. Wolfgang Sternkopf nutzt sein Umfeld ganz selbstverständlich zur künstlerischen Inspiration und Abstraktion und lässt den selbstkritischen Leser mit einem Lächeln zurück... so ist er anwesend in Abwesenheit und stets in unmittelbarer Nähe. „Jeder führt ein, zwei oder drei Leben...“ ist sein Bekenntnis zu Zeit, Glück und Vergänglichkeit und zu seinem eigenen Leben als Berater, Bildender Künstler und Autor. 10
Es ist nicht leicht, aus der Fülle seiner Arbeiten, Lesungen und Auftritte auszuwählen. Ein Tag in Dortmund ist mir jedoch in besonderer Erinnerung: „Sternkopf & Gäste“ zu Gast im Cirkuszelt „Roncalli“. Es war der Auftakt zu einer Reihe von Lesungen in Planetarien, der Kaue oder bei „Kunst in der Kiste“. Im Nachhinein beeindruckt mich am meisten, wie völlig unterschiedliche Menschen über ihre persönlichen künstlerischen Ausdrucksformen – Literatur, Musik und Gesang – scheinbar mühelos miteinander und mit dem Publikum kommunizieren, verschmelzen, ohne sich selbst zu verlieren. Die persönlichen Gespräche danach sind Wolfgang Sternkopf wichtig – für seine Partner intensiv und nachhaltig. Was wünschen Sie sich von Wolfgang Sternkopf für die Zukunft? Dieses Buch durchzieht eine klare konzeptionelle Linie. Wolfgang Sternkopf macht es sich nie leicht, und so ist diese von ihm selbst getroffene Auswahl seiner Texte aus den letzten 30 Jahren etwas ganz besonders Wertvolles. Ich wünsche mir von Wolfgang Sternkopf die Kraft der leisen Töne und der klaren Worte. Ich wünsche mir, dass er inspiriert von den Menschen in seinem Umfeld auch weiterhin spontane Ideen wirkungsvoll umsetzt. Und ich wünsche mir, dass begonnene Projekte auch in der Zukunft weiterleben. Wolfgang Sternkopfs Visitenkarte ist die Wellenlinie. Ich mag ihn... und wünsche ihm Zeit.
„Circus Roncalli hat sich gefreut, den Worten von Wolfgang Sternkopf Raum bieten zu können.“
Markus Strobl, Pressechef
Fotografie: Uwe Jesiorkowski
11
Anwesende Abwesenheit... (2012) Frage... Was muss ich tun um anwesender Abwesenheit
Simplifizierung...
zu begegnen? Als er Sympathisch sein
seine Authentizität
ein angenehmes
erreicht hatte
Naturell haben
wurde ihm
anziehend wirken
hinter
charmant sein
vorgehaltener Hand
freundlich sein
geraten
gewinnend sein
seine
herzlich sein
unverfälschte Art
liebenswert sein
abzuschwächen
adrett sein
zu Gunsten
einnehmend sein
seiner Glaubwürdigkeit
Ich probier es mal mit einem L ä c h e l n...
12
Anwesende Abwesenheit... (2012) Inventur... Ab & zu möchte ich mich gern bei allen bedanken die mich mögen ich glaube dies wird mir wichtig in letzter Zeit Aber, wer ist von mir begeistert?
Und dann die Problematik:
wer hat eine Vorliebe für mich?
beruht es auf Gegenseitigkeit?
wer hat etwas übrig für mich?
habe ich jemand übersehen?
wer hat eine Schwäche für mich?
ist meine Annahme völlig falsch?
wer hat mich in sein Herz geschlossen?
welche Gruppe ist derzeit die Richtige?
wer ist mir zugetan? Die Quintessenz: Und dann die Fragestellung:
wie ich mich kenne
ist es eine Zweckgemeinschaft?
läuft es auf eine Checkliste hinaus
ist es eine Bekanntschaft?
genau wie die derzeitige schon vorhandene
ist es eine Freundschaft?
für die Messung von Blutdruck &
ist es eine Verwandtschaft?
die Angabe meines Körpergewichtes
ist es Liebe?
jeden Morgen natürlich nackt
„Bücher sind Lebensmittel!“ Käthe Kollwitz Buchhandlung, Berlin
13
Anwesende Abwesenheit... (2012)
So ist es...
Reichhaltig...
Die Zeiten
Dich aus meinem
können sich
Gedächtnis
ändern
zu streichen
nicht aber
oder
die Zeit
gar zu löschen
Was Menschen
erscheint
von der Zeit
mir unmöglich
halten
aufgrund
und
deiner Vielfalt
vor allem
und
wie sie
deiner Wirkung
mit ihr
als
umgehen
einzelne
all das
Person
mag sich ändern nicht aber die Zeit
14
Fotografie: Martin Schmüdderich
15
Eben ande Überlegung...
Persönlich...
Arroganz...
Irgendwann
Deine Charaktereigenschaften
Manchmal gefällt mir
einmal
haben sich im Laufe
einer von unseren
sehen wir uns
der Zeit selbstständig gemacht
niederländischen Nachbarn
das letzte Mal
der Eigensinn
so sehr
irgendwann
hat sich eigenständig arriviert
dass ich denke
findet
eigentlich sehr
er wäre einer von uns
es statt
eigentümlich und eigenwillig
irgendwann
von dir
ist es Realität
streng genommen
und eine Korrektur
sehr eigen
nicht mehr
die Eigenliebe hat sich
möglich
sehr eigenhändig eigennützig und eigenartig entwickelt so wie es deiner Eigenart entspricht Weit entfernt jedoch von meinen Eigenschaften und meiner Eigentümlichkeit
16
rs... (2011) Genau...
Du & Ich...
Dass sie nicht so gut
Damit wir unsere Nachbarn erkennen
Deutsch sprechen
haben sie gelbe Autokennzeichen
ist nicht so schlimm
und sie bauen
so klingt ihre Sprache
schwimmende Häuser
lustig und unterhaltend
gegen die kommende Sintflut
und genau das brauchen
ansonsten sind es Menschen
wir DEUTSCHEN
wie Du & Ich könnten wir sagen wenn da nicht ihre Eigenarten wären zum Beispiel der Anbau von Tulpenfeldern und der Hang zu Pommes frites statt Eisbein mit Sauerkraut wie Du & Ich
Diese Texte wurden für die geplante Anthologie „Grenswerte“ geschrieben. Ein grenzüberschreitendes Kunst- und Kulturprojekt der Euregio, das sich mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen Deutschen und Niederländern befasst. 17
Wir kommen und wir gehen... (2010/2011) Unerwarteter Besuch... Er hat angeklopft jedoch ich habe ihm nicht aufgemacht
Konfrontation... Wenn wir damit konfrontiert werden dass uns ein lieber Mensch beinahe abhanden gekommen wäre aufgrund einer Krankheit oder eines negativen Vorfalls sind wir nicht nur sehr geschockt über den möglichen Verlust sondern wir stellen das eigene Verhalten und somit die eigene bisherige Lebensführung in Frage Dann wiederum freuen wir uns dass dieser Mensch Glück hatte und wir denken wir haben das auch wenn wir konfrontiert werden mit einer nicht ungefährlichen Situation
18
Kleiner Trost... Frauen erinnern sich im Allgemeinen besser an ihre Träume als Männer vermutlich weil sie sich eher mit ihren Gefühlen beschäftigen Kleiner Trost: Am Häufigsten spielen Träume in der Gegenwart und Männer träumen nicht nur im Traum
Wunderbare kleine Geschichte... Zwei Menschen die sich sehr nahe stehen haben vor einiger Zeit eine Vereinbarung getroffen: Pro Tag zu einer bestimmten Zeit an sich gegenseitig zu denken zeitlos
19
Wenn du etwas Wolfgang Sternkopf & Gäste... (2009)
von mir liest Bitte...
Wunsch...
Wenn du etwas
Wir
von mir liest
sollten
oder etwas von mir hö oder etwas von mir hörst
uns
oder mich irgendwo siehst
Zeit
denk bitte an mich
nehmen
ohne dass du mir schreibst
für
ohne dass du weißt wo ich bin
Feinheiten
oder mich irgendwo si bei
Das wäre schon sehr viel
all
für mich
den
Grobheiten
denk bitte an mich um
uns
herum Wir
ohne dass du mir schr sollten uns
Zeit
20
nehmen
örst
iehst
reibst
Ganz privat... Vor einigen Monaten wurde ich einundsechzig Jahre alt statistisch gesehen werden die Männer in Deutschland sechsundsiebzig Jahre alt somit wurde mir gesagt noch fünfzehnmal Weihnachten Was ist schon noch fünfzehnmal Weihnachten?
21
Zeitpunkt das worauf wir lange gewartet haben oder 22
Zeit-Reise... (2009) Ganz normal... Manchmal erleben wir zum richtigen Zeitpunkt das worauf wir lange gewartet haben oder was wir uns erhofft haben und dann wenn
es stattgefunden hat wirkt es ganz normal wir sind vorbelastet und somit nicht leicht zu 端berraschen es ist also nur eine kurze Freude
ab & zu sehen & hören damit ich weiß dass es dich wirklich
An Ort und Stelle... (2009)
Entschuldigung... Ich muss dich ab & zu sehen & hören damit ich weiß dass es dich wirklich gibt Entschuldigung
23
Nicht oberflächlich betrachtet... (2008)
Bitte nicht... Was tun wenn die Zeit knapp wird? Bitte nicht in reduzierter Form handeln und agieren sprechen
Kennen Sie das...
lächeln
24
lachen
Ähnlichkeiten
so als
ziehen sich an
würde
stellen wir
sich nichts
überzeugend fest
mehr
die unseren ähneln
lohnen
dann breitet sich
so als
ein Wohlgefühl aus
wäre
wir fühlen uns
alles
verstanden
Zeitverschwendung
und angenommen
Bitte nicht
Kennen Sie das ?
Renate Quecke „Überlegungen und Gedanken…“ Was verbindet Sie mit Wolfgang Sternkopf? Wolfgang Sternkopf habe ich 2008 bei einer Lesung kennengelernt. Seine Präsenz, verbunden mit einem offenen Wesen, fiel mir sofort auf. In Gesprächen sagt er deutlich, wofür er steht, was ihm wichtig ist, dabei fehlt es ihm nicht an Humor und dem Gespür für das richtige Maß. Es gefällt mir, dass Wolfgang Sternkopf einen Blick für die Realität hat. Er nimmt sie als gegeben an und arbeitet und lebt in ihr, ohne sich zu verbiegen. Dabei ist er keineswegs resigniert, im Gegenteil, bei ihm läuft immer etwas, er entwickelt Ideen und zieht die Menschen mit. Um sein Ziel zu erreichen, sein Projekt zu vollenden, fordert er den vollen Einsatz – auch von sich selbst. Er mag keine halben Sachen. Das Ziel ist es, das ihn bewegt, und der Weg wird danach ausgerichtet und für alle, die ihn begleiten wollen: Bitte ohne Wenn und Aber! Zaudern oder Zögern ist Wolfgang Sternkopfs Sache nicht, man muss schon bereit sein, ihm zu folgen, auch eine gewisse Rollenteilung annehmen zu können, ist dabei hilfreich, denn er hat sein Vorhaben im Vorfeld bereits gründlich durchdacht. (Wer dies nicht kann, sollte sich besser zurückhalten!) Am Ende nehmen alle etwas Bereicherndes mit: eine interessante gemeinsame Zeit, ein befriedigendes Ergebnis. Was verbindet Sie mit den Wolfgang Sternkopfs Texten? Sie sind ungeschminkt, deutlich und klar umfasst. Es sind konstruktivistische Texte, die nicht jedem liegen, da sie keine romantische Lyrik darstellen. Wolfgang Sternkopf hat etwas Anderes vor: Er bildet Gegensatzpaare oder fahndet nach dem Sinn von Wörtern und stößt bei seinen „Ermittlungen“ schon mal auf Regeln für Ereignisse, hinter denen man keine Regeln vermutet (Glück), kurzum, er stellt die Sprache um, findet seine Gedanken hinter den Wörtern und fordert das genaue Mitdenken. Auch wenn mir viele seiner Überlegungen und Gedanken bekannt sind, muss ich mich im Vorfeld erst bemühen, um schließlich zur Wiedererkennung zu gelangen. Und dann können sie mich wirklich berühren, wie es bei den Texten zum Thema Zeit der Fall ist. Ich finde immer etwas, was meinen Blick schärft, mein Denken erfrischt, mir eine neue Sichtweise bietet. Was wünschen Sie sich von Wolfgang Sternkopf für die Zukunft? Ich wünsche ihm Zeit, um weiterhin schöpferisch zu arbeiten, und ich hoffe, dass seine Texte von vielen gelesen werden. Neue Projekte wird es sicher wieder geben, worauf ich gespannt bin. Natürlich wünsche ich ihm Menschen, die ihn in der Umsetzung seiner Ideen unterstützen und begleiten. Denn: So wichtig das Ziel ist, auch der Weg ist von Bedeutung: Ich wünsche Wolfgang Sternkopf neue Anregungen und interessante, bereichernde Gespräche durch die Zusammenarbeit mit anderen. 25
Kunst & Dokumentation... (2008)
Zustand...
Kunst Dass
Nur einmal... Wenn wir unser Leben
uns
für einen Moment
Halt
anhalten könnten
geben
welcher Moment
kann
sollte das sein?
ist eine
Diese Frage sollte
sehr
jede Person
schöne Inanspruchnahme von Kunst
leise für sich beantworten jedoch darauf achten es geht nur einmal
26
Jetztzeit... (2008)
Glück... Dass wir gewisse Personen nicht ändern können ist nicht
angenehm immer
jedoch es hat auch etwas Gutes die
Anderen können es auch nicht
27
Wir Kinder von
Was wir sehen wollten
Marx und Coca-Cola
haben wir entdeckt
die sogenannten
hoffentlich
Nachgeborenen
sehenswert
sind in die Jahre gekommen
Was wir gedacht haben haben wir angenommen
Was wir bewegen
hoffentlich
wollten
nachdenkenswert
haben wir angestoßen
Was wir bekommen
hoffentlich
wollten
in die richtige
haben wir erhalten
Richtung
hoffentlich erhaltenswert
Was wir sagen wollten
Was wir abschaffen wollten
haben wir
haben wir aufgelöst
erwähnt
hoffentlich
hoffentlich
endgültig
aussagefähig
28
Was wir begr端nden wollten
Was wir halten konnten
haben wir etabliert
haben wir gehalten
hoffentlich
hoffentlich
mit Gr端nden
das Haltbare
Was wir einbeziehen wollten
Was wir perfekt machen wollten
haben wir einkalkuliert
haben wir fehlerfrei gemacht
hoffentlich
hoffentlich
mit der richtigen Betrachtung
einwandfrei
Was wir entscheiden wollten
Was wir recherchieren wollten
haben wir entschieden
haben wir ausfindig gemacht
hoffentlich
hoffentlich
mit der richtigen Auswahl
nicht ohne Nachforschungen
Was wir erledigen wollten haben wir umgesetzt hoffentlich mit dem richtigem Ergebnis
29
Sichtbarer Zustand... (2008) ab & zu... Irrtum II...
Wenn
Wenn
ich nichts
ich
zu lachen
dir
habe
etwas
bedeutet
näher
dies nicht
gebracht
dass ich
habe
keinen
heiĂ&#x;t
Humor
das
habe
nicht
ab & zu
dass
kommt
ich
er mir
dir
abhanden
nah
aber ich
bin
finde ihn immer wieder hoffe ich
30
Gegensätzeziehensichan... (2008)
Reichhaltigkeit...
Beobachtung...
Sechstausend
Sie hat in
verschiedene
ihrem Leben
Sprachen werden
nicht
auf der Welt
mehr sehr viel
gesprochen
und das
Wenn ich
was sie hat
an meine
möchte sie
Gesprächspartner
eigentlich
und den
auch nicht
jeweiligen
mehr
Inhalt denke sind es noch viel mehr
31
Verbindungen... (2008)
Frage... Was wird von unserer Generation in Erinnerung bleiben? Welche Dinge sind es?
CDs die keiner mehr kennt?
Die Tastatur des PCs?
Autos die nur CPS haben?
Eine Notiz einer E-Mail?
Umgangsformen die nicht mehr aktuell sind?
SMS? 32
Internetseiten die veraltet sind wie Telefonb端cher?
Wird 端berhaupt etwas in Erinnerung bleiben?
T채uschung... Manchmal wirkt es wie perfekt geplant und ist in Wirklichkeit nur durch Zufall entstanden weil es schiefgegangen ist 33
Punktlandung... (2007) Hinweis...
Konsequenz...
Ich bin
Wer nicht
nicht
an meinem
weg
Leben
ich bin
teilnehmen
nur im
will
Moment
nimmt
nicht
auch nicht
pr채sent
an mir teil
Ich bin
ist folglich
nicht
auch
weg
nicht mehr ein Teil von mir
34
Farbenblind... (2007) Möglichkeit...
Farbenblind...
Dass
Signale
wir
setzen
darüber
ist nicht
nachdenken
ohne Risiko
worüber wir
Manchmal
jetzt
sehen
nachdenken
einige
hätte
grün
ich
obwohl
nicht
ich
gedacht
rot sehe
35
Lautlose Äußerung... (2007) Falsche Annahme...
Deutsche Realität...
Dass
Hartz-Vier-Empfänger:
sich das Klima
Manchmal
unter uns
weiß
schon lange
ich
verändert hat
überhaupt
hängt
nicht
nicht
mehr
mit der
warum
derzeitigen
man
weltweiten
noch
Klimaveränderung
existiert
zusammen
36
Kerstin Westerwick „Weißte Bescheid!“ Was verbindet Sie mit Wolfgang Sternkopf? Reibungspotenzial. Das Aushalten komplett konträrer Ansichten zu bestimmten Sachverhalten. Und die Begeisterung zu reden. Zu diskutieren und zu philosophieren. Das Interesse an Menschen in all’ ihren Ausprägungen. Manchmal gemeinsames Kopfschütteln über begrenzte Horizonte, eingefahrene Verhaltensmuster, sich selbst beschneidende Denkweisen. Die Fähigkeit, eigenes Scheitern als echte Chance zu betrachten und der unbedingte Wille, immer einmal öfter aufzustehen als zu fallen. Die persönliche Erfahrung, dass das Leben endlich ist und von heute auf morgen alles plötzlich ganz anders sein kann. Eine nicht zu bremsende Freude an der Kreativität im Allgemeinen und am sinnvollen Kombinieren von Buchstaben im Speziellen. Immer öfter die Frage nach der Übereinstimmung von Selbstdarstellung und Außenwirkung. Der manchmal schier missionarische Überzeugungseifer. Die Hoffnung auf ein langes Leben bei weitgehender geistiger und körperlicher Gesundheit. Was verbinden Sie mit Wolfgang Sternkopfs Texten? Reibungspotenzial. Manche seiner Texte sind so treffend und „auf den Punkt“, dass mir auch nach wiederholter Lektüre schier die Luft wegbleibt. Andere beschreiben Ansichten, die ich nicht nachvollziehen kann oder behandeln Themen, die mich aktuell nicht betreffen. Manche tun weh, weil sie den Finger in Wunden legen, die noch nicht richtig verheilt sind oder die Schorfschicht von gerade heilenden Verletzungen abreißen. Und einige wenige hätte ich
an seiner Stelle nicht veröffentlicht, sondern der inneren Zensurschere zum Opfer fallen lassen. Notwendigkeit der Auseinandersetzung. Wolfgang Sternkopfs Texte sind eher nichts für zwischendurch und auch als kleine Bettlektüre eher ungeeignet. Sie fordern einen wachen Geist, meinen wachen Geist, denn sie sind unbequem, manchmal sogar einen Hauch brutal oder rechthaberisch. Das setzt regelmäßig Gedankenkarussellfahrten in Gang, die durchaus auch unangenehm sein können. Oder sehr schön. Je nach Text und Tagesform. Selbstreflexion. Ohne Nachdenken über mich selber geht bei Wolfgang Sternkopfs Texten gar nichts. Oder besser gesagt: Es ginge schon, wäre dann aber sehr oberflächlich betrachtet. Also lasse ich mich ein und bin quasi automatisch auf mich selber zurückgeworfen. Das ist anstrengend. Schmerzhaft. Und im besten und gar nicht mal so seltenen Fall ist es erhellend und bringt mich weiter. Was wünschen Sie sich von Wolfgang Sternkopf für die Zukunft? Reibungspotenzial. Dass er nie ein zahnloser Tiger wird, ein Jasager und Mainstreamkünstler, dessen Texte mir nur noch ein müdes Lächeln entlocken. Ich will mich weiterhin über manche seiner Aussagen fürchterlich aufregen, und er soll mir auch zukünftig mit seinen teilweise ausschweifenden Erläuterungen über Gott und die Welt auf die Nerven gehen. Eine gute Balance von Schaffen und Schwänzen, der Gesundheit zuliebe. Und Anteil an der Lebensfreude, die ihn auszeichnet. Also Wolfgang: Weißte Bescheid! 37
Hundert Fragen an dich... (2007) Wenn ich dich frage... Wenn ich dich frage
Wenn ich dich frage
ob ich vollkommen bin
ob ich dickköpfig bin
dann heißt das nicht
dann heißt das nicht
dass ich denke
dass ich denke
perfekt zu sein
unnachgiebig zu sein
Wenn ich dich frage
Wenn ich dich frage
ob ich abgebrüht bin
ob ich vernünftig bin
dann heißt das nicht
dann heißt das nicht
dass ich denke
dass ich denke
gefühllos zu sein
einsichtig zu sein
Wenn ich dich frage
Wenn ich dich frage
ob ich humorlos bin
ob ich begehrenswert bin
dann heißt das nicht
dann heißt das nicht
dass ich denke
dass ich denke
langweilig zu sein
anziehend zu sein
Wenn ich dich frage ob ich ratlos bin dann heißt das nicht dass ich denke verzweifelt zu sein 38 Fotografie: Lisa Ginti
Stell Dir vor... (2007)
Kurze Freude...
von Harmonie nichts zu spüren
Zweitausendfünfhundert Fans
stattdessen gab es:
haben sich zu einem
Provokation
interessanten
Anmaßung
Konzert gefunden
Aggressivität
Dreieinhalb Stunden herrschte
Das Abschlusslied
grenzenlose Harmonie
des Konzertes nach
An der Ausfahrt
zahlreichen Zugaben
des angrenzenden Parkhauses
hieß
war nach dem Konzert
„Ich hab ein zärtliches Gefühl...“
39
Notengebung... Vor einiger Zeit habe ich mir nahestehenden Personen
gedanklich
und anderen
Noten gegeben Von Note eins bis Note f端nf war alles dabei Nicht alle wurden im Laufe der Jahrzehnte versetzt 40
Wolkenband... (2006)
Umgang... Manchmal verwundert er seine Gespr채chspartner Mit seiner Offenheit Mit seiner Direktheit Mit seiner Aufgeschlossenheit Mit seiner Unmissverst채ndlichkeit
Mit seiner Klarheit Mit seiner Aufrichtigkeit Mit seiner Aufnahmebereitschaft
Vorstellung... Manchmal sehe ich nur das
was ich sehen Mit seiner durchaus menschlichen Art... will obwohl es nicht vorhanden ist 41
Auf die Spitze gestellt‌ (2006) Gratwanderung...
Kettenreaktion...
Sich
Sich anlehnen
in Balance halten
und dann
erfordert
sich
Ausgeglichenheit
auffangen und dann
Und genau da
sich
befindet sich
Halt geben...
eine Gratwanderung
42
die eine
Gibt es
Balance
dies nur
erst mĂśglich macht
in der Physik?
Geteilte Freude... (2006)
Globalisierung am frühen Morgen... Auf der Unterseite der weißen Keramikbecher von IKEA steht made in Vietnam Gibt es IKEA auch in den USA?
Freundschaft...
Hundertprozentrechnung...
Dass dein Verlust
Ich bin anders...
uns Kraft gibt
Fünf Prozent
muss
sind es
an der
fünfundneunzig Prozent
Substanz
glauben es
liegen die wir geschaffen haben...
43
F체r alle F채lle... (2006) Sensation...
Voraussetzung...
Alternativer Beitrag...
Es soll
Wir sind
Weil es
einen Dompteur
sehr spendenfreudig
regnete
geben
die eingehenden
schrieb
der Tiere
Geldbetr채ge
er einen
so dressieren
beweisen das
Text
kann
zum Thema:
dass sie
Nur weit weg
FRIEDEN
ganz nat체rlich
muss das Problem sein
statt
wirken
das ist Voraussetzung
zum Ostermarsch zu gehen
44
Überraschend anders... (2006) made in Germany...
Zu spät...
Fünfmillionenzweihunderttausend mal
Nach dem Abendessen
„Wir können Sie nicht gebrauchen...“
sehen wir im Fernsehen wie Farbige auf der Mülldeponie
März 2005
der Stadt Rio de Janeiro Weißblech, Glas und Kunststoffreste sammeln um überleben zu können Seltsam ich muss mich nicht übergeben mir wird nicht schlecht
45
H. Peter Rose „Begeisterungsfähigkeit“ Was verbindet Sie mit Wolfgang Sternkopf? Wolfgang Sternkopf ist ein eigensinniger und eigenwilliger Mensch. Was er anpackt, bringt er zu Ende. In seiner Person vereinigt er mehrere Professionen: Er arbeitet als Schriftsteller und bildender Künstler, aber er ist auch als Dozent und Berater in der mittelständischen Wirtschaft für die Fortbildung tätig. Alles zusammen macht ihn zu einem exzellenten Kommunikator. Schon früh war ihm klar, dass Texte, die nicht gelesen und Bilder, die nicht angeschaut werden können, für die Öffentlichkeit wirkungslos bleiben. Deshalb ist er selbst immer wieder initiativ geworden, um seine Bilder und Objekte sowie seine Texte „von der Produktion bis zum Absatz“ zu seiner eigenen Sache zu machen und „unter die Leute zu bringen“. Dabei habe ich an ihm seine Begeisterungsfähigkeit besonders schätzen gelernt. Ob
Kollektiver Test...
er über seine Kunst spricht oder in öffentlichen Lesungen eigene Texte vorträgt, es sind stets spannende und bereichernde Begegnungen. Auch über seine Ideen und Pläne für neue Projekte seiner literarischen und künstlerischen Arbeit gibt er offen Auskunft, um sie dann auch mit beharrlicher Zielstrebigkeit konsequent und handwerklich exakt auszuführen Was verbinden Sie mit Wolfgang Sternkopfs Texten? In seinen aphoristischen Texten formuliert Wolfgang Sternkopf kurz und treffend, was er in der Realität des Alltags wahrnimmt und empfindet. Es sind Begebenheiten, Informationen, auch Stimmungen, die er durch eine knappe – verdichtete – sprachliche Form aus dem Brei des Gewöhnlichen hervorhebt und damit „bedeutsam“ macht. Diese Texte stellen so etwas, wie ein literarisches Äquivalent zum fotografischen Schnappschuss dar. Sie wirken wie erhellende, sprach-
Sehen kommt vor sprechen...(2005)
Wir sind eine Gruppe von 98 Personen – bestehend aus 50 Männern und 48 Frauen – innerhalb der Altersgruppe von 25 bis 55 Jahren. Die Jüngeren und die Älteren stellen prozentual den höchsten Anteil dar. In der Statistik der Agentur für Arbeit heißen wir L A N G Z E I T A R B E I T S L O S E, soll heißen, mindestens ein Jahr ohne Beschäftigung gegen Entgelt. Zunehmend werden die meisten von uns immer resignierter, immer negativer in ihrer Lebenseinstellung, teilweise schon mit einem sehr beängstigenden Fatalismus behaftet. Das Selbstbewusstsein ist reduziert auf eine negative Selbstwahrnehmung in unserer Gruppe, die seit kurzem von Jan geführt wird. Jan hat die meisten Erfahrungen von uns, denn er ist mit 45 Jahren schon zum dritten Mal ohne Arbeit und nach derzeitiger Lage wohl für immer, weil er überqualifiziert ist. 46
lich fixierte Gedankenblitze, die ein momentanes Ereignis situativ in seinem Kern erfassen und somit Selbstverständlichkeiten in Frage stellen. Oft sind es aufweckende „Nadelstiche“, um die Phantasie und das Denken der Leser anzuregen und zu ermuntern, Informationen nicht kritiklos hinzunehmen. Manche dieser Text-Miniaturen haben sogar als „Stichworte“ den Charakter von Waffen, weil sie Banalitäten „aufspießen“ und Sprechblasen zum Platzen bringen. Immer aber will Wolfgang Sternkopf mit seinen literarisch verfassten Augenblicken den Kern der Sache treffen und auf den Punkt bringen. Was wünschen Sie sich von Wolfgang Sternkopf für die Zukunft? Wolfgang Sternkopf weiß, dass sein Leben in der Gegenwart stattfindet. Er nutzt diese Zeit, das zu tun, was er als wichtig und richtig erkannt hat, nämlich
als menschlicher „Transformator“ in dieser Zeit zu wirken, um sie literarisch, künstlerisch und auch lehrend zu gestalten. Er ist ein „Unternehmer“, der etwas bewegen will. Und er ist ein Optimist. Zukunft ist für ihn die Hoffnung, dass Veränderung möglich ist. Ich wünsche ihm und auch mir, dass seine produktive Kreativität noch viele anregende Texte und kontemplative Bilder für „konstruktive Verbindungen“ hervorbringen möge. Seine unbekümmerte Art auf Menschen zuzugehen, sein temperamentvolles Engagement für seine Sache und sein Humor im persönlichen Umgang, alldas hat dazu beigetragen, mit vielen Menschen – wie auch mit mir – konstruktive, freundschaftliche Verbindungen herzustellen. Was die Zukunft angeht, so halte ich es mit dem Bergmannsspruch „vor der Hacke ist es duster“. Aber solange wir leben, wünsche ich mir von Wolfgang Sternkopf weiterhin sinnliche Erlebnisse durch seine künstlerische Arbeit und wechselseitig bereichernde Erkenntnisse durch gute Gespräche.
Überqualifiziert bedeutet in dem Fall zwei Studiengänge, drei Sprachen. Als es wieder einmal so war in unserem gemeinsamen Gefühl und in unserem Bewusstsein auf unsere Umwelt, trafen wir uns Mittwochsabends um Punkt 19.00 Uhr mit so einem Gedanken an früher – denn früher war jeder um diese Zeit nach seiner Arbeit zu Hause – wohlgemerkt – früher. Das Treffen fand an einer Straße an einem Fluss statt. 19.15 Uhr fassten wir uns alle an den Händen und bildeten eine Menschenkette von ca. 160 Metern an der Bordsteinkante. Auf ein Kommando von Jan schlossen wir die Augen und standen von nun an verstummt da. Auf ein weiteres Kommando von Jan sprangen wir alle gemeinsam. Es herrschte Ruhe. Absolute Ruhe. Diesmal war es nur ein kollektiver Test. Diesmal war es nur ein Sprung von der Bordsteinkante. Wie gesagt, es war ein kollektiver Test. 47
Bis heute... (2002/2005) Essen auf Rädern...
Aufrechter Gang...
Sie hatte Angst
Was uns vom Tier
in das Altersheim
unterscheidet
zu gehen
ist
weil sie nicht
neben dem aufrechten Gang
das Gefühl
Instinktlosigkeit
der Lieblosigkeit der Bevormundung der Abhängigkeit und des Ausgeliefertseins ertragen wollte stattdessen lebte sie in Zurückgezogenheit in Einsamkeit und in Hilflosigkeit Einzige Abwechslung pro Tag 11.15 Uhr Essen auf Rädern... 48
Geordnete Unruhe... Sorgsam spitzt er 42 Buntstifte seiner Sammlung der Marke: Faber Castell Anschließend stellt er sie ungeordnet in einen offenen Glasbehälter Beruflich und privat verhält er sich ähnlich nur hat er den notwendigen Behälter noch nicht gefunden
49 Fotografie: Martin Schmüdderich
Entgegenkommen... (1997) Personenbeschreibung...
Unterschied...
Er sieht etwas wo andere nichts mehr sehen
Dass unsere
Er spürt etwas wo andere nichts mehr spüren
ausländischen Arbeitnehmer kein Deutsch sprechen
Er ist behutsam wo andere brutal sind Er ist zurückhaltend wo andere aufdringlich sind
macht nichts sagt mir der Inhaber eines Werkes die arbeiten ja nur mit den Händen
Er wirkt nachhaltig
und nicht mit
wo andere wirkungslos sind
dem Kopf
„Eigentlich sind Türken sehr gastfreundlich, aber ich glaube, ich kann Sie nicht bedienen.“ Der Manager eines Restaurants in Berlin-Kreuzberg fordert Thilo Sarrazin zum Gehen auf, da seine Anwesenheit Proteste ausgelöst hat. 2011
50
Geordnete Unruhe... (1996) Im Laufe des Jahres...
Vorschlag...
Wenn uns
Mehr aus
im Laufe
sich herausgehen
des Jahres
mehr mit
ab und zu
anderen Menschen
Jemand
sprechen
entgegenkommt
hatte
kann mancher
der Chefarzt
H端rdenlauf
bei seiner
vorzeitig
einmin端tigen
beendet
Visite gesagt
werden 51
Vor dem Fenster... (1986)
Unerwarteter Absatz...
Abgrenzung...
Dass seit einiger Zeit
legen
die Angebote
die Großen
für Katzen-
ihre Hand
und Hundefutter
auf die Schulter
im Supermarkt
der Kleinen
Manchmal
immer größer werden
Manchmal
liegt
zur
nicht an der
Anerkennung
Tierfreude
manchmal
der Menschen
zur Abgrenzung
Ein Rentner sagt: Wenn ich einige Zwiebeln dazu schneide schmeckt es ganz gut 52
Stets ungehört... (1985)
Stets ungehört...
Kurze Freude...
Stets ungehört
Manchmal habe ich
zu bleiben
das Gefühl
ist
an einer Mauer
das Schlimmste
entlang zu gehen
was
ohne je eine
man irgendwann
Tür zu finden
zu hören bekommt
Dann finde ich doch eine Tür gehe hindurch und sehe eine neue Mauer
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Beziehungen... (1983/1984)
Irrtum... Wenn er getrunken hatte konnte er sehr gut sprechen vergaß jedoch dass er schlecht denken konnte wenn er getrunken hatte
Realität... Bei der Lektüre einer Anthologie mit dem Thema: Frieden stört mich ununterbrochen eine Fliege Beim dritten Schlag treffe ich sie tödlich
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Beziehung... Unser Verh채ltnis gleicht einer Allee wir entwickeln uns unterschiedlich jedoch immer in einem bestimmten Abstand zueinander
Kinderreim... Ich sehe was was du nicht siehst Basis zahlreicher Entscheidungen vieler Erwachsener 55
zwischen
unterschiedlich breite tage... (1976)
zwei Menschen Kommunikation...
sagt man
Man sagt...
Der Blick
Man sagt
ist der kürzeste Weg
der Monat
zwischen
war für die Firma
zwei Menschen
gewinnbringend
sagt man
durch den Einsatz der Arbeiter
Oft weiche ich
Oft weiche
konnte
ich
eine neue
einem Blick aus
Maschine
in der Hoffnung
aufgestellt werden
diesen Weg nicht gehen
Der Chef
zu müssen
konnte aus
einem Blick aus bis
wirtschaftlichen Gründen
zum nächsten Blick
so sagt man danach neun Arbeiter
in der Hoffnung 56
entlassen
zwei Blumentöpfe mit Inhalt ein Tisch
Zelleninventar...
ein Stuhl Ein Bett
ein braunes Eichenholzkruzifix
zum Hochklappen
ein geschorener Kopf
zwei Blumentöpfe mit Inhalt
dreitausend
ein Tisch
Zuchthausgefangene
ein Stuhl
verpasste Gelegenheiten
vier Blechnäpfe – leer
zwei Weisheitszähne
vier Blechnäpfe - leer Gedankenfreiheit Gedankenfreiheit
eine evangelische Erziehung
eine Klosettbürste
eine Rolle Klosettpapier
ein Fenster nach Süden
gelb
vergittert
eine selbstgedrehte Zigarette
eine Tür nach Norden
eine Bibel
verriegelt
eine Decke
fünf Vorstrafen
eine Vergangenheit
eine Klosettbürste
ein Fenster nach Süden eine Notrufklingel
vergittert
57
58
FotograďŹ e: Mike Auerbach
Wolfgang Sternkopf geb. 1950 in Chemnitz lebt seit 1960 im Ruhrgebiet und seit 1972 in Gelsenkirchen arbeitet als Autor, Grafiker, Coach und Dozent Neben zahlreichen Autorenlesungen sowie Einzel-und Gruppenausstellungen im In- und Ausland sind bisher zahlreiche Lyrikbände, Dokumentationen, Kunstkalender und Grafik-Text-Blätter in Zusammenarbeit mit Anderen erschienen. Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller (VS) NRW Stipendium der Stadt Gelsenkirchen für bildende Kunst Stipendium des Landes NRW für Literatur NOMOS Arbeitsstipendium, Glashütte 1966 1969 1971 1974
Veröffentlichung erster Texte innerhalb der WAZ Erste Teilnahme an einer Gruppenausstellung in der Galerie „Spektrum“ BO. Erster Text innerhalb der Anthologie „Wir Kinder von Marx und Coca-Cola“ Beginn der Herausgabe der Literaturzeitschrift „pages“ (mit J. Völkert-Marten)
2004 Gründungsmitglied der Ateliergemeinschaft: JÜTTNER-REISMANN-STERNKOPF 2004 Gründung der EDITION JRS 2011 „Viele brauchen Erfahrung, wir haben sie.../Gedanken 50plus (HG), Klartext-Verlag, Essen Mitglied des Vorstandes kultur leben e. V. Seit 2009 Aktionen unter dem Arbeitstitel: Sternkopf & Gäste... - Circus Roncalli, Dortmund - KAUE, Gelsenkirchen - Planetarium, Recklinghausen - Planetarium, Bochum
www.atelier-jrs.de
www.w-sternkopf.de 59
E i n z e l veröffentlichungen: Bruch mit positiver Wirkung... Anwesende Abwesenheit... Eben anders... Wir kommen und wir gehen... (mit einer Grafik vom Autor) Wolfgang Sternkopf & Gäste... Zeit-Reise... An Ort und Stelle... Nicht oberflächlich betrachtet... Kunst & Dokumentation... Jetztzeit... Sichtbarer Zustand... (mit Farbraumkissen von Rainer Tillmann) Gegensätzeziehensichan... (mit Grafiken vom Autor) Verbindungen... (mit Fotografien von Burkhard Heringhaus) Punktlandung... Farbenblind... Lautlose Äußerungen... Hundert Fragen an dich... Stell Dir vor... Wolkenband... Auf die Spitze gestellt... (mit Holzobjekten von Rolf Binder) Geteilte Freude... Für alle Fälle... Überraschend anders... Sehen kommt vor sprechen... Bis heute... (mit Holzschnitten von Oskar Gölzenleuchter) Entgegenkommen... Geordnete Unruhe... (mit Grafiken und Objekten vom Autor) Vor dem Fenster... (mit Holzschnitten von Oskar Gölzenleuchter) Stets ungehört... (mit Fotografien von Achim Röhl) Beziehungen... (mit Zeichnungen von Achim Röhl) unterschiedlich breite tage... (mit Grafiken vom Autor)
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„Er ist einer von denen, die sich nüchtern, abwägend, distanziert geben, ziellosen Emotionen abhold, dabei aber auf eine scheue Art empfindsam und verletzlich. Die Sensibilität seiner Grafiken ist auch bezeichnend für seine Texte.“ Anneliese Knorr (1918-2003) 1976
Facetten... „Seine Lyrik benutzt nicht das grobe Moralraster, sondern setzt das filigrane Skalpell an, legt den Fokus auf deutliche Aussagen, die seine Gedanken zu dem jeweiligen Thema sprachlich auf den Punkt genau abbilden. Seine Texte können wie Schläge sein, die für einen Moment den Atem stocken lassen. Oder wie behutsame Berührungen, die durch ihre Unaufdringlichkeit umso bedeutsamer wirken und noch lange spürbar bleiben. Wenn ich wollte, könnte ich noch mehr über die Arbeit dieses Künstlers sagen, der viele Wege kennt, sich kreativ auszudrücken.“ Ute Haneke