5 minute read

Calabruix: Woher kommen die

Next Article
Lesezeit

Lesezeit

Eine Handwerkerin

für Teufel und Mönche

Advertisement

An ihrer Nähmaschine entstehen Dimoni-Kostüme, in ihrer Werkstatt die selten gewordenen Herrenstühle mit Ledersitz. Ana García Valera (47) hält mit ihrer Marke „Calabruix“ ein 135-jähriges Traditionsunternehmen am Leben und verführt in ihrem Laden in Manacor zum Stöbern.

Wenn andere zum Jahreswechsel in den geschäftlichen Winterschlaf verfallen, fängt Ana García Valera erst richtig an zu rotieren. Ihre Nähmaschine rattert ununterbrochen, um alle Wünsche abzuarbeiten. Dutzende Kostüme für kleine und große Dimoni (Teufel) hängen in ihrer Nähwerkstatt. „Bis Sant Antoni nehme ich gar keine anderen Aufträge mehr an“, erzählt sie und beugt sich wieder über den Stoff. Das verrückte Fest, bei dem die Teufel versuchen, Sant Antonio, den Heiligen der Tiere, vom tugendhaften Wege abzubringen, wird vor allem in Manacor, Sa Pobla und Artá gefeiert. Die verkleideten Dimoni mit ihren Masken tanzen traditionell in der Nacht vom 16. zum 17. Januar um die Scheiterhaufen, die in den Straßen brennen. „Jeder Ort hat seine eigenen Muster und Farben für die Kostüme“, erklärt Ana. In Artá sind die Teufelskleider schwarz, in Petra rot. In ihrer Heimatstadt Manacor dominiert ein beige-bräunlicher Stoff, der mit Mustern, Skeletten und Teufelsfratzen verziert wird. Seit November sitzt Ana García über den Näharbeiten. Die Kundschaft bringt alte, verschlissene Kostüme, um sie originalgetreu kopieren zu lassen, oder gibt neue in Auftrag. Bei einem Schulwettbewerb wurden die schönsten Bilder prämiert und erscheinen nun als Design auf Dimonio-Kostümen für die Kinder. „Seit zehn Jahren mache ich das schon“, sagt sie. „Es gab damals niemand, der das in die Hand nahm, also fing ich damit an.“ In Manacor ist sie die einzige, die die Kostüme mit den handgemalten Mustern herstellt.

Liebe für lokales Handwerk Ana García Valera liebt mallorquinische Traditionen und Handarbeit. Die Kombination daraus ist ein Glücksfall für ihre Kundschaft. Denn in ihrem Geschäft mit dem integrierten Nähstübchen sind Produkte versammelt, die das Brauchtum der Insel hochhalten. Lokales Handwerk findet sich hier in Form von geflochtenen Körben aus Capdepera, Tongefäßen aus Portól, Messern aus Sa Pobla oder selbst entworfenen DimoniFiguren, die sie von Siurells-Herstellern fertigen lässt. „Alle Materialen sind aus der Gegend, sogar das Garn kaufe ich in Manacor. Leider muss ich das Leder vom Festland importieren, denn die Lederproduktion in Inca wurde schon längst eingestellt.“

Rettung einer Lederwerkstatt Ana hat ein großes Erbe angetreten, als sie sich vor zwanzig Jahren entschloss, ein bedeutendes Traditionsunternehmen aus Manacor zu übernehmen. Der Lederhandwerker Guillem Santandreu hatte 1887 eine Werkstatt gegründet, die unter dem Namen „Can Babalei“ bekannt wurde. Es begann mit der Herstellung von Schuhen, später kamen Sättel und Gürtel hinzu. Die dritte Generation spezialisierte sich auf die Herstellung von Stühlen. Aus dieser Produktionsstätte stammen sogar die Sessel für das Rathaus von Palma und für den Plenarsaal des Rathauses von Inca. Vom letzten Inhaber aus der Familiendynastie kaufte Ana García die Werkstatt. „Eigentlich bin ich ja Krankenpflegerin, aber diese Lederarbeiten haben mich fasziniert.“ Von blühenden Geschäften war da schon nicht mehr die Rede. In den Hochzeiten hatten bei Can Babalei 18 Leute gearbeitet, bei der Übernahme war es nur noch einer. „Die Arbeit ist immer weniger geworden. Das Material war für die Herstellung von Möbeln nicht mehr so gefragt.“ Im Jahr 2006 zog Ana mit ihrer Werkstatt zum Passeig d'Antoni Maura um und richtete sich in einem typisch mallorquinischen Haus in Na Camel•la, im alten Stadtteil von Manacor ein. „Genau wie die Generationen der Gründerfamilie erweitere ich die Produktpalette. Bei mir ist eben zur Werkstatt noch ein Laden hinzugekommen.“ Den Namen „Calabruix“ (Hagel) hat Ana nicht nach Bedeutung, sondern nach dem Klang des Wortes in Mallorquin ausgewählt. Selbst in solchen Details zeigt sich ihre Leidenschaft für die reichen Traditionen der Insel.

Sessel wie für’s Herrenzimmer Ana ist inzwischen die einzige auf den Balearen und eine der wenigen in ganz Spanien, die noch „Mönchssessel“ herstellen kann. Dieser sillón frailero ist ein

Holzsessel mit einer ledernen Sitzfläche und Rückenlehne und runden Metallnieten. Genannt wird er so, weil man ihn ursprünglich in Klöstern verwendete, aber er wurde Teil des spanischen Mobiliars des 16. Jahrhunderts und zu einem der charakteristischsten Möbelstücke des Landes. Ana bedient von Hand die alten Maschinen, mit denen sie das dicke Leder schneidet, die Wappen einprägt und mit wuchtigen Nieten am Holz befestigt. Ein Beispiel für so einen sillón frailero, der anmutet wie ein Sessel für ein klassisches Herrenzimmer, steht im Patio, gleich neben der Presse und der Sammlung von geschnitzten Vorlagen für die Prägungen. Rundum sind die Werkstatträume angeordnet, in denen Ana die dicken Lederhäute zuschneidet und weiterverarbeitet. „Ich bin spezialisiert auf starkes Leder, nicht auf die feinen Ledersorten, die von Polsterern benutzt werden. Für die Arbeit mit dickem Leder braucht man viel Kraft, aber ich mag Herausforderungen.“ In ihrem Auftragsbuch, einer mit ihrer kleinen Handschrift vollgeschriebenen Kladde, sammeln sich die Wünsche der Kunden für Neuanfertigungen oder Restaurierungen. Große Stühle fertigt sie heutzutage nur noch selten, dafür aber lederbespannte Hocker, Gürtel, Taschen und Brummtöpfe, ximbombas, in sämtlichen Größen, die gerade jetzt zu Sant Antoni Konjunktur haben. Jeder von ihnen hat einen anderen Klang, je nach Größe und Lederbespannung mit oder ohne Ziegenfell.

Ehrenvolles Gütesiegel Der Laden „Calabruix“ ist als emblematisches Geschäft Mallorcas gelistet. Ana selbst sieht sich als Kunsthandwerkerin. „Einen Titel habe ich nicht. Vor fünfzehn Jahren wollte ich für die Herstellung der Ledersessel eine Prüfung ablegen, aber einer aus der Zunft hat mich kritisiert, dabei war er Gürtelmacher und hatte gar keine Ahnung von meiner Arbeit.“ Sie fühlte sich falsch bewertet und hat seither nicht mehr versucht, die Urkunde zu erwerben. Aber wozu braucht es ein Zertifikat, wenn die Meisterstücke für sich sprechen? Ana hält eine Tradition am Leben, die ohne sie auf der Insel schon längst ausgestorben wäre. Das allein ist ein ehrenvolles Gütesiegel.

Calabruix Passeig d'Antoni Maura, 71, Manacor Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-13 Uhr und 17.30-20 Uhr, Sa 10-13 Uhr

 Christiane Sternberg, Fotos: Marcos Gittis

Wer die Brummtöpfe …

… aus der Werkstatt von Anna live und in Aktion erleben möchte, der sollte sich aufmachen zum bunten Treiben beim Fest zu Sant Antoni am 16. Januar in Manacor. Bei Redaktionsschluss stand allerdings noch nicht fest, ob die Feierlichkeiten zum Sant-Antoni-Fest 2022 tatsächlich stattfinden dürfen.

This article is from: