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Rätsel & mehr

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Zwei Kontrahenten

Aus dem Roman “Wie viel ist ein Leben wert?”

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von Ralph D. Wienrich

Neben Konzernchef Hubertus Mühle gab es nur noch ein überdimensionales “Nichts“. Unangefochten und niemals in Frage gestellt regierte er nun schon über 15 Jahre vom ´Vorhof zur Hölle`, wie die Konzernführungsetage im dreiundzwanzigsten Stock von Deutschlands Pharmariesen auch respektlos genannt wurde. Diese ihn so berauschende Machtfülle stand ihm, nur ihm zu, so sah er es, selbstgerecht wie selbstbewusst. Dieser Erfolg stand für Anspruch und Bestätigung und bildete das gewaltige Fundament, auf dem seine imponierende, erdrückende Macht gründete.

Keiner mochte ihn Die von ihm kontinuierlich eingefahrenen Rekord Milliarden füllten zuverlässig die Schatullen von Aufsichtsräten und Aktionären. Sichtbarer Beweis eines hervorragend funktionierenden Managements. Kategorisch wie selbstbewusst postulierte Hubertus Mühle für alle, die es wissen oder auch nicht wissen wollten: “An mir kommt im Konzern niemand vorbei“ und, auch das sagte er: “Der Erfolg bedingt immer auch eine verträgliche wie zumutbare Gnadenlosigkeit.” Für die Herren im ovalen Rund mitunter eine frustrierende Tatsache, aber die unanständig hohen Profi te wirkten verlässlich wie Balsam auf die mitunter strapazierten Seelen der gewichtigen deutschen Wirtschaftslenker, die allesamt in deutschen Landen beachtliche Machtfaktoren waren. Den Machtmenschen Mühle zu ertragen ließ, mitunter verhalten, Grenzen der Toleranz aufscheinen. Kurz: Eigentlich mochten sie ihn alle nicht! An der ihm o enbar angeborenen Brutalität allerdings traute sich keiner so recht vorbei. Zu viele waren hier schon gescheitert und frustriert auf der Strecke geblieben. Das wussten alle im Leitungsgremium, das spürte bisweilen jeder Einzelne. Jeder für sich genommen auch als Machtmensch unterwegs. Auch ein so Mächtiger im Aufsichtsrat wie der Bankier Konsul Baumgarten, dem der Pharmaboss mittlerweile zu selbstherrlich, zu abgehoben, zu rücksichtslos, ja mitunter auch zu proletenhaft den Konzern regierte. Gewinne hin oder her!

Die 13 brachte ihm kein Glück Und so geriet zu Beginn des Jahres der Pharmamed Aufsichtsrat zu jener unromantischen ´Lichtung`, auf der die beiden Platzhirsche, Mühle und Baumgarten – der eine bewegte und schöpfte Milliarden, der andere besaß sie – erstmals spektakulär ihre Muskeln spielen ließen. Stein des Anstoßes war der Tagesordnungspunkt 13. Ausgerechnet die 13, Hubertus Mühles Glückszahl! Sie war es, die dem Pharmaboss unverho t wie brutal die Laune verdarb und ihm alternativlos, erstmals überhaupt, Grenzen im Konzern aufzeigte. Es ging um China. Für den liberal-konservativen Banker nach wie vor ein mit viel Misstrauen befrachtetes Reizwort. Punkt 13 sah, zum Verdruss des Konsuls, die beträchtliche Pharmamed Beteiligung von 5,4 Milliarden Euro an dem größten Elektrokonzern Chinas vor. “Da wir alle Geld verdienen wollen, engagieren wir uns mal im Reich der Mitte”, fuhr Hubertus Mühle routinemäßig wie selbstherrlich in der Tagesordnung fort. “Nein, Herr Vorsitzender, Punkt 13 bedarf der Diskussion“, meldete unerwartet der Konsul, erstmals im Aufsichtsrat überhaupt, seinen Einspruch an. Mühle entgleisten für den Moment die Gesichtszüge. Langsam, mit bösartig lauerndem Blick, wandte er sich dem Opponenten zu, wobei er seinen kahlrasierten Schädel aggressiv in Stellung brachte: “Wie bitte, höre ich richtig, eine Provokation, Zweifel gar an den Fähigkeiten des bisher so Erfolgreichen, der Euch allesamt bisher die Taschen vollgestopft hat, Konsul Baumgarten?” Hubertus Mühle beugte wie in Zeitlupe seinen Oberkörper nach vorn. Er lag jetzt nahezu fl ach auf dem polierten Konferenztisch und fi xierte feindselig den Bankier: “Sie wollen mich in Schwierigkeiten bringen, Konsul? Was für Mätzchen sind das denn?” Überheblich schwang Mühle sich in seinen Sessel zurück: “Das können Sie doch überhaupt nicht. Zählen Sie doch nur mal Ihre Aktien durch und Sie wissen Bescheid!“ Verächtlich beförderte er, wie zur Bekräftigung dieser Kampfansage, respektlos seinen goldenen Montblanc Kugelschreiber in die Richtung des Konsuls, der freundlich lächelnd das kostspielige Schreibgerät unbeeindruckt kassierte und einsteckte. Atemlose Stille herrschte im Rund der deutschen Wirtschaftsmanager.

Die Kriegsansage Mit einem maliziösen Lächeln fi xierte Baumgarten jetzt den Vorstandsvorsitzenden, der mit vor Staunen o enem Mund die einnehmende Geste des Konsuls widerspruchslos verfolgt hatte. “Sie wollen Krieg, Dr. Mühle?” Es war ein vornehm aggressives Flüstern. Dann beugte sich der Banker leicht nach rechts und angelte bedächtig ein Dokument aus seinem italienischen Aktenko er, der aus feinstem Leder gefertigt war, überfl og es aufreizend langsam, bevor er es dann Hubertus Mühle mit dem verheerenden Satz genüsslich um die Ohren schlug: “Die Baumgartenbank und ich verfügen aktuell über eine Sperrminorität bei Pharmamed. Sie kommen künftig bei derartigen Investitionen nicht mehr an mir und meiner Bank vorbei, Herr Doktor Mühle.” In die augenblicklich herrschende atemlose Stille hinein formulierte der Konsul auf seine unnachahmlich,vornehme aristokratische Art die eigentliche Kriegserklärung: ”Sie sind, verehrter Dr. Mühle, wenn Sie mir diese Feststellung erlauben, nicht mehr uneingeschränkter Herrscher in diesem Konzern.” Und wie der Bankier sich mit einem verbindlichen Lächeln in seinen Sessel zurücklehnte, nickte er Mühle jovial zu: “Auf eine bessere Zusammenarbeit Herr Vorsitzender.” Hubertus Mühle überschritt gerade seinen Siedepunkt...

Fortsetzung folgt ...

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