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Die Gärten von Alfabia
Dort, wo Touristen durch die grünen Laubengänge schlendern, tobte einst Cristina mit ihren acht Geschwistern über das Gelände. „Jeden Sonnabend kamen wir mit unserem Vater hierher und während er nach dem Rechten sah, konnten wir spielen und herumrennen.“ Cristina Zaforteza kennt in den berühmten Jardines de Alfabia jeden Stein, jede Pflanze. Nicht nur, weil sie in ihrer Kindheit auf dem Familiengut unbeschwerte Sommer verbrachte, bevor es ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen wurde. Sie ist seit 2009 Generalbevollmächtigte für dieses Anwesen und hält als Managerin alle Fäden in der Hand. Für El Aviso nahm sie sich die Zeit und spazierte mit uns über das weitläufige Gelände. Als Landwirtschaft noch Wohlstand brachte „Die Landgüter waren in früheren Jahrhunderten die wirtschaftliche Triebkraft der Insel, das Vermögen wurde mit der Landwirtschaft gemacht“, sagt Cristina. Die herrschaftlichen Familien lebten in den Städten und kamen nur im Sommer auf ihren Landsitz. Für den reibungslosen Ablauf auf dem Gut sorgte der Verwalter. Cristinas Vorfahren profitierten von dem landwirtschaftlichen Reichtum der Possesiò, die seit fast 800 Jahren im Familienbesitz ist. Aber dann kam alles anders. „In den 1960er Jahren begann der Massentourismus und das Land im Inneren der Insel war nichts mehr wert. Jetzt waren es die Grundstücke an der Küste, die das Geld und neuen Wohlstand brachten“, erklärt Christina. Wie aber erhält man das Erbe von so vielen Generationen? „In den 1970er Jahren entschied der Onkel meines Vaters, Alfabia gänzlich für Touristen zu öffnen.“ So blieb das Anwesen erhalten, es blüht und trägt Früchte im wahrsten wie im übertragenen Sinne. Gartenkunst mit Wasserspielen Die Platanen-Allee, die hinauf führt zu dem zentralen Gebäudekomplex, ist ein romantisches Kleinod. Überhaupt ist die gesamte Gartenanlage rund um das Haus eine malerische Landschaft aus Bäumen und Pflanzen. Von Künstlerhand angelegt und in Jahrhunderten gewachsen, kamen immer neue Attraktionen hinzu. Dort der 470 Jahre alte Blauregen, der sich um eine Pinie rankt und im Mai seine üppige Blütenpracht entfaltet. An anderer Stelle als jüngster Zuwachs ein kleines Sonnenblumenfeld. Dawzwischen das „Gärtchen der Königin“ (Jardinet de la Reina) mit den hübschen Seerosen, das anlässlich des Aufenthalts von Königin Isabella II. von Spanien eingerichtet wurde, und eine Bougainvillea, die zwar erst vor 20 Jahren gepflanzt wurde, aber auf beeindruckende Weise in die Höhe geschossen ist. Liebstes Fotomotiv bleibt wohl der Blick durch das geschwungene Fenster in das überdachte Wasserbassin und die dahinterliegende Baumlandschaft. Je nach Tageszeit und Lichteinfall verändern sich die Wasserspiegelungen und lassen das Ensemble wie ein lebendiges Gemälde wirken. Hautnah spürbar wird die Frische bei einem Gang durch die Pergola, eines der Highlights in den Jardines de Alfabia. Das dichte Blätterdach des über 200jährigen Blauregens ruht auf 72 Säulen, und zu deren Füßen warten 24 Wasserspeier auf ihren Einsatz. Auf einen Knopfdruck hin sprühen bogenförmige Fontänen ihr kühles Nass so
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in den Gang, dass sich die Wasserstrahlen kreuzen. Ein herrlicher Anblick und eine Erfrischung für Flaneure, die gerade – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – den Gang durchschreiten. Nachhaltigkeit ist oberstes Gebot Angetrieben wird das Wasserspiel nicht durch eine Pumpe, sondern vom natürlichen Fluss einer Bergquelle. Das aus der Tramuntana ins Tal fließende Wasser folgt dem vor Generationen angelegten Bewässerungssystem, Wie man ein Paradies das ober- und unterirdisch das Gelände durchspült. „Jeder Tropfen wird genutzt, nichts geht hier verloren“, am Leben hält betont Cristina Zaforteza. Selbst aus den Kräutern, die in den Gärten wachsen, werden in der Destillerie vor Ort ätherische Öle gewonnen, die auch zum Verkauf stehen. Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema für Alfabia. „Wir verwenden ausschließlich organischen Alfabia, die wunderbaren Gärten am Fuße der Tramuntana, Dünger und außer den Eintrittskarten werden Sie hier umfangen die Besucher mit Kostbarkeiten, die im heißen keine Papierprodukte finden.“ Die Broschüre für die August zählen: Schattenspendende Bäume und plätscherndes Parkführung können sich Besucher per QR-Code auf ihr Wasser. Ein Spaziergang mit Cristina Zaforteza, deren Handy laden. Diese Vorbildrolle belohnte die Balearische Regierung mit einem Preis. „Bei der ‚La Nit del Turisme‘ Familie das Anwesen seit fast 800 Jahren gehört. 2021 wurden wir als beste Balearische Initiative für nachhaltigen Tourismus ausgezeichnet.“ Dank an Allah für das Paradies Laut den historischen Aufzeichnungen gab es das Gut Alfabia bereits, als 1229 Jaime I. die Insel Mallorca von den Arabern eroberte. Ben-Abet hieß der damalige Besitzer, der zum Christentum konvertierte, den König unterstützte und sowohl seinen Besitz als auch seine Privilegien behalten durfte. Seither, also seit 793 Jahren, wird Alfabia in der immer weiter sich verzweigenden Familie von einer Generation an die nächste vererbt. Von den arabischen Wurzeln Alfabias blieb der Name – „Alle Namen, die mit Al beginnen, sind arabischen Ursprungs“, erklärt Cristina – und die kunstvoll verzierte Kassettendecke im Torbogen des Eingangsbereichs. In das Eichenholz sind Arabesken und Wappen der arabischen Familien eingelassen, die auf der Finca wohnten. Vor allem aber sind fromme Sprüche eingearbeitet. Allah wird ausschweifend gedankt für die Schaffung des kleinen Paradieses am Fuße des Gebirges. Niemand muss sich jedoch den Hals verrenken, um die Pracht des hölzernen Himmels zu betrachten. Sinnigerweise ist seitwärts ein Spiegel aufgestellt, in dem man die Details studieren kann. „Der Aufbau der mallorquinischen Possessions ist übrigens ist immer gleich“, weiß Cristina. „Was ist in einem warmen Land am kostbarsten? Wasser und Schatten. Daher gibt es stets wie hier einen Innenhof (clastra), einen Brunnen in der Mitte und einen großen Baum. Rundherum sind das Haupthaus, die Familienkapelle, das Haus des Gutsverwalters sowie Ställe angeordnet.“ Gründerurkunde in der Bibliothek Die köstliche Erfrischung, die Besucher beim Rundgang durch die Parkanlage verspüren, zieht in Form eines herrlichen Luftzugs auch durch die Räume des Hauses.
Die mit wertvollen Büchern überladene Bibliothek, der große Saal, dessen Wände komplett mit Zungenstoffen überzogen sind, das Schlafzimmer der Königin Isabella II. und ein geschnitzter Holzstuhl aus dem 15. Jahrhundert, auf dessen Rückenlehne Tristan und Isolde beim Schachspielen dargestellt sind, bilden nur einige der bestaunenswerten Details im Herrenhaus. Überall atmet das Gebäude die reiche Historie des Familienbesitzes, von der Urkunde aus dem 13. Jahrhundert, mit der Jaime I. dem Königreich Mallorca bestimmte Rechte und Privilegien verlieh, bis hin zum weitverzweigten Stammbaum der Besitzer Alfabias. Im Nebengelass, das vom Innenhof aus zu erreichen ist, befindet sich eine für alte Zeiten gigantische Ölmühle. „Alfabia war im 18. Jahrhundert der größte Produzent von Olivenöl auf der Insel“, erläutert Cristina Zaforteza. Auf ihrem Handy zeigt sie einen Ausschnitt aus einem Film der 1920er Jahre, in dem Landarbeiterinnen und -arbeiter auf das Anwesen strömen. „So viele Helfer wurden damals noch gebraucht für die Olivenernte.“ Feiern bis in die Morgenstunden Im ehemaligen Bootshaus des Anwesens ist heute eine Bar-Cafeteria untergebracht, auf dessen Terrasse man wunderbar im Schatten sitzt mit Blick auf einen kleinen Teich und die Rückseite des Herrschaftshauses mit der gewundenen Treppe. „Nachts“, sagt Cristina und umschließt mit einer Handbewegung den unteren, ebenerdigen Teil der Gärten um die Cafeteria herum, „kann hier alles magisch beleuchtet werden.“ Dieses Vergnügen genießen die Gäste von besonderen Events, denn seit fünf Jahren lässt sich das gesamte Anwesen für Hochzeiten oder Firmenfeiern mieten. Für die Managerin und ihre Crew eine besondere Herausforderung, wenn ihre Landsleute hier Party machen. „Spanische Hochzeiten dauern schon mal bis 6 Uhr morgens und bis zur regulären Öffnungszeit um 9.30 Uhr muss alles wieder für die Tagesgäste hergerichtet werden.“ Am nächsten Morgen spazieren die Besucher durch die Stille der kühlen Alleen und Pergolas, als wäre nichts gewesen. Denn dieser Ort – egal was er in den vergangenen 800 Jahren schon alles erlebt und gesehen hat – blüht an jedem Tag wieder neu auf. Wer übrigens nicht mit dem Auto vorfahren möchte, kann den Zug nehmen. Die Gärten von Alfabia haben eine eigene Haltestelle für den „Roten Blitz“, der zwischen Palma und Sóller verkehrt.
Jardines de Alfabia bei Bunyola (kurz vor dem Tunnel) Täglich 9.30-18.30 Uhr Eintritt 8 Euro, Kinder unter 10 Jahren freier Eintritt Tel.: 971 613 123 www.jardinesdealfabia.com
Christiane Sternberg Fotos: Marcos Gittis