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Interv. mit der Fotografin GABO

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Rätsel & mehr

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Im rechten Licht

Der Durchbruch vom erfolgreichen Fotomodel vor der Kamera zur erfolgreichsten deutschen Fotografin hinter der Kamera begann mit einem Portrait von Herbert Grönemeyer, das Gabriele Oestreich – Künstlername GABO – 1986 für den Titel der Zeitschrift Stern fotografierte. Neben ihrem Kunststudium und ihrer Model-Karriere wuchs damals ihre Begeisterung für Fotografie. Aus eigener Erfahrung wusste sie, was gute Fotografie ausmacht und wechselte die Seiten. Sie wurde in kurzer Zeit die Fotografin der Stars und portraitierte internationale Prominente wie zum Beispiel Kevin Costner, Angelina Jolie, Eric Clapton, Warren Beatty, Peter Ustinov, Veronica Ferres, Yoko Ono und viele andere. Auch Gerhard Schröder, Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Joschka Fischer, Boris Becker und viele andere Politiker, Sportler, Schauspieler, Musiker und Industrielle ließen sich von GABO fotografieren. Ihr inzwischen vergriffener Bildband „Big Shots“ (Verlag teNeues) mit Kevin Costner auf dem Titel erschien. Und sie zeigt ihre Werke auf Ausstellungen wie zum Beispiel unter dem Titel „Fame“ im Humboldt Forum in Berlin oder derzeit in der Ausstellung „Female View“ im Museum Schloss Moyland in Bedburg-Hau. Neben der Mode-, Beauty- und Portrait-Fotografie arbeitet GABO auch als Regisseurin für Musikclips und Werbespots. Die gebürtige Hamburgerin lebt heute in der Nähe von Berlin auf dem Land und auf Mallorca. EL AVISO sprach mit ihr über die Besonderheiten ihrer Fotografie und ihrer Portraitierten. EL AVISO: Was macht eine gute Fotografin oder einen guten Fotografen aus? GABO: Das Auge, das Auge und nochmal das Auge! Das hat man, oder auch nicht. Es ist entscheidend, die Schokoladenseite zu erkennen und diese dann in einem Fluss von Mimiken ins rechte Licht zu setzen. Dazu gehört auch ein fabelhaftes Team, das sich gegenseitig die Bälle zuspielt, gutes Catering und eine angenehme Location. Das zu erkennen und zu organisieren, macht einen guten Fotografen aus.

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EA: Gibt es beim Fotografieren von Mann oder Frau und Fotografin oder Fotograf markante Unterschiede? GABO: Frauen werden leider meistens sehr stark geschminkt und gestylt, auf hohe Hacken gestellt und mit Haarextensions versehen. Männer können mehr sie selber bleiben, unrasiert und mit Charakterlicht gesehen. Das finde ich schade, deswegen versuche ich in meinen Portraits auch Frauen authentisch darzustellen und ihre Persönlichkeit zu erhalten. Das Strahlen von innen, die Leidenschaft zu erwecken, Emotionen umzusetzen, nicht nur hübsche flache Bilder ohne Tiefe zu produzieren, das ist mein Anliegen. Egal ob von Mann oder Frau. Hinter der Kamera ist es ziemlich egal, ob Mann oder Frau. Hauptsache kreativ, nett und respektvoll. Frauen fotografieren vielleicht ein bisschen sinnlicher und emotionaler, Männer etwas technischer vielleicht, rationaler in der Vorbereitung. Doch das soll keine Wertung sein. Ich denke auch das in jedem Mann Anteile einer Frau leben und umgekehrt. EA: Sie haben den Ruf, mit Licht zu zaubern. Welche Bedeutung hat Licht für Sie? GABO: Man kann jeden Menschen mit Licht zerstören, oder verschönern. Licht ist fast wie eine Wa e. Dafür sollte man einen Wa enschein haben (lacht). Man denke nur an schlechtes Licht in Fahrstühlen, Umkleidekabinen und Hotel-Badezimmern. Jeder kennt das. Ich arbeite daran, in Zukunft auch zu beraten, wie man das Licht in der richtigen Temperatur und passendem Einfallswinkel in privaten Häusern und Hotels einsetzen kann. Was nützt der tollste Raum, wenn das Licht schlecht gesetzt ist und man sich unwohl fühlt und unschöne Schatten das Gesicht verunstalten. In der Fotografie sehe ich das sofort, wo die Schokoladenseite ist. Ich bin sozusagen eine „Schokoladenseitenfinderin“ (lacht) und weiß, wie ich das Licht individuell anpassen muss.

EA: Wie wichtig ist das Drumherum, sind die Location und die Utensilien? GABO: Die Location ist sehr wichtig, der Mensch soll sich wohlfühlen. Deswegen fotografiere ich ungern in dunklen Studios vor weißer Wand mit zuckenden Blitzen. Ich liebe es, in der Natur mit natürlichem Licht zu arbeiten. Mallorca ist perfekt für meine Shootings. Natürlich ist eine gute Visagistin wichtig und eine TopStylistin, die den Typ des Porträtierenden erkennen und untermalen, nicht in Rüschen und Tamtam ersticken und damit von der wahren Schönheit ablenken.

EA: Sie haben von der Junk-Food-Fotografie gesprochen. Beim Weg von der analogen zur digitalen Fotografie war Ihre Ablehnung zu spüren… GABO: Nein, ich lehne das nicht ab! Auch ich fotografiere längst fast nur noch digital, das ist nicht mehr zeitgemäß ohne, ich wäre raus. Zu langsam, nicht umweltfreundlich. So kann der Kunde mitentscheiden, da alles vor der Entwicklung auf dem Monitor zu sehen ist. Die Uhr kann man nicht zurückdrehen. Die andere Seite ist, durch die guten Handy-Kameras heutzutage, denkt halt jeder, er kann selber fotografieren, Filter drauf und ab in die Miniatur Galerie auf Instagram, in durchrauschende Mosaike aus Bildern, die klein gedacht sind. Das Bild wird kaum noch angehalten, groß gesehen. Überall wird der gute Geschmack und Qualität weggespart. Ich kämpfe dafür – Fotografie ist so etwas Wertvolles!

EA: Gab es Prominente, mit denen Sie nicht arbeiten konnten, oder Unternehmen, für die Sie nicht arbeiten wollten? GABO: Da gab es in 30 Jahren nur drei Prominente, die Namen behalte ich für mich. Ich komme mit fast jedem aus. Ich bin neugierig und beobachte gerne. Ich fotografiere auch gerne Menschen, die nicht bekannt

Boris Becker Muriel Baumeister Axel Milberg Meryem Uzerli

oder berühmt sind. Was Institutionen und Unternehmen angeht, halte ich mich aus der Politik und Kampagnen zum Beispiel für umweltschädliche Chemie-Produkte heraus, auch Kampagnen für Pelz und Massentierhaltung haben bei mir keine Chance. Egal, was die mir zahlen würden, da bin ich nicht käuflich.

Campino

EA: Mindestens zwei Ihrer prominenten Portraitierten kenne ich als oftmals ungenießbar. Wie gehen Sie damit um? GABO: Haha, wer das wohl ist!? … Egal, da macht jeder seine individuelle Erfahrung. Oft sagen mir Bekannte, „was den/die!?, der/die ist doch total Diva, zickig und schwierig“ und ich komme dann super mit denen aus. Und natürlich auch umgekehrt. Da gibt es viele Vorurteile, doch die interessieren mich nicht. Ich gehe vorbehaltslos auf jeden Menschen ein. Mit manchen werde ich nicht so warm wie mit anderen. Das ist wie im wirklichen Leben (lacht).

EA: Sie haben fotografisch das Image beispielsweise von Boris Becker geprägt. Hatten Sie bereits ein Gesamtbild bevor die einzelnen fotografierten Mosaiksteine entstanden? GABO: Boris‘ Bild geprägt? … Naja, ich habe ihn einfach nur als Mann und Mensch gesehen und nicht nur als Tennisspieler, wir hatten gute Momente zusammen, die ich festgehalten habe. In Schwarz-Weiß wie man ihn nicht kannte. Und ich habe einen Frauenblick auf ihn geworfen, den kannte man auch nicht. Ich bereite mich eigentlich vor den Shootings nur wenig auf die Testimonials vor und will einen eigenen Blick riskieren und nicht sehen, was andere rein interpretieren. Mir ist wichtig, unvoreingenommen auf die Person zuzugehen und alles entstehen zu lassen, sie im Moment zu erfassen, nicht im Klischee, ihr gerecht zu werden, sie nicht zu verraten oder in eine falsche Kulisse einzuweben.

EA: Gelingt es Ihnen immer, die Persönlichkeit der oder des Fotografierten zu erfassen? GABO: Ja, ich denke schon.

EA: Sie sind Stammfotografin der Toten Hosen, waren fast sieben Jahre mit Campino zusammen. Beeinflusst das persönliche Verhältnis die Fotografie? GABO: Es ist manchmal nicht leicht, wenn man sich zu gut kennt. Liebt man sogar einen Menschen, kann das Foto nie so perfekt rübergebracht werden, wie dieses Gefühl. Eine Fotografie ist ja am Ende nur ein Moment. Dieser kommt nie wieder zurück. Deswegen finde ich Fotografie auch so wertvoll.

EA: Wen haben Sie besonders gerne fotografiert? GABO: Puhhhh, schwer zu sagen… Barbara Schöneberger zum Beispiel. Sie ist so verrückt, wild und lustig. Ich habe selten so viel gelacht. Kevin Costner, weil er so sexy ist, er hat es knistern lassen. Meryem Uzerli, weil sie auch ohne Make Up so schön ist und in jeder Pose und jedem Licht unverschämt gut aussieht. Ach, eigentlich habe ich sehr viele meiner „Opfer“ (lacht), sehr gerne fotografiert. Ich finde an jedem etwas, wegen dessen ich ihn und sie gerne abbilde.

EA: Vor Ihrer Fotografen-Karriere waren Sie ein halbes Jahr lang mit David Bowie zusammen, Helmut Newton wollte Sie dann als Model doch nicht fotografieren, weil sie beim Casting ihren nackten Oberkörper nicht vor allen zeigen wollten. Gibt für Sie im Rückblick so etwas wie verpasste Chancen? GABO: Nein. Ich bereue nichts und habe aus jeder Erfahrung gelernt und etwas mit nach Hause genommen. David Bowie schickte mich von Sidney zurück nach Hause nach Hamburg zu meinem sterbenden Vater. Er meinte, es sei so wichtig, dass ich ihn die letzte Zeit auf Erden begleite. Er hatte Recht. Danach bin ich nicht wieder zurück nach Sidney geflogen. Es war für mich wichtig, meinen Weg zu gehen und nicht Anhängsel eines Stars zu sein. Die Erfahrung mit Newton hat mich gelehrt, es anders zu machen, anders mit Menschen umzugehen. Und aus Fehlern der anderen habe ich viel gelernt, was meine Fotografie anbelangt!

EA: Sie leben bei Berlin und sind seit vielen Jahren regelmäßig auf Mallorca, suchen gerade ein neues Haus zu mieten oder zu kaufen. Was ist für Sie das Besondere an der Insel? GABO: Ich habe fast 13 Jahre ganz auf Mallorca gelebt. Ohne die Insel geht es kaum noch. Sie ist mein Zuhause. Ich suche ab Oktober ein Haus, in dem ich autark leben kann. Wild romantisch, wo ich auch gut fotografieren kann. Ich liebe Patina, das mallorquinisch Urige. Den Geruch von wildem Fenchel, die Geräusche der SchafsGlocken, die Mandelblüte, die Märkte, die kühlen Kloster, das Licht, das Meer, einfach alles. Ich kenne natürlich auch die Schattenseiten. Denn wo Licht ist, ist auch Schatten, wie in der Fotografie… Wenn ich kein Haus zum Kaufen finde, denke ich an Housesitting über den Winter, Häusertausch oder mieten. Den kommenden Winter will ich unbedingt auf der Insel verbringen.

Die Toten Hosen

Kevin Costner

EA: Haben Sie einen Traum, den Sie gerne verwirklichen würden? GABO: Komplett autark zu sein, Windenergie, Solar, eigene Wasserquelle und Gemüse selber anbauen… und mit Eseln, Pferden und Hunden, im Einklang mit der Natur leben.

 Das Gespräch führte Frank Heinrich

Mehr zu GABO: www.gabo-photos.com instagram: gabo_photos

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